376 Wer, Gutes wollend, männlich beharrt im Sinn, Kein Bürgeraufruhr, Böses Verlangender, Kein grimmes Droh'n im Herrscherantlitz Rückt ihm den felsigen Muth, noch Auster!*) Deß Macht die Abgründ' Adria's wild empört, Noch Zeus des donnerstrahlenden großer Arm; Zerschellet hoch des Aethers Wölbung, Schreckenlos steht er, umkracht von Trümmern. Durch solchen Geist hat Pollux und Herkules, Der Erdumwanderer, Aetherpaläst' erstrebt. Zu welchen hingelehnt Augustus Nektar mit purpurnem Munde schlürfet. Innig und lieblich singt er das Lob des Dichters in der Epistel an Augustus: Früh schon bildet der Dichter des zarten, stammelnden Knaben Mund, und wendet das Ohr ihm weg von der Rede des Pöbels. Bald wirkt mächtig er ein auf's Herz durch freundliche Lehren, Störrigen Sinn umwandelnd, und Zorn austilgend und Mißgunst. Edele Thaten erzählt er und stellet den Folgegeschlechtern Leuchtendes Beispiel auf, Schwermüthige tröstend und Arme. Wer wohl lehrte den Knaben und rein aufblühenden Jnngfrau'n Fromme Gebete, wofern nicht schenkte den Dichter die Muse? Rettung flehet der Chor und fühlet die nahende Gottheit, Himmlische Fluthen erwirkt sein Lied, das ihn lehrte der Dichter, Krankheit wendet er ab und verscheuchet das drohende Unheil, Schaffet des Friedens Genuß und mit Früchten gesegnete Jahre. Himmlische sühnet der Weihegesang, und sühnet die Manen." O vid ins Naso, feingebildet, geistreich, schwungvoll, aber leichtfer¬ tigen Wesens, war ein Lieblingsdichter der vornehmen Römer. Seine Heroiden, seine Metamorphosen, voll lebendiger Phantasie und an- muthiger Darstellung, sind von jeher als vollendet in ihrer Art bewundert worden. Die Tristien oder Klagelieder stammen aus der Zeit seiner Verbannung aus Rom und geben, so schön und poetisch die Klage klingt, dennoch Zeugniß von der Entnervung und der weichlichen Verwöhnung des Gemüthes, welche die Einbildung förderte, daß nur das Leben in dem Glanze der Hauptstadt ein Leben zu nennen sei. „Ruf' ich das traurige Bild mir der Nacht, in der ich die Mauern Rom s und Alles in ihm, alles mir Theure verließ —" heißt es in dem kläglichen Abschiedsgesang, der mehr wie eine Bittschrift als ein Gedicht klingt. •') Ein gefährlicher Südwind im adriatischen Meer.