202 Zweiter Zeitraum. kriegerische Tapferkeit, keine edlere Thatkraft, als die, das Vaterland mit seiner Faust zu beschützen. Alle andern Bewohner eines Reiches — die Geist¬ lichen ausgenommen, welche sich bald emporschwan¬ gen,— waren verachtete Knech te. Erst spat konnte man in Deutschland und andern nachbarlichen Ländern begreifen, daß auch andere bürgerliche Tugenden, ge¬ meinnützliche Erfindungen, Wissenschaften, Künste und Handwerke, ehrwürdige Vorzüge verleihen. Zwar gewahrten zu jener Zeit die Adelsvorrechte in manchem Falle Gewinn, aber die Nachtheile derselben für die allgemeine Wohlfahrt waren dennoch überwiegend. Größtentheils herrschte der Edelmann mit grausamer Strenge über den Nichtadeligen; dann aber wurden in diesem und dem folgenden Zeiträume die Edelleute neben den Geistlichen auch zu übermächtig. Alle, die zum hohen oder niedern Adel gehörten, eigneten sich die Gewalt an, ihre Zwistigkeiten unter einander mit den Waffen in der Hand zu entscheiden. Einer übte gegen den andern, oft in Verbindung mit Mehreren, die grö߬ ten Feindseligkeiten aus. Da gab es immerwährende kleine Kriege, die man Fehden nannte; und diese Fehden, diese ewigen innern Unordnungen, erscheinen als Ursache der Ohnmacht jener Reiche und der Sitten¬ rohheit ihrer Bewohner zugleich. Der Landesherrscher verlor durch seine, nach und nach zu mächtig geworde¬ nen, Lehens - und Edelleute sein Ansehn, und konnte es ihnen nicht einmal wehren, ihr Vaterland in den Ab¬ grund des Elends zu stürzen; außerdem bekümmerten sich jene Mächtigen nicht um die bestehenden Gesetze, sondern setzten nur ihr Glück darin, sich von der Ober¬ herrschaft des Landesherrn frei zu machen. Der Lehens-