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Erster Zeitraum.
beten die fremden wilden Völker, welche sammtlich
Feinde der Christen waren, und bisher im Dunkel des
Unglaubens und der rohesten Unwissenheit gelebt hat¬
ten, der guten Sache unbeschreiblich.
Die Christen durften unter den fremden barbari¬
rischen Siegern anfangs ihrer Religion kaum geden¬
ken; hernach nahmen zwar die Fremdlinge selbst all¬
malig den Glauben der Besiegten an, aber man kann
wo! denken, welcher unwürdige Geist bei ihnen, den
kriegerischen Barbaren, in der Annahme walten mußte.
Zudem hatte Aberglaube und Misverstand schon den
Sinn dieser freundlichen Religion entstellt; nun kömmt
noch Unwißenheit und Wildheit hinzu: ganze Lander
waren das Eigenthum roher Völker geworden, das
Unglück der Bewohner war unbeschreiblich groß, und
die allgemeine Muthlosigkeit ließ zu keinen Maaß-
regeln und Mitteln zur Verbesserung gelangen. Wenn
auch einmal ein würdiger Mann lehrte, so fand er kei¬
ne Empfänglichkeit; die Geistlichen waren so trage
und unwissend, daß ste zu nichts besserm zu bringen
waren, als daß sie bei den nothwendigsten, äußern Ge¬
bräuchen der Gottesverehrung Dienste verrichteten.
Zustand der christlichen Geistlichkeit.
Der traurige Zustand, worin die Menschen
schmachteten, wurde jetzt auch noch durch die große
Macht der Geistlichen vermehrt: sie war den
Fortschreiten des Verstandes höchst schädlich; man ließ
die Menschen gern in Unwissenheit und irrigen Reli-
gions r Begriffen, um sie desto sicherer zu beherrschen.
Der Grund dieser Macht war ein Schein von Gelehr¬
samkeit, welchen die Geistlichen sich zu geben wußten;
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