22 Als der Kaiser nach Antiochia kam, ließ er beit Hirten der christlichen Gemeinde daselbst, den Bischof Jg natius vor sich bringen. Trajan fuhr ihn hart an und schalt ihn einen vom bösen Geiste Besessenen, da er unermüd¬ lich seine Befehle verletzte und auch Andre mit in's Verderben fortrisse. Der alte ehrwürdige Mann entgegnete sonder Furcht: „Nicht der verdient den Na¬ men eines vom bösen Geiste Besessenen, welcher als Diener Gottes Jesum freudig in seinem Herzen tragt, sondern der, welcher ihn verleugnet." Und als er weiter bekannte, daß es nur Einen Gott gäbe und daß die Götter der Heiden solche böse Geister waren, ließ ihn der Kaiser sofort in Fesseln legen und nach Rom zum Tode abführen. Hier wurde er öffentlich in der Renn¬ bahn unter dem Jubel des heidnischen Pöbels zwei hungrigen Löwen vorge¬ worfen und gierig von ihnen verschlungen. Die christlichen Brüder aber sammelten sorgfältig die übriggebliebenen Gebeine des Märtyrers und brach¬ ten sie als heilige Reliquien nach Antiochia. Markus Aurelius (168 n. Chr). Der Kaiser Antonin der Fromme hatte den Markus Aurelius und Lucius Verus an Sohnes Statt angenommen, und Beide kamen (161 n. Chr.) zugleich zur Regierung. Zum ersten Male herrschten jetzt zwei Kaiser nebeneinander; aber welcher Unterschied zwischen beiden! Verus war roh, träge, ausschweifend; und seine Neigung zum Bösen ward nur durch das höhere Ansehen des Markus Aurelius im Zaum gehalten oder unschädlich gemacht. Mark Aurel, auch der „Philosoph" genannt, war ein Philosoph (Weltweiser) in Lehre und Leben, voll heiligen Eifers für seine Pflichten, streng gegen sich, nachsichtig gegen Andere und unermüdet thätig. Fand er auch zuweilen, aus Gefälligkeit gegen das Volk, sich bei den öffentlichen Schauspielen ein, so pflegte er während derselben zu lesen, oder zu schreiben, oder mit seinen Mini¬ stern von Geschäften zu reden. Den wahren Bedürfnissen seines Volkes kam er überall liebevoll entgegen. Aber es war ihm nicht beschieden, in stiller Ruhe die Früchte seiner Anstrengungen reifen zu sehen; vielmehr sollte seine Tugend durch Leiden bewährt werden. Zuerst bekümmerte ihn die Lasterhaf¬ tigkeit seines Mitregenten; dann brach ein Krieg mit den Parthern aus. Die¬ ser wurde zwar siegreich geendet, aber dem heimkehrenden Heere folgte die Pest, und mehrere Provinzen litten durch Erdbeben und Überschwemmung. Darauf folgten stürmische Bewegungen unter den Völkern des Nordens. Die Markomannen, mit mehreren süddeutschen und sarmatischen Völkern ver¬ einigt, brachen von der Donau her in Italien ein und drangen bis Aquileja vor (168); Roms Untergang schien nahe. Da raffte der Kaiser alle Kräfte des Staates zusammen, um den verwüstenden Völkerstrom zu hemmen. Alles, was nur Waffen tragen konnte, wurde zu dem gefahrvollen Kampfe aufgeboten. Der Kaiser gab seinen ganzen Privatschatz her, ließ sogar alle Kostbarkeiten und Schmucksachen aus seinem Palaste versteigern, um die Unkosten des Feld¬ zuges zu bestreiten. Und nun kämpfte er so wacker, daß die Feinde bis jen¬ seits der Donau sich zurückziehen mußten. Mark Aurel verfolgte sie. Auf den Rath der Wahrsager ließ er zwei Löwen in die Donau jagen, „die würden dem Feinde Verderben bringen" — so glaubten die Soldaten. Lachend aber sahen am jenseitigen Ufer die Quaden zu und riefen: „Seht doch, was für große Hunde!" Und als die Löwen drü¬ benwaren, nahmen jene ihre Keulen und schlugen sie damit todt. Indessen