115 177. Billigkeit im Recht. In allen Sachen, sagt Dr. MartinLuther, soll man mehr sehen auf die Billigkeit, denn auf gestreng und scharf Recht. Also sagt St. Jacob in seiner Epistel: „Barmherzigkeit erhebt das Gericht.“ (Cap. 2, 13. Die Barmherzigkeit rühmet sich wider das Gericht.) Darum soll man die Billigkeit ansehen und darnach richten, welche das Recht und die Zucht nicht los macht, noch bricht und aufhebt, sondern dieselbe auslegt und lindert nach Ge¬ legenheit der Umstände, — denn Umstände verändern die Sache, — vornehmlich in den Fällen, davon das Recht insonderheit nichts redet. Doch soll man gleichwohl in solcher Milderung Fleisz zu¬ setzen , dasz unter solchem Scheine der Billigkeit nicht wider Recht etwas gehandelt werde. Der Richter ist der Vertheile!’, aber nicht der Verthuer des Rechts. Darum soll man mit groszer Vorsichtig¬ keit und Gottesfurcht und unter fleisziger Anrufung Gottes, unsers Heilands, handeln, nicht unbedächtig und plötzlich bald heraus¬ fahren und sagen: „Das ist billig und recht“, wie junge, unerfahrene Leute pflegen. Und in den Artikeln des Glaubens und in Gottes Wort, da soll man weder zur Rechten noch zur Linken weichen. 178 Sprichwörter Au Gottes Segen ist alles gelegen. Fromm ans Zwang wahrt nicht lang'. Die Alten zum Rath, die Jungen zur That. Rein und ganz giebt schlechtem Kleide Glanz. Müssiggang ist aller Laster Anfang. Je großer Roth, je näher Gott. Der Horcher an der Wand hört seine eigne Schand'. Gebrauchter Pflug blinkt, stehend Wasser stinkt. Es ist vergeblich, einen Mohren weiß waschen zu wollen. In Wein und Bier ertrinken mehr denn im Wasser. E i n Sperling in der Hand ist besser als zehn auf dem Dache. Der Grapen straft den Kessel, daß er russig ist. Was ein guter Haken werden will, krümmt sich bei Zeiten. Hochmuth kommt vor dem Fall. Wohlschmack bringt Bettelsack. 179. Uralt des Wortes Gottes. In einem Dorfe Vorpommerns starb vor einigen Jahren ein alter Bauersmann, der seine letzten Jahre in dem Hause einer seiner verheiratheten Töchter zugebracht hatte. Gering war die Verlassen¬ schaft des armen Mannes, aber sie reichte hin, um in den Herzen der beiden Eheleute die Habsucht und den Neid eben so rege zu machen, als ob es sich um Tausende gehandelt hätte. Nur kärglich war ihnen das tägliche Brot zugemessen ; um so lockender war darum die Gelegenheit, von den wenigen Habseligkeiten des Alten S-*'