Die Oberfläche der Erde. 257 und Häuser ihr Grab. Zwei der größten Kirchen, die mehr als 150 Fuß Höhe hatten, und deren Schiff durch 12 Fuß dicke Pfeiler getragen ward, lagen in einen Trümmerhaufen verwandelt, und die Zermalmung des Schuttes war so beträchtlich, daß von den Säulen fast keine Spur mehr kennbar geblieben ist. Neun Zehntel der schönen Stadt wurden gänzlich zerstört. Die Häuser, welche nicht einstürzten, waren dermaßen zerrissen, daß sie nicht weiter- bewohnt werden konnten. Wenn die Zahl der Todten auf 10,000 berechnet wird, so sind dabei die Unglücklichen nicht in Anschlag gebracht, welche, schwer verwundet nach Monaten erst aus Mangel an Nahrung und Pflege umkamen. Die Nacht vom Donnerstag auf den Charfreitag bot den Anblick eines unsäglichen Jammers und Unglücks dar. Die dichte Staubwolke, welche sich über die Trümmer erhob und die Luft gleich einen: Nebel verdunkelte, hatte sich zur Erde niedergeschlagen. Die Erschütterungen hatten auf¬ gehört, und die Nacht war so hell und ruhig wie je zuvor. Der volle Mond beleuchtete die nahen Berge, und die Gestalt des Himmels bildete einen furchtbaren Abstich gegen die mit Trüm¬ mern und Todten bedeckte Erde. Mütter trugen Kinderleichen im Arm, durch die Hoffnung getäuscht, sie wieder ins Leben zu rufen. Jammernde Haushaltungen durchzogen die Stadt, um einen Vater, Bruder, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal unbekannt war und den man im Gedränge verloren glauben konnte. Die unter dem Schutte begrabenen Verwundeten riefen die Vorübergehenden laut flehend um Hilfe an; über 2000 zog man hervor. Nie hat wohl das Mitleid sich rührender und thätiger gezeigt als in den Anstrengungen, um den Unglücklichen, deren Seufzer man hörte, beizustehen. Es mangelte gänzlich an Werkzeugen zum Nachgra¬ ben und Wegräumen des Schuttes; man mußte sich der Hände bedienen, um die Lebenden hervorzugraben. Die Verwundeten wurden ans Gestade des Flusses gelagert. Hier machte der Baum¬ schatten allein ihr Obdach aus. Die Betten, die Leinwand zum Verband der Wunden, Arzneistoffe, alle Gegenstände des dringend¬ sten Bedürfnisses waren unter dem Schutte vergraben. In den ersten Tagen mangelte Alles, sogar Nahrungsmittel. Auch das Wasser war im Innern der Stadt selten geworden. Die Erdstöße hatten theils die Brunnenleitungen zerschlagen, theils waren durch das eingefallene Erdreich die Quellen verstopft." Ebenes An den Gebirgen, die meist in einem gewissen Zusammen- , hange mit einander stehen, breitet sich das flache Land aus. Seine tiefsten Stellen an den Seeküsten heißen Niederungen. Es gibt deren, welche tiefer liegen, als die Oberfläche des Meeres, Rendschmidt's Lesebuch für obere Klassen. 17