108 Kaiserin gewannen die Blauen die Oberhand und fünf Jahre hindurch wütheten sie ungestraft niit Mord, Plünderung und zügelloser Willkür gegen die Grünen. Bei Gelegenheit einer heftigen Feuersbrunst ries das schwergereizte Volk einen Gegenkaiser aus. Justinian war im Begriffe, sich durch die Flucht zu retten, als es der entschlossenen Theodora gelang, den Feldherrn Belisar zu vermögen, mit 3000 Veteranen aufzutreten und den Aufruhr zu beschwichtigen. 30,000 Menschen sanken unter den Schwertern der Soldaten; der Gegenkatser und mehrere Große starben auf dem Schaffot. Theodora konnte wieder nach Willkür herrschen, ihr Gemahl seinen bishe¬ rigen Neigungen leben. Das Volk wurde mit Abgaben gedrückt, Armuth und Elend herrschte allenthalben, der Kaiser ließ prächtige Paläste bauen, auf Processionen und Wettrennen wurden Millionen verschwendet und obendrein kostspielige Kriege in allen Theilen und an den Grenzen oes Reiches unternommen. Sein Plan ging dahin, die verloren gegangenen Provinzen des weströmischen Reiches zu erobern und so das alte römische Reich in seiner ganzen Ausdehnung wieder herzustellen. Nachdem der edle, tapfere Feldherr Belisar dem Vandalenreich in Afrika ein Ende gemacht hatte (534), wurde er nach Italien gesandt, um die Ostgothen zu vernichten. Amalasuntha's Tod gab dazu den willkom¬ menen Vorwand. Sicilien wurde rasch erobert, und Rom genommen. Die kleine Besatzung zog zu einem Thore hinaus, während Belisar durch das andere seinen Einzug in der alten Weltstadt hielt. Ein Jahr lang vertheidigte der große. Heerführer die Mauern Roms gegen den, nach Thco- dat's Ermordung erwählten Ostgothenkönig Vitiges mit dem größten Heldenmnth und einer bewundernswürdigen Geschicklichkeit. Belisar's Ge¬ heimschreiber Procopins, welcher seine Feldzüge beschrieb, schildert diese Belagerung als ein Wunder der Kriegskunst in Angriff und Vertheidigung. „Als Vitiges die Anstalten zum Sturm traf, ließ er hölzerne Thürme fertigen, so hoch wie die Mauer, mit Rädern unter den vier Ecken, um von Ochsen fortgczogen zu werden, sodann eine Menge Sturmleitern und vier Mauerbrecher, die man Widder nennt; ferner Faschinen und Rohr¬ bündel, damit die Gräben auszufüllen, in großer Zahl. Belisar dagegen stellte auf den Mauern Geschütz auf; nämlich Balisten, womit man mit Gewalt Pfeile abschleudert, und eine andere Art Wurfmaschine, Onager- genannt, womit man wie mit Schlendern Steine wirft. Am achtzehnten Tage rückten die Gothen gegen die Mauern heran. Als die Römer die Anstalten sahen, erschraken sie; Belisar aber lachte und ließ sie immer näher kommen. Die Römer murrten, daß er dem Feinde nicht Einhalt thüe. Schon waren dieselben nahe an dem Graben, als der Feldherr selbst den Bogen ergriff und mit dem ersten Schuß dem Vordersten den Hals durchbohrte. Lauter Jubel erscholl von allen Seiten auf der Mauer. Belisar ergriff einen zweiten Pfeil, schoß und traf wie das erste Mal. Da erhob sich ein noch lauterer Jubel zu den Lüften, als wäre der Feind