358 III. Länder- und Völkerkunde. A. Europa. trennende Grenzlinien, sondern Verbindungslinien der Ufervölker seien. Und nicht bloß Südbaiern theilt sein Lauf von der Quelle bis zur Mündung in zwei große Gruppen, sondern alle südlich der Donau ge¬ legenen deutschen Gaue in eine schwäbische und eine baierisch-österreichi- sche Hälfte. Der Charakter des Bodens auf beiden Ufern bildet durch¬ aus keinen entsprechenden Gegensatz, und doch hält der schmale Wasserstreif so scharfe Gegensätze im Volkscharakter mit der Genauig¬ keit einer mathematischen Linie auseinander. Er ist merkwürdiger Weise eine Völkerscheide, ohne zugleich eine Laudcsscheide zu sein. Lediglich in der äußeren Figuration des Bodens liegt die Grenznatur: der Lech ist die senkrechte Linie von den Alpen auf die Donau gefällt, also die natürlichste Vertheidigungslinie gegen jedes durch die breite Heerstraße des Donauthales einflutende Heer. Und so ward der natürliche Ver- theidiguugsgraben in so vielen Völkerkämpfcn zum Grenzgraben, an welchem die zwei Hauptgegeusätze süddeutschen Volksthumes ausein¬ ander gehen. Vorzugsweise in Süddeutschland zeigt sich die Kreiseintheilung des Reiches, wie sie Kaiser Maximilian I. geschaffen, als größtentheils trefflich begründet auf die natürlichen Länder- und Völkergrenzen. So hatte sie sich auch bei Baieru und Schwaben streng an den großen strategischen Grenzgraben des Lechbettes gehalten. 99. München*). (Nach Karl von Hailbronner, Cartons.) Keine Stadt hat in so kurzer Zeitfrist eine solche mächtige und glänzende Metamorphose erfahren, und wie auch Albions unermeßliche Metropolis in allen Bauweisen neue Paläste und Tempel aufhäuft, im Verhältniß zur Größe ist sie von dem jungen München durch feinen Geschmack und tiefcindringenden Kunstgeist weit überboten. München ist in diesem Augenblick ohne Rival in der Welt, und das Gepräge wahrer Kuustweihe ist unverkennbar aus seine schöne Stirne gedrückt. München verherrlichte sich zu allen Zeiten durch den Kunstsinn seiner Fürsten, allein während wir für jede große Schöpfung ein Jahr¬ hundert verwendet sehen, genügte das letzte Jahrzehend, um Baudenkmale hervorzurufen, die alles Bestandene an Schönheit weit überbieten, und an Dauer ihnen nicht nachzustehen versprechen. Wo ist der Monarch Europa's, der ein Schloß aufzuweisen hätte, *) Die in dieser im Jahre 1837 herausgegebenen Beschreibung als im Ent¬ stehen dargestellten Werke sind schon seit mehreren Jahren vollendet, und andere noch nicht erwähnte, wie die neue Pinakothek, der Triumphbogen am Ende der Ludwigsstraße u. s. w. hinzugekommen. Die ebenfalls voll¬ endete Basilica des h. Bonifacius würde in einer Beschreibung vom heuti¬ gen Standpunkte aus eine viel bedeutendere Stelle einnehmen.