212 DaS britische Reich. wirklich, man sollte es kaum glauben, nur so viel koste." Auch durch die großen, meist goldenen Inschriften, mit denen Laden und Wände der Häuser, oft von oben bis unten, bedeekt sind, werden die Käufer eingeladen. Fast jeder Verkäufer rühmt sich der Patronschaft irgend eines königlichen oder pnuzlichen Haupts, oder versichert, daß er dem Könige, oder doch einem Prinzen duach sein Patent besonders angehöre. Daher gab es sogar einen „Wan- zenvertilgcr Ihrer Majestät der Königin," und einen „Eselsmilch- licferanten des Prinzen von Wales." Ein SticfelwichSfabrikant preist seine Waare mit einer im dritten Stockwerk anfangenden, bis ins erste herabgehenden Inschrift von 2 Ellen hohen goldgcl- ben, hölzernen Buchstaben als die einzige und beste an, und sein Laden kann leicht 10,000 Büchsen enthalten. Wenn diese Kauft läden dem Fremden schon am Tage den interessantesten Anblick gewähren, so ist die Wirkung am Abend noch ganz anders. Die schon sonst berühmte londoner Straßenerleuchtung ist jetzt durch den Gebrauch des Gaslichts im hohen Grade gesteigert. Dies reine Licht, das sowohl in den Laternen der Straßen, als in den Läden selbst, sobald es dämmerig wird, brennt, wirft auf alles einen solchen magischen Strahlenglanz, daß man in Feenschlössern umherzugehen glaubt. Da in vielen tiefen Laden im Hintergründe und an den Scitenwänden Spiegel angebracht sind, so wieder¬ holt sich alles doppelt und dreifach. Die köstlichen Seidenzcuche von den brennendsten Farben, malerisch neben einander und über einander gelegt, die ostindischen ShawlS, die Krystallarbeiten; die pyramidalifch aufgestellten kostbaren und seltensten Früchte al¬ ler Länder, die natürlichen und künstlichen Blumen, erscheinen am Abend noch einmal so schon als am Tage. Dazwischen strah¬ len die großen, runden Flaschen und Vasen der Apotheker mit hellen, rothen, blauen, grünen und gelben Wassern gefüllt, als ob Rubine und Sapphire, Topase und Smaragde in ihnen aufge¬ löst wären, und erwecken von fern schon die Idee einer festlichen Erleuchtung, da sie doch bloß das Alltägliche sind. Und nun die Hunderttausende von Menschen, die sich in diesem großen Pano¬ rama unaufhörlich hin und her bewegen *) Man erzählt von einem kleinen deutschen Fürsten, deren es sonst so viele gab, der geäußert habe, als er des Abends in London ankam, und durch die hell erleuchteten Straßen fuhr: cs thue ihm leid, daß die Londoner um seinetwillen so viele Umstände gemacht haben. Ein andrer Deutscher kam in der Nacht an, und wollte am andern Mittag seinen ersten Ausgang halten. Als er aber vor die Hausthürc seiner Wohnung trat, und die vorbeiströmende Menschenmenge sah, glaubte er, es sey ein besonderes Ereigniß, welches die vielen Menschen herbeizöge, eine Hin¬ richtung oder ein Auszug, und wollte abwarten, bis sich das Gedränge etwas gelegt hätte. Nach einer Stunde kam endlich ein Bekannter vor¬ bei, dem er seine Gedanken äußerte. „Lieber Freund," antwortete ihm dieser, „wenn Sic das Ende des Gedränges abwarten wollen, so müssen Sie bis um Mitternacht stehen; denn so ist cs den ganzen Lag."