656 XI. Die Römer. 3. Rückkehr des Marius nach Rom. Cinna. 87—84. Während die Ehre der römischen Waffen im Osten gerettet wurde, hatte die Marianische Partei aufs Neue sich erhoben, die Macht an sich gerissen, und Sulla war geächtet. Denn Cinna, der von den Demo¬ kraten erwählte Consul, den Sulla durch heilige Eidschwüre vergebens zu binden sich bemüht, hatte nur gewartet, bis Sulla mit dem Heere nach Griechenland abgegangen war, um die Pläne seiner Partei wieder aufzunehmen. Das Losungswort war, Gleichheit der Rechte aller Bür¬ ger, oder gleichmäßige Vertheilung der neuen Bürger in alle Wahlbe¬ zirke, um das Uebergewicht der alten Bürgerschaft zu vernichten. Diesen Umtrieben widersetzte sich der andere Consul, Octavius, ein gemäßigter, aber in seinen Grundsätzen unerschütterlicher Mann. An der Spitze des Senates und der Gutgesinnten erschien er mit Macht auf dem Fo¬ rum, das Cinna mit seinem Anhänge besetzt hatte. Dieser ward des Bürgerrechtes verlustig erklärt, seines Consulates entsetzt und aus der Stadt vertrieben. Er ging nach Campanien und sammelte sich ein Heer zum Theil aus den alten Bundesgenossen (den neuen Bürgern), die ihn als den Märtyrer ihrer Sache ansahen. Dazu verbreitete sich bald die Nachricht, daß der alte Marius aus der Verbannung (auf den Trümmern Carthago's und auf der Insel Corcyra) zurückgekehrt und in Etrurien gelandet sei. Verstärkt durch Sclaven, denen sie die Frei¬ heit schenkten, schlossen beide die Stadt Rom mit vier Heereshaufen ein, an deren Spitze Cinna, Marius, Sertorius und Carbo standen. Die Zufuhr wurde zuerst oberhalb Rom, dann nach der Eroberung von Ostia, wo die Marianer alle Gräuel der Barbarei verübten, auch vom Meere her abgeschnitten. Schon war durch Verrath das Ianiculum beinahe dem Feinde in die Hände gefallen; der Senat und die Consuln verloren Muth und Vertrauen. Die Stimmung des Heeres wurde immer bedenklicher, die Hungersnoth und die Pest zerstörten den letzten Rest von sittlicher Kraft, der Boden entschwand unter ihren Füßen, also beschlossen sie, mit dem Feind zu unterhandeln. Die Capitulatiou wurde geschlossen, und Cinna an der Spitze seines Heeres rückte in die Stadt. Und nun sah Rom alle Gräuel einer eroberten Stadt. Als erstes Opfer fiel der Consul Octavius, dem Cinna und Marius mit den heiligsten Eiden Schonung seines Lebens versprochen hatten. Nach ihm fielen die Brüder Casus und Lucius Cäsar, Publius Lentulus, der alte Crassus mit seinem Sohne und der Redner Antonius, dessen Kopf sich Marius als Tafelaufsatz bringen ließ, lauter Männer, welche die höchsten Staatswürden bekleidet hatten. Ueberdies wurden alle Freunde Sulla's, die nicht entflohen, niedergemacht; endlich Alle, denen Marius nicht die Hand zum Gruße reichte. Auch der Consul Merula und der alte Catulus, der Amtsgenosse des Marius im Cimbernkriege, entgin¬ gen schmachvoller Hinrichtung nur durch freiwilligen Tod. Fünf Tage und fünf Nächte hielt das Morden an. Kein Leichnam durfte bestattet werden, sondern sie wurden den Vögeln und Hunden zum Fräße hin-