366 Italien. Benennung Eicisbeo ist langst aus der Mode — findet nur in Städten und auch hier nur unter den höhern Klassen Statt. Die Bürger und die niedern Klassen haben diesem Mißbrauche nie gestöhnt, und die Ehegatten aus diesen Standen leben hier so einig und mit Achtung für die Ehen erfüllt, als in irgend einem andern Lande. DaS Cicisbeat, diese Sitte, die jetzt immer mehr verschwindet, und mit der herrschenden Eifersucht der Italie¬ ner so sehr kontrastirt, bestand darin, daß eine verheirathete Da¬ me, mit Wissen und Genehmigung des Mannes, einen Haus¬ freund (Eicisbeo oder Cavaliere Serve nte) hatte, der sie in Gesellschaften, zu Lustbarkeiten, ins Theater, in die Kirche, kurz überall hin begleitete, die Rolle eines sich ganz hingebenden, aber ehrerbietigen Liebhabers spielte und von der Morgentoilette an bis spat Abends (wo dann erst, außer bei Tische, der Mann in sein Rechte trat) der unzertrennliche Schatten seiner Gebieterin war. Ueberhaupt ist manches Eigenthümliche und Rationelle in der Lebensweise, den Sitten und Gebräuchen, wodurch sich die Italiener von den übrigen kultivirten Europäischen Rationen un¬ terscheiden, durch die Fremdherrschaft der Franzosen ganz oder doch zum Theil verwischt worden. So haben z. B. die Nationaltrach¬ ten in den höhern Ständen sich ganz verloren: im Allgemeinen ist der Mantel noch das wichtigste Kleidungsstück des Italieners; des Tages verhüllt er sich in ihn und des Nachts breitet er ihn über seine dünne Bettdecke; und besitzt er keinen Mantel, so hängt er wenigstens eine Jacke über eine Schulter und verhüllt sich bis an die Nase, wenn er im glücklichen Nichtsthun die Vorüberge¬ henden mit seinen feurigen Augen anblitzt. Am allgemeinsten hat s sich noch die altitalienische Zeitrechnung erhalten, nämlich anstatt wie bei uns von i bis 12, zählt der Italiener seine Stunden von 1 bis 24. Für einen Fremden ist es daher in Italien sehr schwer, genau zu erfahren, welche Zeit es sey, indem die Zeit¬ rechnung sehr verwickelt ist. Die erste der 24 Stunden beginnt eine halbe Stunde nach Untergang der Sonne, wenn zum Abend¬ gebet, (Avemaria) geläutet wird; von da an zählen nun die Italiener ihre 24 Stunden. Weil aber die Sonne im Winter fast 5 Stunden früher untergeht, als im Sommer, so trifft der Mittag nicht immer auf dieselbe Stunde; und überhaupt fin¬ det für alle Verrichtungen des Tages keine Stundengleichheit Statt, da man von dem Avemaria an stets die Stunden rück¬ wärts rechnen muß. Die Wohnungen sind von denen anderer kultivirten Länder nicht besonders verschieden, außer daß die Bür¬ gerhäuser und in manchen Gegenden auch die Bauernhäuser größ- tentheils von Stein und ziemlich hübsch erbaut sind; daß es in Italien viele schön gebaute ansehnliche Städte giebt und daß man nicht nur eine weit größere Zahl von Pallästen und Prachtgebäu¬ den, als in andern Europäischen Ländern, sondern auch eine Men-