72 Wer den Leuten in der Well will wohlthun, der muß erwarten, Undank zu verdienen. Die Welt lohnt nicht anders, denn mit Un¬ dank, wie man spricht: Undank ist der Welt Lohn. 110. Undank ist der Welt Lohn. Eine große Schlange fiel in eine Höhle und schrie jämmerlich. Ein Bauer kommt zum Loche und fragt, was da sei. Sie bittet, er wolle ihr heraushelfen. Nein, sagt der Mann, an bösen Thieren ist nichts Gutes zu verdienen. Die Schlange hält an und verspricht ihm bei ihrem Gott, der einmal durch sie geredet, den besten Lohn, den die Welt pflegt zu geben. Gaben und große Verheißung be¬ thören auch die Weisen. Der Bauer hilft dem bösen und listigen Thiere heraus; darauf will die Schlange ihn zum Lohn dafür fressen. Hab ich das um dich verdient? ist das deiner Zusage gemäß? sagt der Bauer. Ich bin zweizüngig, antwortet die Schlange; die Welt lohnt nicht anders. Als der Bauer in Ängsten steht, sagt die Schlange: Da du mir nicht glauben willst, so wollen wirs aus die nächsten zwei an¬ kommen lassen, die uns begegnen; was sie in dieser Sache urtheilen, das soll uns beiden recht sein. Bald kommt ein altes Pferd; dem legen sie die Sache vor. Der Schiedsmann spricht: Ich habe mei¬ nem Kärrner fünfzehn Jahr gedient; morgen will er mich schinden lassen; die Welt lohnt nicht anders. Darauf kommt ein alter Hund daher; den fragen sie auch. Er spricht: Ich habe zehn Jahr lang Tag und Nacht meinem Junker jagen und viele Füchse und Hasen fangen helfen; jetzt hat er seinem Weidmann befohlen, er solle mich todt schießen; das ist der Welt Lohn. Dem Bauern wird bang zu Muthe. Indem trabt ein Füchslein daher; dem legt der Bauer seine Sache auch vor und verheißt ihm alle seine Hühner/wenn er ihm voll dem bösen Thiere helfe. Der Fuchs unterwindet sich des Handels und beredet die Schlange, sie wolle ihm die Höhle zeigen und was ihre Gefahr und des Bauern Dienst gewesen sei. Man kommt zum Loch. Der Fuchs fährt hinein; die Schlange folgt nach und zeigt ihm alle Gelegenheit; indes wischt der Fuchs heraus, und ehe sich die Schlange umwendet, wälzt der Bauer auf Verabredung mit dem Fuchse einen großen Stein vor das Loch. Als der Bauer erledigt ist, fordert der Fuchs, er solle ihm aus den Abend das Hühnerhaus offen lassen. Der Bauer kommt heim und erzählt seiner Frau alles, was ihm begegnet und was er dem Fuchse schuldig geworden ist. Die Bäuerin sagt, Hühner und Gänse seien ihr; er habe nichts zu vergeben. Der Bauer will seinen Worten nachkommen und läßt dem Fuchse das Hühnerloch offen. Da die Frau das gewahr wird, wartet sie mit dem Knechte die Nacht auf den Fuchs. Als der in gutem Vertrauen geschlichen kommt, ver¬ rennen sie ihm das Loch und bleuen auf ihn zu, bis sie ihn ergrei¬ fen. Ach, sagt der Fuchs, ist denn das recht und der Welt höchster Lohn, so bestätige ich armer Schalk heute dies Weltrecht mit meinem Leben und Balg.