67 man nicht über die Kunst und Geschicklichkeit dieser Geschöpfe staunen, wenn man ihnen bei ihrer stillen und unverdrossenen Arbeit zuschaut, und an den großen und weisen Schöpfer denken, der für Alles sorgt, und solche Wunder in einem so kleinen und unscheinbaren Körper zu verbergen weiß? Das mag Alles gut sein, denkt wohl mancher, wenn sie nur nicht giftig wären, und läuft davon oder zertritt sie, wo er eine findet. Aber wer sagt denn, daß unsere Spinnen giftig seien? Noch kein Mensch ist in unsern Gegenden vergiftet worden. Giebt es nicht hie und da Leute, die sie aufs Brod streichen und verschlucken? Wohl bekomm's, wem es schmeckt! Auch sonst thun diese Thierlein, die nur für die Erhaltung ihres eignen Lebens besorgt sind, keinem Menschen etwas zu Leide. Im Gegentheil leisten sie in der Natur einen großen Nutzen, den man aber, wie es oft geschieht, nicht hoch anschlägt, weil jede einzelne wenig dazu beizutragen scheint. Es ist das Geringste, daß sie hie und da einer Stubenfliege den Garaus machen. Für diese wäre noch anderer Rath. Aber sie verzehren auch jährlich und täglich eine große Anzahl anderer, sehr kleiner Mücklein, die uns durch ihre Menge erstaunlich beschwerlich und schädlich werden, und gegen welche man sich nicht erwehren könnte, wenn sie überhand nähmen. Sind nicht manchmal ganze Ackerfurchen mit Spinnge¬ weben überzogen und glänzen im Morgenthau? Da geht manches Mücklein zu Grunde, das die aufkeimende Saat vielleicht angegriffen und verletzt hätte. Ein Gefangener machte einst in seinem einsamen Kerker eine Spinne so zahm, daß sie seine Stimme kannte und allemal kam, wenn er sie lockte und etwas für sie hatte. Sie verkürzte ihm an einem Orte, wo kein Freund zu ihm kommen konnte, manche traurige Stunde. Aber als der Kerkermeister es bemerkte', brachte er sie ums Leben. Was ist verabscheuungswürdig? Ein solches Thier, das doch noch einem Unglücklichen einiges Vergnügen machen kann, oder ein solcher Mensch, der dem Unglücklichen auch dieses Vergnügen mißgönnt und zerstört? Ein anderer Gefangener, der sonst nichts zu thun wußte, gab lange Zeit auf die Spinnen Acht und merkte, daß sie auch Wetter¬ propheten seien. Bald ließen sie sich sehen und arbeiteten, bald nicht. Einmal spannen sie trage, ein andermal hurtig lange Fäden oder kurze, einmal näher zusammen, ein andermal weiter aus einander, so oder so, und endlich konnte er daran erkennen, was für Wetter kommt, Sturm, Regen oder Sonnenschein, anhaltend oder veränderlich. Also auch dazu sind sie gut, und wenn jemand sich verwundet hat und findet geschwind Spinnengewebe, das er auf die blutende Wunde legen kann, so ist er doch auch froh darüber. Wenn es rein ist, so kann es Blut und Schmerzen stillen. Wenn es aber voller Staub ist, so schmerzt es noch mehr, weil der unreine Staub in die Wunde kommt. Daß es mancherlei Thiere dieser Gattung giebt, steht man schon an der Verschiedenheit ihres Gewebes in der freien Luft, an Fenster¬