389 69« Neuere und neueste Literatur Deutschlands. War es in dem vorigen Abschnitte schon schwierig etwas mehr als blose Namen anzugeben, so wird es in diesem fast unmöglich, da seit dem Schluffe des 18. Jahrhunderts in jedem Zweige der Wissenschaften Riesenschritte gemacht wurden. Seit der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts tritt die deutsche schöne Literatur kühn mit der der Nach¬ barländer in die Schranken. Besonders reichlich erschienen Romane, von denen man drei Hauptarten unterscheiden kann: historische Ro¬ mane, Tendenz- oder Lehrromane und humoristische Romane. Zu der zweiten Art gehören besonders die Romane Klinger's und Heinse's. Der Erstere (1753—1820) war ein kräftiger, in Zeichnung leidenschaft¬ licher Charaktere glücklicher Dichter; der Letztere (1749-—1803) legte höchst gelungene Betrachtungen über die Kunst der Malerei in seinem Ardinghello und der Musik in Hildegard von Hohenthal nieder, in beiden malt sich aber auch die glühendste Sinnlichkeit. Von den hu¬ moristischen Verfassern der Romane sind schon viele genannt; den ersten Rang unter ihnen nimmt aber Jean Paul Friedrich Richter (1703— 1825) ein. Er lebte still und einfach fast ohne allen Umgang und seine Romane sind nur das Abbild seines inneren Lebens. Auf der Schule machte er sehr rasche Fortschritte und sammelte hier schon viele Notizen, die man in seinen Werken zerstreut wiederfindet, und zwar aus den verschiedensten Fächern des Wissens, daher die wenigsten Leser seine Schriften ganz verstehen können. Sein Vater starb, als er die Universität beziehen wollte, und er war nun gezwungen sich durch Schriftstellerei zu nähren. In seinen Schriften findet sich keine Fort¬ bildung, nur die edlen Gefühle und Empfindungen der Jugend, gro߬ artige Tugend, Unschuld und Reinheit, hohe Begriffe von Freundschaft und Liebe, und stürmischer Freiheitsdrang. Mit der wirklichen Welt stehen seine Ansichten so wie seine Charaktere in dem grellsten Wider¬ sprüche. Jean Paul schrieb sehr viel; die Gesammtausgabe seiner Werke erschien in 60 Bänden. Seine bedeutendsten Romane sind Titan und Flegeljahre; seine letzten Werke: Vorschule der Aesthetik, Levana oder Erziehungslehre und Selina oder über die Unsterblichkeit. — Ebenfalls humoristisch sind die Romane von Langbein (1751 — 1835), Ernst Wagner (1767—1812), dessen beliebtesten Romane Wil¬ libalds Ansichten des Lebens und die reisenden Maler sind, und von Knigge (1752— 1796), am meisten bekannt durch sein Buch: Ueber den Umgang mit Menschen, das zwölf Auflagen erlebt hat. In dem¬ selben Grade, wie die humoristischen Romane nicht mehr Leser und Beifall fanden und daher abnahmen, nahmen die historischen Romane zu, deren Lektüre durch Leih- und Lesebibliotheken sehr erleichtert wurde. Meißner (1753 —1807) schrieb viel und war sehr beliebt, vorzüglich seine Skizzen wurden viel gelesen. Feßler (1756 — 1839) verfaßte gute histonsche Romane. Eine Abart dieser Gattung ist der Ritter¬ und Räuberroman, der ebenfalls seine Leser fand. Der erstere wurde besonders von Spies bearbeitet, der letztere von Vielen, nachdem Vul-