8 I. Erzählungen „ Ein andermal nimm nicht das Geringste ohne die Erlaubniß dessen, dem es gehört." Du sollst nicht stehlen. 3 Mos. ,9, n. 8. Der Lügner. Heinrich wurde von seinen Eltern nach dem Post- hause geschickt, um einen Brief abzugeben, an welchem sehr viel gelegen tbar. Auf dem Wege begegnete ihm Franz mit einigen anderen Knaben. Franz war ein zän¬ kischer Knabe, und besonders war er mit Heinrich bestän¬ dig im Streit, weil dieser eine heftige Gemüthsart hat, te, und also leicht gereizt war. Auch dießmal geriethen sie mit einander in Streit, weil keiner dem anderen aus dem Wege gehen wollte. Zn der Hitze des Streits ließ Heinrich den Brief'fallen, trat darauf, und beschmutzte ihn dabei so sehr, daß die Ausschrift nicht mebr zu lesen, und das Papier durchlöchert war. Was sollte er nun an¬ sangen? Wenn er nach Hause kam, und alles gestand, so hac:e er die härteste Strafe zu erwarten; denn sein Vater war sehr streng, und hatte ihm dießmal ausdrücklich ge¬ sagt: ^bestelle ja den Brief recht ordentlich, denn es ist rnir sehr viel daran gelegen. " Heinrich kam endlich auf den schlimmen Gedanken, er wolle sich durch eine Luge aus der Noth helfen. Er versicherte also dem Vater auf seine Frage mit großer Dreistigkeit, daß er den Brief richtig bestellt habe; doch schlug ihm das Herz bei dieser Lüge. Als nach zehn Tagen keine Antwort auf den Brief kam, ging Heinrichs Vater selbst nach dem Posthause, um sich zu erkundigen, ob auch der Brief wirklich abge¬ gangen wäre. Wie erstaunte und erschrak er, als man ihm aus den Büchern zeigte, daß sein Brief gar nicht abgegeben worden sei. Heinrich sollte nun gestehen, was er mit dem Briese angefangen habe. Lange leugnete er hartnäckig, daß er ihn nicht abgegeben habe; aber als ihm sein Vater versprach, daß er ihm alles vergeben wol¬ le, so gestand er endlich alles. Aber wie sehr mußte Heinrich ferne Lüge bereuen, als er hörte, daß er seinem Vater durch ein früheres aufrichtiges Geständniß einen großen Verlust, sich selbst große Angst und Beschämung