Der
Deutsche Kinderftcund, -
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ein
Lesebuch
für
Volksschulen,
von
% P. Wltmsen,
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Prediger an der Parochial.- Kirche zu Berlin-
Eilfte Auflage.
Berlin,
Georg-Eckert-inst;’. :.
f »re itìismaiionalo
SçIhj i buchi o rs è! vu r: g
Braunschweig
-SdwibuchbibMothok -.
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1
Vorrede.
fV
^n unsern Volksschulen oder niedern Bürger-
schulen ist die Zeit des Unterrichts so sehr be-
schränkt, daß der Lehrer alles thut, was man
billiger Weise von ihm sordern kann, wenn er
seine Schüler dahin bringt, daß ße mit einiger
Fertigkeit lesen, schreiben und rechnen können.
Sollen ße außerdem auch noch einige Sachkennt-
nisse, und die nothwendigsten Verstandesbegrifse
erhalten, so müssen die Vorschriften, welche ihnen
beim Schreibe Unterricht vorgelegt, und die Bü-
cher, welche ihnen bei den Lese-Uebungen in die
Hände gegeben werden, so eingerichtet seyn, daß
ße, indem sie schreiben und lesen, durch den In-
halt des Geschriebenen imd Gelesenen zum Den-
—1 ---------~i----—----= ----------------------—______
n Vorrede,
fett genöthigt, und mit den nothwendigsten Sach-
kenntnissen vergehen werden. Für Volksschulen
scheint daher nur dasjenige Lesebuch zweckmäßig
zu seyn, welches eine Encyklopädie der gemeinnüz-
zrgsten Kenntnisse enthält, und mit der ersor-
derlichenReichhaltigkeit auch die möglichste
Faßlichkeit verbindet, zugleich aber so wohl-
seil ist, daß eö auch von den ärmeren Schulkas-
sen angeschasst werden kqnn. 2ln reichhaltigen und
zweckmäßig eingerichteten Schulbüchern der Art
sehlt es jetzt nicht mehr; aber es fehlte bisher
noch immer an einem'Schulbuche, welches reich-
haltig, zweckmäßig und wohlseil zugleich war.
Bei dem Seiler sch en Lesebuche stndet man
zwcrr diese Erfordernisse eines guten Schulbuches
säst alle vereinigt; aber er nimmt zu wenig Rück-
stcht aus die Bedürfnisse der Kinder aus den nie-
drigsten Volksklasten, und der so nothwendige
Stusengang vom Leichtern zum Schwerern wird
darin fast ganz vermißt; daher es eigentlich nur
pls ein Handbuch für Erwachsene zum Selbstun-
Vorrede M
terricht zweckmäßig genannt werden kann. Der
Versager des gegenwärtigen Lesebuchs hat es
versucht, jene Bedürfnisse durch den Br ans
denburgi scheu Kinder freund zunächst für
sein Vaterland, und durch diesen Deutschen
Kind erfreu nd für die Volksschulen Deutsch-
lands überhaupt zu befriedigen. Er würde stch
herzlich freuen, wenn dieser Versuch recht bald
durch ein vollkommneres Schulbuch verdrängt
werden sollte, und es für ein großes Verdienst
halten, die Erscheinung eines solchen Buches ver-
anlaßt zu habeü. —> Was den Inhalt dieses
Buches betrifft, so ist darin nur weniges von An-
dern entlehnt, und alles Entlehnte ist für den
besonderen Zweck des Buches umgearbeitet. Die
kurzen Sähe find neu ausgearbeitet; eben so der
größere Theil der moralischen Erzählungen. Die
Erzählungen von 9?r. 24. bis ZZ. sind aus dem
Funkischen Lesebuche; die Z4ste und Z5ste
ist, jedoch sehr verändert, ausHerrmannö Er-
zählungen; die Z6ste aus Beckers Erhtzq.
iv Vorrede,
lungen entlehnt. Die übrigen ßnd aus Thie-
me s vortrefflichem Sächfifchen Kinderfreunde,
und aus Salzmanns und Gözens Schrif«
ten bergenommcn, jedoch fafk alle umgearbeitet.
Die 42fie und 4os^ ist neu ausgearbeitet. Bei
dem Abschnitte von der Gesundheitslehre liegt
Fauste Gesundheits-Katechismus zunr
Grunde Die Zusage hak Hildebr an dt's Ta-
schenbuch für die Gesundheit geliefert, In den:
Abschnitte von den Rechten und Pflichten der
Unterthanen iji die Schrift des Herrn Titt-
mann: „Allgemeiner Unterricht über die Rechte
und Verbindlichkeiten der Unterthanen, Leipzig
rgoo," und der vortreffliche „Versuch eines faß-
lichen Grundrisses der Rechts- und Pflichtenlehre,
Königsberg 1796" benrcht worden.
Inhalt.
Sette
I. Kurze Sätze zur Erweckung der Aufmerksam»
kett und des Nachdenkens . . 1
II. Erzählungen zur Beförderung guter Gesinnun, -
gen und zur Schärfung des Verstandes 36
I. Die unerzogenen Kinder . 36
r. Die Versuchung . . 37
3 Die üble Gewohnheit . . 38
4» Die kleinen Diebe . . 39
5- Der Tagedieb . . 40
6. Der kleine Verschwender . 41
7. Das wohlthätige Kind . . 42
8. Das ordentliche Kind . . 43
9- Der Lügner . 44
ro. Wer sich muthwillig in Gefahr begiebt, darin um < . kommt 45
11. Der ehrliche Knabe . . 46
ir. Wer nicht hören will, muß fühlen 47
r z. Der Freund in der Noth 48
14. Der Zanksüchtige . 49
15- Die muthwilligen Kinder « -, ' 50
i6. Der Unzufriedene . , Si
Der Barmherzige . . 51
18. Die Furchtsame » , 5*
19. Die gute Tochter * . . 53
xo. Der ungegründete Verdacht . 54
VI Inhalt.
2T. Das neugierige Mädchen Seite 56
22. Das wißbegierige Mädchen i ì 56
LZ. Menschenfreundliche Gesinnungen . 57
24. WaS heißt schmollen! . . 58
25* Gefälligkeit • • . . 59
26. Die Derläumderin ¿ i i 60
27. Dw Wahrsagerin . 4 . 61
28. Der Glücksspieler ¿ . • 62
Ly. Lberglaube ♦ « . . 6z
30, Die Folgen des Fleißes und dèr Faulheit 64
Z t. Näscherei » . à . 66
32. Der Lhierquäler . » . 67
zz. Zeitvertreib . « > 68
34. Unvorsichtigkeit . 69
35 Die Klätscherin ¿ . 7-
36 Eia guter Deakspruch ist ei» Freund in der Noth 72
37 Verführung ♦ - . 74
38. Der undankbare Schüler . à 76
g 9. Falsche Schaam » à à 78
40. Der unbesonnene Spaß . . 79
41. Ehrlich währt am längsten - ° 80
42. Jugendliche Unbesonnenheit . . 82
43. Unterschied zwischen Sparsamkeit und Geitz 8s
44 Der Bienenstock . « . 84
45- Der Fischteich » . » 87
46. Die Raupeofeinde . . 91
47. Mit Schießgewehren soll mau nicht spielen 96
48. Eine gute Handiung aus schlechten Beweggründen 97
49. Traurige Folge» der Wildheit . 98
50. DaS Ranpennest . . ' . 99
Inhalt. VII
Seite
in. Von der Welt . ♦ 102
IV. Von der Erd? und ihren Bewohnern ♦ I04
V. Produkte der Erde ♦ . ♦ HO
I. Das Lhierreich . . irr
Saugethiere « * nt
Wöget . 120
Amphibien * 124
Fische . 127
Insekten . . . 128
Würmer . „ 4 13?
Das Pflanzenreich . . 134
z. Das Mineralreich * . 141
VI. Don dem Menschen . 144
I. Vorzüge des Menschen . 144
2, Der menschliche Körper I49
Knochen . 149
Muskeln 4 * 150
Das Herz, Lie Blutgefäße und die Adern I5i
Don den Lungen und dem Athemhole« 15?
Don ver Verdauung der Tpeisea . 155
Don dem Gehirn, dem Rückenmark und
den Nerven . . . 159
Don den Sinnen « .. . 160
Don der Haut, den Haaren und dett Nägeln i6z
VII, Gesundheitslehre ♦ ♦ 170
I. Gesundheit und Krankheit . . 170
r. Don der Kleidung * . . 171
3- Don der Luft . . . 17t
4. Du sollst reinlich und ordentlich sey» . 174
8» Don den Speisen , . 1 176
VIII
Inhalt.
Seite
6. Don den Getränken . . . igo
7. Von der Bewegung und Ruhe ♦ . 184
8. Dom Schlafen . . . ,85
y. Von den Wohnungen . . 187
10. Don Eihitzungen und Erkaltungen . 189
H. Von der Erhaltung einzelner Theile des Körpers 19c
ir. Von der Schönheit und Vollkommenheit des
Körpers . . . .197
13. Don dem Verhalten in Krankheiten . 198
VIII. Von der Zeitrechnung und dem Kalender 201
IX. Merkwürdige Natur. Erscheinungen . 208
X. Europa . . . .23
XI. Deutschland * ; 219
XII. Von den Rechten und Pflichten der Unter,
thanen in wohl eingerichteten Staaten 226
I. Don drn Rechten der Menschen . . 229
r- Don den Pflichten gegen Mitbürger . rzi
3. Don den Pflichten der Unterthanen gegen die
Obrigkeit . - . ♦ 235
4. Don dem Verhalten der Menschen bei dem Ge-
brauche ihrer Rechte . . . 237-
5. Don den Ständen in der bürgerlichen Gesellschaft 238
6. Von den Herrschaften und Dienstboten . 240
XIII. Lieder und Gesänge . . 241
Äurje Satze zur Erweckung der Aufmerk-
samkeit und des Nachdenkens. '
^)ch gehöre zu den Kindern. Kmdse wissen noch
nicht viel, und darum müssen sie unterrichtet wer-
den und lernen. Dadurch werden sie verständig.
Ich werde in der Schule unterrichtet, und derjeni-
ge, welcher mir Unterricht giebt, heißt der Lehrer.
Ich bin meinem Lehrer Dankbarkeit und Gehorsam
schuldig. So lange ;ch unterrichtet werde, bin ich ein
Schüler. Ein guter Schüler ist aufmerksam;
er hört nur auf da-, was der Lehrer sagt, und denkt
nur an das, was er thun, oder begreifen und behal-
ten soll.
Ein guter Schüler kommt gern in die Schule,
ist fleißig, ordentlich, reinlich, sirrsam und friedfer-
tig. Er kommt nie zu spät in die Schule, ist nickt
wild bey dcm Herausgehen aus der Schule, und trecht
sich nicht oui der Straße hr-rum, sondern gehr ^uf dem
geraden Wege nach H^use- Ich will ein guter Schü-
ler, seyn.
Das Buch, worin ich lese, ist zu meines Beleh-
rung geschrieben. ES ist mir sihr nützlich, wenn ich
mit Aufmerksamkeit und Nachdenken darin
lese. Ich will daher nur an das denken, was ich lese,
und mich bemühen, das Gelesene zu verstehen. Wenn
ich etwas nicht verstehe, so will ich meinen Lehrer bits
ten, daß er es nur erkläre.
s Kurze Sähe zur Erweckung der Aufmerksamkeit'
Wenn ich aufmerksam und mit Nachdenken in die-
sem Buche lese, und das, was ich gelesen habe, nicht
vergesse, so erlange ich allerlei nützliche Kenntnis-
fe, und werde v e r'si a n d i g e r. Nicht alle Kinder er-
langen durch den Unterricht nützliche Kenntnisse. Man-
che bleiben unwissend und unverständig. Welche?
Jetzt wird es mir noch schwer, lange und anhaltend
achtsam zu seyn; aber es wird mir künftig leichter
werden, wenn ich im Anfange die Mühe nicht scheue.
Aller Anfang ist schwer. Jetzt kann ich auch
noch nicht ohne Anstoß lesen; aber wenn ich mir Mühe
gebe, so werde ich es bald können, und mich dann
freuen, daß ich eine Fertigkeit im Lesen erlangt
habe.
Ich kenne mein Lesebuch, denn ich weiß, wie
der Titel desselben heißt. Ec steht auf der ersten
' Seite des Buches. Auf eben dieser Sette steht auch
der Name der Stadt, in welcher das Buch gedruckt
ist; der Name der Buchhandlung, in welcher es ver-
kauft wird, und das Jahr, in welchem es gedruckt
ist (die Jahreszahl). — Ich kenne mein Lesebuch nicht
bloß an dem Titel, sondern auch an dem Einbande
oder Deckel.
Eine Anstalt, in welcher Bücher gedruckt werden,
heißt eine Buchdruckerei. Ich kenne noch einige
andere gedruckte Bücher. Das erste gedruckte Buch,
worin ich gelesen habe, weiß ich zu neunen. ES
heißt — ' ' , .1 ,
Der, welcher ein Buch verfertigt oder verfaßt, heißt
der Verfasser des BucheS. Gewöhnlich steht der
Name d es Verfassers auf dem Titel des Buches. Erst
wird das Buch geschrieben, dann wird es gedruckt, und
durch das Drucken kann man ein Buch in kurzer Zeit
mehrere tausendmal vervielfältigen. Diese Kunst wird
die Buchdruckerkunst genannt.
Ein jedes Buch besteht aus mehreren Bogen. Die-
se Bogen werden von dem Buchbinder zusammengehef-
tet, damit sie nicht verloren gehen, oder in Unordnung
gerathen können.
und des Nachdenkens. z
Wenn ich einige Jahre älter bin, und nicht mehr
wachse, so gehöre ich zu den Erwachsenen. Danrr
bin ich größer, als jetzt, und dann werde ich auch ver-
ständiger seyn, wenn ich jetzt nicht träge bin, und nicht
müßig gehe, anstatt zu lernen und zu arbeiten. Der
Müßiggänger lernt nichts, und niemand hat ihn lieb.
In der Schule muß ich nicht bloß fertig lesen, son-
dern auch deutlich schreiben, und mit Fertigkeit' rech-
nen lernen. Wer nicht Geschriebenes lesen, und nicht
selbst schreiben kann, kommt in der Welt nicht fort;
und wer das Rechnen nicht versteht, wird oft betrogen,
und weiß sich in vielen Fällsn nicht zu helfen. Ich
will mir recht viel Mühe gehen, fertig lesen, schreiben
und rechnen zu lernen.
Manche Kinder lasten sich gern belehren; es macht
ihnen Freude, wenn sie etwas Neuss lernen können.
Solche Kinder nennt man gelehrige Kinder.
Als ich ein Jahr alt war, konnte ich noch nicht —
noch nicht — und noch nichts. — Im zweiten Jahre
meines Lebens lernte ich — und —; aber ich verstand
noch nicht alles, was Andere zu mir sagten. Damals
gab man mir noch kein Brot und kein Fleisch zu essen;
denn ich hatte noch nicht alle Zähne, und konnte als-
keine feste Speise vertragen.
Ich heiße mit meinen Vornamen —; mit meine»
Baternamen heiße ich —. Ich bin jetzt — Jahre und —i
Monate alt.
Sieben Tage gehören zu einer Woche; vier Wo-
chen, und zwey oder drei Tage, machen einen Monat
aus. Zwölf Monate, oder 365 Tage gehören zu einem
.Jahre. Sechs Monate machen ein halbes Jahr,
und drei Monate ein Vierteljahr aus. Die Name»
der zwölf Monate heißen nach der Ordnung also: Ja-
nuar, Februar, März, April, Mai, Ianiüs, Julius, Au-
gust, September, October, November und December.
Wenn Z2 Wochen, oder 12 Monate verflossen sind,
so ist ein Iabr zu Ende, und dann fängt sich ein
neues an. Der erste Tag eines neuen Jahres heißt
der Neujahrstag. An diekem Tage wünschen Anver-
wandte, Hausgenosten, Nachbaren und Freunde eim
««der Glück und Freude.
As ' ' .
4 Kurze Sähe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
Wenn hundert Jahre vergossen find, so ist ein Jahr-
hundert zu Ende. Da« Ich',hundert, welches sich un-
längst angefangen hat, heißt dos N e u n z eh n re I ahr-
hundert. Wir fangen nämlich b i der Geburt eines
sehr berühmten und vortrefflichen Mannes, der IesuS
Christus hreß, und dem wir srhr viel Gules verdan-
ken, die Ichre an zu zählen, und nun sind schon isoo
Jahrs verflossm, seitdem er geboren ward.
In den ersten deidcn Monaten des Jahres, und in
dem letzttn Monate ist es bey uns s.hr kalk; eS fällt
Schnee, und das Wasser wird zu Grs. Diese Zeit deS
Jahres wird der Winter genannt.
In den drey Monaten, welche auf den Februar fol-
gen (wie heißen sie?) ist es'nicht mehr so kalt; das Eis
schmilzt;. eS schneiet nur noch sehr selten, u>d sehr we-
nig; die Bäume bekommen Knospen, Blüthen und Blät-
ter; die Schwalben lassen sich wieder sehen; und einige
Blumen blühen, besonders Schneeglöckchen. Veilchen
und Maiblumen. Diese schöne Zeit des Jahres wird
der Frühling genannt.
Im Junius, Julius und August brennt die Sonne,
die Luft wrrb oft sehr heiß, man klagt über Hitze, und
muß schwitzen. Aber die Hitze ist gut denn davon wer-
den viele schöne Früchte reif, » B Erdbeeren, Johan-
nisbeeren, Stachelbeeren, Kirschen, Brrnen, Aepfef,
Pfirsichen , Aprikosen und Pflaumen. Diese Zeit des
Jahres wird der Sommer genannt
Im September, Octobev und November «erden
alle Früchte in den Gärcen und auf den Feldern einge-
sammelt, und in die Vorrathskammecn, auf den Boden
und in den Keller gebracht. Der Bauer hat schon im
Julius und Auaust das Korn nur der Smse abgeschnit-
ten, in große Bündel gebunden, und in die Scheune
gebracht, wo es ausgcdroschen wird. Nun gräbt er
auch die Kartoffeln und Rüben aus; schneidet die dicken
Kohlköpfe ab, u d bringt d?s, waS er selbst nicht
braucht, zum Verkauf in die Stadt. Das cusgedro-
scheneKorn schüttet er in große Säcke, und bringt e-
dem Müller, d?mit eS in der Mühle zu Mch> gemah-
len werde. Diese Zeit des Jahres wird der Herbst
genannt.
und des Nachdenkens. 5
Es giebt also vier Jahreszeiten, und wie heißen
sie? In welcher Zerr des Jahres befinden wir unS jetzt?
Wann ist duse Jahreszeit zu Ende? Und welche folgt
darauf? Welches ist die angenehmste JühreSM?
Wer bungrig ist, will essen; wer durstig ist, will
trinken; wr müde ist, will ausruhen; wer neugierig
ist will alles wissen und alles sehen; wer mitleidig ist,
wrll q rn d m Unglücklichen h-lfen; wer eigensinnig
ist, wlll immer seinen Willen haben; wer zänkisch ist,
will nicht in Frieden leben; wer friedfertig ist, will
nicht zanken; wer krank ist, will gesund werden; wer
gefallen ist, will wieder aufstehen; wer undienftfertig
ist, will Andern keinen Dienst erzeigen.
Wer nichts weiß, soll etwas lernen; wer krank ist,
soll sich des Essen- enthalten; wer nicht arbci en mag,
soll auch nicht essen; wer seinen Eltern und Lehrern
Nicht gehorcht, soll Strafe leiden; wer nicht hören
will, wenn man ihn ermahnt, soll fühlen.
Wer sich beschmutzt har, muß sich waschen; wer
gesund bleiben will, muß mäßig essen und trinken; wer
etwas lernen will, muß fleißig und aufmerksam seyn;
wer gut schlafen will, muß am Tage fleißig arbeiten,
und weder zu viel essen, noch zu viel trinken; wer bei
feinen Hausgenossen beliebt seyn will, muß dienstfertig,
aufrichtig und freundlich seyn; wer etwas begreifen will,
muß nachdenken; wer sich nicht verirren will, muß
nach hem rechten Wege fragen; wer satt werden will,
muß essen; wer gelobt seyn will, muß sich anständig
und vernünftig betragen; wer feinen Eltern Freude ma,
chen will, muß in der Schule fleißig, zu Haufe sittsam
und gehorsam, und bey fremden Leuten artig seyn;
wer seine Kleider lange haben will, muß sie schonen,
und reinlich halten; wer schnell nach einem Orte hin-
kommen will, muß eilen, und nicht säumen.
Wer viel Geld einnimmt, kann auch viel Geld
ausgeben, oder er kann auch etwas aufsparen. Wer
ein Handwerk gelernt hat, kann sich selbst ernähren.
Wer krank und schwach ist, kann sich nicht selbst, er-
6 Kurze Säße zur Erweckung der Aufmerksamkett
nähren. Wer in der Schule nicht fleißig und aufmerk-
sam ist, kann in der Schule nichts lernen.
Ich wohne in einem Hause, welches — Stockwerke,
mehrere Stuben und Kammern, einige Küchen und Kel-
ler, und einen Boden hat. In diesem Hause haben —
Personen ihre Wohnungen. Einige unter diesen Perso-
nen nenne ich meine — andere nenne ich meine —; die
übrigen sind meine Hausgenossen, weil sie mitmir
in einem Hause wohnen. Ich gehöre Zu einer Fami-
lie, und diese Familie besteht aus meinen Eltern, mei-
nen Geschwistern und —.
Das- Haus, in welchem meine Eltern wohnen, ge-
stört —. Der, welchem das Haus gehört, heißt der
Wirth, oder der Eigenthümer, oder auch der Be-
sizzer des Hauses. Wer kein eigenes Haus besitzt,
muß sich in dem Hause eines andern eine Wohnung mie-
then. Er bezahlt nemlich dafür, daß er in einem frem-
den Hause wohnen darf, jährlich ein gewisses Geld an
den Eigenthümer des Hauses. Dieses Geld wird das
Miethsgeld oder der Zins genannt. Eine Wohnung wird
auch ein Quartier oder ein L o g i s genannt.
Zu einer guten Wohnung gehören helle, geräu-
mige und trockene Stuben, luftige und geräumige Kam-
mern, bequeme und helle Treppen. Die Küche , der.
Keller und der Boden müssen ebenfalls geräumig und
luftig seyn. Solche Häuser, deren Mauern und Wän-
de bloß von Steinen aufgeführt sind, werden massive
Häuser genannt, und sind die dauerhaftesten. Ein
massives Haus kann einige hundert Jahre stehen, wenn
eS von Zeit zu Zeit gehörig ausgebessert (reparirt) wird.
Inj manchen Hausern giebt es auch Wohnungen für
Thiere, oder Ställe. Die Ställe haben selten Fenster,
aber nirgends Oefen. Warum nicht? In den Ställen
findet man auch nicht Stühle, Tische, Spiegel, Spin-
den oder Schränke. Aber in manchen Ställen steht ein
Bette. Für wen?
Ich bin ein Mensch; denn ich kann mich bewe-
gen, wie ich will (willkührlich), ich kann empfinden,
degehcen und denken. Ich habe schon Schmerz/
und des Nachdenkens. A
Freude, Mitleiden, Angst und Furcht empfunden»
Auch die Thiere können Vergnügen und Schmerz em-
pfinden. Der Hund freut sich, wenn er seinen Herrn
steht, er wimmert und heult vor Schmerz, wenn er
von einem andern Hunde gebissen worden ist. Ich kann
meine Freude und meinen Schmerz durch Worte zu er-
kennen geben, ich kann sprechen; das Thier kann nicht
sprechen. '
Ich gehe aufrecht, kann meinen Kopf in die Hö-
he richten, und ihn nach allen Seiten herumdrehen.
Die Thiere gehen zur Erde gebückt, und können den
Himmel nicht ansehen. Ich kann sehen, hören, fühlen,
schmecken und riechen. Dieß können die Thiere auch;
ste haben, gleich dem Menschen, fünf Sinne. Man-
che Thiere können sogar schärfer sehen und schärfer rie-
chen, als die Menschen.
Ich weiß, daß ich meine Füße zum Gehen, meine
Augen zum Sehen, meine Ohren zum Hören, meine
Zunge zum Schmecken, meine Nase zum Riechen ge-
brauchen, und daß ich an allen Theilen meines Körpers
fühlen kann; aber ein Thier weiß dieß nicht.
Ich kann darüber nachdenken, wozu man Eisen,
Steine, Kalk, Holz und andere Dinge gebraucht; aber
die Thiere können nicht nachdenken. Ich kann begrei-
fen, warum ein Ding so seyn muß, wie es ist; z. B.
warum ei« Haus Fenster, Thüre« und Schornsteine
haben; war»m der Ofen von Thonerde, und nicht von
Holz gemacht werden; warum man die Pflanzen begie-
ßen, und die Erde umgraben muß. Ich kann begrei-
fen, warum jeder Topf eine« Henkel haben, und war-
um ein Messer vorn scharf, am Rücken aber glatt und
stumpf seyn muß. Ich weiß, warum meine Schuhe
von Leder, und nicht von Holz oder Blechs oder von
Tuch gemacht find, und warum ein Wagen nicht mehr
als vier Räder haben darf.
Ich kann einsehen, warum ich nicht immer thun
darf, was ich will; warum ich thun soll, was meine
Eltern und Lehrer woben; warum ich folgsam, fleißig
und aufmerksam seyn soll. — Ich weiß, warum die
Thüren hoch, die Dächer schräge, die Keller gewölbt
sind; warum die Küchen einen Hrerd von Steinen und
8 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
nickt von Holz haben, und die Straßen gepflastert seyn
müssen.
;; Ich begreife, daß der Lisch und die Bank einander
ähnlich sind, und weih auch, worin diese Aehnlich-
keit befte&t. Ich bemerke, daß beide aus Holz ge,
macht sind, beide sich durch den Gebrauch abnutzen, bei,
de im Feuer verbrennen (hrrnnbar sind), und beide Füße
haben. Aaer ich sehe auch ein, daß beide einander un-
ähnlich oder von einander verschieden sind; denn
ich bemerke an dem einen manches, was an dem andern
nicht ist, i B —
Die Rose ist der Nelke ähnlich; denn beide sind
Blumen; beide haben einen schönen Geruch und schö,
ne Farben; beide haben eine Wunel, Blatter und Sten,
gel; beide entstehen aus einer Knospe; beide blühen eine
kurze Z it, und verwelken dann. Aber die Ro!e ist auch
von der Nelke verschieden; denn sie Hot einen andern
Geruch, sie hat nur Eine Farbe, die N lke aber ist ge,
wöhnlich bünt. An der Rose sind Stacheln, aber an der
Nelke nichk. Die Rose hat breite und runde Blätter,
die Nelke hat schmale und längbchte. Ich habe jetzt die
Rose mit der Nelke verglichen» ich habe aber auch
beide von einander unterschieden Dreß können die
Thiere nicht, denn sie haben kernen Verstand. .
Ich k e n n e allerlei Dinge, welche ich mit Aufmerk-
samkeit angesehen oder betrachtet habe. Ich kenne eine
Menge Pflanzen, welche m dem Garten wachsen, z. B.
Mohrrüben (Möhren), Bohnen, Erbsen, Gurken, Wein-
stöcke, Rettige, Salatkräuter, allerlei Arten von Kohl
oder Kraut, Petersilre, Schnittlauch, Salbei, Spar-
gel, Pfcsserkraut. Ich kenne dos Unkraut und werß
es von den nützlichen Pflanzen zu unterscheiden.
Auf dem Felde wächst Roggen, Weizen, Gerste,
Hafer, Flachs, Hanf und Kohl. Auch Anfcn, Boh-
nen, Erbsen und Kartoffeln wachsen auf dem Felde,
und w-rden d her Feldfrüchte genannt.
Ja den Baum gärten wachsen Birnen, Aepfel,
Pflaumen (Zwischen), Kirschen, Aprikosen, Pfirsichen,
und Nüsse. Zwischen den Bäumen stehen allerlei Stau-
den und Sträucher. Daran wachsen Johannisbee-
ren, Stachelbeeren, Brombeeren, Himbeeren «. a. m.
und des Nachdenkens. 9
Alle diese Früchte kann man essen, sie sind eßbar (und
gesund), wenn sie reif sind. Unreife Früchte sind
schädlich.
Die Bäume versorgen uns nicht nur mit ihren
saftigen Früchten, sondern sie erfreuen uns auch un
Frühling durch ihre schneeweißen und roscncothen Blü-
then, erquicken uns an heißen Sommertagcn durch ih-
ren Schatten, und wärmen uns im Wmrer durch ihr
Holz-
Der Baum steht fest, weil er eine starke Wurzel
hat, welche tief in die Erde hinein geht. Auf der Wur-
zel steht der Stamm, welcher mit einer festen Rinde
wie mit einem Kleids umgeben ist. Um drc Sp-tzedeS
S.tammes herum sitzen die Aefte, und an den Aasten
sitzen die Zweige, an den Zweigen dre Blälter und
die Früchte. Im Anfange des Frühlings sind noch
keine Blätter und keine Früchte an den Zweigen zu se-
hen, sondern nur Knospen. Diele brachen endlich
auf und daraus entstehen dann Blüthen und B-ärter.
Aus den Blüthen entstehen die Früchte. Die Blätter
zieren den Baum, und schützen die Früchte vor der
brennenden Sonne. Wenn ein Baum seine Blätter
verliert, ehe die Früchte reif sind, so verdorren oder
vertrocknen die Früchte.
Wenn die Rinde eines Baumes beschädigt ist, so
wird der Baum krank, und stirbt endlich ad. oder geht
aus. Darum ist es sehr unrecht, und verdient harte
Strafe, wenn Kinder aus Muthwillen in die R nde der
Baume schneiden, oder die Rinde abreißen. Ich will
nie einen Baum beschädigen; ober ich will mich über
einen gesunden und blühenden Baum freuen.
Die Thiere haben nicht einerlei Gestalt; es ist
ein großer Unterschied zwischen e-nem Hunde, einem
Sperling, emem Hecht, einem Frosch, einer Spinne
und einer Schnecke. Der Hund hat vier F ße, u-rd
gehört daher zu den vier fähigen Thieren; der
Sperling hat nur zwei Füße und zwei Flügel, er
gehört d-swegen zu den Vögeln. Der Hecht hat
keine Füße und keine Flügel; er hat auch keine Haare»
lio Kurze Säße zur Erweckung der Aufmerksamkeit
rvie der Hund, und keine Federn, wie der Sperling,
sondern Schuppen. Cr kann nicht gehen, wie der
Hund, und nicht fliegen, wie der Sperling, aber er
kann schwimmen, d. h. sich im Wasser schnell von ei-
nem Orte zum andern bewegen. Dazu gebraucht ec
die Floßfedecn und den Schwanz. Er gehört zu den
Fischen, und lebt im Wasser.
Der Frosch hat zwar vier Füße, aber seine Hinter-
füße sind lang, und er gebrascht sie weniger zum Ge-
hen, als zum Schwimmen. Er kann auch nicht gehen,
sondern nur hüpfen oder springen. Cr lebt im Wasser
und auf dem Lande, und gehört zu den Amphibien.
Die Spinne (Kanker) hat 8 Füße, und kein rothes
und warmes, sondern kaltes weißliches Blut. Ihr Leib
hat mehrere Einschnitte oder Kerben. Sie gehört zu
den Insekten. Die Schnecke hat keine Füße, und
kann nur kriechen. Sie hat auch kaltes weißliches Blut,
und gehört zu den Würmern.
Fast jedes Thier hat eine besondere Stimme. Die
Fische, die Würmer und die Insekten scheinen keineStim-
nie zu haben. Die angenehmste Stimme hat der Memsch.
Ich habe gehört, wie die Nachtigall und die Lerche singt,
der Storch klappert, der Hund bellt und knurrt, die
Ziege meckert, das Schaaf blökt, der Pfau schreit, das
Ferkel quikt, die Maus pfeift, das Pferd wiehert , der
Schwan zischt, der Frosch quakt und die Grille zirpt.^
Die Thiere haben von Natur eine warme Klei-
dung. Einige sind mit stacken Haaren oder mit
Wolle, andere mit Federn, noch andere mit Schup-
pen, einige mit Borsten oder Stacheln bedeckt.
Die wilden Thiere welche in den Wäldern leben,
und sich vor dem Menschen fürchten, suchen sich selbst:
ihre Nahrung. Die zahmen Thiere werden von den
Menschen gefüttert. Ihre Nahrungsmittel sinh sehr
verschieden. Einige bringen andere Thiere um (würgen
sie), und fressen sie dann auf. Diese heitzen Raub-
thiere; andere fressen todte Thiere, welche schon in
Fäulniß gerathen sind (Aas; noch andere leben von
Gras, Krautern, Wurzeln, Knospen, Blättern, Holz,
Blumensäften, Körnern, Spreu, und sogar von gif-
tzgen Pflanzen.,.
und des Nachdenkens. ii
Ochsen- Kühe, Gchaafe, Pferde und Ziegen fres-
sen Gras und Kräuter; Hunde und Katzen fressen
Fleisch; Hühner und Gänse Korn, besonders Gerste.
Die Bienen nähren sich von Glumensäften, die meisten
Würmer von Wurzeln - die Raupen von Blattern.
Die äußeren Glieder der Thiere sind sehr ver-
schieden. Einige haben Arme und Beine, nehmlich die
Affen; andere haben weder Nrme, noch Beine, noch
irgend ein anderes hervorstehendes Be-wegungswerkzeug,
wie die Schlangen und Würmer. Einige haben zwei,
andere vier, noch andere sechs oder acht, ja einige so-
gar mehr als hundert Füße. Der Kellerwurm, ein
Insekt, hat 14 Füße. Einige haben Flügel, andere
Flossen, noch andere Fühlhörner und Fübtfäden. Ich
weiß einige Thiere zu nennen, welche Fühlhörner, und
einige, welche Fühlfädeu haben.
Einige Thiere haben außerordentlich schar.fe Sin-
ne. Die Raben und die Hunde haben einen überaus
scharfen Geruch, und der Adler hat ein bewunderns-
würdig scharfes Gesicht. An einigen Tbieren, z. B.
Kn dem Regenwurm, bemerkt man gar keine Sinnen-
werkzeuge, keine Ohren, keine Augen und keine Nase.
Die Thiere schlafen, wenn sie ermüdet sind, und
einige schlafen mit offenen Augen, z. B die Haasen;
andere im Stehen, z. B. die Pferde; manche nur am
Tage, weil sie des Nachts auf Raub ausgehen, z. B.
die Eulen und verschiedene wilde Thiere. Einige Thiere
schlafen den ganzen Winter hindurch, und wachen nicht
eher auf, als bis die Luft warm wird.
Jedes Thier hat Feinde, gegen die es sich wehren
oder in Sicherheit setzen muß; aber jedes Thier weiß
sich auch gegen seinen Feind zu schützen, wenn es ange-
griffen wird. Durch Beißen, Ausschlagen mit den
Hinterfüßen, Stoßen, Stechen, Laufen oder Verkrie-
chen wissen sie ihre Feinde abzuwehren, oder sich vor
ihnen in Sicherheit zu setzen. Einige, die im Wasser
leben, wissen das Wasser trübe zu machen, wenn sie
verfolgt werden; andere vertreiben durch einen Gestank,
den sie von sich geben, ihre Feinde; noch andere stellen,
ficb todt, oder rufen durch ängstliche Töne andere zutz.
Hülfe herbei.
12 Kurze Sähe zur Ekweckuñg der Aufmerksamkeit
Mit großer Sorgfalt pflegen und nähren die Thiere
ihre Jungen. Ehe sie noch geboren sind, haben sie
schon ein weiches, warmes und sicheres Lager für die
Jungen bereitet. Einige Thiere. wie z B. die Hunde,
Katzen, Pferde, Kühe und Ziegen dringen icdendige
Junge zur Weit, und säugen sie an ihren Brüsten, da-
her ñe Saugethiere genannt werden. Die Vögel und
die Fische legen Erer, aus wachen nach einige^ Zu, ver-
mittelst der Wärme, die Jungen entstehen.
Die Vögel leben in der Luft^, und haben eine sehr
leichre Bekleidung von federn; andere Thiere leben im
Wasser, und diese sind meistenkheits mit fchleimigten
Schuppen beneidet, wie die mehresten Mische; noch an-
dere leben unter der Erde, wie die Hamster, Maul-
würfe.. Ratten - Mause und Würmer, und diese haben
enlw'der nne Bedeckung von Haaren, oder eine glatte
dehnbare H^ut In sehr kalten Ländern haben die Thie-
re eme vorzüakich warme Bekleidung.
De Säuaekhtere haben eine sehr verschiedene
Bedeckung. Ihre Haut ist entweder m.t Hiaren, oder
mit Wolle, oder mit Borsten, bei einigen auch mit
Stacheln, Schuppen oder Schilden bewachsen
Der Nutzen, welchen die Säugethier? den Men-
schen gewähren, ist unbeschreiblich groß. Ohne Schas-
se, O-sen und Kühe würden wir mck-t leben können:
denn das SHaaf muß leine Wolle hergeben, damit wir
uns Kleider machen können, das Fleisch des Ochsen
(Rindfleisch) ist unser kräftiges Nahrungsmittel, und
seine Haut ist uns unentbehrlich, wul daraus dis Le-
der gemacht wrrd, wovon der S 1 uhmacher die Schuhe
und Stiefel verfertigt. Der Och e ist in vielen Län-
dern bei der Bebauung des Ackers unentbehrlich, denn
erzieht den Pflug. Die Kuh giebt uns Mich. wor-
aus wir Butter und Käse, znm vorzügliche N chrungS-
mittel, machen. — Auch die Pferde sind überaus nütz-
lich zum Reiten, Fahren und Flügen, und die Esel sind
in bergigten Ländern unentbehrlich, weil sie so starke und
«nermüdete Lastträger sind.
Eben die Dienste, welche uns Pferde und Ochsen
leisten, leistet in kalten Ländern das Rennthier, und
in heißen Ländern das Kam esl.
und des Nachdenkens. „ IZ
Die Vögel erfreuen uns durch ihren Gesang, die-
nen uns zur Speise, und sind uns noch auf mancherley
Weise nützlich: theils durch ihre Federn und Eier, theils
dadurch, daß sie das Aas oder.die todten Thiere verzeh-
ren. viele schädliche Threre vertilgen, und besonders die
Frösche, Schlangen uad Eidechsen, welche sich so sehr
vermehren, wegfangen und vermindern. Es giebt Haus-
vögel oder Hühnerarriqe Vögel, Was seevögel
oder Schwimmvögel, Sumpfvögel, Singvögel,
Waldvögel und Raubvögel. Ich weiß einen
Hausvogel, einen Wasser vogel- vier Singvögel, einen
Sumpfvogel und einen Raubvogel zu nennen.
D:e Fische sind dem Menschen als Nahrungs-
mittel schr nützlich. Es giebt Länder, deren Einwohner
das ganze Ichr hindurch fast einzig und allein von Fi-
schen leben. Auch der Thran dev Häringe und die Haut
mancher Fische ist sehr brauchbar.
Auch unrec den Amphibien giebt es verschiedene,
welche dem Menschen zue Nahrung dienen, besonder-
di? Schildkröten und die Frösche»
Die Insekten werden uns vorzüglich dadurch sehe
nützlich, daß sie eine große Menge Unkraut theils im K >m
ersticken, theils vertilgen, wenn es ausgewachsen ist Auch
verzehren sie das Aas, oder die todten Thiere welche sonst
die Luft verderben würden. Verschiedene Jüsckeen sind eß-
bar, r- B die Krebse und die großen Heuschrecken. Von
den Bienen erhalten wir den süßen Honig und des nütz,
liche Wachs. Manche Insekten g»ven schöne Farben. Die
Spanischen Fliegen sind ein vorkrefstichvs Heilmittel.
Unter den Würmern sind auch verschiedene eßbar,
z. B dre Austern. Dre Mulchelschaalcn w-rden von den
Künstlern auf mancherley Werse veraesseltet, besonders
die Perlenu utter Oec so nützliche B rde'chw.imm ist
das Gehäuse emeS Wurmes. Die Biurigel sind ein sehe
Wirts mes Heilmittel.
Dre Thiere, deren Häute sihr brauchbar sind, weil
Leder dar ms gemacht wird, sind folgende: Ochsen,
Kälber, Schnake, Pferde, Schwäne,' Ziegen. Hch,
sche, Rehe und Esel Auch aus der Haut eines Fi-
sches, welcher der Sägefi ch heißt, wird Sohlenleder
gemacht. Das Leder, welches aus Ochsenhäuren ge-
14 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkek
macht wirb, heißt Rindleder, und das, welches aus
Pferdebanttn gemacht wird, heißt Roßleder, weil mau
die Pferd? auch Rosse nennt. Den zabmen Schweinen
wird die Haut nicht abgewogen, sondern nur den wil-
den. Ich habe schon Bücher gesehen, welche in
Schweinsleder eingebunden waren.
Aus der Eselshaut macht der Pergamentmachee
schönes Pergament, worauf man mit Bleistift schrei-
ben, und das Geschriebene wieder auslöschen kan».
Wenn die Felle oder Haute der Tbiece dicht mit
weichen wolligten Haaren bewachsen sind, so werden
Pelze, daraus gemacht. Wie heißt der Mann, welcher
die Pelze macht? Sind dis Haare zu kurz, so kratzt man
sie-ab, und gebraucht sie zur Verfertigung der Hüte.
Die Thiere, deren Fleisch gegessen wird, sind fol-
gende: Ochsen, Kälber, Hammel, Lämmer, Schweine,
Ziegen, Hirsche, Rebe, Haasen, Hühner, Gänse, Enten,
Puten, Tauben, Krammetsvogel, Lerchen, Fasanen,
Rebhühner u. a. m. Auch das Blut und die Milch
einiger Thiere gehört zu den Nahrungsmitteln der Men-
schen , besonders die Milch der Kühe, Schaafe und Zie-
gen. In manchen Ländern wird auch Pferdemilch getrun-
ken. Die Eselsmilch ist sehr gesund, und wird sogar
-als ein Heilmittel bei manchen Krankheiten gebraucht.
Zur Speise dienen dem Menschen die Früchte der
Bäume und Stauden, und die Wurzeln und Blättee
vieler Pflanzen und Kräuter, z. B. die Wurzeln der
Petersilie und des Sellerie, die Zuckecwurzeln, die
Blätter der Kohlpflanzen, des Sauerampfers, des
Spinats und der Salatpflanzen.
Der Mensch soll mit den Speisen nicht bloß seine»
Hunger stillen, sich sättigen, sondern sie sollen ihm auch
gut schmecken, er soll sich mit Vergnügen sättigen. Dar-
um bat Gott so gütig dafür gesorgt, daß es Dinge giebt,
womit man die Speisen würzen, das heißt: ihnen ei-
nen Wohlgeschmack geben kann, und einige dieser Ge-
würze sind fast überall im Ueberfiuß vorhanden.
Die Gewürze, welche bei uns häufig wachsen odee
gefunden werden, sind: Salz, Salbei, Majoran, Thy-
mian, Dill, Petersilie, Zwiebeln, Kümmel und Körbel»
Die ausländische» Gewürze sind: Baumöhl, Jucker,
und des Nachdenkens.
" Pfeffer, ZimmL, Muftaten-Nüsse und Muscaten,Blü-
the, Nägelein, Ingwer und Kardamom. Auch der
Essig gehört zu den Gewürzen. Man hat Bieressig
und Weinessig.
Nächst dem Brote sind die Kartoffeln das allge-
meinste und wohlfeilste Nahrungsmittel. Man kann sie
auf mancherlei Art, auch als Mehl und Stärke benu-
tzen, und sie lasten sich den ganzen Winter hindurch in
Keller« und Gruben aufbewahren. Auch als Viehfut-
ter sind sie sehr brauchbar.
Es giebt mancherlei Arten von Erde, z.V. Sand,
Lehm, Thon, Kreide, Kalk. Den Sand gebraucht der
Maurer, um ihn mit Kalk zu vermischen. Den feinen
Gand streut man auf die nasse Schrift, damit sie nicht
verlösche; auch bestreut man die Stuben damit^ — Den
Lehm gebraucht der Töpfer, wenn er einen Ofen setzen
will; auch zum Bauen wird er gebraucht. Die Bauer-
häuser haben gewöhnlich Lehmwande. Die Scheunen
und Stalle haben einen Fußboden von festgestampftem
Lehm. — Der Thon wird von dem Töpfer zu Töpfen
Schüsseln,Näpfen und Krügen verarbeitet. Die Krei-
de wird zum Schreiben und Malen, der Kalk zum
Bauen gebraucht.
Die Sterne werden auf mancherlei Weise benutzt.
Einige, welche Sandsteine heißen, werden zum Mahlen
oder Zermalmen des Korns in der Mühle gebraucht,
und werden Mühlsteine genannt, wenn sie behauen und
abgerundet sind. Andere gebraucht man zum Schleifen
der Messer, Scheeren, Beile und Degen; noch andere
zum Bauen und Pflastern der Straßen, besonders die
Kalksteine, Sandsteine und Kieselsteine; auch den Mar-
mor, welcher sehr schön aussieht, wenn ec geschliffen
und polirt ist. Einige kostbare und vorzüglich schöne
Steine dienen den Menschen zum Schmuck, und diese hei-
ßen Edelsteine. Der Diamant ist ein Edelstein, und
zwar ein sehr nützlicher Edelstein; denn man kann GlcB
damit zerschneiden, und er ist dem Glaser unentbehrlich.
Zu den nutzbarsten Steinen gehört der Feuer stein
ober Kreide-Kiesel. Er wird besonder als Flin,
16 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkeik
tenstem gebrauchr, abcr auch zur Verfertigung des Gla-
sés in dm GlkShütten. Auch der Schiefer gchdrt
zu den brauchdarsten Steinen. Er wird durch Dach-
deckcn, aber auch als Schreib-Material, und als
Werkzeug zum Schreiben gcbraucht (Gnffel, Schiefer).
Der Krystal! hat den Glanz und die Farde des
schdnsten weihen Glasts. Die NaMen der vorzügüch-
sten Ed Alterne find folgende: Chalcedon, Karn <ol.
Achat, Iaspis, Chrvsopras, Gcanak, Hyacinth, Ru-
bin, Smaragd, Topas, Sapphir.
In dec Erde findet man Gold, Silver, Kupfer,
EÜeu. Zinn, B ey, Sreiniohlen, Tors, Steinsalz,
EdxHeme, Schwefe! — AuS Goid, Silbec und
K^p'lcr machr man Mün;en oder Geld. Dukaten-
Louisd'or und Kacolinen find Goldmünzen.
In einem Lande liegen Städte, Flecken und
Dörfer. In den Dörfern wohnen die Landleuke oder
Bauern, welche sich mit dem Ackerbau und der Vieh,
zucht beschäftigen- IN den Wäldern wohnen die Jäger
und die Kohlenbrenner. An den Flüssen und Seen woh-
nen die Fischer. Zwischen den Städten und Dörfern lie-
gen, Felder, Wiesen, Wälder- Gebüsche, Berge, Felsen,
Hügel Gebörge, Thäler, Ebenen, Moräne und Süm-
pfe, Seen, Teiche, Fiüsse, Bäche und Quellen.
Mes, was außerhalb einer Stadt oder eines Dor-
fes liegt, wird Feld genannt, oder auch Acker, wenn
es ein bebautes, d. h. gepflügtes und besaeteS Feld ist.
Ein Feld, welches einen sehr feuchten G und oder Bo,
den hat, und auf welchem von selbst GraS und Klee
wächst, wird eine Wiese genannt. Ist es nur ein
großer mit Gras bewachsener P?ay, der m einem Dorfe
oder in einer Stadt liegt, so wird er ein Anger ge-
nannt, oder auch eine Weide (Vieh, Weide) Aber
wie nennt man e.n solches Stück Land, welches mit ei-
nem Znm oder einer Mauer, oder einer Hecke einge-
schlossen, und mit Obstbaumen, Blumen und Küchen-
Gewächsen bepflanzt ist? . ,
Ein großes Feld, auf welchem starke und hohe
Bäume in großer Menge, aber nicht nach der Orb-
und des Nachdenkens. r-
vung, bei einander stehen, wird ein Wald genannt.
Wie wird aber ein solches F^ld genannt, auf welchem
keine Bäume, sondern viele Sträucher bei einander ste-
hen? Ich weiß, daß ein Baum nur Einen starken
Stamm, ein Strauch abcr mehrere kleine und schwa-
che Stämme hat.
Auf vielen Feldern giebt es Hügel oder kleine Er-
höhungen des Bodens. Sind diese Erhöhungen sehr
groß, so daß man viel Feit und Mühe gebraucht, um
auf die Spitze zu kommen, ko werden sie — genannt.
Besteht der ganze Berg aus Gtein, so wird er ein Fel«
se n genannt. Zuweilen sieht man auf den Feldern ganz
kleine Erhöhungen von frischer Erde; diese rühren von
den Maulwürfen her, welche die Felder durchwühlen,
und großen Schaden anrichten. Felder, welche gar
keine Erhöhungen haben, werden Ebenen genannt.
Der ebene Raum, welcher von zwei oder mehreren
Bergen eingeschlossen ist, wird ein Thal genannt. Ist
dieser Raum ko enge", daß man kaum mir einem Wa-
gen hindurch fahren kanu, so heißt er eine Schlucht
oder ein Hohlweg. Zuweilen sind in den Bergen
Vertiefungen, od^r Höhlen, in welchen mehrere Men-
schen oder Thiere Platz finden können; diese werden
Grotten oder auch Felsklüfte genannt. — Aber
wie nennt man eine ganze Reihe von hohen Bergen,
welche wie aufgethücmt neben einander und über ein,
ander liegen? Manche Berge sind so hoch und steil,
oder jähe, daß man sie nicht an allen Seiten ersteigen
kann. Ein Weg, der über solche Berge geht, wird
ein Paß genannt.
Auf den Feldern kommt mau zuweilen an solche
Stücke Land, welche voller Wasser, und daher so
weich sind, daß man einsinkt, wenn man darauf ge-
ben will; diese werden Moräste genannt. Wo der
Boden ganz mit Wasser bedeckt ist, und zwar mit ei-
nem trüben übelriechenden Wasser, da ist ein Sumpf.
Ein ganz kleiner Sumpf, der vom Regen entstanden
1K, wird eine Pfütze, oder auch ein Pfuhl genannt.
Da, wo Sümpfe sind, halten sich verschiedene Vögel
auf, welche daher Sumpfvögel genannt werde«,
besoudeks Reiher, Störche, Kraniche, Rohr-
i8 Kurze Götze zur Erweckung der Aufmerksamkeit
dommeln, Schnepfen, Kiebitze und Wasser-
hühner.
Auch Seen findet man sehr häufig, beinah- in je*
dem Lande. Ein See ist ein großes und tiefes Gewäs-
ser, welches von allen Seiten mit Land umgeben ist,
und nicht fließt, wenigstens nur ganz unmerklich. Da,
wo der Boden sümpftet oder morastig ist, kann man
auch einen See machen, indem man eine Vertiefung
gräbt, in welche sich das Wasser sammelt. Einen sol-
chen künstlichen See nennt man einen 5 eich. Eins den
Seen und Teichen halten sich oie Wasservögel auf, be-
sonders Schwäne, Gänse, Enten, Taucher und
Möven; denn diese Vögel nähren si h theils von Fi-
schen, und die Seen sind gemeiniglich sebr fischreich.
In den Seen wächst das Schilf, welches von den
Korbmachern gebraucht wird.
An manchen Orten sieht man das Wasser aus der
Erde hervorsprudeln. Ein solches Masse wird eine
Quelle genannt. Wo mehrere Duellen zusammen-
kommen, entsteht ein Ba.ch öderem kl in-r Fluß.
DaS Wasser der Duellen ist gewöhnlich kalt aber man-
che Duellen haben ein so heißes Wasser, daß man sich
daran verbrennen kann. Bielen ^ranken ist sehr zu-
träglich, wenn sie sich in solchem Duellwasser baden,
nachdem es stch ein wenig abgekühlt bat. Manche
Du-llen stießen beständig, manche nur zu gewissen Zei-
ten. Wenn eine Duelle nicht mehr fließt, so sagt man
von ihr: ste ist versiegt.
Wenn man zwei Stunden lang rasch hinter einander
fort geben muß. um von einem Orte zum andern zu
kommen, so liegen btfse beiden O-rter eine Meile von
einander. — Ein breiter Fad, weg, der zwecken Fel-
dern, Wiesen und B'lgen. oder aucb über Berge und
Thaler hinweg von einer Stadt zur andern führt, und
mehrere Meilen lang ist, wird eine Landstaße ge-
nannt. Ein Wea, der an beiden Seiten mit Bäumen
besetzt ist, beißt eine Allee.
Man kann auf mancherlei Art von einem Orte
zum andern kommen, oder reisen: zu Fuße, zu
Pferde, <u Waqey und zu Schisse Am wohlfeilsten
und sichersten reist man mit der Post. So nennt
und des Nachdenkens. 19
man einen Wagen, welcher in jeder Woche an einem
bestimmten Tage und zu einer bestimmten Stunde von
einem Orte zum andern fährt, und nicht nur allerlei
Sachen. Briefe und Geld, sondern auch Reisende mit-
nimmt. Wer in einem solchen Wagen reist, wird ein
Passagier genannt. Der Mann, welcher den Post-
wagen fährt, heißt der Postillion, und derjenige,
welcher mitfährt, um auf die Sachen, welche auf
dem Postwagen sind, Acht zu geben, damit nicht-
davon verlohren gehe, heißt der Schirrmeister
oder Schaffner.
Wer einen Brief mit der Post wegschicken will, muß
ihn versiegeln, und darauf den Namen und den Wohn-
ort desjenigen, welcher den Brief erhalten soll, deutlich
schreiben. Dieß nennt man die Adresse des Briefes.
Go wird er in dem Posthause abgegeben, und ein be-
stimmtes Geld dafür bezahlt, welches das Brief-
Porto genannt wird. Je nachdem der Brief leicht
oder schwer ist, wird wenig oder viel dafür bezahlt.
Eine Reise, welche man in Einem Tage vollenden
kann, wird eine Tagereise genannt. Die größte
Reise, welche ein Mensch machen kann, ist die Reise
um die Erde. Wer diese macht, hat einen Weg von
5400 Meilen zu fahren. Da die Erde von allen Seiten
mit einem sehr großen und tiefen Wasser, welches da-
Meer genannt wird, umgeben ist, so kann man am
besten zu Schiffe um die Erde herum reisen. Dieß ha-
ben auch schon verschiedene Menschen versucht, und die
meisten sind glücklich wieder zurückgekommen.
An den Landstraßen, in den Städten, Flecken und
Dörfern findet man Häuser, in welchen jeder Reisende
Wohnung, Nahrung (Zehrung) und allerlei Bequem-
lichkeiten für Geld haben kann. Diese Häuser heißen
Wirthshäuser, oder Gasthöfe, oder Herber-
gen. Der, welchem ein solches Haus gehört, heißt
ein Gastwirth.
Da, wo zwei Wege sich kreuzen oder zusammen-
kommen, ist ein Scheideweg. Man pflegt an den
Scheidewegen einen hölzernen Wegweiser aufzustellen.
Dieß ist ein Pfahl, an welchem zwei oder drei höl-
zerne Arme befestigt sind. Auf jedem Arme steht der
B 2
20 Kurze Sähe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
Name und die Entfernung des Ortes, nach welchem der
Weg führt, auf den der Arm hinweist. So bewahrt
man die Reisenden vor dem Vecirrenl denn wer den
rechten Weg verfehlt, venrrt sich.
Wer oft auf Reisen gewesen ist, hört und sieht sehr
vieles, lernt allerlei Menschen, Thiere, Pflanzen, allerlei
Städte und Länder kennen, bekommt vielErfabrun g.
Wer noch nicht viel gesehen und geböcthar, ist unerfah-
reu. Kinder haben noch wenig Ersahrung. Warum?
Die Stadt, in welcher ich wohne, heißt: — Diese
Stadt liegt in einem Lande, welches — genannt wird.
Dieß Land nenne ich mein Vaterland, weil — ? Mein
Vaterland ist groß, eS liegen viele Städte, Flecken und
Dörfer darin, in welchen viele tausend Menschen wohnen.
Alle die Menschen, welche in einem Lande beisammen
wohnen, und einerlei Sprache reden, machen zusammen,
genommen ein Volk aus. Ich weiß, daß mein Vater-
land ein Theil eines sehr großen Landes ist, welches
Deutschland heißt. Ich habe gehört, daß2300Städ-
te in Deutschland liegen, und daß viele Millionen Men-
schen darin wohnen. Die größten'unter den Deutschen
Städten weiß ich zu nennen. Sie heißen: Wien,
Berlin, Hamburg, Dresden, Frankfurt am
Main, Bremen, München und Augsburg.
Das große Deutschland mit seinen vielen tausend
Städten, Flecken und Dörfern macht doch nur einen
sehr kleinen Theil von einem viel größer« Laude aus,
welches Europa heißt, und auch das große Europa
ist nur ein kleiner Theil der unermeßlichen großen Erde;
die Erde ist aber wiederum ein sehr kleiner Theil der
Welt, d. h. alles dessen, was Gott geschaffen bat.
Denn zu der Welt gehören alle die unzählbaren Ge-
stirne, die wir in einer Hellen Nacht am H mmel er-
blicken, und die Sonne allein ist viel rauseüdmal größer,
als unfere»Ecde.
Wenn wir aus unserem Vaterlande wegreisten, und
bis dabin kämen, wo es sich endigt, und ein anderes
Land sich anfängt, so wären wir an die Grenze un-
seres Vaterlandes gekommen.
In großen Städten webneo Soldaten mit ihren
Officteren (dieje machen zusammengenommen die
und de« Nachdenken«. sr
Garnison oder das Militär, die Besatzung der Stadt
aus), Künstler, Kaufleute, Gelehrte, Hand-
werker, Tagelöhnerund Bettler oder Arme,
in schlechten, guten, schönen und prächtigen Häusern.
Eine Stadt, in welcher ein König oder ein Fürst,
oder ein anderer regierender Herr wohnt, wird eine
Residenzstadt genannt. Wien ist die Residenz-
stadt des Deutschen Kaisers. B e r l i u ist die Residenz-
stadt des Königs von Preußen. Dresden ist die Re-
sidenzstadt des Kuhrfmsten von Sachsen. Das Haus,
in welchem ein König od<r ein Fürst wohnt, wird ein
Schloß oder ein Pallast genannt.
Eme Stadt, in welcher sehr viele Kaufleute woh-
nen, und wo also Handel getrieben wird, nennt man
eine Handelsstadt. Die Handelsstädte liegen ge-
wöhnlich an großen Flüssen, werl man große Lasten am
besten zu Schiffe von einem Ort zum andern bringen
kann. Diejenigen Dinge, welche ein Kaufmann zum
Verkauf ausbietrt, werden Waaren genannt. Ein
Haus oder ein großes Zimmer, worin die Waaren in
großer Menge aufbewahrt werden, heißt ein Waa-
renlager.
Nicht alle Waaren werden auf einerlei Art verkauft.
Manche werden gemessen, manche gewogen, Man-
che gezahlt. Einige werden stückweise, nach der Grö-
ße oder Schönheit verkauft. Das, womit man mißt,
wird ein Maaßstab oder ein Maaß genannt Das Holz
wird mit einem hölzernen Maaßstabe gemessen , welcher
ein Schuh oder Fuß heißt, weil er ungefähr so
lang ist, wie der Fuß eines erwachsenen Menschen. Die
Leinwand, bas Tuch, und überhaupt alle baumwolle-
ne und seidene Zeuge werden gewöhnlich mit einer Elle
gemessen. Die Elle ist noch einmal so lang, als der
Fuß, und hat ohngekähr die Länge eines Armes.
Die flüssigen Dinge z. B. Oehl, Wein, Bier, Es-
sig, Gyrup und Branntewein werden nach Kan new
oder Quarten oder Maaßen gemessen. Man be-
dient sich dazu verschiedene Gesäße von einer genau
bestimmten Größe. — Die Butter, der Zucker, da-
Brot und viel andre Waaren werden auf einer W a a-
g e gewogen. Maw bedient sich dazu verschiedene Ge-
22 Kurze Sätze zur Erweckung der Aufmerksamkeit
Wichte, welche Huentchen, Lothe, Pfunde und Cent,
ner heißen.
Früchte werden entweder gezählt oder gemes-
sen. Auch die Eier werden gezählt. Fünfzehn G'ück
nennt man ein Mandel. Sechzig Stück machen ein
Schock aus. Das Getreide wird nach Mispeln,
Scheffeln, Vierteln und Metzen gemessen.
Dasjenige, womit ein Mensch sich beschäftigt, und
wodurch er sich näbrt, nennt man sein Gewerbe.
Ackerbau, Gartenbau, Viehzucht und Handel sind Ge-
werbe. Auch die verschiedenen Handwerke und Zünfte
gehören zu den Gewerben. Wer sich mit dem Ackerbau
beschäftigt, heißt ein Bauer, oder ein Landmann.
Wer sich auf den Gartenbau versiebt, heißt ein Gärt-
ner. — Uhrmacher, Bildhauer, Mahler, Kupferste-
cher sind Künstler. Tischler, Drechsler, Schlösser,
Maurer, Zimmerleute, Bäcker, Brauer sind Hand,
Werker. Ich weiß die Handwerker zu nennen, welche
sich mit der Verarbeitung des Eisens beschäftigen. Ich
kenne auch diejenigen, welche für die Kleidung und Nah-
rung arbeiten.
Ueberañ, wo Menschen wohnen, hat Gott dafür ge-
sorgt, daß sie, bei Fleiß und Sorgfalt, alles haben,
was sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gebrau-
chen. Denn wenn gleich nicht jedes Land so viel hervor-
bringt, als seine Bewohner zu ihrer Erhaltung bedür-
fen, so können sie sich dock durch den Handel das Feh.
lende leicht verschaffen. Aber welches sind den die Be-
dürfnisse der Menschen? Leset mit Aufmerksamkeit, was
nun folgt, so werdet ihr sie kennen lernen.
l/s Wenn ich mir den Mund und die Naselöcher zu-
stopfte, so würde ich sterben; denn ich müßte ersticken.
Unaufhörlich muß der Mensch durch den Mund und die
Nase Luft einziehen oder einathmen, wenn er leben soll.
Wenn ein Mensch das Unglück hätte, auf eine wü-
ste Insel zu gerathen, wo er weder Speise, noch Trank,
also gar keine Nahrungsmittel fände, so müßte er vor
Hunger und Durst sterben. — Wer im harten Winter
weit über das Feld gehen'muß, und zuletzt nicht mehr
und des Nachdenken-'
2Z
fort kann, der erstarrt endlich vor Frost, und muß ster»
den; denn ohne Wärme kann kein Mensch leben.
Wenn man ein neugebobrneS Kind auf das freie
Feld binl^gte, und tv-der für seine Ernährung, noch
für seine Reinigung, E wärmung und Bekleidung sorg-
te, so müßte es umkommen, oder es würde wenigstens
nickt verftä' dig werden, nicht sprechen und nicht auf-
recht gehen lernen ; denn die Kinder lernen vorzüglich
dadurch gehen und sprechen, daß sie den Gang und die
Sprache der E wacksrven nachahmen, und werden be-
sonders durch die Anweisungen und Belehrungen der
Erwachsenen verständig. — Also Luft, Wärme, Nah-
rung, Kleidung, Wohnung und Beisammenseyn mik
seines Gleichen ist dem Menschen zur Erhaltung seine-
Lebens nothwendig. Alles dieß bedarf jeder Mensch,
um zu leben; es find Bedürfnisse.
Aber wir alle können lebeu, wenn wir auch keinen
Wein zutrinken, keinen Kuchen zu essen, und keine sek-
dene Kleider anzvzleben hätten. Diese Dinge bedarf
also der Mensch nickt; fie find nickt nothwendig zu sei-
ner Erhaltung, fie gehören nur zum Wohlseyn. Wer
reckt müde ist, der schläst auch auf".der bloßen E^de
sankt und ruhig; aber er schläft freilich lieber auf einem
weichen Bette. Auf der barten Bank läßt fich's recht
gut sttzen und ausruhen: aber freilich fitz! es fick auf
dem weich gepolsterten Stuhle bequemer und angeneh,
mer Ein Rock von dem gröbsten Tucke thut reckt gute
Dunste; denn er sckützi vor Kälte, Wind und Regen;
aber es ist freilich angenehmer, einen Rock von feinem
Tuche zu haben, der mit schönen Knöpfen besetzt ist.
Also weiche Betten, gepolsterte Stühle, und Röcke von
seinem Tuche, gehören nicht zu den Bedürfnissen, son-
dern zu den Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des
Lebens, und zur Pracht, oder zum Putze. Aber wozu
gehört der Spiegel, die Uhr und die Violine?
Wenn wir hinreichende und gesunde Nahrung,
brauchbare Kleider und eine gute Wohnung haben, so
wollen wir zufrieden seyn, wenn auch die Nahrung
nicht ausgesucht und lecker, die Kleidung nicht kostbar
34 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
und glänzend, die Wohnung nicht prächtig, oder nicht
ganz gemächlich ist.
Ich weiß, daß ich meinen Kleidern sehr viel Gu-
tes zu danken habe. Sie schützen meinen Leib vor Kälte
und Sonnenhitze, vor Wind, Regen und Staub, und
bedecken zugleich diejenigen Theile meines Körpers, wel-
che kein gesitteter und ehrbarer Mensch unbedeckt las-
sen, darf.
Einige Kleidungsstücke sind auch manchen
Handwerkern bei ihrer Arbeit nützlich und nothwendig,
z. B. die Schürzen den Bäckern, Töpfern, Maurern
und Zimmerleuten (Wozu?); das Schurzfell dem Berg-
mann; das blaue oder weiß.? Hemde, welches über den
Rock gezogen wird, dem Fuhrmann u. a. m. Daher
kann man auch oft schon an der Kleidung merken, was
für ein Gewerbe jemand treibt, oder zu welchem Stande
er gehört. An seiner Kleidung kann ich den Soldaten
von dem Handelsmanne, den Bedienten von seinem
Herrn, den Bauern von dem Einwohner der Stadt,
den Prediger von dem Kaufmann, den Bäcker von dem
Schornsteinfeger unterscheiden.
Die Kleidung eines Soldaten, eines Unterofficiers
und Postillions (Postknechts) wird die Monduc
genannt. Die Kleidung eines Bedienten nennt man
die Livree, und die Kleidung eines Ofsiciers die
Uniform.
An seiner Mondur (Kleidung) kaun ich einen Ca-
va lleri sten (einen Soldaten, der zu Pferde dient,)
von einem Infanteristen (einem Soldaten, der zu
Fuße dient) unterscheiden.
Die Kleider dienen nicht bloß zur Beschützung und
Erwärmung des Körpers, sondern auch zur Verschö-
ne r u n g desselben. Wenn sie besonders schön und kost-
bar sind, so werden sie Putz genannt. Der beste Putz
ist eine reinliche Kleidung, welche nett uud ordentlich
sitzt, und ein gesundes, fröhliches Gesicht.
I-h weiß alle meine Kleidungsstücke zu nennen, und
anzugeben, welche von Wolle, welche von Leder, wel-
che von Baumwolle, und welche von Flachs gemacht sind.
und de§ Nachdenkens. 25
Meinen Hut hat der — von — gemacht. Da-
Tuch meines Rockes hat der — von — verfertigt.
Die Leinewand, wovon mein — gemacht ist, bat der
— auf seinem Web er stuhl gemacht. Er gebraucht
dazu —. Ich weiß auch, wovon die graue Leinwand
weiß geworden ist. Oie hat" auf der — gelegen.
Meine Strümpfe sind —. Die Stickerin brauchte
dazu — Garn. Meine Stiefeln bat der — von Le-
der gemacht. Das Leder ist aus — von dem — ver-
fertigt worden.
Ich kann mit meinem Körper verschiedene Bewe-
gn ngen.machen, welche die Theere nicht machen tön-
nen. Ich kann Nicht nur gehen, laufen, springen, son-
dern auch schnell aufspringen, mich bücken, meinen Kör-
per nach allen Seiten wenden, tanzen, rutschen, knieen,
mich niederlegen, niedersetzen und aufstehen. Ich kann
andern meine G"danken und meine Empfindungen durch
Worte zu verstehen geben, oder sprechen; die Thiere
können nicht sprechen. Um zu sprechen, gebrauche ich
folgende Werkzeuge: die Lunge, die Luftröhre, der Za-
pfen, die Zunge, die Zahne, die Lippen und die Nasenlöcher.
Ich kann sehen, denn ich habe zwei gesunde Au-
gen. Ich kann hören, denn ich habe zwei — —.
Ich kann schmecken, denn ich habe eine Zunge und
einen Gaumen. Ich kann riechen, denn ich habe eine
Nase. An meinem ganzen Körper kann ich fühlen;
ein besonders zartes Gefühl habe ich in den Fingern.
Ich sehe den Mond, die Sonne und die Sterne
am Himmel; und auf der Erde sehe ich Menschen,
Thiere, Bäume, Pflanzen, Kräuter, Steine, Berge,
Hügel, Felder, Flüsse, Seen, Teiche, Bäche, Quel-
len , Städte und Dörfer. In der Luft sehe ich Vögel,
Fliegen, Mücken, Schmetterlinge; in der Erde erbli-
cke ich Würmer; im Wasser sehe ich Fische, Frösche,
Schnecken und Würmer.
Ich höre den Besang der Vögel, das Rollen de-
Donners, den Schall der Glocken, das Knallen einer
Peitsche, das Wiehern eines Pferdes, das Rieseln ei-
nes Baches, die Töne der Musik, und den leisen
Schlag einer Taschenuhr. Ich kann in weiter Ferne
da- Bellen eine- Hunde-, das Krähen eine- Hah-
26 Kuvzs Aäße zur Erweckung dev Aufmerksamkeit
nes, den Schall einer Glocke und den Knall einer
Flinte oder Kanone hören.
Ich sudle, daß das Feuer brennt, und das ftl,
fche Ouellwissex kühlt, daß die Sonnenstrahlen mich
erwärmen, daß der Stein Kart, die Wolle weich, das
Eis kalt der Spiegel glatt und der Hat rauh ist. —
Ich schmecke die Süßigkeit des Zuckers, die Säure
des Essigs, und die Bitterkeit der Mandel.
Ich rieche m't Wohlgefallen den Duft der Rose,
des Veilchens, der Hyacinthe und der Anrikel. Ich
rieche mit Mißfallen den Duft einiger Blumen, und
empfinde den üblen Geruch des frischen Mistes.
Ick erinnere mich einer Geschickte, die ich vor
einiger Zeit gehört; eines Fremden, den ich einmal ge-
seh-n; eines Schmerzes, deu ick einmal empfunden;
eines Vergnügens, das ich vor langer Zeit genossen;
und dessen, was ich gestern in der Schule gelernt bade.
Ich kann mir vorstellen, wie ein Sckiff aussieht;
denn ich habe schon oft Schiffe gesehen. Ich kann mir
vorstellen, wie mein Vater, meine Mutter und wein
Bruder aus seben, ob ich sie gleich jetzt nicht vor mir sehe.
Ich kann mich an alles, was ich gesehen, gehört,
empfunden und gefühlt habe, deutlich erinnern, ober
ich kann mir dieß alles vor stellst,, ohne dazu meinen Kopf,
weine Hand, meinen Fuß, meine Augen, Obren und
Nase zu gebrauchen. Die Kräfte, mit welchen ich mir
etwas vorstelle, mich an etwas erinnere, über etwas
nachsinne, elwa^ empfinde oder etwas will, oder etwas
verlange, sind keim Kräfte meines Leibes, sondern
Kräfte meiner Seele oder Seelen,Kräfte.
Meine Seele ist in mir aber ich kann sie nickt leben,
sondern ich kann nur an meinen Vorstellungen, Gedan-
ken und Empfindungen merken, daß ich eine Seele habe.
Hätte ich keine Seele, so kö nte ich nichts begrei,
fen, nichts lernen, nickts verstehen; ich könnte weder
rechnen, noch schreiben, noch le en: denn indem ich
lese, oder rechne, muß ick zugleich denken, und den-
ken kann ich nur mit meiner Seele.
Mit meiner Seele denke ick, indem ich rech-
ne, an die Zahlen, welche ich zusammenzählen oder
hezählen, Beilen vder vervielfältige« soll. Mit mri-
l;
und des Nachdenkens. »7
«er Seele denke ich an den Menschen, von welchem der
Lehrer etwas erzählt, oder von dem ich im Lesebuche et-
was lese. Mit meiner Seele denke ich an das Spiel,
welches ich spielen will, wenn die Schulzeit zu Ende
ist« Mit meiner Seele denke ich, indem ich plaudern
will, andre Strafe, welche der Lehrer auf das Plau-
dern gesetzt bat.
Ich könnte nichts Verständiges sagen, wenn ich keine
Seele hätte, und nicht mit meiner Seele denken
könnte. Ich spreche mi* meinem Lehrer, ich antworte
auf seine Fragen. Diese Antworten habe ich nicht erst
auswendig gelernt, um fie dann herzusagen! ich habe
über die Fragen meines Lehrers nachgedacht, und dann
habe ich geantwortet.
Ich möchte meinen Rock nicht mit dem zerlumpten
Rocke eines Bettlers vertauschen; denn ich habe beide
mit einander v erg li ch en, und bemerkt, daß mein Rock
nicht zerrissm und nicht abgetragen, also besser, als der
Rock des Bettlers ist. Indem ich beide Röcke mit ein-
ander vergleiche, und dann urtheile, daß der meinige
besser ist, gebrauche ich meine Seele oder meinen Ver-
stand. Ich entschließe mich, meinen Rock gegen
keinen zerrissenen zu vertauschen, und gebrauche dabet
meinen Willen oder meine Willenskraft.
Ich habe gesehen, wie eS der Baupr macht, wen»
er das Feld bauen, seinen Acker bestellen, oder ihn zur
Saat zubereiten will. Er spannt Ochsen oder Pferde
vor ein kleines Fahrzeug , welches der Pflug heißt,
und vorn zwei Räder, hinten aber ein Gestell bat, an
welchem ein breites und scharfes Eisen befestigt ist, wel-
ches der Pflugschaar genannt wird. Mit diesem
Pfluge fährt der Bauer über den Acker. Das scharfe
Eisen schneidet tief in die Erde ein; ein zweites breiteres
Eisen reißt fie auf, und macht, daß das Unterste oben
kommt, indem das aufgerissene Stück Erde sich anwen-
det. Dann wird der umgepflügte Acker mit Gaamen
von Roggen oder Gerste, oder Hafer oder Weitzen
bestreut; und dieser Saame wird vermittelst eine-
hölzernen Werkzeugs, das dir Egge heißt, und aus
mehreren zusammengesetzten Harken besteht, unter
28 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
die Erde gebracht. Indem ich dieß alles sahe, erhielt
Ich einen Begriff vom Ackerbau.
Wer bis hieber mit Aufmerksamkeit und Nachdenken
gelesen har, wird folgende Fragen richtig beantwor-
ten können.
Was w ill der Hungrige? Was willder Dürftige?
Was will der Fleißige? Was will ver Faule? Was
will der Müde? Was will der Kranke? Was will
der Eigensinnige? Wes will der Dieb?
All§s, was man essen kann, heißt? Alles, was
man seben kann, beißt? Alles, was nicht viel kostet,
beißt? Alles, was man nicht gebrauchen kann, heißt?
Alle Thiere, welche ihre Jungen säugen, heißen? Alle
Thiere, welche fliegen können, nennt man? An jeder
Hand babe ich — An jedem Fuße habe — Mit mei-
neri Händen kann ich— Mit meinen Füßen kaun ich —
Mit meiner Funge kann ich —
Die Kinder, welche ihren Eltern nicht gehorchen,
heißen? Die Kinder, welche ihren Eltern Freude ma-
chen, heißen?
Was soll der Unwissende? Was soll der Kranke?
Was soll der Unartige? Was kann der Reiche? Was
kann der Geschickte? Was kann der Starke? Was
kann der Gesunde?
Welche Thiere kann der Mensch bei dem Ackerbau
nicht entbehren? Welches Thier macht, daß er ruhig
schlafen kann? Welchem Thiere verdanken wir es, daß
wir sanft schlafen, und ein w e i ch e s Lager haben?
Welche Thiere singen uns bei der Arbeit etwas vor?
Welche abmen die Sprache der Menschen nach? Welche
Tbiere sind uns unentbehrlich? Welche verwüsten unsere
Gärten? Welche verwüsten die Felder?
Weißt du alles zu nennen, was ln diesem Zim-
mer vom Schlösser verfertigt worden ist? Aber auch
alles, was der Tischer verfertigt hat? Bemerkst du
ln diesem Zimmer auch Dinge, welche der Drechsler
gemacht hat? Weißt du mir auch ein Ding zu nen-
nen, welches von einem Künstler verfertigt, und
zwar in dieser Stube befindlich, aber nicht ficht-
und des Nachdenkens. 29
bar ist? Aber wie heißt das Ding, welches in keiner
Stube fehlen darf, ob es gleich den größten Theil des
Jahres ganz unbrauchbar ist? Was bemerkst du in die-
ser Stube, und besonders au deinen Kleidungsstücken,
das sonst an einem Thiere gesessen hat? Nennen mir die
hölzernen, die eisernen und di? kupfernen Geräthschaf-
ten, welche in keiner Küche fehlen dürfen?
Nenne mir alle Theile deines Kopfes — alle deine
Bedürfnisse — alles , was du in der Schule gebrauchst
— alle die Thiere, deren Fleisch du geg'ss n hast? —
Jetzt nenne mir einige viersüßige Thiere, deren Name
sich mit einem K. anfängt — und nun einige Vögel, de»
ren Name sich mit eben diesem Buchstaben anfängt?
Ich weiß einige Fssche zu nennen, deren Name sich mit
einem K anfängt. — Nenne mir ein Gewürz, dessen
Naue ü'ch niit einem P. anfängt. — Weißt du auch
einige Erd arten zu nennen? Und einige Edelsteine?
Jetzr nenne mir die wilden Thiere, deren Fleisch
gegessen wüd? Und nun diejenigen, deren Pelz kostbar
ist? — Weißt du auch einige Thiere zu nennen, welche
unter der Erde wohnen?
Nenne mir einige Dinge, welche von Natur eine
grüne Farbe haben — und einige, welche von Na-
tur schwarz sind? Jetzt einige, welche sehr leicht
sind — aber auch einige, welche sehr schwer sind?
Nenne mir den zehnten Buchstaben des Alphabets,
den sechsten Monat im Jahre, die Winter, Monate,
einen Frühlings-Monat und einen Herbst-Monat?
Nun auch den Mouat, in welchem Du geboren bist?
Nmue mir einige Dinge, welche im Wasser größer
und weicher werden — einige, welche im Wasser
schmelzen, und einige, welche auf dem Wasser schwim,
mm? — Nenne mir etwas sehr süßeö, etwas sehr
saures und etwas bitteres?
Wie heißen die Theile eines Holzwagens, eines
Spinnrades, eines Messers, einer Feder, eines Fen,
sters und einer Thür? Nenne mix einige Fehler, wel-
che Kindern eigen sind — und die Tugenden eines guten
Schülers.
Im Herbste ist die Luft — im Sommer ist sie —
Im Herbste werde« die Früchte — Im Frühlinge
30 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
bekommen die Bäume. — Im Winter wird das Wasser
zu — Wer im Winter nicht frieren will, muß —
Wer nicht arbeiten mag, sondern lieber müßig geht,
heißt ein — Mensch. Wer in der Schule nicht fleißig
und aufmerksam ist, kann nichts — und bleibt — ?
Wenn im Winter viel Schnee gefallen ist, so fährt
man in — Auf dem Wasser fährt man in — oder —
Im Wasser leben die — In der Luft leben die —
In der Erde wohnen die — Im Sumpfe leben die,—
Alle Bäume, welche eßbare Früchte tragen, hei-
ßen. — Ein Garten, in welchem solche Bäume in
Menge wachsen, heißt. — Die Birke trägt keine —;
aber ihr Holz ist sehr — Die Eichen und die Roß-
Kastanien tragen zwar Früchte, aber sie sind nicht —
Die Bäume, welche uns Brennholz und Bauholz ge-
ben, sind folgende: — Große abgehauene Bäume sägt
man von einander, um — daraus zu machen. Die
Bretter gebraucht der —
Die Federn gebraucht man znm — die Pinsel zum
— die Schiefertafeln zum — die Nadeln zum — die
Füße zum — die Augen zum — die Ohren zum —
die Rase zum — die Zunge zum — und zum — die
Füße zum — und — die Hände zum — die Zähne
zum — das Wasser zum — und — das Netz braucht
der — zum — die Flinte braucht der — bei den —
Wer nicht hören kann, den nennt man? Wer nicht
sehen kann, den nennt man? Wer nicht reden kann,
ist —- Wer nicht gehen kann, heißt — Wer über
solche unglückliche Menschen spotten und lachen kann,
der verdient — ?
Sehr gern höre ich den schönen Gesang einer —
und einer — Aber das baßliche Geschrei des — mag
ich nicht gern hören. Der Sperling kann nicht —
Der Hahn kann nur — Die meisten Thiere geben
irgend einen Laut von sich, wenn sie böse oder hung-
rig, oder fröhlich sind. Das Schwein - der Hund
— das Schaaf — das Pferd — der Ochse — die
Maus — das Huhn —? ^ ^
Meinen Rock hat der — gemacht. Das Brot
backt der — Den Kohl pflanzt der — Die Säwhe
hat der — verfertigt. Das Leder.zu den Schuhen
und des Nachdenkens. 31
macht der — Er nimmt dazu die Felle der — und
die Häute der — Hüte macht der -- Die Pferde be-
schlägt der — den Wagen macht der — Pelze ver-
fertigt der
Welche Handwerker beschäftigen sich mit der Verar-
beitung des Eisens? Welche mit der Verarbeitung deS
Holzes? Welche verarbeiten die Wolle und welche
den Flachs? — Wessen Beruf ist es, in der Nacht zu
wachen, damit die übrigen Menschen sicher und ruhig
schlafen können? Welche Menschen müssen mitten in
der Nacht arbeite«, damit ihre Mitbürger am Morgen
essen können? Welche Menschen können sich bei ibren
Berufsgeschäften nicht rein halten? Und welche müssen
bei ihrem Gewerbe viel Gestank ausstehen?
Sagt wir einige Handwerker, welche nur solche
Dinge verfertigen, dir entweder zur Bequemlichkeit,
oder zum Vergnügen, oder zur Pracht dienen? Nenne
mir die Künstler, welche durch ihre Kunstwerke unser
Auge ergötzen? Nenne mir die Kunst, welche uns be-
queme und schöne Wohnungen verschafft?
Welche Menschen müssen knieend arbeiten? Welche
müssen bei ihrer Arbeit klettern? Welche müssen krie-
chen und rutschen? Welche müssen unter der Erde ar-
beiten? Welche im Wasser und auf dem Wasser? Wel-
che in den Wäldern? W lche müssen beständig gehen,
um ihr B>ot zu verdienen? Welche müssen mit den
Händen und Füßm zugleich arbeiten? Welche müssen
viel Hrtze bei ihrer Arbeit ausstehen? Welche viel
Kalte? Welcher Menschen Beruf erfordert es, säst
immer auf Reisen zu seyn? Welche müssen beständig
Blut vergießen? Von welchen Handwerkern könnte
man sagen: sie leben vom Winde?
Was nickt geschehen kann, ist u n m ö g l i ck. Ts ist
unmöglich daß ein Schüler etwas lerne, wenn er nicht
aufmerksam und fleißig ist. Ts ist unmöglich, daß der-
jenige gesund bleibe welcher unmäßig ißr und trinkt.
Es ist unmöglich, daß ein todter Mensch lebendig wie-
der erscheine, und daß em tauber Mensch sich an schö-
ner Musik ergötze. Was ist einem Blinden unmöglich?
3 2 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
Was ist einem Kinde von sechs Monaten unmöglich?
Was einem Kranken?
Was seyn und geschehen soll oder muß, ist noth-
wendig. Es ist also nvlhwendig, daß der Mensch ge-
sunde Nahrungsmittel genieße (warum?). Cs ist noth-
wendig, daß der müde Arbeiter sich ausruhe und schlafe
(warum?). Es ist nothwendig, daß der Kranke Arz-
nei nehme, und sich ruhig verhalte (warum?). Ist es
nothwendig, daß ein jedes Haus eine Tbür und ein
Dach habe? Warum? Alle Menschen müssen sterben;
warum? Alle Blumen wüsten vergehen; warum? Alle
Kinder müstesi lernen; warum? Muß man alles nach-
ahmen, was Andere thun? Warum nicht? — Ist es
nothwendig, daß alle Tische roth angestrichen sind, und
daß olle Wagen vier Räder haben? Würde der Tisch
kein Tisch, und dcr Wagen kein Wagen seyn, wenn der
Tisch weiß angestrichen wäre, und der Wagen zwei
Räder hätte? Wie aber, wenn der Tisch keine Füße,
und der-Wagen keine Räder hätte? Müssen die
Pferde vor den Wagen gespannt werden, um den Wa-
gen fortzuziehen, oder könnten sie eben so gut auch hin-
ter den Wagen gespannt werden? Muß der Hund mit
Fleisch, und das Pferd mit Gras und Hafer gefüttert
werden, oder könnte es auch umgekehrt seyn?
Alles, was an einem Dinge seyn, und auch nicht
seyn kann, ohne daß das Ding aufhörte, dieses Ding
zu seyn, Nennt man zufällig. Würde der Ti'ch kein
Lisch mehr seyn, wenn er, anstatt viereckig zu seyn,
rund wäre, oder wenn ec, statt eines Kastens, zwei
Kasten hätte, oder webn er nicht blau, sondern roth
angestrichen, oder wenn er gar nicht angestrichen
wäre? Daß also ein Tisch viereckig ist, einen Kasten
hat, und blau angestrichen ist, dieß sind lauter zu-
fällige Eigenschaften des Tisches. Daß er Füße
und eine Platte habe, sind nothwendige Eigene
schäften. Warum?,
^ Daß vor einem Hause des Abends ein Hund heult,
und daß m diesem Hause bald nachher ein Mensch
stirbt, ist etwas zufälliges, denn der Hund hät-
te auch heulen, und es hätte kein Mensch sterben
können. Daß einer, der in die Lotterie gesetzt bat,
. ' etwas
und de« Nachdenkens.
ètwaS gewinnt, ist zufällig; er hätte auch einsetzen,
und nichts gewinnen können.
Es geht ein Mann mit einer Angel an das Ufer ei-
neS Klusses. Er hält die Angel ins Wasser, und wen-
det kein Auge davon. Thut er das alles ebne Ursache?
Nein, sondern er will dadurch etwas erlangen, er will
einen Kisch fangen, dieß ist die Absicht seiner Hand-
lung. Es geht ein anderer an den Kluß, zieht alle feine
Kleidungsstücke aus, und gehr nackend in das Wasser
hinein. Hat dieser auch eine Absicht? Und welche?
Meine Eltern schicken mich in die Schule. Sie ha-
ben dabei die Absicht, daß ich — Christian gn g cmfS
Eis, fiel, und zerbrach sich den Arm. W r Christian
auf das Eis gegangen, um feinen Arm *u zerbrechen?
Dieß war also nicht seine Absicht. Hatte er gar keine
Absicht? Welches Ein Mann gräbt ein tiefes Loch, setzt
einen hohen und starken Pfahl hinein, schüttet daS Loch
wieder zu, und stampft Die Erde mit den Küßen fest.
Dann nimmt er noch einen eoen so großen Pfahl, und
gräbt ihn nicht weit von dem ersten ein. An diesen bei-
den Pfählen nagelt er starke Bretter fest. Was will
er durch dies alles zU Stande bringen? Es ist also
seine Absicht, einen — zu machen Aber warum
will er ihn machen? Hat er dabei auch eine Absicht?
Welche?
Karl wollte gern eine reif? Birne von einem hohen
Baume herunter haben. Er schüttelte den Baum, aber
die Birne fiel nicht herunter. Jetzt versuchte er es, den
Baum zu erklettern , aber auch dieß gelang chm nicht.
Nun holte er eine lange Stange herbei und schlug da-
mit so lange an den Zwe-g wor--n die Birne saß, bis
sie herunter fiel. K r! juchte also auf dreierlei Art
seine Absicht zu erreichen. Dasjenige, wodurch man
seine Absicht zu erreichen sucht, nennt man ein Mittel.
Wie vielerlei Mittel hatte Karl angewandt, um seine
Absicht zu erreichen? Wie waren die beiden ersten Mit-
tel? Wie war das dritte?
Welche. Absicht hat der Kranke, welcher Arznei
einnimmt? Wofür hält er also die Arznei? Welche
Absicht hat der Lehrer, wenn er den nachläjsigen
Z4 Kurze Sahe zur Erweckung der Aufmerksamkeit
Schüler bestraft? Was soll also die 'Strafe seyn?
Welche Absicht hat der, welcher sich im Schreibe» übt?
Wofür hält er also die Uebung?
Welches ist das beste Mittel, um satt, um
fröhlich, um verständig zu werden? Welches ist das
beste Mittel, um sich vor Krankheit, vor langer Weile
vor Strafe und Verdruß zu schützen? Welches ist das
Mittel, um etwas zu finden, um von Andern etwas
zu erlangen, um sich vor Unglücksfallen zu bewahren,
mm sich zu erwärmen, um seine Kleider lange zu erhal-
len, um sich Eßlust zu verschaffen, um nach einem
entfernten Orte zu kommen, um die Länge eines Ti-
sches zu erfahren, um sich bei andern beliebt zu ma-
chen, um ein Schiff in Bewegung zu setzen? — Wel-
che Mittel wendet der Bauer an, um seinen Acker zur
Saat zuzubereiten? Welches Mittels bedient man sich,
um ein Pferd zu regieren ? Um eine große Last in die
Höhe zu heben? Um dir Schwere einer Sache zu erfah-
ren ? Um einen Entfernten eine Nachricht zu geben?
Fritz sollte feinem Vater ein Messer aus der Kü-
che holen, als es schon finster war. Nimm ein Licht
mit, sagte der Vater. Aber Fritz meinte, er könne
das Messer auch im Finstern finden, und lief ohne Licht
fort. Es dauerte keinen Augenblick, so börte ihn der
Vater fallen. Schnell kam er mit dem Lichte herbei-
gelaufen. Fritz war im Finstern über ein Stück Holz
gefallen , das im Wege lag, und hatte sich das G-sicht
am Heerdke zerschlagen. Cr mußte den ganzen Abend
viele Schmerzen leiden. Woher kam es, daß Fritz
einen so schlimmen Fall that? Nicht wahr, daher, weit
er dem Rathe seines Vaters nicht folgen wollte, oder
weil ec eigensinnig war? Dasjenige, woraus etwas
entsteht, nennen wir die Ursache, und dasjenige,
was aus der Ursache entsteht, nennen wir die Wir-
kung. Welches ist nun hier die Ursache? Und wel-
ches war die Wirkung?
Karl wurdi von seinen Eltern zu einer Tante
geschickt, um etwas zu bestellen. Die Tante gab ihm
mb des Nachdenkens.' zk
à großes Stück Kuchen, und einige Aepftl, und Karl
aß auf dem kurzen Wege nach Hause das ganze Stück
Kuchen nebst den Aepfeln auf. Am folgenden Tage hat-
te er heftige Leibschmerzen. Was war die Ursache sei,
ner Krankheit, oder wovon war die Krankheit eine
Wirkung?
Gott lieb hakte schöne Blumen, aber an einem
heißen Tage hatte er vergessen sie zu begießen. Da wur-
den die Blumen welk, und neigten sich zur Erde. Wa-
war die Ursa che, daß die Blumen welk wurden? Gott-
lieb nahm nun frisches Wasser, und begoß die welken Blu-
men. Gehr bald zeigten sich die guten Wirkungen de-
Begießens: die Blumen richteten sich wieder auf, und
waren nach einigen Stunden so frisch, wie zuvor.
Oer Arbeiter ist müde und hungrig. Was ist die
Ursache hiervon? Die Müdigkeit und der Hunger sind
also Wirkungen; wovon? Des Morgens vergeht diè
Dunkelheit, und es wird hell. Welches ist die Ursache
hiervon? Sage mir die Wirkungen des Schlafe-
und des Essens, die Wirkungen des Fleißes, der
Faulheit, der Kalte- der Hitze, des Müssiggangs, de-
Branndteweins, des kalten Wassers und des Feuerst
Gieb mir die Ursachen an von einem Schalle, einem
Schusse und einem Getöse?
Eine Wirkung kann auch zu einer Ursache wer-
den. Du gehst durch einen Wald. Auf einmal geschieht
in deiner Nähe ein Schuß. Der heftige Knall ist die Wir-
kung des Schusses, aber er wird auch zugleich die Ursa-
che, ^daß du dich erschrickst, und daß ein Haase todt nies»
herfällt. Ist die Ursache eher da, oder die Wirkung?
Das Wort Ursache bedeutet aber nicht immer
dasjenige, woher etwas entsteht; oder woher etwa-
kommt, sondern oft auch: warum etwas so ist, wie e-
ist, oder warum etwas geschieht.
Karl ging mit seinem Vater über ein Feld, und
sahe, daß eine Menge Krähen einem Bauer, welcher
pflügte, auf dem Fuße nachfolgten. Warum mögen
die Thiere das thun? fragte Karl. Der Vater sagte
ihm, daß die Krähen sich von den Würmern näh-
ren, welche in der Erde liegen, und besonders von
den Engerlingen, woraus die Maikäfer entstehen»
z6 Erzählungen
Indem der Pflug die Erde aufreißt, kommen die Wür,
mer hervor, und darum gehen die Krähen beständig
hinter dem Pfluge her. Nun wunderte sich Karl nicht
mehr über das, was ec sahe, denn er wußte nun die
Ursache davon, oder den Grund. Ich weiß die Ur-
sache, weswegen die Schwalbe ihr Nest unter dem Da-
che baut; warum der Reiher in der Nähe eines Teiches
oder Sees nistet; warum man die Hühner auf dem Ho-
fe, und nicht im Garten har; warum jede Schreibfeder
eine Spalte, und jedes Wohnhaus einen Schornstein
haben muß, und warum ich jetzt nicht schlafen möchte.
ii.
Erzählungen zur Beförderung guter Ge-
sinnungen und zur Schärfung
des Verstandes.
i. Die ungezogenen Kinder.
§8enn Kran» und Christian aui der Schule
kamen, so sah man sie nie still und ordentlich nach
Haufe gehen, sondern immer stürzten sie mit lautem
Geschrei aus dem Schulhause heraus, wenn sie merk-
ten, daß der Lehrer ihnen nicht nachsähe. Kaum
waren sie auf die Straße gekommen, so jagten sie
sich wild herum, und warfen einander mit Erdklö-
ßcn, oder wohl gar mit Steinen. Hatte es gereg-
net, so gingen sie nicht, wo es trocken war; sondern
sie wateten mitten durch die Pfützen hindurch, und
bespritzten einander mit dem schmutzigen Wasser.
Wenn Ke ein Huhn oder eine Ente, oder ein andere-
Thier auf ihrem Wege antrafen, so jagten sie es vor
sich her, warfen es mit Steinen, und hätten eine bos-
hafte Freude daran, das arme Thier, so viel sie konn-
ten, zu beängstigen. AlS sie sich eine- Tages auch so
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 3?
ungezogen auf der Straße betrugen, kam ein alter Mann
gegangen, und verwies ihnen ihre Ungezogenheit. Ihr
solltet euch schämen, sagte er, denn eS schickt sich nicht
für Kinder, we'che aus der Schule kommen, wo sie
so viel Gutes gehört haben, wi!d und ungezogen zu seyn.
A er die bösen Knaben hörten kaum, waS der alte Mann
sagte, und liefen lachend und tobend fort. Die Auffüh-
rung dieser Knaben mißfiel also dem alten Manne sehr.
Kennte sie woh! irgend einem verständigen Menschen ge-
fallen? WaS verständigen Menschen mißfällt,
daS ist unanständig.
Ich will mich immer so betragen, daß verständige
Menschen mein Betragen mit Wohlgefallen bemerken
können.
Franz kam immer mit dem Hute auf dem Kopfe
in die Schulstube, obgleich der Lehrer ihm dieß schon
oft verwiesen hatte. Aber der wohlgezogene Sieg«
mund nahm beständig seinen Hut schon vor der Thür
ab, machte die Schuhe rein, und trat dann mit einer
freundlichen Begrüßung des Lehrers in die Schulstube.
Franz hatte sehr oft seine Haare nicht ausgekämmt, wenn
er des Morgens in die Schule kam, sie hingen chm ge«
wöhnlich in'S Gesicht, und waren voll Federn. Ist eS
anständig, so in die Schule zu kommen? Wenn Chri»
stian etwas geschenkt bekam, so bedankte er sich nie da«
für, sondern drehte sich um, und ging fort. Ist dieß
anständig?
2. Die Versuchung.
Ernst und August gingen eines TageS vor daS
Thor, und kamen vor einem Garten vorbei, welcher
offen stand. Sie gingen aus Neugierde hinein, und
fanden einige Pflaumenbäume, welche so voll von rei«
fen Früchten hingen, daß man sie hätte stützen müssen.
Sieh August, sagte Ernst, hier können wir uns recht
satt essen; es ist kein Mensch in dem Garten zü sehen,
laß uns geschwind einen Zweig abbrechen, und dümit
fortlaufen. Nein, antwortete August, daS dürfen wie
nicht thun, denn die Pflaumen gehören unS ja nicht. '
Ei.- waS schadet das, rief Ernst, der Mann, dem sie
schören, kann es doch unmöglich Merken, daß nwc
z8 Erzählungen
ein Paar genommen haben, er hat so viele, daß man sie
nicht zählen kann. Aber eS ist doch unrecht, wenn
»vir es thun, erwiederte August, denn man soll nichts
heimlich wegnehmen, was andern gehört, wenn cs gleich
nur eine Kleinigkeit ist. Weißt du nicht mehr, waS der
Vater neulich sagte, als er uns die Geschichte von dem
Diebe erzählte, welcher in Ketten vor unserm Hause
vorbeigeführt wurde? Nun, was sagte denn der Vater?
fragte Ernst. Er sagte: bei dem Kleinen fängt
manan, und bei demGroßcn hört man auf.
Ernst wurde nachdenkend, und sagte endlich: du hast
Recht, lieber August, wir wollen weiter gehen.
Ernst war in großer Versuchung gewesen, et-
was Unrechtes zu thun, indem er die Begierde fühlte,
Pflaumen zu essen, welche ihm nicht gehörten. Wie
gut war es, daß ihm August warnte t
Z. Die üble Gewohnheit.
lange Kranz in dem Haufe seiner Eltern war,
ging er alle Tage, sobald es dunkel wurde, zu. Bette,
oder er schlief sitzend ein, und mit großer Mühe mußte
man ihn dann ermuntern, oft mußte ihn die Mutter so-
Kar wie ein kleines Kind ausziehen und zu Bette bringen,
weil er sich gar nicht ermuntern konnte. Dennoch schlief
er so lange, bis es Tag wurde, und im Sommer sahe
man ihn oft bei hellem Sonnenschein noch im Bette lie-
gen. Die Mutter ermahnte ihn oft, sich diese Trägheit
abzugewöhnen; weil er es künftig nicht immer würde
so treiben können; sie gab ihm den Rath, des Abends
ln der Stube umher zu gehen, sobald er merkte, daß
shm der Schlaf ankäme, und deS Morgens rasch auf-
zustehen, sobald ec geweckt würde, oder von selbst er-
wachte. Aber Kranz befolgte diese Ermahnungen nur
sehr wenig, und blieb bei seiner üblen Gewohnheit.
In seinem vierzehnten Jahre kam er zu einem Bäcker
in die Lehre. Dieser verlangte von ihm, daß er des
Abends bis gegen io Uhr wachen, und allerlei Ge-
schäfte besorgen, auch im Sommer und Winter früh
um Z Uhr wieder aufstehen sollte- Aber dieß war
dem verwöhnten Franz unmöglich» Da er nun
zur Beförderung guter Gesinnungen re.
nicht mehr früh zu Belte gehen durfte, so schlief er be-
ständig bei der Arbeit, ja zuweilen sogar stehend ein.
Einigemal fiel er um, und zerschlug sich den Kopf.
Sein Lehrherr strafte ihn oft wegen ferner Trägheit,
aber e§ half nichts, Franz konnte sich da- viele Schla-
fen nicht abgewöhnen Nach Verlauf eines Monat-
schickte ihm sein Lehrherr wieder nach Hause, mit der
Versicherung, daß er ihn unmöglich behalten könnte,
weil er gänzlich unbrauchbar sey. Franz wurde auch
niemals ein thätiger und ganz brauchbarer Arbeiter.
So schwer ist es, eine üble Gewohnheit abzulegen!
4. Die kleinen Diebe.
Clausens Kinder hatten bemerkt, daß in dem Garten
des Nachbars Ehrmann zwei Birnbäume standen, wel-
che herrliche Früchte trugen. Sie kamen auf den Ge-
danken, über den Zaun zu steigen, und sich einige Bir-
nen zu holen. W^S war das für ein Gedanke? Der
Nachbar merkte endlich, daß er bestohlen wurde, und
versteckte sich eines Tages als es dunkel wurde, im
Garten, um den Dieb zu ertappeu. Es dauerte auch
nicht lange, so sche er Klausens Kinder über den
Zaun steigen. Scheu und ängstlich sahen sie sich um,
und a!S sie keinen Menschen im Garten erblickten, lie-
fen sie eilig nich den Birnbäumen hin. Eben wollten
fie mit ihrer Beute davon gehen, als der Herr des
Gartens hervorkam, und ihnen in den Weg trat.
Wie beschämt und erschrocken standen nun diy kleinen
Diebe da, wie flehend baten sie Ehrmannen, daß er
ihnen doch diese schlechte Handlung vergeben, und sie
nicht bei ihrem Vater verklagen möchte. Ehrmann
ließ sich erbitten, weil sie ihm versprachen, daß sie
nimmermehr wieder etwas wegnehmen wollten. Aber
die bösen Kinder hielten nicht Wort, denn nach eini-
gen Wochen fand Ehrmann eines Morgens alle seine
reifen Weintrauben abgerissen. Run ging er zu sei-
nem Nachbar, und bat ihn, feine Kinder wegen ihrer
wiederholten Diebereien zu strafen. Aber diese läug-
neten hartnäckig, daß sie Obst gestohlen hätten, und
der B-trr glaubte ihnen. Ehrmann ging seufzend fort,
40 Erzählungen
und sagte beim Weggehn: Kinder, Euch wird es ein«
mal in der Welt nicht wohl gehen, denkt an mich! Diese
Vorhersagung ging auch wirklich in Erfüllung. Die
kleinen Diebe blieben bei ihrer schändlichen Gesinnung,
, wurden Betrüger, und nahmen ein traurige- Ende.
5. Der Tagedieb.
^iegmund war der Sohn wohlhabender Eltern,
vnd daher konnte er manches Vergnügen haben, wel-
ches andere Kinder entbehren müssen. Seine Eltern
gingen oft mit ihm spazieren, und kehrten dann im-
mer irgendwo ein, um allerlei Erfrischungen zu genie-
ßen. Gab es in der Stadt etwa- Neues zu sehen, z.
B- fremde Thiere, oder eine Komödie, oder waren
Musik mten im Gasthose angekommen, so gingen sie
gewöhnlich mit Siegmund hin, um ihm ein Vergnü-
gen zu machen; sie hofften, er wü-de dann auch desto
mehr darauf bedacht seyn, durch Fleiß und Aufmerk-
samkeit kn der Schule diese ihre Güte zu verdienen.
Aber diese Hoffnung erfüllte der leichtsinnige Sieg-
mund nicht. Er bekam einen übermäßigen Hang zum
Vergnügen , und suchte sich beständig von der Arbeit
wegzuschleichen. Mit Widerwillen ging er in die
Schule, und machte daher gewöhnlich große Umwege,
wenn er dahin gehen mußte, ja er kam sogar zuwei-
len gar nicht in die Schule, sondern spielte während
der Schulzeit vor dem Thore mit andern Knaben,
welche ihn ähnlich waren. Seine Eltern erfuhren
x dieß zwar, aber Siegmund wußte dann immer aller-
lei Entschuldigungen vorzubringen, versprach auch be-
ständig sich zu bessern. Die Arbeiten, welche er zu
Hause machen sollte, machte er entweder gar nicht,
oder so flüchtig, daß der Lchrer unmöglich damit zu-
, frieden seyn konnte. Nichts war ihm angenehmer, als
Spielen und Spazierengehen, und man sahe ihn halbe
Tage auf dem Felde umherlaufen, stundenlang zuse-
hen, wenn die Soldaten exercierten, und wenn es in
der Stadt etwas zu sehen gab, so fehlte Siegmund nie.
Sein Lehrer nannte ihn oft einen Tagedieb, weil ee
hie Zeit leichtsinnig verschleuderte, und so oft die Srun-
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 41
den, welche der Arbeit und dem Lernen bestimmt waren,
zu seinem Vergnügen mißbrauchte, denn dadurch raubte
er sich ja selbst die kostbare Zeit zum Lernen, welche nie
wjeder kommt. Siegmund nahm nur an Alter und an
körperlicher Stärke, aber n cht an Kenntnissen und Ge»
sch-cklichkeüen zu, und die Vorh:rsagung feines redli-
chen Lehrers, daß er nie nn brauchbarer Mensch werden
würde, ging genau in Erfüllung^
6. Der Kleine Verschwender.
2)ater Erich hielt seine Kinder früh dazu an, daß sie
durch Arbeit etwas erwerben mußten. Seine Töchter
nährten und strickten auch außer den Schulstunden, und
er kaufte ihnen dann zuweilen ihre kleinen Arbeiten ab.
Seine Söhne drechselten, oder machten allerlei Papp-
Arbeiten. Auch diese kaufte ihnen Erich ab, wenn sie
sauber und nett gemacht waren Diese Kinder hatten
also immer Geld in Händen, welches sie nach ihren
Willen verwenden konnten; aber der Baker ermahnte sie
yft, es nützlich anzuwenden, und damit sparsam um-
zugehen. Marie und Karl, die beiden jüngern Kin-
der Erichs, befolgten auch diese Ermahnungen und
kauften sich für ihr gesammeltes Geld allerlei Dmge,
welche sie nöthig hatten, z. B. Papier Federn, Blei-
stifte, Messer und Scheeren Wie groß war immer
ihre Freude, wenn sie einige Groschen durch ihre Ar-
beit erworben hatten, und wie lieb war ihnen alles,
was sie für ihr eigenes Geld gekauft hatten! Aber
Gustav, Erichs ältester Sohn, ging nicht so haushäl-
terisch mit seinem Gelde um. Alles, was er sahe, und
was ihm auf den ersten Anblick gefiel, wollte erhaben,
und daher kaufte er oft ganz unnütze Dinge, oder auch
solche-, die er jetzt gerade nicht bedurfte. Er hatte
z. B. ein recht gutes Resser, aber nun sahe er eins,
welches eine schönere Schaale hatte, oder ein wenig
größer war. gleich kaufteer es, und gab dann, waS
die Leute forderten, daher er immer viel zu theuer ein-
kaufte. Wenn er hinterher etwas Nochwendiges zu kau-
fen hatte, so fehlte eS ihm an Geld, und er. wollte
dann von seinen Geschwistern etwas borgen, aber das,
4$ Erzählungen
hatte der Vater strenge verboten. Nun bat er den Va-
ter oder die Mutter, daß sie ihm noch eitvas schenken
möchten, aber ec bekam dann immer zur Antwort:
lerne mit deinem Geide sparsam umgehen, kaufe
nichts Unnützes und nichts Unnöthiges, so wird es die
Nie an dem Nöthigen fehlen.
?. Das wohlthätige Kind.
Äor einigen Jahren brannte nahe bei der Stadt B.
ein ganzes Dorf ab, indem bei einem heftigen Stur-
me das Feuer mit unbeschreiblicher Schnelligkeit ej»
Haus nach dem andern ergriff, ehe die Nachbarn zur
Rettung herbei eilen konnten. Einige achtzig Men-
schen, und darunter schwache, gebrechliche Greise und
Matconen, unmündige Kinder und arme Tagelöhner,
verloren in einer einzigen Gründe ihre Wohnungen, ih-
re Kludung, und alle ihre Habseligkeiten Gott - waL
war es für ein Jammer, diese Unglücklichen mit ih-
ren armen, zum Theil kranken Klndern, von Kälte
erstarrt (denn eö war spät im Herbst), seufzend Und.
weinend in der Irre herumlaufen, und ängstlich ein
Obdach suchen zu sehen! Der rechtschaffene Prediger
Dieses unglücklichen Dorfes, der selbst aUes verloren
hatte, war nicht so sehr auf seine eigene Rettung be-
dacht, als vielmehr darauf, wie er den Unglücklichen,
Die um ihn her jammerten, schnelle Hülfe verschaffen
könnte. Er ging daher auf den benachoarten Dörfern
umher, und suchte die Abgebrannten bei mitiLchigen
Leuten unterzudringen: er sammelte in der Nähe und
in der Ferne Geld, N hrungsmittel und Kleidungs-
stücke ein, und ließ eine rührende Erzählung von dem
schrecklichen Brande in den Zeitungen abdrucken.
Seine Bemühungen waren auch nicht vergebens. Von
allen Seiten kamen thm ansehnliche Beiträge an Geld
und Lebensmitteln zu. und der redliche Mann theilte
alles mit eben so großer Freude, als Gewissenhaftig-
keit und Vorsicht unter die Abgebrannten aus. Unter
andern kam auch ein Knabe aus einem benachbartem
Dorfe zu ihm. Schüchtern trat er in die Stube, und
Httzte: ich hätte wohl eine große Bitte an Sie, lieber
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 43
Herr Prediger, wenn sie eS nicht übel nehmen woll-
ten. Sage mir nur. antwortete dieser freundlich, wo«
mit ich dir helfen kann, ich will es recht gern thun.
Ach nein, helfen sollen Sie nur nicht, erwiederte der
Knabe: ich bitte nur, daß Sie dieß Geld und diesen
alten Rock für die armen Abgebrannten annehmen wol-
len. es ist freilich nur sehr wenig, aber ich habe nicht
mehr, und ich möchte doch so gern für unsere verun-
glückten Nachbarn erwaS thun, denn sie jammern mich
sehr. Meine Schwester meinte zwar, mit einer sol-
chen Kleinigkeit dürfte ich nicht kommen, die könnte
ja doch nur wenig oder gar nichts helfen; aber ich
konnte es doch nicht lassen, hieher zu gehen, und eS
Ihnen anzubieten. — Du hast ganz recht gethan, lie-
bes Kind, fagre der Prediger, und Thränen der Rüh-
rung standen ihm dabei in den Augen. Eine jede Ga-
be. die aus gutem Herzen gegeben wird , hat ihren
Werth, und also auch die deinige. Bleibe immer bei
dieser guten Gesinnung, und sey redlich bemüht, das
Gute nach deinem Kräften zu befördern, so wirst du
stets ein fröhliches Herz haben, und Gott wird es dir
wohl gehen lassen. Luc. 21, V. i — 4*
8 Das ordentliche und reinliche Kind.
Albert hatte arme, aber sehr rechtschaffene und
verständige Eltern. Sie wohnten in einem engen
Stübchen, aber dennoch sahe eS immer ordentlich und
reinlkch in ihrer Wohnung aus, denn Aiberts Mutter
konnte es nicht leiden, daß die Sachen herum lagen,
oder daß der Fußboden voll Staub und Schmutz war.'
Des Morgens war es ihr erstes Geschäft, die ganze
kleine Wohnung zu reinigen, die Betten zu machen,
und friste Luft in die Stube zu bringen. Wie hätte
wohl Albert ein unordentlicher Mensch werden können,
da seine Mutter ihm so ein gutes Beispiel gab? Man
sahe auch an ihm recht deutlich, wie gut es ist, wenn
Kinder sich früh an Ordnung und Reinlichkeit gewöh-
nen, Albert hätte sich z. B. nimmermehr entschlossen,
mit herumhängcnden Haaren oder schmutzigen Händen
wie yranche uriyrdentliche Kinder, in die Schule m
44 Erzählungen
gehen: es wäre ihm nicht möglich gewesen, Tage lang
den Schmutz an seinen Stiefeln sitzen zu lassen, oder
die mit Tiare befleckten Hände an seinen Kleidungsstü-
cken abzuwischen, wie es so viele unreinliche Kinder
thun. Ne sahe man chn anders, als mit ausgekämm-
ten Haaren und g-wafchenen Händen in die Schule
gehen, sem Rock war immer sorgfältig ausgebürstet,
seme Stiefeln waren gesäubert, und in seinen Schul-
büchern w -r kein Fleck und kein Ohr zu finden. Sei-
nen Hut warf er nie unter den Tisch, und mit der
Lmte g'.ng er rmmer sehr behutsam um: auch fehlte
es ihm nie an einem Taschentuchs. Albert war die
Freude seiner Eitern und seiner Lehrer.
9. Der Lügner.
Heinrich wurde von seinen Eltern nach dem Post-
hause geschickt, um einen Brief abzugeben, an wel-
chem sehr viel gelegen war. Auf dem Wege begegnete
ihm Franz mit einigen andern Knaben. Franz war
ein zänkischer Knabe und besonders war er mir Hein-
rich beständig im Streit, weil dieser eine heftige Ge-
müthsart hatte, und also leicht gereizt war. Auch bieß-
mal geriethen sie mit einander in Streit, weil keiner
dem andern aus dem Wege gehen wollte/ In der Hitze
des Streits ließ Heinrich den Brief fallen, trat darauf,
und beschmutzte ihn dabei so sehr, daß die Aufschrift
nicht mehr zu lesen, und das Papier durchlöchert war.
Was sollte er nun anfangen? Wenn er zu Hause kam,
und alles gestand, was vorgefallen war, so hatte er
die härteste Strafe zu erwarten, denn sein Vater war
sehr strenge, und halte ihm dießmal ausdrücklich ge-
sagt: bestelle ja dm Brief recht ordentlich, denn es ist
mir sehr viel daran gelegen. Heinrich kam endlich auf
den schlimmen Gedanken, er wolle sich durch eine Lüge
ouS der Noch helfen. Er versichern also dem Vater,
auf seine Frage, mir großer Dreistigkeit, daß er den
Brief richtig bestellt habe; doch schlug ihm d s Herz
hei dieser Lüge. Als nach zehn Tagen keine Antwort-
auf dem Brief kam, ging Heinrichs Vater selbst nach
dem Posthause, um sich r« erkundigen, arrch der
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 45
Brief wirklich abgegangen wäre. Wie erstaunte und
erschrak er, als man ihm auS den Büchern zeigte, daß
fein Brief gar nicht abgegeben worden sey. Heinrich
sollte nun gestehen, was er mit dem Briefe angefangen
habe. Lange leugnete er hartnäckig, daß er ihn nicht
abgegeben habe; aber als »hn sem Vater versprach,
daß er ihm alles vergeben wolle, wenn ec gestände,
was aus dem Briefe geworden sey, so gestand er end-
lich allrs. Ader wie lehr mußte Heinrich seine Lüge
bereuen, als er hörte, daß er seinem Vater durch ein
früheres aufrichtiges Geständniß einen großen Verlust,
sich selbst große Angst und Beschämung erspart hätte,
und daß sich dann noch alles hätte wieder gut machen
lassen. Er nahm sich fest vor, nie wieder zu lügen,
und lieber eine verdiente Srrafe zu leiden, als die Un-
wahrheit zu sagen. Ader es dauerte lange, ehe er sei-
nes Vaters Zutrauen wieder gewinnen konnte, und dieß
that ihm sehr wehe.
10. Wev sich muchwlllig in Gefahe hegiebk,
kommt darin um.
Christian Kaßmann war der Sohn armer El-
tern. Seine Mutter starb, als er erst drei Jahre alt
war Sein Vater war den ganzen Tag außer dem
Hause auf Arbeit, und konnte sich dcher wenig um
den Knaben bekümmern. Er würde also ganz ohne
Aufsicht geblieben, und gänzlich verwildert seyn, wenn
nicht ein gurgesinnter Nachbar, der sich im Wohlstän-
de befand, den Muntern und wohlgebildeten Knaben
an Kindes Statt angenommen und erlogen hätte. Aber
Christian machte seinen Pflege-Eltern wenig Freude,
denn er war wild, ungehorsam und faul. Oft warn-
ten und straften ihn aber er besserte sich immer nue
auf kurze Zeit Besonders machte ihnen seine Verwe-
genheit oft Besorgniß und Schreck. Kein Baum wae
ihm zu hoch, er kletterte hinauf; kein Sprung war so
gefährlich., den Christian nicht gewagt hätte, um sich
vor andern Knaben etwas sehen zu lassen. Die Ver-
wegenheit brachte ihm endlich dm Tod. Höret die
4§ Erzählungen
schreckliche Begebenheit, und nehmet euch vor, daß sie
euch zur Warnung dienen soll. Cines Tages spielte
Christian mit einigen andern Knaben. Mit der größ-
ten Wildheit liefen sie die hohe und steile Treppe deS
Hauses hinauf und hinunter. Endlich kam Christian
auf den unglücklichen Einfall, heute wieder etwas zu
versuchen, was er schon einigemal versucht hatte, nem-
lich sich mit dem halben Leibe über das Geländer dev
Treppe zu hängen, und so von oben hinab zu rutschen.
O hatte er doch in diesem Augenblicke an die Warnungen
seiner Pflege, Eltern gedacht, welche ihm dies Wage-
stück so oft untersagt hatten! Aber in seiner Wildheit
dachte er nicht daran, hängte sich über das Geländer,
bekam das Uebergewicht, stürzte hinab, und war auf
der Stelle todt.
ii. Der ehrliche Knabe.
Slaus spielte vor der Thür, als ein Nachbar ihn
herbei rief, und ihn freundlich bat, daß er ihm den
Gefallen thun, und vor dem Thor die Post erwarten
möchte, um ihm sogleich Nachricht geben zu können,
wenn er sie in der Ferne kommen sähe. Klaus war sehr
bereitwillig, diesen Auftrag zu vollführen, denn er war
ein dienstfertiger Knabe. Eilig lief er vor das Thor,
und stellrte sich auf eine Anhöhe, wo er die Landstraße
auf eine weite Strecke übersehen konnte. Er hatte nun
schon eine gute halbe Stunde gewartet, als Hemrich
vorbei kam. Da er Klausen ansichtig wurde, rief ec
ihm zu: komm mit mir, drüben auf der Wiese sind
alle unsere Schulkammeraden, wir wollen zusammen Ball
spielen. Klaus versicherte ihm, daß er jetzt nicht mit-
kommen könnte, so gern er aucb mitspielen möchte, denn
er habe seinem Nachbar versprochen, hier auf die Post
zu warten, und es ihm zu sagen, sobald er sie kom-
men sähe. Aber wie lange willst du denn hier in der
"Sonne stehen? erwiederte Heinrich, das hast du ja gar
nicht nöthig, und du hast nun schon lange genug gewar-
tet; ich dächte, du kämest immer mit. Doch Klaus
war nicht zum Weggehen zu bewegen, so sehr auch der
leichtsinnige Heinrich über seine Einfalt spottete, den»
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 47
ermatte oft von seinem Vater gehört: ein ehrlicher Mann
hält sein Wort. 9war mußte er noch eine volle halbe
Stunde warten, ehe die Post kam, und hatte dabei viel
Sonnenhitze auszustehen, aber wie groß war auch dann
seine Freude, als er endlich den Postwagen in der Fer-
ne erblickte, und nun seinem Nachbar die erwünschte
Nachricht bringen konnte. Was würdet ihr gethan ha-
ben, wenn ihr in demselben Falle gewesen wäret ì
12. Wer nicht hören will, muß fühlen.
Karl kam an einem sehr kalten Wintertage aus der
Schule. Cs hatte seit zwei Tagen stark gefroren, und
indem er mit einigen andern Knaben über eine Brücke
ging, sahe ec, daß der Fluß mit Eis belegt war.
Kommt, sagte er zu ihnen, wir wollen aufs Eis gehen!
Alle waren sogleich dazu bereit, und nun liefen sie eine
Treppe hinunter, die nach dem Flusse führte Da kam
ein alter Mann gegangen. ^Kinder! rief er, wo wollt
ihr hin? Traut dem Eise nicht, es ist noch lange nicht
stark genug, um euch zu tragen, ihr werdet einbrechen.
Da stutzten alle , und scheuten sich, auf das Eis zu ge-
Hen; nur der leichtsinnige Karl kehrte sich an die wohl-
gemeinte Warnung nicht, sondern ging doch auf daS
Eis, er spottete sogar über die Andern, und ries ihnen
zu: schämt euch, ihr habt kein Herz; wer wird sich
fürchten! Aber er war kaum einige Schritte gegangen,
da brach er schon ein, und lag bis an den Hals im
Wasser. Me liefen schreiend davon, und Karl wäre
verloren gewesen, wenn nickt der alte Mann, welcher
aus gutherziger Besorgniß in der Nähe geblieben war,
hinzugelaufen wäre, und ihn gerettet hätte. Karl zit-
terte wie ein Espenlaub, war todtenblaß, und konnte
anfangs kein Wort hervorbringen. Ob man sich gleich
Mühe gab, ibn bald wieder zu erwärmen, so wurde ec
doch recht krank, und mußte einige Tage im Bette lie-
gen. Merke dir, sagte der Daker, als er wieder ge-
sund geworden war, die Warnung: wer nicht hören
will, muß fühlen.
Aber wenn nun alles gut abgelaufen, und Karl
nicht eingebrochen wäre, hätten die andern Krigben
I
43 Erzählungen
wohl Ursache gehabt, es zu bereuen, daß sie der Ge-
Mahnung des alten Mannes gefolgt waren?
iZ. Der Freund Ln der Noth.
Höre, liebe Mutter, sagte der kleine Hartmanst,
als er eines L-ges aus der Schule zu Hause kam: dem
armen Niklas, der keinen Vater und keine Mutter mehr
hat, geht es recht traurig; er ist sehr krank geworden,
und die dösen Leute, welche ihn zu sich genommen ha-
ben, lassen ihn in einer abgelegenen Kammer ganz al-
lein liegen, ohne ihn zu warten und zu Pflegen; daS
jammert mich sehr, und ich möchte wohl den armen kran-
ken Niklas recht oft besuchen, wenn du cs erlauben
wolltest. Sehr gern, mein Sohn, antwortete dre Mut-
ter, denn es ist recht und gut. daß Freunde sich einan-
der in der Noch beisichen, aber sey auch dabei vorsichtig,
und erkundige dich zuvor, ob die Krankheit deines
Freundes nivr-t ansteckend, und für dick also keine Ge-
fahr d chei zu besorgen ist. Sogleich lief Hartmann hin,
um sich zu erkundigen, und brachte die Nachricht, daß
die Krankheit nicht ansteckend sey Nun ging er alle Ta-
ge zu feinem kranken Freunde, saß stundenlang bei sei-
nem Bette, holte alles herbei, was er bedurfte, und
brachte sogar einige Stunden des Nachts bei ihm zu.
A!S NcklaS sich wieder erholte, las ihm Hartmann auS
guten Büchern etwas vor, und brachte lhm stärkende
Speisen, welche er sich von feiner guten Mutt r erbe-
ten hatte Einer seiner Mitschüler sagte einst zu ihm:
du bist doch ein rechter Thor, daß du stundenlang bei
dem kranken Niklas sitzest, ich würde mich dafür bedan-
ken. Würde es dir nicht sehr Wohlgefallen, antwortete
Hartmann, wenn du krank, und von allen Menscheñ
verlassen wärest und ein Freund nähme sich deiner an,
spräche dir Trost zu, und pflegte dich?
Niklas wurde bald wieder gesund, und dankte
feinem Freunde Hartmann mit inniger Rührung für
feinen liebreichen Beistand. Wie wollte ich mich
freuen, sagte er, wenn ich dir auch wieder etwas
zu Liebe thun könnte, guter Hartmann, aber ich
bin arm, und weiß auch nicht, womit ich dir eine
Freu-
. zur Beförderung guter Gesinnungen re. 49
Freude machen kann. Nach einiger Zeit kam Hartmann
eines Tages in sein kleines Gärtchen, welches er sich auf
dem Hofe selbst angelegt und eingerichtet hatte. Wie
erstaunte er, als er alles Unkraut ausgerauft, die klei-
nen Beete sorgfältig umgegraben, geharkt und mit schö-
nen Blumen besetzt fand. Er konnte gar nicht begrei-
fen, wie daS zugegangen war. denn noch den Abend zu,
vor war er in seinen Gärtchen gewesen. Anfangs dach-
te er, seine Elrern hätten ihm dieses Vergnügen ge-
macht, aber weder sie noch die Leute im Hause wuß-
ten etwas davon. Endlich erfuhr Hartmann von einem
Nachbar, daß der dankbare Niklas die Blumen früh
am Morgen gebracht und eingesetzt habe. Seit dieser
Zeit lebten beide in der herzlichsten Freundschaft, und
hätten wohl ihr Leben für einander gelassen, wenn sie
jemals in diesen Fall gekommen waren.
14. Der Znnkfuchklge.
Eottlieb lebte mit feinen Geschwistern und Mitschü-
lern beständig in Streit. Wenn seine kleine Schwester
nur; etwas anrührte, was ihm gehörte, so schimpfte er
gleich, und schlug auch wohl nach ihr. Wenn er sie
nach der Schule brachte, oder aus der Schule abholte,
so hatte er beständig mit ihr zu zanken; denn bald ging
sie ihm zu schnell, bald zu langsam, und oft schleppte
er daS arme Mädchen unbarmherzig neben sich her, wenn
sie nicht mitkommen konnte. Saß sie vor der Thür,
so sagte er: geh weg, ich will da sitzen, und wenn sie
nicht freiwillig wegging, so stieß er sie mit Gewalt fort.
Eben so machte er es in der Schule, und daher woll,
te endlich niemand mehr neben dem zänkischen Gott,
lieb sitzen. Er suchte sogar eine Ehre darin, jeden Trotz
zu bieten, und verließ sich dabei auf seine Leibesstäv-
ke. Besonders hatten die armen Kleinen und die
Schwachen, welche sich nicht wehten konnten, vor
ihm keine Ruhe. Beständig spottete er über sie, und
seine Neckereien hatten kein Ende. Auch auf der
Straße fing er Händel an, aber da er hier oft einen
Gegner fand, der ihm an Stärke oder Gewandheid
überlegen war,, so halte er beständig ein zerschlage,
f© Erzählungen
ncs Gesicht, und einst bekam er bei einer Schlägerei
eine so gefährliche Beule am Kopfe, daß er einige Wo»
chen heftige Schmerzen ausstehen mußte, und lebenslang
eine Narbe davon behielt. Ader auch dieß Unglück best
ftrte den verwilderten und zornigen Gottlieb nicht, denn
als er erwachsen war, brachte er einst bei einer Schlä-
gerei in der Wuth seinem Gegner eine tödtliche Wunde
bei, und da dieser auch wirklich an der Wunde starb, so
mußte der unglückl che Go-Uied als ein Mörder seine
ganze übrige Lebenszeit rm Zuchthause zubringen. So
schrecklich stnd die Folgen der Zanksucht und des Jäh-
zorns!
iZ. Die mutwilligen Kinder.
3n einer Schule waren zwei Knaben, welche von ihren
Eltern sehr schlecht erzogen wurden, und daher eine
Freude d-rin fanden, überall Schaden anzurichten, und
nützliche Dinge zu verderben. In der Schule schnitten
sie heimlich allerlei Figuren und Namen in die Tllche
und Bänke, suchten ihren Nachbaren die Schreibebü-
cher mrt Tinte zu beschmutzen, ihnen die Federn auf-
zuspalten, und ihre Sachen zu verstecken. Auf der
Straße machten sie es nicht besser. Den Fruchthändle-
rinnen, welche auf dem Markte saßen, warfen sie auf
eine listige Weise ihre Körbe um, oder bewarfen sie
aus irgend einem Schlupfwinkel mit Koth und Stei-
nen. Gingen sie des AdenbS auf der Str ße, so schlu-
gen sie mit großen Stocken an die Fensterladen, um
die Leute zu erschrecken, oder zogen an den Klingeln der
Häuser, und liefen dann schnell fort, oder versteckten
sich Aber eben bei diesem schändlichen Muthwillen
wurden sie einst ertappt, und erhielten nun die Stra-
fe, welche sie schon längst verdient hatten. Ein Mann
den sie schon sehr oft durch Anschlagen an die Fen-
sterladen erschreckt hatten, ließ ihnen mehrere Abende
nach einander aufpassen, und endlich gelang eS ihm
auch wirklich, sie a«t der That zu ergre fen. Er über-
lieferte sie der Obrigkeit, und wurden, zur War-
nung für Andere, öffentlich sehr h^rt gechchtig!'. Ver-
dienten sie wohl Milierden? W« war aber hierbei sehe
zu bedavrent
zur Beförderung guter Gesinnungen re. zi
16. Der Unzufriedene.
Ädolph hatte wohlhabende und sehr gütige Eltern^
Da sie nur den einzigen Sohn hatten, so wandten sie
sehr viel an ihn, und Adolph.hatte daher alles, was
er sich nur wünschen mochte: gute Kleider, alle Tage
gut zu essen, und manches Vergnügen. Aber eben
darum, weil es ihm zu wohl ging, wurde er unge-
nügsam und unzufrieden, das heißt: ec freuete sich nie-
mals über das, was er hatte, und fand immer etwa-
daran zu tadeln, daher er beständig etwas anderes und
besseres verlangte. Wenn er z. B einen neuen Rock
bekam, so hatte er bald an den Knöpfen etwas auszu-
setzen, oder er war »hm zu weit, zu lang, zu enge u. s w.
Gingen seine Ettern mir ihm spazieren, so klagte er bald
über die Hitze, bald über den weiren Weg, seufzte be,
ständig, und sagte fast alle Augenblicke: wenn wir doch
nur erst da waren! War man endlich angekommen, so
gefiel es ihm wieder an diesem Orte nicht, und er
wünschte, daß seine Eltern mit ihm nach einem andern
Orre gegangen waren. Auf diese Art verbittert? sich
der unzufriedene Adolph fast jedes Vergnügen, und wur-
de seines Lebens nicht froh. Ec hatte keine Freunde/
denn wer möchte wohl gern mit einem solchen Unzufrie-
denen umgehen? Er hatte aber auch fast niemals ein fröh-
liches Herz, und genoß das Gute, welches er hatte, we,
mg oder gar nicht. Möchtet ihr ihm wohl ähnlich «erden Í
17* Der Barmherzige.
Äunj und Klaus gingen an einem sehr kalten
Wi- teriage mit einander über Feld. An der Straße
fanden sie einen unbekannten Menschen im Schnee
liegen, welcher fest zu schlafen schien. Kunz hatte
Mitleiden mit ihm, und aus Besorgnrß, daß er er-
frieren möchte, näherte er sich ihm, um ihn aus dem
Schlafe zu wecken Aber so v,el er ihn auch rüttelte,
so erwachte er doch nicht. Den kannst du lange rüt-
teln, rief Klaus lachend, er wird nicht aufwachen,
er ist betrunken; laß den Kerl liegen, und komm, es
ist kalt. Nein, antwortete Kunz, sa unbarmherzig
zr Erzählungen
samt ich nicht seyn, wie leicht könnte -er arme Mensch
erfrieren, und mag er immerhin betrunken seyn, er ist
à Mensch, und zwar ein hüls-bedürftiger Mensch, ich
will thun, waS ich kann, um ihm daS -eben zu reden.
Nun, so mache, was du willst, rief Klau- unwillig,
ich mag nicht länger hier stehen und frieren; und damit
ging er weiter. Kunz bedeckte nun eiligst den Schla-
fenden mit Schnee, weil er gehört hatte, daß der
Schnee wärme, und lief dann so schnell als möglich nach
dem nächsten Dorfe, um einen Wagen zu holen. Glück-
licher Weise fand er auch gleich einen menschenfreund-
lichen Bauer, der eben aus der Stadt gefahren kam, und
mit dessen Hülfe er den Halbtod en fremden sehr bald
ins Leben brachte. Fröhlich wanderte er nun nach Hau-
fe. Was urtheilt ihr vom Kun,? Und was urtheilet
ihr vom Klaus? Wessen Betragen wollet ihr zum Mu-
ster nehmen?
lg. Die Furchtsame.
Äöilhelmine hatte eine abergläubische Wärterinn,
welche ihr oft Gespenstergeschichten erzählte, dabei
hatte man es ihr angewöhnt, immer bei einer Lampe,
und nie allein zu schlafen. Dadurch wurde sie furch,
sam Sie war schon »ehn Jahr alt, al- eS sich traf
daß alle ihre Geschwister krank wurden, und da ihr
Vater gerade verreist war, so mußte es sich Wilhel-
mine mm erstenmal gefallen lassen, allein zu schlafen.
Darüber, qerieth sie nun in große Angst, besonders
da die Mutter keine Lampe in ihrer Kammer wollte
brennen lassen, sondern meinte: das große Mädchen
könnte auch wohl einmal im Finstern zu Bette gehen.
Gar zu gerne hätte sie in der Krankenstube geschla-
fen. aber dieß wollte die Mutter nicht zugeben, weil
sie dadurch leicht hätte angesteckt werden können. Wei-
nend ging Wilhelmine in ihre Kammer, zog sich ha-
stig aus, und steckte aus Furcht den Kopf unter da-
Decküette. Von Zeit zu Zeit zog sie ihn scheu her-
vor. um Lust m schöpfen, und sich ängstlich in der
Kammer ummsthen. Auf einmal glaubte sie an der
Kammerthüre «ine lange weiße Gestalt zu erblicken.
Voller Schrecken zog sie sich das Deckbette über den
zur Beförderung guter Gesinnungen re. st
Kopf, und der Angstschweiß lief ihr von der Stirn.
Lange konnte sie eS in dieser Lage nicht aushalten; sie
wagte es endlich auf einen Augenblick den Kopf hervor-
zmiehrn. und siehe da die schreckliche weiße Gestalt
stand nicht nur immer noch an der Kammerthür, son-
dern bewegte sich auch. Jetzt fing Wilhelmine laut an
zu schreien, und in dem Augenblick trat ihre Mutter in
die Kammer. Aber Kmd, was ist dir denn! rief sie
ihr zu; träumest du, oder wachst du 7 Ach Mutter' Mut-
ter ! die weiße Gestalt! ich glaube gar du sichst Gespen-
ster, erwiderte die Mutter; ermuntre dich, und fasse
Muth Was ängstigt dich denn- GS kam nun her-
aus, daß Wilhelmine ein weiße-Handtuch, welches an
der Kammerthür hing, und worauf der Mond schien,
für eine weiße Gestalt gehalten hatte. Die Mutter hatte
an derKammerrhür gehorcht, ob Wilhelmine schlief, und
indem sie die Thür öffnete, hatte sich daS Handtuch be-
wegt. Wilhelmine schämte sich ihrer kindischen Furcht-
samkeit, und sahe seit dieser Zeit nicht wieder Gespenster.'
iS« Die gute Tochter.
28ilhelm war sehr krank, und feine gute Mutter
hatte, auS zärtlicher Besorgniß, schon drei Nächte hin-
ter einander bei ihm gewacht. Marie, seine zwölfjähri-
ge Schwester, fürchtete, daß ihre Mutter von den vie-
len Nachtwachen endlich auch krank werden möchte. Da-
her bat sie ihre Mutter herzlich, sie möchte ihr doch er-
lauben die vierte Nacht bei dem kranken Bruder zu wa-
chen. Aber die zärtliche Mutter wollte dieß n cht zuge-
ben, theils weil Marie sehr schwächlich war. therlS weil
sie fürchtete, sie möchte einschlafen, und Wilhelm dann
ganz ohne Hülfe seyn. Nun wurde es Abend, und die
abgemattete Mutter mußte sich doch endlich aus- Bette
legen, weil ihr die Augen zufielen. Marie hatte sich
zwar auch auf Befehl ihrer Mutter zu Berte gelegt,
aber aus kiebe und Besorgniß konnte sie nicht einschla-
fen, als sie hörte, daß die Mutter fest schlief stand
sie sacht auf, nahm ihr Strickzeug und fetzte sich ne-
ben dem Bette ihre- kranken Bruders auf die Erde.
Hier gab sie genau auf ihn Acht, und so bald er sich btt
54 Erzählungen
bewegte, war sie sogleich bei der Hand, um sich zu er-
kundigen, was er verlange. So trieb sie eS bis an den
Morgen, und wie groß war nun ihre Freude, daß sie
der guten Mutter eine ruhige Nacht hatte verschaffen
können!
Bald nachher wurde die Mutter auch krank, erholte
sich aber bald wieder; nur fehlte es ihr an Kräften.
Der Arzt harte in Marrens Gegenwart gesagt: wenn die
Kranke nur täglich ein wenig Wein trinken könnte, so
würde sie bald wieder zu Kräften kommen. Aber wo
sollte die arme Frau das Geld zum Wein hernehmen?
Wilhelms Krankheit hatte gar zu viel gekostet. Marie
hörte, daß in dem Hause, wo sie wohnte, jemand gesucht
würde, der baS klein gehauene Holz im Keller aufschichten
könnte. Sie bat, daß man ihr die Arbeit übertragen
möchte, und versprach, recht emsig daber zu seyn. Nach
vier sauern Stunden hatte sie wirklich so vre! verdient,
daß sie für ihre Mutter ein wenig Wein kaufen konnte.
Obgleich sie von der ungewohnten Arbeit sehr ermüdet
war, so lief sie doch so schnell, als ob sie heute noch gar
nicht gearbeitet hatte. Unbeschreiblich groß war ihre
Freude darüber, daß sie durch ihre Hände Arbeit der
guten Mutter diese Erquickung hatte verschaffen können.
Die Mutter war so gerührt über Mariens kindliche
Liebe, daß sie Freudenthranen vergoß. Wenn doch alle
Kinder so gesinnet wären, wie die gute Marie!
so. Der ungegründete Verdacht.
Äem Kaufmann Müller waren feit einiger Zeit
verschiedene Flaschen mit Wein aus dem Keller gestohlen
worden, und er konnte nicht herausbringen, wer wohl
der Dieb seyn möchte. Eines Tages kam sein Sohn
Ferdinand ganz außer Athem zu Hause, und erzähl-
te, nun wisse er ganz gewiß, wer die Flaschen aus dem
Keller geholt härte. Nun, wer denn 2 fragte der Va-
ter begierig. Kein anderer, sagte Ferdinand, als der
kleine Ewald, denn ich habe ihn eben mit zwei Fla-
schen sehr ängstlich aus dem Keller schleichen sehen.
Der kleine Ewald war in dem Hause des Herrn Müller
bisher viel MS- eingegangen, und hatte, als ein
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 55
armes Kind, manche Wohlthaten in diesem Haufe ge-
nessen. Man h'.elt viel auf den kleinen muntern Kna,
den, und hatte ihn bisher immer den ehrlichen
Ewald genannt. Daher war Herr Müller nicht we,
nig erstaunt, als ec hörne, daß Ewald ihn bestehle, und
wollte es durchaus nicht glauben; aber Ferdinand
wußte es so wahrscheinlich zu machen, daß ihm am
Ende doch das Betragen Ewalds verdächtig vorkom-
men mußte. Er ließ also den Knaben rufen, und
als er erschien, sahe er ihn eine Weile sehr ernsthaft
an. Haft du ein gutes Gewissen? fragte er ihm dann.
Bei dieser Frage schien Ewald verlegen zu werden,
und erröthele. Antworte ehrlich auf drese Frage, fuhr
Herr Müller fort. Ich weiß nicht, sagte der Kleine
stammelnd, was ich Böses gethan h be. Dein Errö»
then verräth dich, erwiederte Herr Müller mit Unwil-
len, und sah ihn dabei finster und drohend an. Bist
du heute in meinem Keller gewesen ? Hast du zwei
Flaschen aus dem Keller weggetragen? Das aüeS
konnte Ewald nicht leugnen, aber als ihm nun gerade
Schuld gegeben ward, daß er die gestohlnen Flaschen
Wein weggenommen habe, verstcherte er ohne Furcht,
daß er unschuldig sey, und rechtfertigte sich auch wirk-
lich. Er erzählte nämlich, daß er heute für seine
Mutter zwei Flaschen Bier geholt, und diese in den
Keller bei Sette gesetzt habe, um einen Schulkamera-
den, der einen schweren Korb zu tragen hatte, und
ihn nicht mehr allein fortbringen formte, zu Hülfe zu
kommen; als er wieder zurückgekommen sey, habe ihn
ein großer Junge geneckt und verlolgt, bis er den Keller
erreicht habe. Als er nun wieder heraus gekommen
wäre, hätte ec sich schüchtern umgesehen, ob sich der
böse Junge nicht erwa wo versteckt habe. Herr Mül«
ler erkundigte sich bei Ewalds Mutter, und fände diese
Umstände alle vollkommen richtig. Nun that es ihm '
sehr leid, daß er den ehrlichen und dienstfertigen Ewald
in einem so bölen Verdacht gehabt hatte. Um ihn für
dieses erlittene Unrecht zu entschädigen, schenkte er ihm
einige ganz mue Kleidungsstücke: seinem Sohne aber
gab ec die Lehre: sey künftig behutsamer, «nd hüte
dich sorgfältig, irgend einem Menschen ohne hinrei-
§6 Erzählungen
wende Gründe etwas so Böses, wie Diebstahl ist, zu-
zutrauen; denn du hast jetzt die Erfahrung gemacht,
Wie leicht der Schein trügt.
21. ^aá neugierige Mädchen.
Wargarethe war als ein höchst neugieriges Mäd,
eben bekannt, und schon oft hatten sie ihre Eltern wegen
ihrer thörichten Neugierde bestraft. So bald sie nur
das geringste Geräusch auf der Straße hörte, lief sie
an das Fenster, um zu sehen, was es gäbe; und eines
Tages machte die heftige Neugierde sie jo blind, daß sie
mit dem Kopfe gegen die Fensterscheibe fuhr, und sich
sehr beschädigte, rüdem sie nicht einmal bemerkt hatte,
daß das Fenster zugemacht war. Nicht selten verlohr
sie auf der Straße ihr Strickzeug, oder was sie eben in
der Hand hieît, indem sie hastig lief, um *u sehen, wes-
wegen sich die Leute versammelten. Beynahe wäre sie
einst darüber um's Leben gekommen, denn indem sie
in ihrer Unbesonnenheit zusähe, wie ein Ochse, der sich
losgerissen hatte, und eben wieder gefangen worden
war. mir Stricken gebunden wurde, riß sich das wü-
thende Thier ios, und nur mrt genauer Noth flüchtete
sich Margarethe in ein HauS, büßte aber doch darüber
ihre Schürze ein, welche der Ochse im Verbeirennen mit
den Hörnern faßte, und ihr vom Lerbe riß. Ihre Neu»
gierde verleitete sie auch zu horchen, und man sahe
sie oft des Abends unter den Fenstern stehen, um zu hö-
ren, was die Leute in der Stube sprächen. Aber bei
diesen Horchen lief sie einst sehr übel an; denn ein
Mann, der sie dabei ertappte, züchtigte sie ohne Um-
stände dafür recht derb, und ließ sie dann mit der War,
nung gehen: künftig horche nicht wieder, sonst hast du
noch etwas Schlimmeres zu erwarten!
22, Das wißbegierige Mädchen.
Caroline zeigte schon in ihrer frühesten Kindheit
eine große Begierde zu lernen, und sich nützliche
Kenntnisse zu erwerben. Wenn sie etwas Neues sah,
so ruhte sie nicht eher, bis sie es genauer kennen ge-
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 57
lernt hatte. Konnte sie nicht durch eigenes Nachden-
ken herausbringen, wozu eine Sache nützlich wäre,
und warum sie so seyn müßte, wie sie war; so hörte
sie nicht auf zu fragen, bis ihre Wißbegierde befrie-
digt war. Sehr gern ging sie in die, Schule, und wenn
auch das Wetter noch so schlecht war. dennoch scheute
sie nie den weiten Weg nach der Schule. Außerordent-
lich groß war ihre Freude über ein neues lehrreiches
Buch. Sie blätterte nicht etwa bloß darin, wie es
viele Kinder machen, sondern sie las eS langsam und
Mit großer Aufmerksamkeit durch, und daher blieb sie
auch nie die Antwort schuldig, wenn man sie fragte:
was in dem Buche enthalten sey? Beinahe in allen
weiblichen Arbeiten, und besonders im Nähen und Stri-
cken, war sie sehr geschickt, und um es noch mehr zu
werden, wurde sie die Gehülfinn einer Frau, welche
sie nur unter der harten Bedingung unterrichten wollte,
daß sie ein ganzes Jahr hindurch, vom frühen Morgen
bis zum späten Abend, für su arbeiten sollte, ohne Be-
zahlung dafür zu verlangen. Aber als dieß saure Jahr
endlich überstanden war, hatte sie auch die Freude, nicht
nur sich selbst durch ihrer Hände Arbeit reichlich ernäh,
ren zu können, sondern auch ihrer alten kränklichen Mut-
ter eine Stütze im Alter zu seyn Da ihre Wißbegier-
de sie antrieb, den Umgang verständiger Menschen zu
suchen von welchen sie lernen konnte, so blieb sie vor
vielen Thorheiten und Versuchungen bewahrt und er-
freute sich der Achtung und Liebe aller guten Menschen»
23. Menschenfreundliche Gesinnungen.
Änton war ein überaus gutherziger Knabe. Seine
größte Freude war die. Andern eine Freude zu ma-
chen, und gern gab er etwas hin, was ihm selbst
lieb und werth war, wenn er dadurch Andere, und
besonders seine Geschwister, erfreuen konnte Wenn
er von unglücklichen Menschen hörte, so empfand ex
inniges Mitleiden, und oft standen ihm die Thränen
in dem Augen, wenn sein Vater über Tische von einem
Unglücksfalle erzählte, welcher sich ereignet hatte.
Einst erzählte der Vater von einem Schuhmacher, den
58 Erzählungen
Anton sehr gut kannte, daß er sich jetzt mit seiner
8 au und drei kleinen Kindern in einer recht trau-
rigen Lage befände. Die armen Leute, sagte er, jam-
mern mich sehr, denn sie sind, ganz ohne ihre Schuld,
blos dadurch so herunter gekommen, daß sie von schlech-
ten Menschen, denen sie Redlichkeit zutrauten, um be-
trächtliche Summen berrogen wurden. Jetzt bekommt
der arme Mann gar keine Arbeit mehr, denn er hat
Nicht einmal so viel Geld, um sich Leder zu kaufen,
und seine besten Sachen sind bere-ts verkauft. Wenn
ich es nur einigermaßen übrig hätte, gern wollte ich
ihm Geld leihen, damit er sich wieder helfen könnte.
Anton hatte dies ailes sehr aufmerksam angehört.
Nach Tische kam er zum Vater, und sagte: lieber Va-
ter , wenn ich doch den armen Martin (so hieß der
Schuhmacher) das Goldstück, welches mir mein Pathe
geschenkt har, hintragen dürfte; erlaubst du es wr hl?
Der Bat:r harte anfangs einiges Bedenken, denn es
war vorauszugehen, daß Martin auch diese paar Tha-
ler nie würde wieder bezahlen können. Doch Anton
hörte nicht ch:r auf, zu bitten, bis der Vatce seine
Erlaubniß gib. Froher war der gute Anton noch nie
gewesen, a!S in dem Augenblick, da er fein Goldstück
dem armen Murtin hintragen durfte. Martin konnte
nun einen kleinen Vorrath von Leder einkaufen. An-
tons V^tec verschaffte ihm durch Fürsprache Arbeit
genug, und bald ward dem armen Manne so weit ge-
holfen, daß er seine Bellen, welche er in der Noth
hatte versetzen müssen, wieder einlösen konnte, und
von Nahrungssorgen frey war. Freilich har nicht
jedes Kind ein Goldstück wegzuschenken, wie Anton:
aber jedes Kind kann doch etwas thun, um Unglück-
lichen Zu helfen, und sie zu erfreuen.
24. Was heißt schmollen?
Äugust hatte eine große Untugend, daS Schmollen
oder Maulen an sich; denn wenn ec von jemand be-
leidigt zu seyn glaubte, so war er viele Tage lang un-
freundlich und mürrisch, sprach kein' Wort mir ihm,
«tîîvortete such nicht, wenn man ihn fragte, und sahe -
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 59
so finster aus, als ob er alle Augenblick um sich schla-
gen wollte. Nach langer Zeit war a ersi wieder ge-
sprächig und freundlich.
Er betrug sich aber nicht nur so unartig gegen
feine Geschwister und Spielkameraden, sondern sogar
auch gegen seine Eitern, wenn er von ihnen wegen
eines Kehlers bestraft worden w-r. *
Um ihm nun diese Unart abzugewöhnen, befahl
der Vater Allen im Hause, wenn August mit irgend
jemand auf diese Art schmollte oder maulte, so sollten
alle eben so gegen ihm sich betragen, und wenn er als-
dann aushörte, so sollten sie gerade noch einmal so lan-
ge mit ihm schmollen, ais feine Unfreundlichkeit ge-
dauert hätte. Als dieß einigemal geschehen war, lernte
er die Häßlichkeit seines Fehlers einsehen, und besserte
sich.
25. Gefälligkeit.
Älbert hatte in der Schule gelernt, daß man ei-
nem jeden die Achtung erweisen müsse, die ihm zukommt,
und daß man sich durch ein höfliches und gefällige- Be-
tragen die Zuneigung Anderer am leichtesten und sicher-
sten erwerben könne. Cr war also, um sich zu dieser
Tugend zu gewöhnen, immer aufmerksam auf sich selbst,
und erlaubte sich nie, auch wenn er allein war, irgend
etwas Unanständiges.
In der Schule beobachtete er stets eine anständige
Stellung des Leibes, aus Achtung gegen seinen Lehrer,
und seine Mitschüler. Ec trat niemals mit dem Hute
auf dem'Kopfe in die Schulfiube, und vergaß nie, sei-
nem Lehrer freundlich einen guten Morgen zu wünschen.
Nie sahe man ihm mit weit vorgestreckten Füßen und
zurückgelehntem Leibe sitzen, oder mit den Armen über
dem Tische liegen, oder mit den Händen in den Haaren
kratzen, und dergleichen Unanständigfeiten mehr. Noch .
viel weniger erlaubte ec es sich, gegen seine Mitschüler
Schimpfwörter, oder unhöfliche Reden zu gebrauchen,-
wenn er auch bisweilen von ihnen dazu gereizt wurde.
Einst ging er mit einigen seiner Bekannten vor dem
Thore spatzieren. Da begegnete ihnen ein fremder HeM
so Erzählungen .
zu Pferde der gerade auf sie zuritt, um sie zu frage»,
in wacher Straße ein gewisser Gasihof läge, wo er
einkhren wollte.
Als der Fremde tvifje kam, liefen die andern Kna-
ben aus einer unartigen Blödigkeit, davon; Aloert
aber blieb stehen. n,hm seinen Hut ad und ant-
wortete auf die Fragen des Fremden höflich und be-
scheiden, bot sich auch freiwillig an, ihm den Weg
nach dem Gasthofe >u zeigen.
DaS gefiel dem Fremden sehr: er ließ sich unter-
wegs mit ihm in ern Gespräch ein fragte nach seinem
Eltern, wie sie hießen, wo sie wohnten, und nach an-
dern Umwänden. Vor dem Gasihofe stieg der Fremde
ab. d-nk?e Alberten freundlich für seine Gefälligkeit,
und wollte ihm ein Geschenk an Gelde machen; allein
Albert nahm es nicht an, denn sein dienstfertiger V uer
hatte ihm oft gesagt: man muß sich nicht jeden kleinen
Dienst, den man andern leistet, bezahlen lassen. Fröh-
lich ging er nun zurück zu seinen Kameraden.
Der Fremde hatte sich in der Stille nach Albert er-
kundigt, und als ec erfuhr, daß er nicht bloß ein höf-
licher, sondern auch ein ehrlicher und verständiger Kna-
be sev und sehr arme Eltern habe, so ließ ec ,hn auf
ferne Kosten neu kleiden, und nahm »hn nach einiger
Zeit in seine Dienste, wo es ihm sehr wohl ging.
26. Die Verläumderinn.
Aennriette wollte sich gern bei ihren Eltern und
Lehrern beliebt machen, und weil es ihr zu schwer
dünkte, und zu lange dauerte, sich durch Fleiß, Sitts
famkeit und Redlichkeit diese Liebe zu erwerben; so
legte sie sich aufs Verläumden: denn sie. hatte bemerkt,
daß man sich bei Vielen dadurch auch in Gunst letzen
könne, wenn man ihnen von Andern allerlei Nachrich-
ten bringt.
Sie fing also damit an, daß sie alle Kleinigkeiten,
jeden unschuldigen Sp ß. und jede Unvorsichtigkeit oder
Uebererlung ihrer ^Geschwister bei den Eüern heimlich
angab, und durch ihre Zusätze recht gehässig vorstellte.
Dabei bat sie immer, daß man sie nicht als An-
*
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 6 t
geberinn verrathen möchte, weil sie sonst ihrem Hasse
ausgesetzt seyn würde. D»e Eitern, welche gegen chre
Kinder auS guter Ansicht strenge waren, lodren Hen-
rietten, daß sie an den Bosheiten ihrer Geschwister
keinen TheU nehmen wollte, und schränkten die Ver»
läumderen in ihren unschuldigen Vergnügen immer mehr
ein; aber H nerette wurde überall vorgezogen, und zu
allen Lustbarkeiten zugelassen.
Weil es ihr aus diese Weise bei ihren Eltern ge-
lungen war, so versuchte sie es nun auch in der Schule.
Hier gab sie genau Achtung, welche Schülerinnen von
dem Lehrer nicht sehr geliebt wmden, und von diesen
wußte sie, hinter ihren Rücken so viel Böses zu crzäh,
len, daß sie immer mehr von der Liebe ihres Lehrer-
verlohren. Dieser aber hielt Henriettens Aussage dar-
um für wahr, weil ec eben diese Schülerinnen schon
Von einer schlechten Seite kennen gelernt hatte.
I dessen kam ihre boshafie Verleumdung doch end-
lich an den Tag. Denn sie verleumdete einst eme sehe
brave Mnschülerinn. weil sie ihr die Liebe ihres Lehrer-
mißgönnte, und da diese A klage genauer untersucht
wurde, entdeckte man die böse Verleumderinn, und
bestrafte sie Auch wollte niemand von der Zit au
mehr mit ihr umgehen, oder ihren Worten glauben.
-7. Die Wahrsagerinn.
^ine Z geunerinn kam in ein Dorf, und wollte den
Leuten iür Geld wahrsagen. Einige waren auch wirk-
lich so einstig und abergläubig, daß sie den R den
der ris'igen Frau zuhörten Diese sagte nun einem je-
den der Umsikh nden eiwas, das er gern hören mochte:
dem emen weiss-gte sie eine reiche Erbschaft dem an-
dern eine glückliche Heiralh, u. s. w. Dafür wurde
sie dann auch reichlich beschenkt
Unterdeß hatten die Gerichte von dieser Landstrei»
cherinn gehört; und weil solche Betrügereien strenge
verboten sind, so wurde sie unvermuthet aufgehooe-r,
und nach der Stadt in Verwahrung gebracht Hätte
sie nun wirklich wahrsagen, da- heißt: das Zukünf-
tige vorher wissen können, so würde sie auch ihre ei- '
6r
Erzählungen
gene Gefsngennehmung gcwußt haben, und derselben
durch die Ducht entgangen seyn.
Dennoch aber glaubten bit meisten das, was die
' Zigeunerinn ihnen gesagt hatten, darum, weil sie wünsch-
ten, daß eS wahr seyn möchte; und so wurden sie ^um
Theil dadurch unglücklich. Denn derjenige z. B., web
chem eine reich.'. Erbschaft gewiss get war, vernachläs-
sigte seine Wirthschaft, in der Hoffnung bald ohne Mü-
he reich zu werden Lange blieben die schädlichen Wir-
kungen biejeS Betruges in dem Dorfe noch sichtbar.
2Z. Der Glücksspieler.
Stephan diente schon seit vielen Jahren als Gärt-
ner bei einem vornehmen Herrn, und harte das Lob ei-
nes fi-üßigen, geschickten und treuen Arbeiters. Er
lebte dabei auch sehr zufrieden, und wünschte weiter
nichts, als daß er es nur dis an sein Ende so gut ha,
ben möchte, denn sein Herr liebte und schätzte ihn.
Eines Tages kam sein Freund Anton mir schnellen
Schritten zu ihm in dem Garten, und meldete ihm vol,
ler Freude, daß er 500 Thaler in der Lotterie gewonnen
habe- Nun bin ich auf einmal aus meiner Noth! rief
er; so kümmerlich, wie bisher, darf ich nun mein bis,
chen Brot nicht mehr verdienen. Ich gebe meinen Dienst
bei der Herrschaft auf (er war Bedienter bei demselben
H;rrn), und lege mir einen kleinen Handel zu, da will
ich mich schon gemächlicher nähren. Und wenn ich dir
rathen sollte, lieber Stephan, fuhr er fort, so versuch-
test du dein Glück auch m der Lotterie. Ist es nicht bes-
ser, daß wir unsere eigene Herren werden? Und was
haben wir, wenn wir alt und schwach werden, für Pflege
und Wartung zu hoffen, so lange wir in Diensten sind?
S ephan schüttelte den Kopf, wußte ober doch nicht
viel dagegen zu sagen, und Anton machte ihm den
Gewinn in der Lotterie so wahrscheinlich, stellte ihm
auch den Zustand der Unabhängigkeit so angenehm vor,
daß er sicd endlich entschloß, eine Kleinigkeit d-ran zu
wagen. Ec setzte also einige Groschen in die Lotterie,
und gewann bei der nächsten Ziehung nichts. Da er
muthloS werden wollte, munterte ihn Anton auf, und
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 6z
fügte: er sollte den Einsatz nur einmal verdoppeln,
und fortfahren, am Ende müsse sein Loos herauskom-
men; so habe er seine 500 Thaler auch gewonnen.
Stephan wollte sein Geld nicht gern verloren haben,
und setzte also von neuem ein. DaS that er auch die
folgende Zeit, aber statt der Treffer wurden immer Nie-
ten für ihn gezogen. Zuletzt konnte er den Einsatz nicht
mehr aus eigenen Mitteln bestreiten, und doch wollte er
nicht aufhören, einzusetzen, weil er sich in dm Kopf
gesetzt hatte; er müsse einmal gewinnen. Und was
that er, um das Geld zum Einsatz zusammen zu brin-
gen: Er betrog seinen Herrn beim Verkauf der Gar-
tenfrüchte. Vorher war er der ehrlichste und treueste Die-
ner gewesen, so sehr hatte also die Gewinnsucht sein Ge-
müth geändert! Seine Untreue blieb nicht lange verbor-
gen, und daher jagte ihn sein Herr fort.
Nun wollte er seine Zuflucht zu seinem Freunde An-
ton nehmen; allein dieser hotte mit feinem Gelde übel
gewirthschaftet, und auch wieder in die Lotterie gesetzt,
ohne zu gewinnen. Dadurch war er in Schulden gera-
then, und mußte landfiüchtig werden.
Es blieb also dem unglücklichen Stephan nichts
übrig, als ebenfalls aus dem Lande zu gehen, weil nie-
mand ihn, als einen Betrüger oder Dieb in seine Dien-
ste nehmen wollte. Ec starb in großer Dürftigkeit.
Wer auf andere Act, als durch Arbeit, Geld er-
werben will, wird am Ende immer unglücklich.
29. Aberglaube.
Gustav war so leichtgläubig, daß er alles für wahr
annahm, was er hörte, ohne zu untersuchen, ob eS
auch wahr seyn könne. Diese Leichtgläritntzkeit hatte
ihn auch zum Aberglauben gebracht; dmn wenn ihm
jemand sagte: in diesem oder jenem Hause spuke ein
Gespenst, so glaubte er es, und erzählte cs andern
als zuverlässig gewiß; oder wenn man ihm weiß mach-
te; eS stürbe jemand in dem Haufe, vor welchem eine
Eule schrie, oder ein Hund heulte: so zweifelte er
nicht im geringsten daran, und er glaubte also eine
64 ' Erzählungen
Wirkung, die von der angegebenen Ursache nicht her-
kommen konnte, das heißt: er war abergläubig.
Emstmal bekam er einen Schaden, aus heiler Haut,
wie man zu sagen pflegt. Anstatt daß er nun einen
ordenltichen Arzt hätte um Rath fragen sollen, ließ er
sich vielmehr von einer alten Frau bereden, die Wunde
mit einem sogenannten Johannishölzchen (ein Holz,
welches am Johannistage von einem Baum geschnitten
worden ist) zu berühren, und glaubte, daß sie dadurch
allein, ohne andere Mittel, heilen sollte. Da die Frau
ihn versicherte, daß dieses schon mehreren geholfen hät-
te, welche sie namentlich anführte : so verließ er sich so
fest darauf, daß er an keine ordentliche Kur dachte.
Indessen ward die Wunde immer gefährlicher, und
endt-ch schlug gar der kalte Brand dazu. Nun mußte
er doch nach einem Arzte schicken, der ihm das! Bei«
abnahm; und er mußte froh siyn, daß^er nicht gar da-
Lehen dabei eindüßre.
Aberglaube ist die Quelle manches Unglücks; und
doch beherrscht er so viele Menschen!
Zo. Die folgen des Fleißes und der
Faulheit.
Moritz war der emsige Sohn eines reichen Gutsbe-
sitzers. Mit ihm war Christoph, der Sohn eines
Dröschers, auf dem Gute seines Vaters, in gleichem
Alter. Diese beiden Kinder wuchsen also, zusammen auf,
und Christoph wurde von dem alten Moritz so herzlich
geliebt, als ob es sein eigener Sohn wäre; er ließ ihn
nickt nur oft an seinem Tische essen, und kleidete ihn,
sondern schickte ihn auch frei in die Schule.
Christoph hatte zwar keine außerordentliche Fähig,
feiten, und es ward ihm daher alles sehr schwer, wä-
re lernen sollte; aber er gab sich viel Mühe. Sorgfäl-
tig merkte er auf olles, «a- der Lehrer sagte, lernte zu
Hause fleißig, was ihm in der Schule aufgegeben?wae
und übre sich in ollem selbst, ohne daß ihn jemand an-
treiben durfte. Durch diesen unermüdeten Eifer brachte
er es bald dahin, daß er seinen Mitschülern gleich kam
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 65
auch denen, welche bessere Geistesgaben von Gott em-
pfangen hatten, als er. Jedermann liebte ihn, und
wünschte dem Vater Glück zu einem solchen Sohne.
Moritz aber war leichtsinnig, und achtete nicht auf
die guten Lehren, die er in der Schule hörte. Spie-
len, Reiten, Fischen, und dergleichen Vergnügungen,
waren ihm lieber, als Lernen. Wenn er ermahnt wur-
de, fleißig zu seyn, so sagte er 7 ich werde ein Land-
wirth, und der braucht nicht viel zu wissen ; wenn ich
lesen, schreiben und rechnen kann, so bin ich geschickt
genug, und dazu habe ich noch immer Zeit.
Go ging ein Jahr nach dem andern hin, und weil
er glaubte, immer noch Zeit genug zu haben, so lernte
er auch das Lesen, Schreiben und Rechnen nur sehr
mittelmäßig. Der Vater hätte es freilich lieber gese-
hen, wenn sein Sohn fleißiger gewesen wäre; aber
zwingen wollte er ihn nicht, und überdies dachte ec
ebenfalls, daß Lml Sohn in seinem künftigen Stande
nicht viel zu wisM brauche, und daß es ihm nicht feh-
len könne, wenn er ihm nur das Guth wohl eingerich-
tet hinterließe. Aber beide irrten sehr;y denn sie dach-
ten nicht daran, daß die Gewöhnung an unnütze Be-
schäftigungen noch weit schlimmere Folgen habe, als
die bloße Versäumniß der Gelegenheiten, etwas Nütz-
liches zu lernen.
Als Moritz in die Jahre trat, wo er die Schule
verlassen mußte, wollte ihn der Vater zur Wirthschaft
anführen, und trug ihm also bald diese, bald jene Ge-
schäfte auf: aber Moritz ging lieber seinen gewohnten
Lustbarkeiten nach. Anstatt auf dem Felde zu seyn,
und die Knechte zur Arbeit anzutreiben, rittt ec in die
Stadt zu feinen Bekannten, spielte, und ließ die Knech-
te arbeiten, so viel sie wollten.
Der Vater schalt ihn zwar deswegen hark, aber es
half nichts, und er starb, wie man sagt, vor Verdruß
über die Liederlichkeit seines Sohnes. Nun war Mo-
ritz Herr des Guthes, und konnte ganz nach seinem Wil-
len handeln. Rach dem Gprückwort: junggewohnt,
alt gethan, blieb ec auch eben so leichtsinnig, wie ec
vorher war. Er lebte immer in den Tag hinein, ohne
sich um die Wirthschaft zu bekümmern, und in ein Paar
L6
Erzählungen
Jabeen war das Gut so verschuldet, daß eS öffentlich
verkauft werden mußte.
Tin benachbarter Edelmann kaufte es, und Chri-
stoph, der bisher als Verwalter auf demselben gestan-
den, und durch Fleiß und Sparsamkeit sich etwas er-
worben hatte, nahm es in Pacht.
Das Geld von dem verkauften Guthe reichte nicht
einmal zu, Moritzens Schulden zu bezahlen, und also
hätte ec ein Landläufer werden müssen, wenn sich Chri-
stoph nicht, aus Dankbarkeit und Mitleiden, seiner am-
genommen, und ihm freie Wohnung und freien Tisch
gegeben hätte.
Fleiß und Sparsamkeit bewahrt vor vielem Böse«,
aber Müßiggang lehrt alle Laster.
Zr. lascherer.
Friederike hatte die üble Gewohnheit, alles zu be-
naschen, was sie von Eßwaaken und Getränken sah.
Sie war deßhalb oft von ihren Eltern bestraft worden,
weil Näscherei nicht nur sehr unanständig ist, sondern
weil sie auch Ursache wird, daß man überhaupt seine
Begierden nicht mäßigen und unterdrücken lernt
Friederike ließ sich durch keine Strafe abhalten, wenn
ihr die Lust ankam, zu naschen. Die Gartenthür mußte
um ihrentwillen beständig verschlossen seyn, so lange
Obst im Garten war; denn sie pflückte alles, was sie
erreichen konnte, sogar unreif ab, biß die Aepfel und
Birnen an, und warf sie weg, wenn sie noch hart wa-
ren. So verdarb sie fast eben so viel Obst, wenn sie
einmal in den Garten kam, wie das Ungeziefer.
Gar zu gern schlich sie sich in die Milchkammee,
wo sie die Sahn? mit den Fingern aus den Milchgefä-
ßen nahm. Anfangs glaubte man, daß die Katze diese
Näscherinn wäre, und schaffte sie ab; aber bald ent-
deckte sich's, daß Friederike den Schlüssel zur Milchkam-
mer sehr gut zu finden wußte. Es war also nicht zu
verwundern, daß die Eltern gar kein Zutrauen mehr zu
ihr hatten, und alles vor ihr verschlossen, wie vor ei-
nem Diebe. Einigemal war sie sogar über den Wein
gerathen, welchen der Vater für Freunde in einem Lß-
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 67
schranke sieben hatte, und war davon berauscht und
tödtlich krank geworden.
Eines Tages war sie in der Stube allein, und sol-
che Zeiten pflegte sie gern zu ihren Näschereien zu benu-
tzen. Sie sahe sich um, ob irgend ein Schrank offen
stände , oder ob Schlüssel da wären; endlich bemerkte
sie oben auf dem Schranke ein Näpfchen.
Sogleich machte sie Anstalt, zu sehen, ob etwas für
sie zu naschen darin wäre. Sie setzte einen Stuhl an
den Schrank, und da dieser noch nicht hoch genug war,
rückte sie auch den Tisch hinan, stieg vom Stuhle auf
den Tisch, und nahm das Näpfchen herunter. Es war
etwas Weißes darin, wie gestoßener Zucker, sie tunkte
die Fingerspitzen ein, und kostete; cs schmeckte süß, und
sie leckte also begierig.
Plötzlich trat die Mutter zur Thür hinein. Friede-
rike erschrak so sehr, daß sie fast vom Tische gefallen
wäre; aber noch größer war der Schreck der Mutter,
da sie sahe, daß Friederike Gift aß, welches für die
Fliegen hingesetzt war. Unglückskmd! rief sie, was
machst du? — Sie hob sie gleich vom Tische, schickte
zu dem Arzt, gab ihr Milch ein, daß sie sich brechen
sollte, und wandte alle Mittel an, sie von einem schmäh-
lichen Tode zu retten. Bald aber fühlte sie die entsetz-
lichsten Schmerzen in den Eingeweiden, und schrie, daß
man es einige Häuser weit hören konnte.
Der Arzt kam. und verordnete, daß sie immer noch
mehr Milch trinken sollte, gab ihr auch noch andere Ar-
zeneien; allein sie mußte doch schon zu viel genascht ha-
ben; zwar blieb sie am Leben, behielt aber doch einen
sehr schwachen Verstand, und ein beständiges Zittern
der Glieder.
Wer seinen Begierden unvernünftig folgt, den stür-
zen sie endlich ins Verderben.
Z2. Der Thierquäler.
Der kleine Hart mann fand ein Vergnügen daran,
Thiere ohne Noth zu quälen. Cr glaubte ein Recht zu
haben, sich dieses Vergnügen zu machen, so oft er die
Gelegenheit und Gewalt dazu hatte. Ohne zu beden-
E 2
68 Erzählungen
len, daß Thiere auch gegen Schmerz empfindlich sind,
mißhandelte ec sie oft so grausam, als ob sie seine
ärgsten Feinde wären, da sie ihm doch nichts zu Leide
gethan hatten.
Cr fing Maikäfer, band sie mit einem Faden an
einen Stock, und ließ sie so um denselben herumflie-
gen, bis sie ganz abgemattet waren.
Die unschuldigen, und in mancher Absicht nützlichen
Frösche durchstach er mit Nadeln, und ergötzte sich an
ihren Zuckungen, bis sie eines langsamen Todes starben.
Besonders übte er seine Kunst zu quälen an einem
kleinen Hunde aus, den ihm sein Vetter geschenkt
hatte. Den ganzen Tag führte er ihn an einem Stri-
cke mit sich herum; und um andern zu zeigen daß er
Herr über diesen Hund sey, schlug er ihn'bei der ge,
ringsten Veranlassung, stieß ihn mit den Füßen, und
zwackte ihn an den Ohren, so daß ihm oft fremde
Leute darüber Vorwürfe machten.
Als er größer wurde, jagte er Pferde zu Tode,
und fing an das Gesinde übel zu behandeln, daher
viele, sonst brauchbare Personen, um seinetwillen aus
dem Dienste gingen. Unglücklicher Weise sahen die
Eltern ihm nach, weil er ihr einziges Kind war.
Da er endlich seine eigene Wirthschaft erhielt, hätte
man meinen soñen, er würde sich nun vernünftiger be-
tragen ; allein er setzte — nach dem Gprüchwort: jung
gewohnt, alt gethan — seine vorige Aufführung fort,
und lebte mit allen Menschen in beständigem Streit,
so daß die Prozesse wegen Ersetzung des Schadens,
den er Menschen und Vieh zufügte, gar nicht aufhör-
ten, und er seines Lebens nicht froh ward.
Der Gerechte erbarmet sich seines Vie-
hes, aber das Herz der Gottlosen ist un-
barmherzig.
33- Zeitvertreib.
Heinrich klagte immer, daß ihm die Zeit so lang
würde, denn er hatte keine Geschwister im Hause, mit
welchen er spielen konnte, und seine Eltern erlaubten
ihm nicht oft, aus dem Hause zu gehen. Sein Va-
ter gab ihm den Rath, er sollte darauf sinnen, b*
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 69
ständig etwas Nützliches zu thun, dann würde ihm
die Zeit nicht mehr lang werden.
Was kann ich denn Nützliches thun? fragte Hein-
rich. Du kannst im Hause deinen Eltern zur Hand ge-
hen, und ihnen durch cheine Dienstfertigkeit manche
Mühe ersparen; du kannst in der Stube aufräumen,
manche Bestellung machen, deiner Mutter Holz,
Wasser, und andere Nothwendigkeiten herbeiholen,
kannst leimen, was entzwei gegangen ist, und au- Holz
allerlei Gerätst schnitzen; du kannst spinnen und stricken,
und im Garten giebt es fast das ganze Jahr hindurch
für dich zu thun, z. B. Unkraut auszngäten, Ungeziefer
zu vertilgen — das alles ist für dich keine zu schwere
Arbeit, und ein viel besserer Zeitvertreib, als immer
spielen, denn davon hat man keinen Nutzen.
Heinrich folgte diesem Rathe, und befand sich recht
wohl dabei.
34- Unvorsichtigkeit.
Henriette wurde von allen, die sie kannten, die un-
vorsichtige Henriette genannt. Gereichte ihr dieser
Name zur Ehre? Wenn ihr das Folgende gelesen habt,
so möget ihr selbst beurtheilen, ob sie diesen Namen
verdiente.
Einst saß sie am Tische, und schrieb nach einer Vor-
schrift, welche ihr der Lehrer mit nach Hause gegeben
hatte. Auf einmal hörte sie eine Kutsche kommen, wel-
che vor dem benachbarten Hause stille hielt. Dabei konn-
te sie unmöglich ruhig bleiben, ihre Neugierde mußte erst
befriedigt seyn. Schnell sprang sie auf, und in der Eil
. warf sie das Tintefaß und den Stuhl um. Die Tinte
lief über den ganzen Tisch hinweg auf den Boden. Wie
rrschrack Henriette, als sie sah, was sie mit ihrer Un-
vorsichtigkeit angerichtet hatte! was sollte sie nun thun,
damit ihre Eltern nichts hiervon merkten? In der Hast
ergriff sie einTuch, um die Tinte wegzuwischen, aber eS
fiel ihr nicht ein, das Tuch zuvor zu besehen, mw sie-
be da, es war ihres Vaters Halstuch, womit sie die
Tinte weggewischt hatte. War sie vorher schon erschro-
cken, so erschrack sie nun noch weit mehr. Aber es war
70 Erzählungen
nun einmal geschehen, und sie konnte nichts besseres
thun, als sich selbst bei ihrer Mutter anklagen. Dieß-
mal kam sie mit einem nachdrücklichen Verweise davon.
Sie nahm sich vor, künftig b e h u t sa m zu seyn; aber
schon am folgenden Tage beging sie eine ähnliche Unvor-
sichtigkeit. Als ihre Mutter das Mittagsessen zuberei-
tete, befahl sie ihr, einen Topf mit Wasser, der auf dem
Ofen stand, auszuschütten, und ihr den Topf zu brin-
gen. Henriette ging, ergriff aber statt des Wassertop-
fes einen Topf mit Fleischbrühe, und schüttete die schöne
Brühe zum Fenster hinaus. Eine wohlgekleidete Frau,
die unter dem Fenster vorbei ging, sahe sich auf einmal
über und über mit Brühe begossen. Ihr ganzes Kleid
war verdorben. Gie kam zu Henriettens Mutter, be-
schwerte sich sehr und verlangte, daß sie ihr das Kleid
bezahlen sollte. Dießmal blieb es nicht bei einem nach-
drücklichen Verweise, sondern Henriette erhielt Strafe.
Was konnte Henriette wohl nicht leugnen? Womit
konnte sie sich entschuldigen? Ernstlicher, als jemals
nahm sie sich vor, vorsichtig und bedächtig zu wer-
den. Aber wie wenig sie ihrem Vorsatze getreu blieb, wird
die Folge zeigen. — Es war ungefähr acht Tage nach-
her, als sie allerlei häusliche Geschäfte zu verrichten
batte, wobei sie sich wenig Zeit nehmen durfte. Indem
sie rasch aus der Küche kn die Stube gehen will, be-
merkt sie die Wanne nicht, welche sie eben erst selbst
hingesetzt, und mit Wasser angefüllt hatte, stolperte dar-
über, stürzt hin, und schlagt sich an einer Tischecke zwei
Zähne aus. Wem hatte sie dieß Unglück zuzuschreiben?
Sie weinte bitterlich über ihre Unbedachtsamkeit
und konnte sich lange nicht zufrieden geben; denn sie war
durch den Verlust ihrer Zähne sehr entstellt. Nun hätte
man denken sollen, daß ein so empfindliches Unglück sie
bessern würde. Wirklich war sie auch in den nächsten
Wochen behutsamer, als jemals; aber ganz gebessert
war sie doch noch nicht, denn ihr Leichtsinn war zu groß.
Dieß zeigte sich eines Tages, als sie ihrer Mutter beim
Plätten der Wäsche half. Eben hatte sie ein glühendes
Eisen in die Plätte gethan, und wollte sie nun auf eine
umgekehrte Schüssel setzen. Ihre Mutter saß an dem-
selben Tische, und hatte ihr kleinstes Kind auf dem
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 71
Schoße. Das Kind spielte am Tische, und hatte eben
sein eines Händchen auf der Schüssel liegen, als die
unvorsichtige Henriette, welche das nicht bemerkte, die
heiße Plätte darauf setzte. Jämmerlich schrie das Kind
. auf, und Henriette verlohr vor Schrecken fast das Be-
wußtseyn. Die ganze Hand war verbrannt, und das
arme Kind mußte die heftigsten Schmerzen ausstehen.
Henriette weinte weniger über die Vorwürfe, und die
Strafe, welche sie erhielt, als über das Unglück, wel-
ches sie angerichtet hatte. Seit dieser Zeit wurde sie
aufmerksamer auf sich selbst, und besonnener, und wenn
sie sich gleich die Unvorsichtigkeit nicht auf einmal ganz
abgewöhnen konnte, so legte sie diesen Fehler doch im-
mer mehr ab, und ward endlich, durch unablässige An-
strengung, ganz frei davon.
35. Die Klätscherinn.
Sophie wäre ein recht gutes Mädchen gewesen,
wenn sie nur nicht einen großen Fehler an sich gehabt
hätte, der ihr sehr viel Verdruß und Schande zuzog,
den Fehler des Klatschen-. Sie konnte nichts für
sich behalten; aves, was sie von andern sah und hörte,
oder erfuhr, mußte sie wieder erzählen; es war ihr
nicht möglich zu schweigen. Mes, was in der Nach-
barschaft vorging, wußte sie; denn beständig saß sie am
Fenster und vor der Thür, und wenn sie dann eine Be-
kannte ansichtig wurde, so hatte sie ihr allemal etwas
von diesem oder jenem Nachbar, oder von ihren Eltern,
Geschwistern und Hausgenossen zu erzählen. Alles,
was in der Schule vorfiel, plauderte sie aus, und wenn
ein Kind Strafe erhalten hatte, so brachte sie es bald
in der halben Stadt herum; denn jedem, der ihr be-
gegnete, erzählte sie eS, und gewöhnlich setzte sie noch
etwas hinzu, so daß in ihrem Munde alles größer und
schlimmer wurde, als es wirklich war. Durch diese
häßliche Neigung zum Klatschen zog sie sich bei ihren
Mitschülerinnen fast allgemeinen Haß zu; denn nur
diejenigen, welche ihr ähnlich waren, hielten es mit
ihr, alle übrigen verachteten sie. Das that ihr freilich
weh, aber sie war doch nicht darauf bedacht, sich die
Plauderhaftigkeit abzugewöhnen.
72 Erzählungen
Als sie erwachsen war, mußte sie bei fremden Leu-
ten in Dienste gehen, denn ihre Eltern waren sehr
arm. Anfangs war man immer sehr wohl mit ihr
zufrieden, denn sie war reinlich, ordentlich und willig;
aber bald machte sie sich durch ihre Klätschereien so
verhaßt, daß man ihr den Dienst aufsagte. So ging
es bei jeder Herrschaft, und endlich war sie in so Übeln
Ruf gekommen, daß sie gar keine Herrschaft mehr fin-
den konnte. Sie mußte also ihre Vaterstadt verlassen,
und da sie es auch an fremden Otten nicht besser mach-
te, so hatte sie überall dasselbe Schicksal, und kam zu-
letzt so herunter, daß sie nur sehr kümmerlich von Ta-
gelöhner, Arbeit sich nähren konnte.
Z6. Cm guter Denkspruch iß ein Freund
in der Noch.
Eines Tages, da viele Kinder in der Schule zu Mild-
heim den aufgegebenen Denkspruch nicht ordentlich aus-
wendig wußten, erzählte der Lehrer folgende lehrreiche
Geschichte, welche sich zu Mildheim zugetragen hatte.
Valentin, ein junger Bauer, der gute Söhn ei-
nes bösen Vaters, hatte noch bei Lebzeiten desselben
den äußerst verschuldeten und vernachlässigten Ackerhof
übernommen, um seiner Mutter ein ruhiges Alter zu
verschaffen. Der arme Valentin hatte aus kindlicher
Liebe eine große Last auf sich geladen. Mit Kummer
erwachte ec am Morgen, mit Sorgen legte er sich
Abends zur Ruhe. Er hatte nicht einmal so viel Geld
um Korn zur Aussaat zu kaufen, oder die Bestellung
seines Ackers zu bezahlen. Zwar hatte ein Nachbar
aus Mitleiden sich erboten, ihm einen Theil feines
Ackers bis zur Besäung zu bestellen; aber wo sollte der
arme Valentin das Geld hernehmen, um Saatkorn zu
kaufen? Er sann hin und her. Zu borgen war ihm be-
denklich, denn wovon sollte er wieder bezahlen, da die
Schuldenlast schon so groß war? Vielleicht, dachteer
endlich, findest du Verrath bei einem Hamster. Er
suchte, und fand glücklich die Vorrathskammec eines
zur Beförderung guter Gesinnungen rr. 73
Hamsters, und in derselben so viel Waizen, wie ec be,
durfte. Noch waren die Körner unversehrt, und zum
Keimen geschickt. Von einer schweren Gorge war nun
doch der arme bekümmerte Valentin frei. Freudig ver-
kündigte er seinen Fund dem Nachbar, der sogleich
bereit war, ihm die Saat unterzueggen. Jetzt begab
ec sich auf seinen Acker, um die Saat auszustreuen.
Ec that es unter Thränen, denn wie traurig war noch
immer seine Lage! „Was wird aus dir, aus deiner al-
ten Mutter, deinen Brüdern und Schwestern werden,
dachte er bei sich selbst, wenn die Saat nicht gedeihen
sollte! Vielleicht wäre es besser, du dientest bei guten
Leuten, als daß du ein Ackecgut besitzest, dessen Schul-
denlast dich zu Boden drückt!" Auf einmal wurde ec
heiter, und faßte Muth, denn ihm fiel ein tröstlicher
Denkspruch ein, den er in den Knabenjahren gelernt
hatte. Dieser Spruch hieß: „die mit Thränen
säen, werden mit Freuden erndten," oder mit
andern Worten: wer mit Sorge und Kummer eine
Unternehmung anfängt, wird Fceudenthränen weinen,
wenn sie gelingt. Valentin fühlte sich getröstet und
gestärkt, indem ec dachte: auch meine Kummer- Thrä-
nen können ja durch Gottes Güte in Freudenthranen
verwandelt werden, wenn die Erndte kommt; ich will
das Beste hoffen, und redlich thun, was ich kann. Täg-
lich dachte er an seinen Trostspruch, und nun wurde
er nicht wieder muthlos. Er hatte wirklich das Glück,
eine sehr reiche Erndte zu machen, und bald half ec
sich wieder so weit, daß er ein Pferd anschaffen konnte.
Damit bearbeitete er den kleinen Acker, welcher noch
unverschuldet war, und im Winter that ec damit Fuh-
reu für Lohn. Das eine Pferd brachte ihm so viel
ein, daß er bald ein zweites, und endlich noch ein
drittes anschaffen, eine Schuld nach der andern be,
zahlen, und sich nach Verlauf einiger Jahre ganz von
Schulden frei machen konnte. Noch lebt der brave
Valentin in einem hohen Alter, und im Wohlstände,
und nie spricht er von feinen ehemaligen traurigen
Schicksal, ohne hinzuzufügen: „die mit Thränen
säen, werden mit Freuden erndten."
74 Erzählungen
37. Verführung.
Stephan, der Sohn eines Tagelöhner-, war so ge-
sund und stack, daß er schon in seinem vierzehnten Iabre
völlig ausgewachsen war. Seine beiden Brüder waren
Maurer, und Stephan wünschte auch, ein Maurer zu
werden. Er wurde daher mit ihnen auf Arbeit geschickt.
Hier war er nun fast unter lauter sinnlosen und ver-
wilderten Menschen, welche beständig fluchten, sich zank-
ten, und, wenn sie einig waren, unzüchtige Lieder sangen.
Dabei tranken sie beständig Brandtewein. Sehr bald
forderten sie den jungen Stephan auf, mit ihnen zu trin-
ken. Dieser weigerte sich, anfangs, weil er schon ein-
mal einen Schluck Branndtewein getrunken hatte, und
davon ganz betäubt worden war. Aber nun spottete«
die Gesellen seiner, und einer sagte zu ihm: Junge,
wenn du ein tüchtiger Maurer werden willst, so mußt du
Branndtewein trinken lernen. (Was meinet thc, hatten
sie Recht?) Durch das viele Zureden wurde Stephan
endlich dahin gebracht, daß er den Branndtewein ver-
suchte; er schmeckte ihm nicht übel, und es dauerte nicht
lange, so trank er so gut seinen Schnaps, wie die Ge-
sellen. (War das gut?) Da Stephan sahe, daß die
Gesellen beständig die Tabackspfeife im Munde hatten,
so glaubte er, dasTabackscauchen gehöre ebenfalls zu
den Eigenschaften eines guten Maurers. Ec schaffte sich
also bald eine Pfeife an. Aber er mußte viel ausste-
hen, ehe er es dahin brachte, mit Fertigkeit zu rauchen.
Oft wurde ihm so übel und weh, daß er den Taback
gar nicht mehr anzurühren beschloß; allein die Necke-
reien seiner Kammeraden brachten ihn immer wieder da-
hin, daß er es aufs neue versuchte, und endlich waren
die Schwierigkeiten überwunden. (War er deswegen
glücklich zu preisen? Nun hielt sich Stephan im Ernste
siür einen ganzen Mann, weil er alles mitmachen konnte,
was die Andern machten. — Aber nach einiger Zeit
schien er nicht mehr recht gesund zu seyn. — Die fri-
sche, rothe Gesichtsfarbe, welche ec sonst gehabt hatte,
vrrlohr sich; er ward blaß und mager, war immer trä-
ge und verdrossen, und batte keine Lust zum Essen, ja er
konnte ft>gar manche Speisen nicht mehr verdauen, die
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 75
Ihm sonst recht gut bekommen waren. Bald that ihm
der Kopf weh, bald hatte er Leibschmerzen, und oft
zitterten ihm Hände und Füße. (Was war wohl die
Ursache, daß Stephan so fthr abnahm, und so schwach
wurde?) Unverständige Leute riechen seinen Eltern, daß
sie ihm doch zuweilen ein wenig Branndtewein geben
möchten. (Warum war dieß kein guter Rath?) Sie
thaten es, weil sie hofften ihn dadur ch zu stärken; aber
sie schwächten ihn nur noch mehr, und Stephan mochte
nicht gestehen, was für eine unordentliche Lebensart er
seit einiger Zeit geführt hatte. (War es ein Wunder,
daß Stephan nie wieder recht gesund wurde?)
Das war noch nicht alles Böse, wozu sich der
leichtsinnige Stephan verführen ließ. An einem Sonn-
tage, als ec nicht wußte, womit er sich die Zeit ver-
treiben sollte, sahe er einige Kammeraden in ein Wirths-
haus gehen, wo Musik gemacht wurde. Da geht eS
lustig zu, dachte Stephan, und ging hinein. Einige
seiner Kammeraden saßen da in einer niedrigen Stube,
deren Wände vom Tabacksdampf ganz schwarz aussa-
hen, an einem langen Tische, und zechten tüchtig.
Von den vielen brennenden Tabackspfeifen war die
Stube so voll Dampf, daß man nicht auf «ijien
Schritt weit um sich sehen konnte. Nachdem man eine
Weile bei einander gesessen hatte, that einerden Vor-
schlag : ob man nicht Karten spielen wollte. Alle wa-
ren es zufrieden, und Stephan wurde auch dazu ein-
geladen; aber er verstand das Spiel nicht. Doch bald
fand sich einer, der sich erbot, es ihm zu lehren, und
ehe der Abend zu Ende ging, hatte es Stephan schon
gelernt. Am nächsten Sonntage fand er sich wieder
ein, und nun sollte er schon um Geld spielen. Ec
hielt es für schimpflich, dieß auszuschlagen, und siehe
da, er batte das Giück, zu gewinnen. Wir wollen
hören, ob das ein so großes Glück war. Stephan be-
kam nun sehr viele Lust zum Spielen, aber er war
nicht immer so glücklich, wie im Anfange: oft verlohr
er die paar Groschen, welche ec sehr nöthig gebrauchte,
um sich Frühstück und Abendbrod zu kaufen, und dann
mußte er hungern. Das gefiel ihm freilich nicht, aber
dennoch konnte er von dem Spielen nicht loskommen;
76 Erzählungen
denn wenn er auch manchmal sich vornahm: heute will
ich gewiß nicht wieder ins Wirthshaus gehen und spie-
len ! so ließ er sich doch immer wieder verführen, wenn
einer seiner Kammecaden kam, und ihm zuredete. Die
Hoffnung, das Verlohrene wieder zu gewinnen, trieb
ibn immer wieder in das Wirthshaus, und an den
Spieltisch; aber wie traurig schlich er dann des Abends
nach Hause, wenn er nun abermals verlohren, oder
doch nichts gewonnen hatte! Einst war ec dadurch in so
große Geldnoth gerathen, daß er sich gar nicht mehr zu
sielfen wußte, und da kam ec auf den schrecklichen Ge-
danken, in einem Hause, wo er arbeitete, zu stehlen.
Ec nahm einen Rock, und einen silbernen Löffel weg,
nickt ohne große Angst und Beklemmung. O, hätte ec
dock lieber gehungert, oder Andere um eine Gabe an-
gesprochen ! Als ec den Löffel verkaufen wollte, ward
er als verdächtig angehalten, sein Diebstahl kam her-
aus, und er mußte lange im Gefängnisse sitzen. Da-
durch kam er vollends herunter, und von dieser Zeit an
wurde er nie wieder recht fröhlick, und gelangte auch
niemals zu einigem Wohlstände. Wie traurig sind
die Folgen der Spiel sucht!
Z8- Der undankbare Schüler.
Änton wurde von seinen Eltern zwar in die Schule
gebracht, aber nickt dazu angehalten, die Schule or-
dentlich zu besuchen! daher kam er oft zu spät, und
manche Tage gar nicht in die Schule. Wenn der Lehrer
dann nach ihm fragte, so hieß es immer; Anton habe
für seine Eltern weggehen müssen, oder er sey krank,
oder auch; er könnte beute nicht kommen, Weiler zu
Hause nothwendig zu thun habe. Damit war der Leh-
rer freilich nicht zufrieden, denn wie war es wohl mög-
lich, daß Anton in Kenntnissen weiter kam, wenn er
die Schule so oft versäumtes Aber was den Lehrer vor-
züglich verdroß, war dieß, daß Anton sich gar nichts
aus dem Unterrichte machte, fick immer treiben ließ,
und keinen Lerneifer zeigte, besonders nachdem er end-
lich so weit gekommen war, daß er ein wenig lesen und
schreiben tonnte; denn dieser Knabe war thöricht ge-
zur Beförderung guter Gesinnungen rc. 77
nug, zu meinen, er thue nur dem Lehrer damit
einen Gefallen, wenn er in der Schule fleißig und
aufmerksam sey. Es fiel ihm gar nicht ein, dieß für
seine Schuldigkeit zu halten. Cr hatte daher die
vier Jahre, in welchen er dis Schule besuchte, schlecht
genug angewandt, und wenig gelernt. Desto mehr
erstaunte der Lehrer, als Anton eines Tages in die
Stube trat, und ihm anzeigte, daß er nun nicht mehr
in die Schule kommen würde. Will dich dein Vater
in eine andere. Schule bringen? fragte der Lehrer.
Nein, antwortete Anton, ich soll nun gar nicht mehr
in die Schule gehen, mein Vater braucht mich zu
Hause. Darüber muß ich mich wundern, erwiederte
der Lehrer, denn du gehst ja erst'seit vier Jahren in
die Schule, und hast in dieser Zeit wenigstens drei-
mal in jeder Woche gefehlt, bist auch nie recht flei-
ßig gewesen. — Mein Vater sagt, ich wüßte nun
genug, und er wäre auch nur bis zum vierzehnten
Jahre in die Schule gegangen, nun müßte er mich
aufs Handwerk thau, damit ich mir bald selbst mein
Brod erwerben könnte. — Aber meinst du denn, sagte
der Lehrer, daß der Meister einen Lehrling annehmen
wird, der weder fertig lesen, noch fertig schreiben
und rechnen kann? Und wie willst du künftig fertig
werden, wenn du nun selbst Meister geworden bist,
und eine Rechnung schreiben, oder etwas ausrechnen
sollst? — Anton wußte hierauf weiter nichts zu ant-
worten, als daß sein Vater gesagt habe, er hatte auch
nicht mehr gekonnt, als er aus der Schule gekommen
wäre. Das war nun freilich wabr, aber Anton-
Vater batte es auch dafür nie weit gebracht; er lebte
von seinem Handwerke sehr kümmerlich, und doch
würde eS ihm reichlich ernährt haben, wenn er in dee
Jugend mehr gelernt hätte. Anton nahm also Ab-
schied von der Schule, das heißt: er kam nicht wie-
der , dankte auch seinen Lehrer nicht für den Unter-
richt, und die Mühe, welche er sich mit ihm gegeben
hatte. Gefällt euch dieses Betragen? Wollet ibr auch
einmal so von der Schule Abschied nehmen, wie diesec
Knabe?
78 Erzählungen
Zg. Falsche Schaam.
Es giebt Menschen, welche sich schämen, wenn sie et-
was Anständiges und Gute- thun sollen, aber sich
nicht schämen, etwas Unanständiges oder Unrechtes zu
thun, ja wohl gar sich rühmen, etwas gethan zu ha-
ben, was unerlaubt und schändlich ist. Solch ein
Mensch war Philipp, der Sobn eines Kaufmannes.
Er schämte sich nicht, auf der Straße ungezogen und
wild zu seyn, zu toben und zu lärmen, und sich mit
seinen Gespielen herum zu balgen; er schämte sich nicht,
diejenigen aufeine höchst gemeine Art zu schimpfen, wel-
che ihm auf irgend eine Weise zu nahe kamen; ja ec
rühmte sich sogar einmal, daß er einen seiner Mitschü-
ler, der ihm nicht aus dem Wege gegangen sey, tüchtig
abgeprügelt, und auf die Erde geworfen habe. Waren
denn dieß wirklich rühmliche Handlungen? Einst war
Philipp gegen seinen Lehrer trotzig und widerspenstig
gewesen. Sein Vater erfuhr eS, denn er hatte sich fei-
nes Trotzes so lange gerühmt, als ob er ganz recht dar-
an gethan hätte, sich seinem Lehrer zu widersetzen. Phi-
lipp sollte nun, auf Befehl seines VaterS, dem Lehrer
Abbitte chun, und Besserung versprechen: aber dazu war
er nicht zu bewegen; er schämte sich, sein Unrecht
wieder gut zu machen, und meinte, daß es doch eine
gar zu große Schande sey, wenn er abbitten sollte! er
wollte sich lieber jeder andern Strafe unterwerfen,
wenn sie auch noch so hart sey. Wie gefällt euch die-
ses Betragen Philipps? Glaubet ihr wohl, daß eS'
„achahmungs würdig sey? Philipp mußte sich freilich
zuletzt zur Abbitte entschließen, aber er that es mit ei-
nem solchen Widerwillen, als ob es eine schändliche
Handlung wäre, das Böse, was man gethan hat, wie-
der gut zu machen. Was würdet ihr gethan haben,
wenn ihr an seiner Stelle gewesen wäret?
Anton, der Bruder dieses Philipps, hatte zwar
eine bessere Gesinnung, aber er schämte sich auch zu-
weilen, wo er sich nicht zu schämen brauchte. Er hatte
r. B. einmal in der Schule eine sehr schöne Erzählung
auswendig lernen müssen; nun sollte er vortreten,
r»nd sie vor seinen Mitschülern hersagen, weil er die
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 79
Geschicklichleit hatte, nicht nur sehr deutlich, sondern
auch in dem rechten Tone zu lesen. Aber er schämte
sich, und wollte anfangs durchaus nicht vortreten, ob
«r gleich sonst seinem Lehrer sehr gehorsam war. Erst
nach vielem Zureden, und als der Lehrer ihm ernstlich
drohete, sagte er seine Erzählung her- aber er that es
mit niedergesenktem Kopfe, und sprach dabei so leise und
undeutlich, daß der Lehrer unmöglich mit ihm zufrieden
seyn konnte. Jetzt, da er seine Sache so schlecht gemacht
hatte, durfte er sich wohl schämen, aber zuvor auch?
40. Der unbesonnene Spaß.
26enn Ferdinand Gespenster-Geschichten hatte er-
zählen hören, so konnte er oft die ganze Nacht nicht
einschlafen, denn er war unglaublich furchtsam, und
ob ihm gleich seine Eltern und Lehrer oft genug gesagt
hatten, daß es thöricht sey, sich vor Gespenstern zu
fürchten, so konnte er doch die Furcht davor nicht un-
terdrücken. Als er zu einem Schlosser'Meister in die
Lehre gekommen war, mußte er mit den beiden Söh-
nen seines Meisters auf einer Boden-Kammer schla-
fen. Diese Knaben hatten es dem treuherzigen Ferdi-
uand bald angemerkt, daß er sich vor Gespenstern
fürchte, und beschlossen, sich einmal mit ihm einen
Spaß zu machen. Der eine gab daher eines Abends
vor, daß er sehr müde wäre, und früh zu Bette gehen
wollte Er hatte aber mit seinem Bruder verabredet,
daß er sich unter Ferdinands Bette legen, und wenn
dieser im Bette wäre, erst mit Ketten rasseln, dann
plötzlich hervorkommen, und in ein weisseS Betttuch
gehüllt an sein Bette treten wolle; der Bruder sollte
die Thür der Gchlafkammer verschließen, damit Fer,
dinand nicht entwischen könne. Was meint ihr zu die-
ser Verabredung? — Alles geschahe, wie es verabre-
det war, und der furchtsame Ferdinand wurde auch
wirklich durch das Rasseln der Ketten unter seinem
Bette getäuscht, daß er in daS größte Schrecken ge-
bieth, und in seinem Bette Angstschweiß schwitzte. Ec
*dief endlich um Hülfe, bekam aber keine Antwort,
»ran stieg seine Angst aufs höchste; er sprang aus dem
8o Erzählungen
Bette, und wollte zur Thür hinaus, als die weiße Ge-
stalt vor ihn trat, und ihn packte. Ohnmächtig stürzte
Ferdinand auf die Erde, und gab keinen Laut von sich.
Endlich merkten die bösen Buben, was sie mit ihrem
unbesonnenen Spaße angerichtet hatten, und wollten
nun den armen Ferdinand aus seinem Irrthum reißen;
aber jetzt war es zu spät. Ferdinand lag leblos da.
Angstvoll riefen sie ihre Eltern herbei, und mit großer
Mühe ward der ohnmächtige Ferdinand wieder ins Le-
ben gebracht; aber er erholte sich so bald nicht wieder,
denn ein hitziges Fieber war die Folge der Angst, wel-
che er ausgestanden hatte. Nun bereueteu die beiden
Knaben ihren Spaß, denn sie hatten sich nicht vorge-
stellt, daß er so übel ablaufen könnte. Der Vater
strafte sie sehr hart dafür, und bemühte sich, Ferdi-
nanden von seiner thörichten Furchtsamkeit nach und
nach zu befreien.
4i. Ehrlich währt am längten.
§eonhard war zwölf Jahr alt, als er das Unglück
harte, daß ihm sein Vater starb. Nun hatte er keinen
Versorger mehr, denn seine Mutter war so kränklich,
daß sie ihn unmöglich mit ihrer Hände Arbeit ernäh-
ren konnte. Leonhard faßte daher den Entschluß,
selbst sein Unterkommen zu suchen, um seiner Mutter
nicht zur Last zu fallen. Kann ich doch fertig lesen^
schreiben und rechnen, dachte er bei sich selbst; wie
sollte ich nicht durch die Welt kommen, wenn ich flei-
ßig und ehrlich bin. Ec nahm von feister Mutter Ab-
schied, und wanderte nach einer nabe gelegenen Stadt,
wo ein Freund seines Vaters wohnte, der ein wohlha-
bender Kaufmann war. Bei diesem meldete sich Leon-
hard, erzählte ihm sein trauriges ^Schicksal, und bat
ihn uw Unterstützung. Gern will ich vom Morgen bis
zum Abend arbeiten, sagte er, wenn sie sich nur mei-
ner annehmen wollen. Herr Schulz (so hieß der
Kaufmann) war bereit, den vaterlosen Knaben in sein
HavS und in seine Diensie zu nehmen, wenn er ver-
spräche, ihm treu und ehrlich zu dienen. Das versprach
reonhard mit so vieler Treuherzigkeit, daß Herr Schulz
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 8 t
Zutrauen zu ibm faßte. Er übertrug ihm nun allerlei
kleine Geschäfte- wobei er Gelegenheit batte, seine Ge-
duld und Sorgfalt kennen zu lernen, und fand Ursache,
mit ihm zufrieden zu seyn. Besonders gefiel ihm di«
Aufrichtigkeit, mit welcher Leonhard oft fick selbst anklag-
te, wenn er etwas nicht recht gemacht, oder vergessen
hatte, und die Lernbegierde, welche er bei jeder Gelegen-,
heit zeigte. Bald hatte der gute Knabe so sehr das Zu-
trauen seines Wohlthäters gewonnen, daß dieser ibm
sogar die Schlüssel zu seiner Stube anvertraute, wenn
er des Abends ausging, und es Basic seinem Glücke
nichts gefehlt, wenn nicht die alte bösartige Haus-
hälterin des Herrn Schulz seine Feindin geworden
wäre; denn diese gab sich alle ersinnliche Mühe, ibn
ünzuschwärzen, und aus dem Hause zu bringen, weil
sie an ihm einen lästigen Auisebec hatte, und nutt
Vicht mehr, wie zuvor, auf Unkosten ihres Herrn, ihre
Klatsch. Schwestern tracticen konnte. Glücklicher
Weise gehörte Herr Schulz nicht zu den argwöhnischen
Menschen, und war also sehr geneigt, den Leonhard
so lange für einen guten Knaben zu hglten, bis er
Gründe hatte, das Gegentheil zu glauben. (Wel-
ches ist das Gegentheil?) Er hielt die Beschuldigun-
gen der alten Haushälterin daher für falsch, beobach-
tete aber aus Vorsicht Leonharden desto sorgfältiger,
und setzte seine Ehrlichkeit zuweilen auf eine schwere
Probe. Da er ibn ab-r nie auf einer Lüge betraf,
so traute er ibn auch keine Bet ügexey zu. Ott schickte
er ihn aus, um etwas einzukaufen, und gab ihm dann
mehr Geld mit, als er brauchte, aber immer brachte
Leonhard das Uebrige treulich wieder, und nicht selten
hatte er wohlfeiler eingekauft, als Herr Schulz gedacht
hatte. — Einst ließ dieser mit Vorsatz ein Goldstück
ln einer leeren Geld, Lute, um zu sehen, ob Leonhqrd
wohl ehrlich genug seyn würde, es nicht zu behalten.
Leonhard fand das Goldstück, als gerade ein Diener
des Herrn Schulz gegenwärtig war. Das ist ein
guter Fund! rief dieser freudig aus, dafür wollen wit
uns einen guten Tag machen, lieber Leonhard, denn
so einfältig wirst du doch wohl nicht seyn, das Gold-
stück dem Herrn wieder zu geben? Allerdings werd«
82 Erzählungen
ich es unserem Herrn wieder bringen, antwortete Leon-
hard, denn ihm gehört es, und nicht uns. Mit gutem
Gewissen können wir eS nicht behalten, und ich mag
mein gutes Gewissen nicht verlieren. Er lieferte eS
auf der Stelle seinem Herrn ab, und dieser war dar-
über so erfreut, daß er es ihm zum Geschenk machte.
Seit dieser Zeit verlor er niemals das Zutrauen fei-
nes Wohlthäters; und da dieser keine Kinder hatte,
so setzte er den ehrlichen und treuen Leonhard zum Er-
ben seines ganzen Vermögens ein.
42. Jugendliche Unbesonnenheit.
Herrmann hatte einen redlichen, aber sehr strengen
Vater, der ihn beständig zur Arbeit anhielt, und ihm
nur selten ein Vergnügen erlaubte, weil er der Meinung
war, daß es jungen Leuten sehr heilsam sey, wenn sie
frühzeitig dazu gewöhnt werden, anhaltend zu arbeiten,
und es sich sauer werden zu lassen, damit sie nicht her-
nach den Muth verlieren, wenn sie die Mühseligkeiten ih-
res Berufs ertragen sollen. Herrmann hatte einige
Schulfreunde, welche nicht so strenge erzogen wurden,
und diese setzten ihm in den Kopf, sein Vater ginge zu
hart mit ihm um, und er habe nicht nöthig, sich das
gefallen zu lassen. Wie kannst du, sagten sie, bei die-
ser Lebensart deines Lebens froh werden, du darfst ja
nicht einmal des Sonntags ausgehen, wohin du
willst! wenn ich wie du wäre, sagte einer unter ihnen,
ich machte es, wie eS schon viele gemacht haben, und
ginge in die weite Welt. So hat mancher sein Glück ge-
macht, und ich habe noch kürzlich von einem Manne ge-
lesen, der auf diese Art in Amerika zu großem Reich-
thum gelangt ist. Du wärest ja ein Narr, wenn du dich
länger quältest! Diese thörichten Zuredungen fanden
endlich bei Herrmann Eingang, und er ging nun wirklich
damit um, seinen guten Eltern zu entlaufen. Da ee
eine ziemlich volle Sparbüchse hatte, so meinte er, es
sey nicht möglich, daß er in Roth gerathen könnte.
Eines Tages machte er sich in aller Frühe mit sei-
nem kleinen Schatze auf den Weg, nicht ohne Herz-
klopfen; denn er fühlte es doch, daß er sich an seinen
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 83
Eltern sehr versündigte. Indeß beruhigte er sich bald
durch die eitle Hoffnung, daß er sein Glück machen,
und dann sehr leicht Vergebung erhalten würde. Ec
wanderte einige Tage nach einander fort, und erschrak
nicht wenig, als er bemerkte, daß seine Baarschaft zu
Ende ging. Nun machte er einige Versuche, bei guten
Leuten unterzukommen,' allein überall wies man ikm ab,
theils weil er nicht sehr ordentlich aussähe, th-ils weil
er noch sehr jung und schwächlich war. Dennoch sstzre
Herrmann seine Wanderschaft fort; denn er schämte
und fürchtete sich nun, zu seinen Eltern zurück zu keh-
ren. Der Hunger zwang ihn endlich, einen Bauer
zu bitten, daß er ihn in seine Dienste nehmen möchte,
und der Bauer war auch bereit dazu; allein Herrmann
sollte nun allerlei schwere Arbeiten thun, und bekam
dabei so schlechtes Essen, daß er es bald nicht mehr aus-
halten konnte. Run kam er zur Besinnung, bereuete
schmerzlich, was er gethan hatte, und beschloß, zu sei-
nen Eltern zurück zu kehren. In einem höchst trauri-
gen Zustande, bleich, abgezehrt und zerlumpt kam ec
in seiner Vaterstadt wieder an, und wartete den Abend
ab, um sich dann im Dunkeln nach dem Hause seiner
Eltern hinzuschleichen. Sein Vater erkannte ihn an-
fangs nicht, und erschrak über-den kläglichen Zustand,
in welchem er ihn vor sich sahe. Kehr ernsthaft, aber
doch gütig empfing er ihn! seine Mutter weinte Freu-
denthränen über ihren verlornen, und nun wieder ge-
fundenen Sohn. Reuevoll gestand er, daß er nicht
mehr werth sey, ihr Sohn zu heißen, und demüthig
unterwarf er sich der verdienten Strafe. Sie bestand
darin, daß er eine Zeit lang nickt an dem Tische seiner
Eltern essen, und in ihrer Gesellschaft seyn durfte, son-
dern in einem entfernten Zimmer des Hause- einsam
seine Zeit zubringen mußte. Herrmann wurde von die-
ser Zeit an ein guter Sohn.
43- Unterschied zwischen Sparsamkeit
und GeiH.
*5« einer kleinen Stadt wurden von der Obrigkeit
einige gutdenkende Bürger von HauS zu Haus um»
8*
84 Erzählungen
her geschickt, um eine Beisteuer für die verarmten Ein-
wohner der Stadt einzusammeln. Sie kamen unter
andern frühmorgens auf den Hof eines wohlhabenden
Bauers. Sie fanden ihm vor dem Stalle und hörten,
als sie sich ihm näherten, wie er es dem Knechte eifrig
verwies, daß er die Stricke, woran die Pferde ge-
spanntgewesen waren, über Nacht im Regen, am Wa-
gen gelassen, und nicht ins Trockene gebracht hatte.
„O weh! der Manu ist genau!" sprach einer zum an-
dern, „hier wird es nicht viel geben!" Wir wollen we-
nigstens versuchen, sagte einer, und sie gingen nä-
her. Der Herr empfing die Fremden sehr freundlich
und indeß er mit ihnen in sein Haus ging, brachten sie
ihr Begehren an. Wie groß war ihre Verwunderung,
als er ihnen sehr bereitwillig ein ansehnliches Geschenk
an Gelde gab, und noch versprach: er wolle alle Jahre
am die Zeit eben so viel geben. Die Bürger konnten in
ihrer dankbaren Rührung sich nicht enthalten, dem wohl-
thätigen Manne zu gestehen, daß seine Mildthätigkeit
ihnen ganz unerwartet sey, indem der Verweis, den er
vorhin dem Knechte wegen einer so unbedeutenden Klei-
nigkeit gegeben hätte, sie auf den Argwohn gebracht
habe, daß er wohl sehr genau seyn müsse.
„Lieben Freunde," war seine Antwort, „eben da-
durch, daß ich das Meinige jederzeit zu Rathe hielt,
„kam ich in den glücklichen Zustand, wohlthätig seyn zu
„können."
Schäme dich nicht der Sparsamkeit, und halte sie
nicht für Grftz, nur des Geitzes mußt du dich schämen.
Weigere dich nicht, wohlthätig zu seyn, indem du die
Wohlthätigkeit fälschlich sür Verschwendung hältst. Aber
sey auch am rechten Orte wohlthätig, und gehe
darum bei deinem Wohlthun mit Vorsicht zu Werke»
* t- -
^ - ^44. -Der
Äater Biedermann hatte vier Kinder; sie hießen:
Karl, Bernhard, Lotte und Hannchen. Eines
Tages sagte er zu ihnen: hört, Kinder, wer von euch
' morgen früh um sechs Uhr aufsteht, ohne daß ich ihn
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 85
wecke, dem will ich ein rechtes Fest machen. Die Kin-
der horchten hoch auf. Was denn für ein Fest? lieber
Vater, fragte Lotte. — Steh du nur zu rechter Zeit
auf, ohne daß ich dich wecke, so wirst du erfahren, was
«S für ein Fest ist, sagte der Vater. — O, ich will ge-
wiß noch vor sechs Uhr aufstehen, ohne daß du mich
weckst, rief Lotte. — Ich auch! ich auch! riefen alle.
Jetzt schlug die Glocke zehn. Nun war es Zeit, zu
Bette zu gehen. Sie sagten alle dem Vater gute Nacht,
und jedes Kind sprach dabei: du sollst sehen, Vater,
daß ich morgen früh um sechs Uhr aus dem Bette seyn
will. Nun legten sie sich zu Bette, und jedes sagte für
sich, ehe es einschlief: halb sechs Uhr! halb sechs Uhr!
Bernhard schrieb sogar mit Kreide über sein Bette: mor-
gen um halb sechs Uhr steht Bernhard auf! — Da sah
man recht, daß der Mensch alles kann, was er recht
ernstlich will. Kaum hatte es am andern Morgen ein
Viertel auf Sechs geschlagen, so waren schon alle Kirn
der munter. Jedes stand ans, zog sich an, und schlich
sich zur Kammer hinaus, denn jedes glaubte das erste
zu seyn. Aber fast zu gleicher Feit kamen sie alle in
der Wohnstube an. Guten Morgen! riefen sie freudig
eines dem andern zu. Nun, sagten sie, wollen wir doch
sehen, was für ein Fest uns der Vater machen wird.
Sie gingen zum Vater. Ei! sprach dieser, wenn
der Vater verspricht, den Kindern ein Fest zu machen,
dann können sie alle früh aufstehen. Nun, ich halte
Wort. Aber erst thut, Kinder, was alle gute Kinder
thun, sobald sie aus dem Bette kommen. — Da kämm-
ten sie sich, wuschen sich die Hände und das Gesicht,
und spülten den Mund mit frischem Wasser aus. Nun
kamen sie wieder zum Vater, «nd Hannchen fragte
ungeduldig: machst du uns nun ein Fest? — Da ist's!
rief der Vater, und warf jedem Kinde eine Kappe über
den Kopf. Vor den Augen, der Nase und dem Mun-
de war 'ein Gitter von Dratb, und der ganze übrige
Kopf war mit einem Tuche bedeckt.
Merkt ihr was? sprach Bernhard zu den andern
Kindern, der Vater schneidet gewiß Honig.
Nichtig! sagte der Vater, gefällt euch dieser Spaß
86 Erzählungen
O ja! o ja! riefen alle, und folgten dem Vater,
der nun auch eine Kappe über den Kopf nahm, und
jedem Kinde etwas zu tragen gab. Bernhard trug
eine Pfanne voll Kohlen, die glühend waren! Karl
ein Büschel Wermutb; von den Mädchen jedes ein
langes Messer; der Vater selbst trug eine Gölte, und
die Mutter folgte mit einem Siebe und-einem Paar
Schüsseln nach.
Jetzt kam der ganze Zug im Garten an, und nun
ging das Fest recht an. Der Vater machte das Haus
auf, indem die Bienen waren, und trug jeden Stock
von seinem Platze weg; dann nahm er ein Büschel
Wecmuth, das er auf die Kohlen gelegt hatte, und
ließ den Rauch davon in den Stock ziehen. Da zo-
gen sich die Bienen zurück, und der Vater schnitt nun
erst Wachs heraus, welches er in das Sieb legte,
dann auch große Stücke Honig. Das war eine Freu-
de! Nun trug man den Honig in die Stube; die
Kinder folgten, und die Mutter holte Semmeln,
auf welche sie Honig für die Kinder streichen wollte.
Auch der Vater ging fort, und sagte: Kinder! nun
macke ich ench noch ein Fest, ich lasse für euch Honig
auf Semmeln streichen; aber nasche mir niemand!
Kein Kind naschte, außer — Hannchen. Diese war
lüstern, schlich sich an den Tisch, nahm ein Stück Ho-
nig aus der Schüssel, und steckte es in den Mund.
Auf einmal schrie sie aber so schrecklich auf, daß eS
durch das ganze Haus schallte. Die Bruder und die
Schwestern traten ängstlich um sie, und fragten: was
fehlt dir, Hannchen? Vater und Mutter liefen herbei,
und fragten: was fehlt dir? Aber Hannchen hielt den
Mund auf und schrie, als wenn sie am Spieße stäke.
Die Mutter sahe in den Mund, und siehe da! ein Bien-
chen saß ihr auf der Zunge, welches im Honig gewe-
sen war, und mit dem Stachel an Haunchens Zange
hing. Die Mutter nahm zwar die Biene weg, aber
die Zunge schwoll so stark auf, daß Hannchen der:
gam-n Tag keinen Bissen essen konnte.
Di' übrigen Kinder aßen ihre Semmeln mit Honig.
Sie schmeckten ihnen sehr gut, und Karl sprach: das Fest,
welches uns der Vater gemacht hat, gefällt mir.
zur Beförderung guter Gesinnungen rc. 87
Lotte sah durch das Fenster, und sah Minchen,
des Nachbars Tochter, gehn.
Das arme Minchen! sprach sie; ihr Vater hat keine
Bienen, und kann ihr keinen Honig auf Semmeln strei-
chen. Liebe Mutter! willst du Nachbars Minchen nicht
auch ein Paar Semmeln mit Honig gebend
Recht gern, mein Kind, sprach die Mutter, gab ihr
die Semmeln mit Honig, und Lotte trug sie zu Min-
chen. Was für eine Freude das Mädchen hatte! Wie
sie Lottchen dankte! Und nun schmeckte Lottchen ihr Ho-
nig noch einmal so gut.
45. Der Fischteich.
Herr Herbst hatte einen Teich, in welchem viele Kar-
pfen und Schleien waren. Wenn ec nun seinen Kin-
dern eine Freude machen wollte, so ging er mit ihnen an
den Teich; jedes nahm ein Stück schwarzes Brod mit,
und dann brachen sie davon, warfen es in das Wasser,
und die Fische schnappten es weg. Da saßen sie nun
oft eine Stunde lang, und sahen zu, wie die Fische auf-
und abschwammen; die Käfer, die im Wasser leben,
hin und her fuhren; hier und da ein Frosch den Kopf
ans dem Wasser steckte, und — husch! — wieder hin-
unter war, wenn ihm ein Kind zu nahe kam.
Da wünschten die Kinder nun oft: Wenn ick nur
einmal so ein Thier fangen, und in der Nähe sehen könn-
te ! Herbst ließ es aber nie zu, daß ein Kind darnach
greifen durfte. War dieß wohl recht? Ich glaube
wohl. Ein Kind ist kein Frosch und kein Fisch, die
im Wasser leben. Wenn eins von ihnen in das Wasser
fiele, so wäre eS aus mit ihm.
Einmal sprach auch Herr Herbst: wollen wir nach
dem Teiche gehn? Ja! ja! riefen alle, und zogen
fröhlich mit ihm fort. Bernhard sprang voraus,
und kam zuerst bei dem Teiche an. Kaum war er
da, so drehete er sich um, und rief den andern Kin-
dern zu: Karl! Hanne! Lotte! der Vater macht
einen Spaß! kommt geschwind herbei! Da lief alles,
was laufen konnte. Tausend! was war da! Das
Wasser war aus dem Teiche abgelassen, und auf dem
88 Erzählungen
Boden wimmelte es von großen und kleinen Thieren.
Hier zappelteein großer Karpfe, dort ein Paar Schleien,
die sich in dem Schlamme einzuwühlen suchten; Schmer-
len, Krebse, Frösche, Käfer, Larven u. s. w. bedeckten
den Boden des Teichs. Kurz, der ganze Schlamm
lebte.
Da hätte man die Freude der Kinder sehen sollen!
Eins rief: Vater! sieh den schrecklich grossen Frosch!
Ern andres: Lotte!'Lotte! komm geschwind her, und
sieh den Krebs! Hannchen rief: 0, wer holt mir den
Käfer! S«eh, Bernhard! dort nicht weit von dem Kar-
pfen! ec bat einen gelben Saum um die Flügel!
Endlich fing Bernhard an, und sagte: ach , lieber
Vater, wenn du uns eine rechte Lust machen willst, so
laß uns in den Teich gehn; und alle stimmten bei: lie,
der Vater! thue es doch! da wollen wir Fische, Krebse
und Frösche fangen. Das soll eine rechte Lust seyn?
Nun so geht denn hinein! sprach der Vater; zie-
het aber erst Schuhe und Strümpfe aus, leget die
obern Kleider ab, in denen die Arme stecken, und
streift die Aermel auf, damit ihr die Kleider nicht zu
schmutzig machet. Dort stehen die Körbe, in welche
die Fische kommen sollen, hier ist ein Korb für die Kreb,
se, und da einige Töpfe, in welche ihr Frösche, Lar-
ven, und was sonst noch im Schlamme lebt, werfen
könnt. Was für eine Freude war dieß! Hundert und
mehr mal zogen sonst die Kinder Schuh und Strüm-
pfe aus, wenn sie ins Bette gingen«; so schnell wur-
den sie aber nie fertig, als dießmal. Kaum hatte es
der Vater gesagt, so war auch schon alles fertig, und
sprang in den Teich. Das war eine Lust! so oft ein
Kind einen Fisch, Frosch, Krebs oder eine Larve fing,
jauchzte es, und machte seinen Fang den übrigen
kund. ' ,
Zwei Stunden lang erlaubte ihnen der Vater
diese Lust; dann klatschte er in die Hände, und be-
fahl, daß sie nun aus dem Teiche kommen sollten.
So schnell ging es aber nicht heraus, als hinein;
jedes hatte noch etwas zu sangen. Eins ries: nur
den Krebs noch! das andere: nur den Schmer! noch,
lieber, guter Vater! Aberder Vater sagte: eins!
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 8$
zwei! drei! und dieß war da- Zeichen, daß die Kinder
folgen mußten. Sie sprangen also heraus. Aber wie sa,
hen sie aus! über und über waren sie mit Schlamm be-
deckt, und man konnte sie weiter riechen als sehen.
Dieß hatte die Mutter voraus gesehen, deswegen
hatte sie andere Wäsche und Kleidung bolen lassen.
Der Vater führte sie nun alle zu einem Bache, wo
sie ihre Füße, Hände, Arme und Gesicht waschen muß.
ten. Dann nahm jedes Kind seine Wäsche und Klei-
dung , ging in einen Pusch, und zog sie an. Jetzt wa-
ren sie alle fertig.
Nun Kinder! sprach der Vater, ihr fingt heute
viele Thiere, haben sie euch Schaden gethan?
Nein! sagten alle.
Vater. Glaubt ihr denn, daß ihnen in diesen
Körben und Töpfen wohl ist?
Bernhard. Das glaube ich nicht.
Vater. Nun, so ist es auch nicht recht, daß wir sie
lange leiden lassen. Christoph! (so hieß der Fischer,
der das Wasser aus dem Teiche ließ) bringt mir alle die
Thiere her, welche die Kinder fingen, daß ich über sie
Gericht halte. Ihr, meine Kinder, Bernhard, Karl,
Lotte und Hanne, und du, gute Frausetzt euch alle um
mich, und gebt Achtung, ob ich recht richte! Bernhard!
wenn ist es mir erlaubt, ein Thier zu tödten?
Bernhard. Wenn eS dir schadet.
Vater. Da darf ich also die Kuh nicht tödten
lassen; denn diese schadet mir ja nicht.
Bernhard. Ja, die müssen wir tödten lassen,
damit wir ihr Fleisch essen können.
Vater. Also darf ich ein Thier tödten, wenn eS
mir schadet, oder wenn ich sein Fleisch essen kann.
Aber warum tobtet man denn den Wallfisch? Der
schadet ja nicht, und man ißt ihn auch nicht.
Bernhard. Dieß ist wohl wahr; aber man nutzt
doch sein Fett.
Lotte. Und das Fischbein.
Vater. Also haben wir zwei Fälle, in denen
es recht ist, Thiere zu tödten: wenn sie uns im Le-
ben schaden, oder wenn sie uns nützen, wenn sie todt
sind. Nun laßt unS diese Thiere alle vor Gericht
9v Erzählungen
bringen, und sehen, ob wir ein Recht haben, sie zu
tödten. Hier stehen erstlich zwet Körbe voll Karpfen.
Haben sie uns Schaden gethan?
Alle. Rem!
Vater. Rützt es uns, wenn wir sie tödten?
Bernhard. Ich denke: ja! Wir können sie essen,
und ihr Fleisch schmeckt gut.
Vater. So ist es ja wohl auch mit den Schleien,
den Schmerlen und den Krebsen? Mögt ihr sie wohl
essen?
Lotte. Versuch es nur, Mutter, und siede wel-
che; du sollst sehn, daß sie uns recht gut schmecken
werden.
Vater. Run, so sollen sie alle sterben! Werl wir
sie aber doch nicht alle auf einmal essen können, so sorgt
dafür, Christoph, daß sie in den Kasten, den ich für
die Fische und Krebse habe, gethan werden. Die Mut-
ter wird schon darauf sehen, daß sie nicht Roth leiden,
und täglich ihr Futter haben. Run kömmt die Reihe
an die Herren Frösche. Haben sie uns Schaden ge-
than?
Alle. Rein! Rein!
Vater. Nützt es uns, wenn wir sie tödten? Soll
sie euch die Mutter vielleicht braten?
Hannchen. Fi! ich mag keinen Frosch essen.
Willst du? Lotte?
Lotte. Ich will andern die Frösche lassen. Ich
lobe mir dafür die Krebse.
Vater. Run, so mögen denn die Frösche leben!
Eben so sprach man auch die Larven und die Käfer
frei vom Tode. Herr Herbst nahm dann von jeder Art
dieser Thiere eins, zeigte es den Kindern, und sagte
ihnen, wie es lebe, sich nähre, und was es nütze.
Da dieß vorbei war, sprach der Vater: Nun Kin-
der, weil uns denn alle diese Thiere durch ihr Leben
rricht schaden, und durch ihren Tod nicht nützen; so gebt
ihnen die Freiheit!
Ja! ja! riefen alle, das wollen wir thun!
Nun ging eS wieder nach dem Teiche zu, und alle
Töpfe, in welchen diese Thiere waren, trugen sie,da-
Hin und leerten sie aus. Das war ein Spaß über
zur Beförderung guter Gesinnungen rc. 91
alle Späße! Die Kinder freueten sich alle, da sie diese
Thiere im Teiche herumkriechen und Hüpfen sahen.
Jetzt sollte der Zug nach Hause gehen. Che der
Vater aber fortging, fragte er den Bernhard: haben
wir diese Thiere wohl in den Teich gethan, daß sie ster-
ben, oder daß sie leben sollen?
Daß sie leben sollen! war Bernhards Antwort.
Nun, sagte der Vater, so müssen wir auch dafür sor-
gen, daß sie leben können. Er ließ darauf das Loch
zustopfen, durch welches das Wasser abfloß, und bald
fing das Wasser im Teiche wieder an zu steigen, und
alle diese Thiere waren in dem Wasser lustig.
Nun ging es nach Hause. Die Mutter, die vor-
aus war, batte eine gute Mahlzeit, unter andern auch
eine Schüssel voll Krebse gekocht. Diese schmeckten
den Kindern herrlich, weil sie sich zuvor ein paar Stun-
den in freier Luft bewegt hatten.
Da sie satt waren, sagten sie alle: wir danken
dir, Vater; du hast uns heute ein rechtes Fest ge-
macht!
46. Die Naupenfeinde.
Äer Amtmann Müller hatte einen guten alten Gärt-
ner, der es sich herzlich sauer werden ließ, den Gar-
ten seines Herrn immer im besten Stande zu erhal-
ten. Aber er konnte eben darum auch sehr verdrieß-
lich werden, wenn alle seine Mühe zuweilen nichts
half. Eines Tages — es war im Frühjahr — be-
gegnete ihm sein Herr im Garten. Wie gehts? fragte
der Amtmann. — Ach, es geht leider sehr schlecht,
lieber Herr! antwortete der Gärtner mit einem sehr
verdrießlichen Gesicht: ich habe nun alle Tage so flei-
ßig die Raupen abgelesen, und die Ranpennester ver-
tilgt; und da sind doch fast in allen Blüthen wieder
Raupen! Wenn ich nur wüßte, wie ick die häßlichen
Thiere alle auf einmal vertilgen könnte!
Der Herr. Lieber Mann, sey er nicht verzagt!
Murre er nicht!
Der Gärtner. Wenn ich nur wüßte, wo sie
Zr Erzählungen
herkämen, und wie ich ihnen beikommen könnte! An
meinem Fleiße sollte es nicht liegen.
Der Herr. Der Fleiß verhütet manchen Scha-
den, aber allein kann des Menschen Fleiß es auch nicht
thun. Der liebe Gott richtet doch das allermeiste zu
unserm Besten ein. Er kennt nicht einmal alle seine
Blüthen feind», lieber Freund. Ich will ihm einige
beschreiben, aber nicht um ihn muthlos zu machen.
Kennt ec denn die Frostschmetterlinge? Die-
se legen im November und December, mitten im
Schnee, ihre Eier an die Stämme der Bäume, be-
sonders zwischen die Gabeln der Zweige, wenn der
Gärtner ruhig in seiner warmen Stube sitzt, und an
keine Raupen denkt. Die Raupen, welche aus diesen
Eiern entstehen, sind gefährliche Blüthenfeinde. Man
nennt sie Spannräupchen, weil sie sich zusammenspan-
nen, einen Buckel machen, und dann fortschreiten.
Theer, mit Werch um die Stamme gebunden, ist das
beste Mittel, sie zu fangen.
Der Gärtner. Das sollte man doch nicht den,
ken, mitten im Schnee Schmetterlinge! Wie können
sie denn die Kälte aushalten?
Der Herr. Sie halten sie aus. Die schnell-
füßigen Raupen, die so geschwind laufen können,
und die man Ha äsen nennt/ schaden auch den Blü-
then sehr. Nicht minder die Ringel - und Renn-
räupchen, wenn sie noch klein sind.
Der Gärtner. Ja! das weiß ich. Aber Ein
Gast thut mir den meisten Schaden; ein grauer R ü s-
se l k ä fe r. Wissen Sie dagegen kein Mittel?
Der Herr. Lieber Mann! das ist uns Mensche»
nicht möglich, alle diese kleinen Feinde zu vertilgen.
Die Natur hat ihre gewissen Rechte, die wir ihr las-
sen müssen, und wobei unser Verstand und unsere
Kräfte stille stehen. Der Herr und Erhalter der Na-
tur hat gewisse Einrichtungen gemacht, wobei wir un-
sere Ohnmacht erkennen, und seine Weisheit bewun-
dern müssen. Wir gehen, so weit wir kommen kön-
nen, und dann haben wir unsere Pflicht gethan. Für
das Uebrige, was wir nicht können, hat denn der
liebe Gott schon besser gesorgt, als wir denken. Wenn
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 93
wir selbst alle Raupen vertilgen sollten, was wollten
wir doch wohl anfangen?
Die Eier der G tamm rau pensch metterlin ge,
in ihrem Pelzwerk, können wir zur Roth wohl vermin-
dern , denn fie fitzen uns vor den Augen. Wir können
sie bei Tausenden zerstören. Bei den Ringelrau-
pen geht das schon nicht an.
Der Gärtner. Ich habe in meinem Leben schon
viel gewacht; aber die Ringeleier sitzen gar zu hoch,
und an den dünnsten Reisern; wer mag da hinauf!
Der Herr. Sieht er wohl? Fu denen können
wir schon nicht kommen, wie wir wünschen.
Allein nun will ich ihm etwa- sagen, was ihm recht
freuen wird. Eine fast unsichtbare kleine Fliegr vertritt
unsere Stelle. Diese wird nach Gottes weiser Einrich-
tung unser Freund, und ein geschworner Feind
dieser Rau.pen.
Sie bohrt durch den festen Kitt durch, womit diese
Eierchen verleimt sind, und legt in jedes Ci ihr eige-
nes Eichen. Klein genug! Wenn dann dir kleine Flie-
genmade auskommt, so frißt sie das auf, woraus die
kleine Raupe geworden wäre. Also können dann aus
diesen Eiern keine Raupen entstehen. Sie sind von klei-
neren Feinden zerstört. Er braucht also nicht in die
höchsten Gipfel der Baume zu steigen, und wegen der
Ringelraupen sein Leben zu wagen. Dafür schickt Gott
eine kleine Fliege hin, die sie zerstört.
Der Gärtner^ Run, das ist doch wunderbar!
Wer hier nicht Gottes Fürsorge siehet, der siehet sie
nimmermehr! Ich fühle jetzt noch einmal so viel Ver-
trauen zu dem lieben Gott.
Der Herr. Eben so ist eS mit dem Rüsselkä-
fern, deren Larven die Blüthen ausfressen. Da diese
gemeiniglich des Nachts ihre kleinen Eier daran le-
gen? Wie wollten wir sie wobt abhalten? Wer weiß
aber, was diese wieder für Feinde haben, die uns
noch unbekannt sind? Zu der Natur ereignen sich sonst
noch andere Umstände, die den Blüthen rau-
pen günstig find, und die wie schlechterdings nicht in
unserer Gewalt haben. Ist in der Blüthzeit zu trock-
ne-, über auch zu kaltes und regnichtes Wetter, das
94 Erzählungen
acht bis vierzehn Tage anhält, so wird des Aufge-
hen der Blüthknospen gehindert. Dann haben die
kleinen Blüthraupen Zeit, sich einzunisten. Wachsen
aber die Blüthknospen schnell fort, so kommen die
Blüthen den Raupen zuvor, und sie müssen davon blei-
ben. Wer kann das nun einrichten, und nach seinem
Gefallen machen? Kein König kann mit seiner ganzen
Macht auch nur Eine Blüthcaupe abhalten.
Der Gärtner. Darin haben Tie wohl Recht,
und ich freue mich, daß ich Gottes weise Einrichtung
in der Natur immer mehr kennen lerne, je mehr ich
darauf Achtung gebe.
Der Herr. Thue er das Seinige, was einem
fleißigen Gärtner zukommt. Für das Uebctge lasse er
Gott sorgen. Ist es nicht durch seine Schuld geschehen,
so sey er ganz ruhig, wenn er auch Schaden leidet.
Hat er doch auf der andern Seite wieder Vortheil, wenn
andere Sachen besser gerathen, als sonst. Der liebe
Gott hat allezeit seine Absichten, wenn er in einem Jah-
re mehr Raupen entstehen läßt, als im andern. Man
gönne ihnen, was Gott ihnen zutheilt. Er weiß ihnen
doch zu rechter Zeit wieder Einhalt zu thun.
D e r G ä r t n e r. Sie find mein Mann. Ich kann
es gar nicht ausstehen, wenn die Leute so wider Gott
murren, wenn einmal mehr Raupen, oder Feldmäuse
' da find, als sonst.
Der Herr. Gemeiniglich murren auch nur die
Faulen, die sich um nichts bekümmern, und keine
* Hand anlegen, ein Raupennest wegzuschaffen.
Der Gärtner. Roch weniger kann ich es lei-
den, wenn die Leute sagen: das ist einmal wieder ei-
ne rechte Strafe Gottes.
Der Herr. O! das ist sehr schlecht, von Gott so
zu denken, der nichts zum Verderben der Men-
schen thut. Freilich ist es für schlechte Wirthe Stra-
fe genug, wenn sie sich aus Faulheit ihr schönes Obst,
das ihnen Gott schenken wollte, von den Raupen ver-
derben lassen. Aber sie strafen sich selbst. Und da
gellt es dann ganz natürlich zu, daß sich öfters der
fleißigere Nachbar seinen Garten muß mit abfressen
lasten, weil der andere zu nachlässig war, und nicht
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 95
zu rechter Zeit abraupen ließ. Wir wollen das Un-
srige thun, lieber Freund, und dann den großen
Hausvater regieren lassen. Der weiß mehr Mittel ge-
gen die Raupen, als wir. Der hat schon gesorgt,
wie weit sie kommen sollen, und hat ihnen mehr Feinde
zugeordnet, als wir kennen.
Der Gärtner. O! sagen Sie doch, wie es da-
mit ist. Das höre ich gar zu gern.
Der Herr. Da giebt es so viele Vögel, Käfer
und andere Insekten, die den gefährlichsten Raupen,
den Blüth raup en, gleich auf dem Fuße nachgehen,
und sie fcmn wegholen, wo wir nicht einmal hinkom-
men können. Ich will ihm jetzt eine ganze Armee vor-
führen, welche wider die Raupen zu Felde geht. Die
liebe Nachtigall thut gewiß das Ihrige redlich. Wie
manches Räupchen und Würmchen holt sie weg, und
wird eben durch diese kockspeise von den undankbaren
Menschen gefangen.
Die Fliegenschnevper, Rothschwänzchen, Rotkehl-
chen, ^Bachstelzen, Finken, Spechte, Baumläufer, Fle-
dermäuse—selbst unsere Sperlinge, die wir ja nicht
ausrotten dürfen — das alles sind eifrige Raupenfeinde.
Besonders holen die letzter« die Blüthraupen her-
aus, wenn wir denken, daß sie Knospen abbrechen.
Der Gärtner. Ist's möglich? Ach, so habe ich
den guten Sperlingen schon oft unrecht gethan; denn
wenn ich sie sehe, so hole ich gleich die Flinte.
Der Herr. So thut uns manches Thierchen eine
Wohlthat, die wir als Schaden ansehen. Die Mei-
sen, Zaunkönige und Goldhähnchen wissen die
verborgensten Schmetterlinge, die wir nimmermehr fin-
den würden, aufzuspüren, und picken sie sorgfältig aus.
Außerdem giebt es noch so viel große Baumwanzen
und Ecdkäfer, welche eben dieß thun. Besonders wü-
then die großen goldgrünen Käfer unter den Raupen;
dergleichen die Wespen, die Schlupwespen, welche ihre
Eier in die lebendigen Raupen legen, da dann die klei-
nen Maden, welche daraus entstehen, die ganze Raupe
inwendig ausfressen» Auch die Ameisen gehören zu den
Feinden der Raupen; sie würgen unter ihnen, wie die
Wölfe unter den Schaafen. Was würden wir schwache
§6 Erzählungen
Menschen gegen das zahllose Heer der Raupen aus-
richten, wenn diese Raupenfeinde unS nicht so sehr
unterstützten.
Der Gärtner. Gott sey dafür gedankt; er hak
alles wohl gemacht.
Der Herr. Ich denke immer so von dieser Sa-
che. Wenn sich einmal, aller menschlichen Vorsicht un-
geachtet, in einem Jahre die Raupen ungewöhnlich ver-
mehren so werden sich ohne Zweifel, nach der Ordnung,
welche Gott in der Natur festgesetzt hat, auch diejeni-
gen Geschöpfe stark vermehrt haben, die sich von den
Raupen nähren. Und dieser Gedanke bestätigt sich auch
durch die Erfahrung; denn man har bemerkt, daß wenn
sich irgendwo die schädliche Grasraupe sehr vermehrt,
sogleich große Schaaren von Saatkrähen sich dahin
ziehen, und sie vertilgen. Und welch' eine weise, wohl-
ehätige Einrichtung ist das! Ist es also nicht Sünde,
über Gottes Ordnung zu klagen?
47. Mit Schießgewehren soll man nicht
spielen.
Auf einem «blichen Gute bei Joachimsthal, in bet
Uckermark, ereignete sich vör wenig Jahren folgender
Unglücksfall. Der Jäger des Edelmannes ging eine-
Tages auf die Jagd, und da er kein Wild antraf, so
hing er das mit einer Kugel geladene Gewehr, als ec
nach Hause gekommen war, in seiner Stube neben ei-
ner ungeladenen Flinte auf. Ein junger Bursche von
iZ Jahren, der mit dem Jäger auf einer Stube wohnte,
kam bald nachher, um Stiefel zu putzen. Dieser Bur-
sche hatte von jeher Lust bezeigt, ein Jäger zu werden,
und spielte daher gar zu gern mit Flinten, wo er nur
ihrer habhaft werden konnte, so oft man ihn auch schon
durch Drohungen und Schläge davon abzubringen ver-
sucht hatte. Auch dießmal konnte ers nicht lassen, ei-
ne Flinte von der Wand zu nehmen den Hahn aufzu-
spannen, und den Abzug aufzudrücken und unglückli-
cher Weile fällt ihm die geladene Flinte in die Hände.
Ehe §r sich's versieht, geht die Flinte, weil er unvor-
sich-
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 9-
sichtig am Halm gedrückt hatte, los, die Kugel fähre
durch das Fenster nach dem Hofe, und ein Kinder-
mädchen sinkt, von der Kugel getroffen, zur Erde, er-
hebt sich zwar bald wieder, und wankt noch einige
Schritte ächzend fort, muß aber doch wieder hinsin-
ken, während ein Kutscher, der in der Nähe ist, ihr
zu Hülfe eilt. Sie wird sogleich ins Bette gebracht,
und ein reitender Bote nach der Stadt geschickt, um
einen Arzt zu holen; allein sie stirbt nach einer halben
Stunde ohne Hülfe. Der Bursche hatte sich, von
seinem bösen Gewissen geänstigt, aus dem Fenster in
den Garten hinabgestürzt, und war entkommen; allein
schon am folgenden Tage ward entdeckt, und mußte
nun, zur Strafe für seine Unbesonnenheit, durch die
er zum Mörder geworden war, lange im Gefängnisse
sitzen. Sein Herz wurde nie wieder ganz ruhig; denn
er konnte den Gedanken an diese That lebenslang nicht
aus seiner Seele tilgen. 1
48- Eine gute Handlung aus schlechten Be-
Wegungsgründen.
EFm Lohnkutscher traf auf einer sehr schlechten Land-
Straße einen Fcachtfuhrmann, dessen Wagen im Mo-
rast versunken war, und der ihn dringend um Bei-
stand bat. Der Lohnkurscher warf ihm einige drohen-
de Blicke zu, spannte aber, ohne ein Wort zu sagen,
seine Pferde vor den versunkenen Wagen, und so wur-
de er glücklich wieder herausgezogen. Auf alle Dank-
sagungen antwortete ec nur durch finstere Blicke, und
als ihm der Fuhrmann Geld anbot, sprach er in ei-
nem zornigen Tone: ich mag's nicht! Em Reisender,
welcher dazu kam, fragte den Lohnkutscher: wie er bei
seiner Hülfsleistung so unfreundlich seyn könnte? Eine
Weile blieb ec ihm die Antwort schuldig! endlich sagte
der Fuhrmann, dem ich jetzt helfen mußte, begeg-
nete mir neulich an einer Stelle, wo ich ihm augen-
scheinlich nicht auszuweichen im Stande war, ohne
Gefahr zu laufen, meinen Wagen zu zerbrechen, und
tvo er mit seinem leeren Wagen sehr leicht auswei-
-8 Erzählungen
chen konnte. Dennoch nöthigte er mich aus dem Wege
zu fahren, indem er auf den Beistand seiner Gefährten
trotzte. Hätte ich ihn heute, da er allein war, nicht
in großer Noth angetroffen, er hätte es ausbaden sol-
len ! Aber vielleicht wäre den ganzen Lag kein Fuhr-
mann die Straße gekommen, der ihm hätte helfen kön-
nen, und das unschuldige Vieh jammerte mich! —
Wie gefällt euch die Denkungsart des Kutschers?
98. Traurige Folgen der Wildheit.
8erdinand, der Sohn einer armen Wittwe, war
von seiner frühesten Kindheit an, ein wilder ungehor-
samer und leichtsinniger Knabe. Sein Vater hatte ihn"
strenge gehalten, starb aber, als er erst 5 Jahr alt
rvar, und die Mutter war zu weichherzig, als daß sie
sich hätte entschließen können, den wilden Ferdinand zu
züchtigen, wenn er ungehorsam gewesen war; sie woll-
te ihn so gern bloß durch liebreiche Ermahnungen und
Warnungen ziehen. Aber darauf achtete der Wildfang
nicht. Oft bat sie ihn sehr rührend, er möchte doch nicht
mehr so gefährliche Sprünge machen, und sein Leben
nicht durch Klettern in Gefahr setzen; aber kaum war er
ihr aus den Augen, so sprang und kletterte er, wie zuvor,
und oft kam er dann so erhitzt nach Hause, daß die gute
Mutter über ihn erschrak. So viel sie ihn auch warnte,
daß er doch ja nicht kaltes Wasser trinken möchte, wenn
er erhitzt wäre, so ließ sich der Knabe doch nicht abhal-
ten, seinen Durst auch dann zu befriedigen, wenn er
von Schweiß triefte. Aber was geschahe? An einem
schwülen Tage kam ec, äußerst erhitzt, nach Hause, und
klagte über Seitenschmerz und Uebelkeit. Die geäng-
stete Mutter versuchte vergebens, ihm Linderung zu ver-
schaffen , und da seine Klagen immer stärker wurden,
so holte sie endlich einen Arzt herbei. Als dieser Fer-
dinanden genauer befragt, und seinen Körper untersucht
batte, fand es sich, daß er sich durch heftiges Sprit»
gen einen gefährlichen Bruch zugezogen hatte. Ihr
könnt denken, lieben Kinder, welch einen Schreck die
arme Mutter hierüber hatte, und sie würde außerdem
«och durch die Unkosten gelitten haben, welche ihr diese
zur Beförderung guter Gesinnungen re. §S
Krankheit ihres wilden Sohnes verursachte, wenn
nicht der menschenfreundliche Wundarzt dem Knaben
ein Bruchband geschenkt hätte. Doch dieß war nicht
einmal das einzige und größte Unglück, welches sich
Ferdinand durch seine Wildheit zugezogen hatte, denn
bald zeigte eS sich, daß er auch an der Brust Schaden
gelitten hatte, und also ein elender schwächlicher Mensch
bleiben würde. Ec hätte die Stütze seiner guten Mut-
ter im Alter seyn können, nun aber wurde er die Ur-
sache, daß ihr Alter kummervoll und traurig war«.
Sagt, was wolltet ihr zu eurer Warnung aus dieser
Geschichte lernen? Vor welchen Belustigungen wollet
ihr euch sorgfältig hüten? Was wollet ihr gern an-
nehmen und befolgen? Und wie mit euren Kräften
haushalten? Warum wollet ihr dieß thun, und den
wilden Ferdinand nicht ähnlich werden?
So» Das Naupennesi.
Henriette machte eines Abends mit ihrer Mutter
einen Spaziergang übers Feld. Sie war von ihr da-
zu gewöhnt, alles mit Aufmerksamkeit zu betrachten,
waö um sie ber war. Dieß that sie auch jetzt. Auf
einmal blieb sie stehen, und rief: Mutter! Mutter!
komm geschwind ber, und sieh, was da ist! Die Mut-
ter kam, und sieh! da war ein Nesseldusch, der ganz
mit Raupen bedeckt, war: lauter häßliche, schwarze
Thiere mit stachlichten Rücken, und grünen Streifen,
zwischen den Stacheln. — S"Ü ich die Raupen todt
treten? fragte Henriette. — Nein, sagte die Mutter;
denn wie d- sichst, so nähren sie sich von Nesseln, und
sind also nicht schädlich. Wenn sie aber an einem
Kirschbaume, oder auf einer andern nützlichen Pflanze
säßen, dann dürstest da sie, als schädliche Thiere, todt
treten. Höre, wie du dir mit diesen Tbiecchen eine recht
große Freude machen kannst. Nimm sie mit nach
Hause, und füttere sie.
Ach ja, daö will ich thun, sagte Henriette, und griff
hastig zu, zog aber sogleich schreiend die Hand zurück,
denn sie hatte nicht bedacht, daß die Nesseln brennen.
Kannst du denn die Nesseln nicht abreißen, ohne
G a
100
Erzählungen.
daß fie dich brennen? fragte die Mutter. Jetzt besann
sich Henriette, zog daS Schnupftuch aus ocr Tasche,
wickelte es um die Hand und riß nun behutsam die
Nesseln ab. Freudig trug sie die Raupen nach Hause,
steckte ße mit den Nesseln in ein großes GlaS, welches
ihr die Mutter dazu gegeben hatte, und band ein Pa-
pier darüber. — Ader willst du denn, daß deine Rau-
pen ersticken sollen? fragte die Mutter. Nein, das will
ich nicht, antwortete Henriette. — Nun so mußt du
kleine Löcher in das Papier stechen, damit frische Luft
in. das GlaS kommt. Dieß that Henriette, und hatte
ihre Freude daran, zu sehen, wie die Raupen ein Blatt
nach dem andern abfraßen.
Am andern Tage, als Henriette ihr Frühstück ver-
zehrt hatte, fragte die Mutter: Hast du denn auch an
deine Raupen gedacht, und ihnen ihr Frühstück gegeben?
O! sagte Henriette, die Raupen haben noch das
ganze GlaS voll Nesseln.
Ader sieh sie an, sagte die Mutter, ob sie nicht ganz
vertrocknet sind Dürre Nesseln können doch die ar-
men Thiere nicht fressen. Da du die Gäste einmal an-
genommen hast, so ist es auch deine Pflicht, ihnen alle
Tage frische Nesseln zu holen, und sie so zu ernähren;
denn sie selbst können es nun nicht mehr thun, da du
ihnen die Freiheit genommen hast. Dieß werkte sich
Henriette, und vergaß ihre kleinen Gä;e nicht wieder.
Fünf Tage hatte sie ihnen nun reichlich Futter gegeben,
und fröhlich zugesehen, wie sie es verzehrten. Am sech-
sten Tage wollte sie ihnen auch Futter geben, aber, o
Wunder! da sie daS Papier wegnehmen wollte, hatten
sich alle Raupen daran gehängt. Mit den Hinterfüßen
saßen sie theils am Papier, theils am Glase, so fest,
als ob sie angeleimt gewesen wären. Geschwind lief
Henriette zur Mutter, und zeigte ihr die aufgehängten
Raupen. Besorglich fragte sie: Aber was fehlt ihnen
denn? liebe Mutter, ich habe sie doch alle Tage so reich-
lich gefüttert, und nun werden sie mir doch sterben!
Sey ruhig, antwortete die Mutter, sie werden nicht
sterben, sondern dir noch viel Freude machen Laß sie
nur ungestört hängen. Das that Henriette, und machte
zur Beförderung guter Gesinnungen re. ioi
ganz behutsam das Glas wieder zu. Kaum war sie
am folgenden Morgen auS dem Bette, so lief sie nach
dem Glase, und sieh, da gab eS schon wieder etwas
Neues. Die R upen waren verschwunden, und nun
hingen lavier länglicht runde Püppchen da, mit einer
kleinen Krone auf dem Kopie. Sie lebten und beweg-
ten sich hin ti i) her Henriette machte große Augen,
schlug die Hände zusammen, und wußte nicht, waS
sie dazu sagen sollte. Endlich ries sie: Mutter! Mut-
ter! komm geichwind her, und sich, was auS meinen
Raupen geworden ist
Hab' ich e« dir nicht gesagt, antwortete die Mutter,
daß dir die Raupen noch viel Freude machen würden?
Betrachte sie nun recht genau; sie haben ihre Häute
abgestreift, die du hier hängen sichst, und haben sich
verwandelt in Dinge, die man Puppen nennt Laß sie
nur alle ruhig hängen, und sieh alle Tage nach dem
Glase. Vielleicht erblickst du bald einmal wieder et-
was . was dir große Freude macht.
Es traf richtig ein; nur währte es der ungeduldi-
gen Henriette zu lange, und schon hatte sie fast alle
Hoffnung aufgegeben. Aber nun waren fast einige
Wochen vergangen, als Henriette einmal wieder nach ih-
rem Glase sahe. Und waS erblickte sie? da war alle-
voll schöner bunter ^Schmetterlinge in dem Glase Ach
sieh doch, liebste Mutter, rief sie, w^s kn meinem Glase
ist! Lächelnd kam die Mutter, und als sie nun berde ge-
nauer zusahen, erblickten sie ein neues Wunder. Ein
Schmetterling, der in einer Puppe steckte, drückte mit
seinen zarten Füßchen die Puppe von einander, und kroch
heraus. Seine Flügel waren ganz klein, und zusam-
mengerollt, wie ein Stück Papier. Ec lief geschwind
am Glase hinauf, und hängte sich an das Papier. Sei-
ne Flügel wuchsen fast sichtlich, und nach einer Vier-
telstunde hingen sie vollkommen da. — So ging cs nun
den ganzen Vormittag. Immer ein Schmetterling nach
dem andern kroch aus seiner Puppe heraus. Rach Ti-
sche waren sie alle ausgekrochen. — Nun kannst du dir
noch eine Freude machen, sagte die Mutter. Nimm da-
GlaS, trag' es in den Garten, mache es auf und gieb
Yen Schmelterlivgen die Freiheit.
Von der Welt.
ros
Dieß that Henriette, und freute sich unbeschreib-
lich als sie sah, wie die Schmetterlinge heraus flat-
terten, und von einem Baume zum andern flogen.
Wenn sie hernach im Garten herumging, und einen
braunen Schmetterling mit schwarzen Flecken sah,
freute sie sich allemal. Du bist gewiß auch aus mei-
nem Glase! dachte sie.
III.
Von der Welt.
^)er große Körper, auf welchen wir Menschen woh^
nen, die Erde, ist nur ein sehr kleiner Theil vors
der Welt, d. h. von dem, was Gott geschaffen hat.
Cs giebt noch unzählige Körper oder Erden, unter
welchen viele unsern Ecdkörper an Größe übertreffen.
Diese Körper erblicken wir zum Theil an dem unermeß-
lichen Gewölbe des Himmels in einer hellen Nacht.
Sie scheinen uns wegen der Entfernung, in welchex
wir sie sehen, kleine leuchtende Punkte oder Lichter zu
seyn. Würden wir sie aber wobl in einer solchen un-
geheuren Entfernung erblicken können, wenn sie nicht
sehr groß wären? Wir nennen sie Sterne. Der
größte unter diesen Sternen scheint die Sonne zu
seyn. Ihre Strahlen schießen durch die ungeheuren
Raume des Himmels aus unsere Erde herab, erleuch-
ten und erwärmen sie, und verbreiten überall Leben
und Fruchtbarkeit. Rächst der Sonne scheint der Mond
unter den Sternen, welche wir sehen können, der
größte. Auch dieser Stern erleuchtet durch seine Strah-
len unsern Erdball, aber sein Licht ist nicht so blen-
dend, wie das Licht der Sonne, und es bringt keine
Wärme hervor. Das große blaue Gewölbe, welches
wir Himmel nennen, ist ein unermeßlicher Raum,
Von der Welt. roz
in welchem die Erde, die Gönne, der Mond, und un-
zählige Sterne schweben und sich bewegen. Alle diese
Sterne werden Weltkörper genannt, weil sie zu-
sammengenommen die Welt ausmachen. Wie klein
ist also unsere Erde, wenn man sie mit der Welt
vergleicht! Bloß die Sonne ist vierzehn hundrrttau-
sendmal größer, als die Erde. Sie erleuchtet und er-
wärmt durch ihre Strahlen nicht bloß unsere Erde,
sondern noch viele andere Wellkörper, welche sich
gleich der Erde, um sie herum bewegen. Drei und
zwanzig von diesen Weltkörpecn können wir deutlich am
Himmel erblicken, und die Sternkundigen, (Astrono-
men) haben sogar durch ihre Untersuchungen und'AuS-
rechnungen herausgebracht, wie weit jeder dieser Welt-
körper von der Sonne entfernt ist, wie groß dke Bahn
ist, welche er zu durchlaufen hat, und wie viel Zeit ec
dazu gebraucht. Derjenige, welcher der Sonne am
nächsten steht, (man hat ihn Merkur genannt) durch-
läuft in 88 Tagen seine Bahu um die Sonne, und
rollt in einer einzigen Sekunde 6 Meilen fort. Unsere
Erde vollendet erst in z6z Tagen 6 Stunden ihre Reise
um die Sonne, und macht während dieser Zeit den un-
geheuren Weg von iZi Millionen Meilen. Der Mond
ist auf dieser Reise der beständige Begleiter der Erde.
Ec sieht uns unter allen Himmelskörpern am nächsten,
und doch ist er 51600 Meilen von uns entfernt. Der-
jenige Weltköcper, welcher am weitesten von der Son-
ne entfernt ist, (der Uranus) legt seinen »langen
Umlauf um die Sonne erst binnen 83 Jahren z.urück.
— Mit welch einer Schnelligkeit fliegt eine Kanonen-
kugel! Dennoch würde sie, bei aller dieser Schnellig-
keit, 25 Jahre fliegen müssen, um von der Sonne auf
die Erde zu kommen.
Die Himmelskörper, welche sich, gleich unserer Er-
de, um die Sonne bewegen, und von ihr erleuchtet
werden, nennt man mit einem gemeinschaftlichen Na-
men Planeten. Cs ist gewiß, daß sie unserer Erde
ähnlich find; daß sie, gleich dieser, Jahreszeiten, und
Abwechselung von Tag und Nacht haben, daß sie, wie
die Erde, aus Land und Meer bestehen, und darum
ist auch nicht daran zu zweifeln, daß sie Bewohner ha-
104 Von der Erde und ihren Bewohnern.
den. Die übrigen Himmelskörper, welche wir in zahl-
loser Menge am Himmel erblicken, scheinen größten
Theils Sonnen zu seyn, d. h. solche Körper, welche
ihr eigenes Licht haben, und wie unsere Sonne, dunkle
Himmelskörper durch ihre Strahlen erleuchten und er-
wärmen. Alle diese feurigen Himmelskörper werden
Fipsterne genannt. Unsere Sonne ist also auch ein
Kipstern, und wahrscheinlich einer der kleinsten. Denn
wie wäre es möglich, daß wir die übrigen Zipsterne
erblicken könnten, da sie doch unbeschreiblich viel wei-
ter vyn uns entfernt find, als unsere Sonne, wenn
sie nicht diese an Größe weit überträfen? — Könnet
ihr euch wohl dieß alles vorstellen, ohne über die
Herrlichkeit und Größe des Weltgebäudes zu erstau-
nen , ohne die Allmacht des Schöpfers zu bewundern,
und zu verehrend
Von der Erde und ihren Bewohnern»
Äaß hie Erde sehr groß, aber doch nur ein kleiner
Theil der Welt sei, haben wir schon gehört. Was
für ein« Gestalt die Erde habe, ist schwer auszuma-
chen, weil man nur einen sehr kleinen Theil der Erde
auf e/mmal übersehen kann, und weil sie uns zu nahe
ist. 7— Aus dem Schatten eines Körpers kann man
mit ziemlicher Gewißheit erkennen, ob er rund, breit
od^c eckig und spitzig sey; und wenn der Schatten ei-
nes Körpers von allen Seiten allemal, so oft ec sich
-zeigt, rund erscheint, so ist nicht zu zweifeln, daß auch
der Körper rund sey. Dieß ist nun der Fall bei nnse,
rer Erde. Ihr habt wobl schon von Mondfinsternissen
gehört? Bei diesen erblickt man in der Mondscheibe al-
lemal einen runden Schatten, und es ist ausgemacht,
daß dieser Schatten von unserer Erde in den Mond ge»
Bon der Erde und ihren Bewohnern. 105
werfen wird, so daß fie bei ihrem Umlauf um die Sonne
in gerader Linie zwischen der Könne und dem Monde
steht. Daraus kann man mit Zuverlässigkeit schließen,
daß die Erde eine kugelartige Gestalt haben müsse.
— Einen runden Körper kann man ganz umgehen, so
daß man bei immer gleicher Richtung des Weges wieder
an die Stelle kommt, von der man ausgegangen ist.
Wenn also die Erde eine kugelartige Gestüt bat, so muß
ma, sie ebenfalls umgehen, oder um sie herumreisen kön-
nen, und zwar auf die Art, daß, wenn man von seinem
Wohnorte beständig nach dem Untergange der Sonne zu
reifete, man am Ende von der entgegengesetzten Seite,
oder vom Aufgange der Sonne her, wieder nach H rufe
käme. Diesen Versuch haben auch schon mehrere Men-
schen, und zwar zu Schiffe gemacht, weil die Erde auf
ihrer Oberfläche ganz mit Wasser oder Meer umgeben
ist. Eine solche Reise um die Erde kann in Einem Jahre
vollendet werden, wenn man sich nirgends lange auf-
hält, und Wind und Wetter günstig sind. Wir haben
schon gehört, daß der ganze Weg um die Erde eine
Strecke von ungefähr 5420 Meilen betrage.
Diese, und manche andere Gründe, welche schwe-
rer zu begreifen sind, beweisen, daß die Erde eine sehr
große Kugel ist, aber eine unebene Kugel, wegen- der
vielen Berge, welche auf der Erde sind. Doch machen
diese Berge, so hoch sie auch zum Theil sind, bet der
Größe der Erde nicht mehr aus, als kleine Sandkörner
auf einer Kegelkugel.
Das Wasser nimmt auf der Obecstächeder Erde noch
einmal so viel Platz ein, als das Land. Man hat Bil-
der, auf welchen die Oberfläche der ganzen Erde im
Kleinen dargestellt ist; man nennt sie Landkarten.
Auf einer solchen Landkarte sieht man zwei große Kreise.
Aber deßwegen muß keiner sich vorstellen, daß die Erde
aus zwei solchen Kreisen bestehe; denn die ganze Ober-
fläche einer Kugel läßt sicb nicht anders zeichnen, als
auf diese Art. Denkt euch, ihr wolltet die ganze Flä-
che eines Apfels abbilden; müßtet ihr ihn nicht als
zwei erhabene runde Kreise darstellen? Gerade so
muß es auch derjenige machen, welcher die Erde abbil-
den will, und daher kommen die bsiden großen Kreise
Ao§ Von der Erde und ihren Bewohnern.
auf der Karte, welche die Erdkugel vorstellt. Ihr se-
het, daß auf dieser Karte einige Stücke mit bunten Far-
ben überstrichen, und einige weiß gelassen sind. Die
bunten Glücke stellen das Land, und die weißen das
große Wasser vor, welches die ganze Erde umgiebt, und
Meer h-'ißt. Das feste Land der Erde hat man in
fünf große Theile getheilt, welche daher C c d. T h e i l e,
oder auch Welt, Theile genannt werden. Jeder
Erdthsil hat einen besonderen Namen. Der kleinste,
welcher auf der rechten Halbkugel oben liegt, heißt Eu-
ropa, und zu diesem gehört das Land, in welchem wir
wohnen. Darum können wir uns Europäer nennen.
Auf eben dieser Halbkugel liegen noch drei andere Erd-
theile, welche Asien, Afrika und Australien
heißen. Auf der linken Halbkugel liegt Amerika und
ein Theil von A u st r a l i e n.
Ihr werdet euch vielleicht darüber wundern, daß ihr
auf der Landkarte keine Abbildungen der Städte, Berge,
Gebürge und Wälder, der Bäume, Pflanzen und Thie-
re, welche auf der Erde sind, sondern lauter Namen
findet. Aber bedenkt nur, wie ungeheuer groß eine
Landkarte werden müßte, auf welcher dieß alles abge-
mahlt seyn sollte. Und wäre es wohl möglich, eine sol-
che Landkarte zu übersehen? Ihr müsset euch also begnü-
gen, den Umriß der Länder und ihre Namen, nebstden
Namen der vornehmsten Städte, auf der Karte zu fin-
den. An der größeren Schrift erkennet ihr die Namen
der Länder. Die schwarzen krummen Linien zeigen den
Lauf der Flüsse, und die runden oder langlichten schwar-
zen Flecke mitten im Lande die großen Seen an.
Das Wasser des Meeres har nicht, wiedas
Huell-und Fiußwasser, einen süßen Geschmack, son-
dern einen salzigen, und ist daher nicht trinkbar. An
manchen Orten wird das unermeßliche große Meer sehr
enge, da nemlich, wo es von zwei Ländern einge-
schlossen ist; einen solchen Theil des Meeres nennt mau
eine Meerenge. Ihr müsset euch aber diese Meeren-
gen nicht gar zu enge vorstellen, sie sind wenigstens
eine halbe oder ganze Meile, oft mehrere Meilen breit.
Mitten im Meere liegen kleine und große Länder, wel-
che M ganz vom Meere umflossen find; diese werde«
Von der Erde und ihren Bewohnern. 107
Inseln oder Eilande genannt. Sind sie nur zum
Theil vom Meere umgeben, so werden sie Halb-
Inseln genannt. Der Rand eims Landes am Mee-
re heißt die Küste oder der Strand.
Das süße Wasser, welches die Länder der Erde
durchströmt, wird entweder ein Strom oder ein Fluß
oder ein Bach genannt. Unter Strömen versteht man
große fließende Gewässer, welche sehr breit und tief
sind, eine sehr große Strecke Landes durchfließen, und
sich im Meere endigen. Die Flüsse vereinigen sich mit
den Strömen, und sind zum Tbeil auch sehr breit und
tief. Wenn ein Fluß oder ein Strom so tief ist, daß
man mit großen Schiffen darauf fahren kann, so wird
er schiffbar genannt. Die Vertiefung, worin das
Wasser eines Flusse- oder Stromes fließt, beißt das
Bette. Der Rand des B^tes wird das Ufer ge-
nannt. In manchen Flüssen und Strömen giebt eS
Stellen, wo das Wasser von einer steilen Anhöhe in
die Tiefe stürzt. Solche Stellen nennt man Wasser-
falle. Wir haben schon (K. i8 ) gehört, woraus
die Flüsse und Ströme entstehen, und welche Gewäs-
ser man Seen oder Land. Seen nennt. Es giebt
Seen, welche 20 und mehrere Meilen lang und breit'
sind. Das Meer nennt man auch wohl die See,
und daher werden die Fische, welche in dem Meere
leben, Seefische, und die Schiffe, mit welchen man
auf dem Meere fährt, Seeschiffe genannt. Sagt man:
d e r S e e, so ist von einem Land. See die Rede; sagt
man: die See, so ist das Meer gemeint.
Die vielen Millionen Menschen, welche die Erde
bewohnen, sind nicht nur dem Geschlechte nach (männ-
liches und weibliches Geschlecht), sondern auch an
Gestalt, Farbe der Haut, Sprache, Sitten und Le-
bensart sehr verschieden. Diejenigen, welche in Einem
Lande beisammen wohnen, und einerlei Gestalt, Far-
be, Sprache und Sitten haben, machen zusammenge-
nommen ein Volk oder eine Nation aus. Da nun
jeder Theil der Erde wieder in kleinere Theile getheilt
ist, welche Länder genannt werden, so giebt es älso
verschiedene Völker in Europa, in Asien, in
Afrika, in Amerika und Australien. Doch haben
io8 Von ber Erde und ihren Bewohnern.
die verschiedenen Völker der Erde Einiges mit einander
gemein theils in Ansehung ihrer Gestalt und Fache,
theils in Ansehung ihrer Lebensart. Die meisten Eu-
ropäischen Volk r haben eine weiße Haut, langes her»
abhängendes H ar, hervorstehende Nasen, und blaue
oder schwirre Äugen. Dagegen findet man in Afrika
meistens Menschen mit einer schwarzen sammetweichen
Haut, kurzen wolligten Haaren, breiten aufgestülpten
R sen und cosenrythm Lippen. Diese schwarzen Men,
fchen werden Neger oder Mohren genannt. Die
meisten Bewohner Asi ns h ;ben eine olivenfarblge Haut;
einige Asialijche Völker sind aber auch hraungeib.
Die Amerikaner find größtentheils rothbraun
oder kupferfarbig, haben einen schlanken Wuchs, und
tief liegende Augen. In fast allen Ländern der Erde sind
die Mens-.ycn gewöhnlich wenn sie ausgewachsen sind,
5 Fuß, oder drittehalb E-en hoch. Doch werden in
den kältesten Ländern der Erde, wo es fast gar keine an,
dere I hresjeit, a!S den Winter giebt, die Menschen
selten üder 4 Fuß hoch, und sind gemeiniglich sehr un,
gestaltet Hie und da findet man Menschen von au-
ßerordentlicher Größe, welche 7 bis 8 Fuß hoch find,
man nennt fie Riesen. Doch giebt es kein Volk auf
der Erbe, welches aus lamer Riesen besteht.
Auch in Ansehung ihrer Lebensart haben die ver-
schiedenen Völker der Erde vstles mit einander gemein.
Einige nehmlich, welche man wilde Völker nennt,
treffen gar keine Veranstaltung, um ihres Lebens»Un,
terhalts sicher zu seyn. Sie säen und pflanzen nicht,
sie sammeln keinen Vorrach von LedenSmirteln, sorgen
überhaupt gar nicht für die Zukunft, sondern gehen nur
dann au? Nahrung aus, wrnn der Hunger sie dazu
treibt. Ihre einzigen Beschäftigungen sind daher Jagd
und Fischerei. Sie wohnen gewöhnlich auch nicht
einmal in Dörfern bei einander, haben überhaupt keine
ordentliche und feste Wohnungen, sondern nur elende
Hütten, die aus einigen Pfählen bestehen, welche in die
Erde gegraben, und mit Thlerhäuten oder mit einer
groben Fistdccke überzogen, oder nur mit großen Baum-
blàtttrn bedeckt sind; einige wohnen sogar in Höhlen
Von der Erde und.ihren Bewchncrn. 109
unter der Erde, und gewöhnlich stehen bei diesen wil-
den Völkern nur wenige Familien (Stämme) mft ein-
ander in Verbindung, welche aber keinen gemeinschaft-
lichen Oberherrn, keine Obrigkeit, sondern höchsten-
im Kriege, oder bei einer großen Jagd einen Anfüh-
rer haben, den sie so lange gehorchen, als der Krieg
oder die Jagd dauert.
Andere Völker der Erde, welche Hirtenvölker
oder Nomaden genannt werden, haben zwar auch
keine künstliche und feste Wohnungen, sondern nur
Zelte oder Hütten, welche sie leicht abbrechen und wie-
der aufschlagen können, aber sie sind doch viel verstän-
diger und gesitteter, als die wilden Völker weil-sie
sich mit der Viehzucht beschäfligen, wozu mehr Auf-
merksamkeit und Kenntniß erfordert wird, als zur Jagd.
Ihre Heerden sind ihr ganzer Reichthum. Sie ziehen
aus einer Gegend in die anders, und lassen sich nur
da auf eine längere Zeit nieder, wo sie gute Weide-
Plätze antreffen. *
Noch andere Völker aus der Erde, welche gesit-
tete Völker genannt werden, beschäftigen sich, außer
der Viehzucht, auch noch mit dem Ackerbaue, und
verstehen agerlei Künste und Handwerke. Sie
wohnen in festen und käm lichen Häusern gesetzschrft-
lich bei einander in Städten, Dörfern und F'cckcn.
Unter ihnen, giebt es verschiedene Stände, nämlich:
Fürsten, Edelleute, Büraer, Bauern und v^schiede»
ne Berufsarten und Gewerbe, indem einige den
Acker bauen, andere ein Handwerk oder eine Kunst
treiben, noch andere sich mit dem Handel oder mit den
Wissenschaften beschäftigen. Gesittete Völker leben nach
bestimmten Gesetzen, d h sie haben unter sich aus-
gemacht, waS jeder thun und nicht thun darf, und
wer unter ihnen wohnen will, muß versprechen, sich
diele Gesetze gefasten zu lassen, und sie zu befolgen.
Damit dieß von Asten auch von den UnorrftLndigen
und Bösartigen geschehen möge, so wählen sie unter
sich einige verständige und rechischaffene Männer, und
geben ihnen den Auftrag. darauf zu sehen, daß Jedek
den Gesetzen gehorsam sey, und den Ungehorsamen -«
no
Produkte der Erbe.
strafen/ wenn sie nicht auf Erinnerungen achten. Die-
se Personen werden die Obrigkeit, und eine solche
große gesellschaftliche Verbindung wird eine bürger-
liche Gesellschaft oder ein Staat genannt. In man-
chem Staate Kat nur Einer das Recht, Gesetze zu ge-
ben, und die Obrigkeiten zu wählen. Dieser heißt dann
der Regent oder Monarch, oder er wird König,
Fürst, Herzog oder Graf genannt. Die Länder, welche
unter seiner Herrschaft stehen, machen sein Reich oder
seinen Staat aus. Ein Staat, in welchem mehrere
Pexsonen die höchste Gewalt gemeinschaftlich haben, wird
ein Freistaat oder eine Republik genannt.
v.
Produkt« der Erde.
die Luft nicht in nistn Gegenden der Erde diesel-
be Beschaffenheit hat, sondern in einigen Ländern das
ganze Jahr hindurch beiß, in andern sehr kalt, und
wiederum in andern weder zu warm noch zu kalt, son-
dern gemäßigt ist, so ist die Erde nicht überall gleich
fruchtbar. Doch bringt fast jedes Land der Erde so
diel hervor, als seine Bewobner zu ihrer Erhaltung
uothdürftig gebrauchen. Alles, was die Erde hervor-
bringt, nennt man ihre Produkte oder Erzeug-
nisse^ Ihre Zahl ist so g"oß, und sie sind von so
verschiedener Act, daß man sie unter gewisse Abthei-
lungen (Klassen) bringen muß, um sie übersehen, und
von einander unterscheiden zu können. Diese Abthei-
lungen werden Reiche der Natur genannt, und
ihrer sind drei: das Th ierre ich, das Pflanzen-
reich und das Mineralreich. Diejenigen Länder,
in welchen gesittete Völker wobnen, haben manche Pro-
dukte, besonders äis dem Pflanzenreiche, im U ber-
fiusse, weil ihre Bewohner das Land sehr sorgfältig
XII
Produkte der Erde.
bebauen. Dagegen fehlt es manchen Ländern gerade
an diesen Produkten, weil sie einen unfruchtbaren Bo-
den haben, oder schlecht angebaut sind, aber sie ha-
ben wiederum andere Produkte im Ueberflusse, welche
die Natur selbst hervorbringt, z. B. Metalle, Holz
oder Salz. Dadurch sind die Menschen auf den Ge-
danken gekommen, die überflüssigen Produkte ihres
Landes nach solchen Ländern hinzubringen, wo es an
diesen Produkten fehlt, sie da zu verkaufen, und sich
für das gelöste Geld die ihnen fehlenden Produkte ein-
zukaufen. So ist der Handel entstanden, wobei die
Waaren entweder zu Lande, vermittelst der Wagen
und Lastthiere, oder auf den Flüssen und auf dem
Meere, vermittelst der Schiffe, aus einem Lande in
das andere gebracht werden.
Weise und gütig hat'ds Gott so eingerichtet, daß
jedes Land, oder wenigstens jeder große Erdstrich, das
heißt: jeder beträchtliche Theil der Erde, gerade diese,
nigen Produkte hat, welche für die Bewohner dessel-
ben, nach Maaßgabe der Witterung (des Klima), die
nothwendigsten und wohlthätigsten sind. So bringen
z. B. diejenigen L.änder, welche eine beiße Luft, und
keinen Winter haben, die kräftigsten, saftreichsten und
kühlendsten Früchte hervor, z. B. Kokos' Küsse, Mus-
kat, Nüsse, Oliven,' Pifang, Datteln, Orangen, Me-
lonen und Ananas. Auch findet man in diesen Ländern
die größten und stärksten Landthiere, welche alle Be-
schwerlichkeiten der heißrn Witterung ertragen können,
ohne dadurch zu verderben, z. B. die Elephanten,
welche 14 bis 15 Fuß hoch, mehr als 16 Fuß lang,
und 50 Centner schwer werden, und sich bei dieser Grö-
ße und Schwere dennoch so leicht bewegen, daß sie täg-
lich 14 bis 15 Meilen zurücklegen; die Kamee le, die-
se vortrefflichen Lastthiece, welche in heißen Ländern
unentbehrlich sind, weil man 10 bis 14 Tage mit ihnen
durch brennende unh wasserlose Sandwüsten reisen'kann,
ohne daß man nöthig hat, sie zu tränken, und die mit
einer Last von 1200 Pfund in einem Tage 12 Meilen
zurücklegen. — Natürlicher Weise find die Menschen
in den heißen Ländevm nicht so stark und nicht so thätig,
wie in den gemäßigte« Himmelsstrichen/ und darum
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Produkte der Erde. rrz
Galten Erdstrichs ihre Kleider, Schuhe, Zelte, Bett-
decken und andere Dinge. Aus ihren Hörnern wissen
sie allerlei Geräthe, aus den Knochen Messer, Löffel
und Nadeln, und aus den Därmen und Sehnen Stri-
cke zu machen. . Die Klauen werden zu Tcinkgeschir-
ren, und die Harnblasen zu Beuteln und Flaschen
gebraucht. Ist es nicht eine höchst bewundernswürdi-
ge Anordnung Gottes, daß ein einziges Thier alle Be-
dürfnisse des Menschen befriedigt?
Der Erdstrich, in welchem wir wohnen, hat we-
der eine sehr heiße, noch eine sehr kalte, sondern eine
gemäßigte Witterung, welche sich oft verändert,
und eben dadurch zur Erzeugung und Ernährung der
meisten Produkte geschickt ist. In keinem Erdstriche
findet man daher eine so große Mannichfaftigkeit von
Erd - und Baumfrüchten, als in dem gemäßigten, und
nirgends ist das Thierreich so reichlich angefüllt, als
in diesem. . Ackerbau Uno Viehzucht sind die beiden
Hauptbeschäftigungen der Einwohner dieses Erdstrichs.
Der Wein stock ist das eigenthümliche Produkt des-
selben, denn er gedeiht weder in den heißen, noch in
den kalten Ecdstricken.
3. Das Tbierreich.
23ott den Thieren haben wir (S. 9 —14) schon
mancherlei gelesen und daraus gelernt, daß man alle
Thiere, welche auf und in der Erde, im Wasser und in
der Luft leben, am besten von einander unterscheiden
kann, wenn man sie unter folgende 6 Abtheilungen
oder Klasseu bringt: Gäugethiere, Vögel, Am-
phibien, Fische, Insekten und Würmer. Alle
Thiere haben dieß mit einander gemein, daß sie einen
Mund (Maul) haben, durch welchen sie dem Körper
seine Nahrung zuführen, und daß sie, vom Hunger
getrieben, willkührlich ihre Nahrung zu sich nehmen.
Dabei werden sie von ihrem Naturtriebe (In-
stinkt) geleitet, und vor allem, was ihnen schädlich
ist, bewahrt. Diese Naturtriebe ersetzen bei ihnen den
Mangel der Vernunft, ünd sind bei einigen Thieren
höchst bewundernswürdig, indem manche dadurch zum
»i4 Produkte der Erbe.
künstlichen Baue ihrer Wohnungen, zum listigen Fange
ihres Raubes, und zu manchen Handlungen und Ver-
richtungen geschickt werden, welche Nachdenken und
Urtheilskraft zu erfordert, scheinen. Ohne vorherge-
gangene Anweisung und Uebung macht die junge Spin-
ne ihr künstliches Gewebe, schwimmt die Ente auf dem
Wasser, baut die Schwalbe ihr Nest, weiß die junge
Katze die Mäuse zu fangen, bereitet die Biene ihre
künstlichen Zellen. Eben so bewundernswürdig ist die
Art, wie die Thiere sich gegen ihre Feinde zu verthei-
digen wissen, und auch dabei sind ihre Naturtriebe
wirksam. Wenn die Pferde auf der Weide von einem
Wolfe angegriffen werden, so stellen sie sich alle mit
den Köpfen dicht an einander, und wachen auf diese
Act einen Kreis, in den der Wolf nicht eindringen
kann, weil alle mit den Hinterfüßen ausschlageu, und»
ihn dadurch zurücktreiben. Die Ochsen machen es um-
gekehrt, und vertheidigen sich mit den Hörnern. Ei-
nige Thiere, welche im Wasser lebe«, machen das Was-
ser trübe, und entziehen sich so den Verfolgungen ihrer
Feinde; andere treffen schon bei dem Baue ihrer Woh-
nung gewisse Vorkehrungen, indem sie dieselben
z. B. in dichten Dornensträuchern, oder in einer Felsen-
spalte verstecken. Die Elster bedeckt ihr künstlich ge-
flochtenes Nest vorsichtig mit Dornen und stachlichken
Reisern. Grauspechte und Tannenheher legen ihre Re-
ster in der Höhlung eines Baumes an, und verstreichen
die überflüssige Oeffnung mit Lehm..
In Ansehung der Fähigkeit, zu empfinden, nimmt
man unter den Thieren eine große Verschiedenheit wahr.
Einige Thiere, z. B. die Huiide, empfinden sehr stark.
Wie sehr freuen sie sich, wenn sie nach einiger Zeit
ihren Herren wiedersehen; wie traurig sind sie, wenn
sie ihren Herren verloren haben! Dagegen bemerkt
man bei vielen Thieren, besonders bei den Insekten
und bei den Fischen, fast gar keine Empfindungsfähig-
keit. Dennoch ist es wohl gewiß, daß alle Thiere
durch die Sinne Eindrücke erhalten, ob mau gleich
an manchen gar keine Sinnenwerkzeuge entdecken kann.
So haben z. B. die Schmeißfliegen und andere In-
sekten offenbar den Sinn des Geruchs, ob man gleich
Produkte der Erde. rrz
keine Nase an ihnen bemerkt, und die Fische hören
unstreitig sehr scharf, ob sie gleich kein äußeres Ohe
haben, denn man kann z. B. die Karpfen in einem
Teiche daran gewöhnen, daß sie auf den Schall einer
Glocke sich versammeln, um gefüttert zu werden. Ei-
nige Thiere haben ganz außerordentlich scharfe Sinne.
Von einer unermeßlichen Höhe herab entdeckt der Ad-
ler seinen Raub, und auch sein Geruch ist bewunderns-
würdig scharf. Vermöge seines scharfen Geruchs fin-
det ein Hund meilenweit sich wieder nach Hause, und
eben dadurch entdeckt er unter vielen hundert Menschen
seinen Herrn. Die Thiere, welche Aas verzehren, spü-
ren ein todtes Thier auf einer Strecke von mehreren
lausend Schritten, und wissen es durch den Geruch zu
finden, wenn es auch im Dickigt versteckt liegt. Der
Haase hört den Gcbuß,einer Flinte, erschrickt, ändert
seinen Weg, und entläuft mit verdoppelte?- Schnellig-
keit. Das Pferd schmeckt die Annehmlichkeit des kräf-
tigen Korns, und läßt die dumpfigen ungedeiblicb-n
Halme liegen. Der Geruch des gebratenen Specks
lockt die Maus aus ihrem weit entfernten Schlupfwin-
kel, und macht, daß sie den Mehlkasten unberührt laßt.
Die Katze liegt mit Wohlbehagen im wärmenden Son-
nenscheine, und der Hund geräth fast in Wuth, wenn
man Kienöhl auf seinen Körper gießt, weil ihm dieser
Geruch unerträglich ist. Geruch und Geschmack sind
unstreitig die Ursachen, warum das größere Hornvieh
nicht mehr und nicht weniger, als etwa 270 Arten
von Pflanzen frißt, und alle übrigen stehen läßt, so
schön und kräftig sie auch seyn mögen. Das Pferd
nährt sich mit 262.Pflan;en Arten, die Schweine fres-
sen deren nur 72, und berühren keine andere, als die-
se, wenn sie auch noch so hungrig sind. Leget ein.ee
Raupe 30 verschiedene Arten von Blättern vor; sie
wird vielleicht nur eine einzige Art benagen, und alle
übrigen unberührt lassen.
Wenn die Thiere entkräftet sind, und der Erho-
lung bedürfen, so suchen sie einen sichern und beque-
men Ort, und fallen in den Schlaf, in welchem man-
che, z^B. die Hansen und Gemsen, die Augen offen
behalten und auch wohl träumen; wenigstens bemerkt
H %
n 5 Produkte der Erde.
man an den Hunden, daß sie oft im Schlafe bellen
und knurren, wovon nur ein Traum die Ursache seyn
kann. Einige Thiere, besonders die Katzen, die Eu-
len, und verschiedene Raubthiere schlafen bei Tage,
und gehen des Nachts aus Raub aus. Von dem ge-
wöhnlichen Schlafe der Thiere ist der Winterschlaf,
in den einige verfallen, zu unterscheiden. Nicht alle
Tbiere finden nämlich im Winker ihren Unterhalt, und
müßten also verhungern, wenn sie mcht durch ihre Na-
turtriebe vor dieser Gefahr geschützt würden. Viele
bereiten sich nämlich im Herbste mit bewundernswür-
diger Kunst und Vorsicht eine Lagerstätte oder Winter-
wohnung, legen sich hinein, und erstarren, bis die
Wärme der Frühlingssonne sie wieder weckt, .und in
der Natur neue Nahrung für sie bereitet ist. Diese
Erstarrung ist so stark, daß die warmblütigen Thiere,
z. B. die Murmelthiere, wahrend derselben nur eine
unmerkliche Wärme behalten, und daß die Puppen vie-
ler Insekten, die zu gleicher Zeit ihre Verwandlung
bestehen, im Winter oft so durchfroren sind, daß sie
wie Eiszapfen, oder Glas klingen, wenn man sie auf
die Erde wirft. Dennoch aber lebt das darin schlafen-
de Thier. Die mehresten Amphibien fallen in den Win-
terschlaf, aber unter den Vögeln wohl nur die Schwal-
ben. Manche Thiere erstarren zwar nicht im Winter,
legen sich aber im Herbste kunstvclle und gut verwahrte
Vorrathskammern an, und tragen eine Menge von
Nahrungsmitteln darin zusammen, wovon sie sich wäh-
rend des Winters nähren. So machen es z. B. die
Maulwürfe. Ihr unterirdischer Bau ist mit vielen
Gängen durchschnitten, die alle mit einander in Ver-
bindung stehen. Im Winter graben sie sich 5 bis 6
Fuß tief ein. Ihre eigentliche Wohnung ist ein sehr
kunstreiches rundes Gewölbe, welches mit Moos, Mist,
Stroh, Laub, Gras und zarten Wurzeln ausgelegt ist.
Die Decke ist, nebst den Seitenwänden, fest zusam-
mengedrückt, und künstlich geglättet. Unter dem Schnee
wühlen sich die Maulwürfe lange Gänge, und graben
den Würmern, Erdschnecken und Wurzeln nach. Die
Hamster, welche eine ähnliche unterirdische Wohnung
anlegen/ erstarre« zwar im Winter/ so bald Schnee
Produkte der Erde. n?
fällt, und bleiben bis zum März in dieser Erstarrung,
sammeln aber doch im Herbste einen großen Vorrats
von Korn, den sie nicht eher angreifen, bis auf dem
Felde gar nichts mehr zu finden ist Von diesem
Vorräte nähren sie sich bis zum Winterschlafe, und
beim Erwachen, weil dann. noch nichts für sie auf
hem Felde da ist.
Manche Thiere, besonders Vögel, ziehen im Herbste
in entfernte wärmere Länder, um nicht im Winter vor
Kälte und Hunger umzukommen, und kehreu im Früh-
jahre in ihre vorige Heimath zurück. Gemachen es z. B.
hie Lerchen, die Störche, die Kraniche u. a. Vögel.
Für ihre Ju ngen sorgen die Tbiere mit außeror-
dentlicher Liebe. Schon vor ihrer Geburt bereiten sie
ihnen ein weiches und warmes Lager, und zwar gerade
an einem solchen Orte, wo sich hinlängliches Futter
für sie findet, und wo sie vor Ueberschwemmungen und
andern Gefahren gesichert sind. Einige Thiere bringen
lebendige Junge zur Welt,, und säugen sie an ihren
Brüsten mit Milch (die Gäugethiere); andere legen
Eier, woraus die Jungen in kurzer Zeit vermittelst der
Wärme hervorkommen, z. B die Vögel, die Fische und
die Insekten. Mit der größten Zärtlichkeit beschützen
besonders die Weibchen ihre Jungen, und geben oft lie-
ber ihr eigenes Leben bin, als daß sie die Jungen dem
räuberischen Feinde überlassen.
S ä u g e t h i e r e.
Die Gäugethiere sind größten Theils vierfüßi.
ge Thiere, aber es giebt auch unter ihnen solche, die
sich auf 4 Händen fortbewegen, nämlich die Affen
und andere, welche im Wasser leben, und daher statt
der Füße Floßfrdern haben, nämlich die Wallfische,
denn auch diese gebähren lebendige Junge und sängen
sie, gehören also eigentlich nicht zu dem Fischen. — Der
Körper der Gäugethiere ist mit Haaren von sehr per-
schiedener Starke, Lange und Farbe bedeckt, die auch
bei einigen (z. B. bei den Gchaafen und Pudeln) wie
Wolle gekräuselt, oder als Borsten straff und struppigt
sind (z. B. bei den Schweinen) oder die gar, wie beim
Igel, steife Stacheln bilden. Bei manchen find die
118 Produkte der Erbe.
Haare am Halse sehr lang, und bilden eine Mahne,
z B. bei den Pferden; andere haben einen Bart, wie
die Ziegen. Bei einigen Gäugethieren ändert sich die
Farbe der Haare mit dem Alter, z. B. bei den See-
hunden, oder während des Winters, wie bei den Eich-
hörnchen, welche dann grau werden. — Die mehre-
sten Gäugethiere leben auf der Erde, und manche, wie
z.B. die Affen und Eichhörnchen, fast bloß auf Bäumen;
einige leben unter der Erde, z. B. die Hamster und
die Maulwürfe; andere bald auf dem Lande, bald im
Wasser (die Biber und die Seebären); noch andere
bloß im Wasser (die Wallfische).- Die Finger und
Zehen derjenigen Gäugethiere, welche sowohl im Was-
ser, als auf dem Lande leben, sind durch eine Haut
verbund-n, welche man die Schwimmhaut nennt, weil
sie innen zum Schwimmen behulftich ist. Bei den Fle-
dermäusen sind die langen fingerartigen Zehen der Vor-
derfüße durch eine zarte Haut verbunden, vnd daher
können sie ein wenig stiegen oder flattern. Sie sind
die einzigen fliegenden Gäugethiere. Auf der Erde kön-
nende nur kriechen. — Einige Gäugethiere haben horn-
artige Hu^e, nämlich die Pferde und die Esel; viele
haben gespaltene Klauen, $. B. die Schaafe und die
Ochsen. Die mehresten gehen bloß auf den Zehen,
nur einige auf der ganzen Fußsohle. — Außer den
Klanen und Zahnen haben viele Gäugethiere auch noch
Hörner erhalten, um sich gegen ihre Feinde zu weh-
ren. Gei den Hirschen sind d>e Hörner wie Aeste eines
Baumes gestaltet und heißen Geweihe. Gie werden
gewöhnlich in jedem Jahre abgeworfen, und dann durch
neue ersetzt, welche mehr Enden haben, als die alten.
Im Februar und März verlieren die Hirsche ihr Ge-
weih, und schon nach 3 bis 4 Monaten haben sie ein
neues, welches anfangs sehr weich ist. Die größten
Geweihe haben selten mehr, als 24 Enden. — Einige
Gäugethiere haben Beutel, z. B die Affen, die Meer-
katzen und die Hamster. Man nennt diese Benkel
auch Backentaschen, weil sie an jeder Seite der untern
Kinnlade als hantige Taschen sitzen, und von diesen
Thieren als Taschen gebraucht werden, umMabrurrgs-
mittel darin fortzutragen. Bei einigen Beutelthieren
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Produkte der Erde.
und Corduan aus Bocksfellen gemacht. — Auf man-!
nichfaltige Wsise wird das Haar der Thiere, und
insoesondvre die Woll" der Gchaafe zur Bekleidung des
Menschen benutzt. Die Haare der Kühe, Kälber und
tftrde werden nicht bloß zum Auspolstern der Stühle,
wpha's und Matratzen, sondern auch zur Verferti-
gung einer Art von Pantoffeln (Bärlütschen) und zur -
Beratung des Haartuches gebraucht, dessen feinere
Alken einigen Menschen zur Bekleidung, so wie die
gröberen zum Einpacken kostbarer Waaren dienen. Von
Kameel, Haaren werden Hüte, auch wohl Kamelotte
verfertigt, und aus den Haaren der Angorischen Ziege
Ivird das Kameelgarn gemacht, welches zur Derferti,
gung verschiedener schöner Zeuge dient. Aus Pferde-
haaren wird ein glänzendes Zeug verfertigt, mit wel-
chen man Stühle überzieht. Auch zur Beziehung der
Violinbogen werden die Pferdehaare benutzt. Aus den
Haaren der Haasen, Kaninchen, Ziegen , Hunde und
Biber verfertigt der Hutmacher grobe und feine Hüte.
Aus Schaafwolle macht man auf dem Weberstuhle fol-
gende Zeuge: Damis, Serge, Rasch, Chalons, Ka-
melot, Frieß, Flanell, Molton, Plüsch und Velbel« —
Die Borsten der Schweine gebraucht der Bürstenbin-
der. Die Geweihe, die Hörner, die Zahne (besonders
Elephantenzähne oder Elfenbein) und die Knochen der
Säugthiere werden von dem Drechsler auf allerley Art
verarbeitet. Aus den Sehnen und Knochen wird
Tischlerleim gekocht.^ Aus den Därmen macht man
Saiten. Der Mist wird auf den Acker gebracht, und
dient zur Düngung (Fruchtbarmachung) desselben. In
holzarmen Gegenden bedient man sich auch des tcocke».
nen Mistes zur Feuerung.
V ö g e l,
Die Vögel kommen in Ansehung, ihrer Bildung
Harm mit einander übereip, daß sie alle zwei Füße, zwei
Flüge?, einen hornichten Schnabel und einen mit Federn
bedeckten Körper haben. Die Federn fallen ihnen zwar
in einer bestimmtenIahceszeit aus, aber es wachsen so-
gleich andere wieder. Man nennt dieß das Mausern
der Vögel. Die stärksten Federn sind in den Fittigen
121
Produkte der Erde.
(Flügeln) und im Schwänze. Jene heißen Schwung-
federn, und diese Steuerfedern (warum?)» Ei-
nige Vögel haben gar keine Schwungfedern, und kön-
nen daher nicht fliegen, sondern nur flattern, z. B. der
Straoß, der Kasuar und die Pinguine. Die mehre-
sten Vögel leben auf Baumen, einige im Wasser, sehr
wenige bloß auf der Erde (welche?) und kein einziger un-
ter der Erde. Manche haben freie, ungebundene Zehen;
bei andern sind die Zehen durch eine Schwimmhaut ver-
bunden, z. B. bei den Gänsen Enten, Schwäne» u« a.
Sehr viele Vögel verändern ihren Aufenthalt i»
gewissen Jahreszeiten, und heißen daher Strich, oder
Zugvögel. Sehr merkwürdig ist es, daß sie, nach
einer so langen Abwesenheit, immer ihre alten Nester
wiederfinden. Die Drosseln und Krammetsvogel ziehen
in unzähligen Schaaren nach Italien, und halten
dort Nachlese in den Weinbergen. Die Lerchen ziehen
am späteste» von uns weg. Kein einziger Vogel hat
Zahne, sondern diese Thiere müssen ihre Speise ent-
weder mit dem Schnabel zerbeißen, oder ganz verschlu-
cken. Bei denjenigen Vögeln, welche Saamen fressen,
und ihn ganz verschlucken, geht die Speise nicht sogleich
in den Magen, sondern wird zuvor im Kropfe oder
Vor. Magen eingeweicht. Sehr viele Vögel verschlu-
cken kleine Kieselsteine, und auch diese befördern die
Verdauung der Speisen. Verschiedene fleischfressende
Vögel, wie die Eulen, Eisvögel u. a. können die
Knochen, Haare und Graten der kleinen Thiere, welche
sie verzehrt haben, nicht verdauen, sondern geben sie,
in eine runde Kugel geballt, nach der Mahlzeit wieder
von sich. Der Schnabel dient den Vögeln nicht bloß
zum Beißen, sondern auch zum Putzen der Federn, zum
Baue ihrer Nester, zum Eintragen des Futters, zur
Vertheidigung, und bei einigen, z. B. bei den Papa-
geien, sogar zum Klettern. Wenn die Vögel sich ge-
badet haben, so drücken sie mit dem Schnabel die Fett-
drüsen am Steiße, aus welchen dann ein feines Oel
dringt, und nun ziehen sie die Federn durch den mit
Oel benetzten Schnabel, oder bestreichen sie mit den
Zehen, woran ebenfalls Oel sitzt. Das Gesicht ist
bei den Vögeln überaus scharf. Die Henne bemerkt ei-.
L2L
Produkte der Erbe.
rren Habicht in einer Entfernung, wo ihn kein menschli-
ches Auge erblickt, und die Rothschwänzchen sehen auf
dem Gipfel des höchsten Baumes das kleinste Insekt sich
bewegen. Die Eulen sehen des Nachts am schärfsten, und
ihre Augen leuchten. Andere Vögel haben einen überaus
fchaken Geruch, z. B die Elstern, welche bei hartem
Froste eine unter der Erde verborgene Made riechen. —
Die Vorsicht und Klugheit, mit welcher die
Vögel ihre Nester gerade an solchen Orten anlegen,
wo sie am leichtesten ihre Bedürfnisse befriedigen, und
sich gegen ihre Feinde schützen können, ist höchst be-
wundernswürdig, so daß man ihnen fast menschliches
Nachdenken und verständige Überlegung zutrauen möch-
te. Eben so vorsichtig wählt jede Gattung die Bau-
Materialien zu ihrem Reste. Diejenigen Bögel,
welche in heißen Himmelsstrichen, oder an schattigten
Orten nisten, nehmen zu ihrem Baue nur leichten und
einfachen Stoss, z. B. Zweige, Wurzeln, Heu, Stroh,
Schilf und Laub. Andere aber nehmen, außer diesen
Materialien, noch Lehm, Mist, Moos, Haare, Wolle,
u. dgl. m. Das Weibchen ist gewöhnlich die Baumei-
sterin; ^nur bei den Schwalben verstehen sich beide Ge-
schlechter auf das Nesierbauen. Die Gestalt der Re-
ster ist bald mebc,-.bald weniger künstlich. Manche
Vögel, wie die Schnepfen, Trappen , Kibitzeu. a. ma-
chen sich bloß ein einfaches Lager von Reißholz und
Strohhalmen auf der platten Erde; andere bereiten sich
ein kunstloses Bette tu den Löchern der, Mauern, in den
Spalten der Berge, und in bohlen Bäumen, z B. die
Spechte. Hetzer, Dolen, Wiedehopfe, Sperlinge u. a.
Sebr nrele besonders unter den Hübnern, Tauben und
Singvögeln geben ihrem Neste die Gestalt einer Halb-
kugel oder einer Schüssel; andere, wie der Faunkönig,
die Gestalt eines Backofens, noch andere die Form ei-
nes Beutels. — W"nn das Nest gebauet ist, so legt
dis Mutter ihre Eier hinein. Die F«hl der Eier ist
bei den verschiedenen Gattungen der Vögel sehr ver-
schieden. Viele Wass-rvögel legen jedesmahl nur ein
«nttges Ei, die mebresien Tauben legen zwei, die
Mösen drei, die Raben vier, die Finken fünf, die
Schwalben 6 bis 8 Eier. Rebhühner und Wachteln
Produkte der Erde. 12z
legen wohl vierzehn, und die Haushühner mehr als 50
Eier, wenn man sie gut füttert, und ihnen die Eier
nach und nach wegnimmt. Nimmt man sie ihnen nicht
weg, so bebrüten sie die Eier, d. h. sie setzen sich dar-
auf, und bleiben so lange darauf sitzen, bis die Kü-
chelchen die Schaale des Eies durchbrechen, und aus-
kriechen können. Dieß geschieht bei den Hühnern am
Ende des ein und zwanzigsten Tages; aber schon am
Neunzehnten Tage giebt das Hühnchen in dem Ele ei-
nen Laut von sich. — Manche Vögel werden sehr alt.
Die Adler und Papageyen können ein Alter von 100
Jahren erreichen, und die Schwäne sollen 200 bis Zvo
Jahr alt werden. Gänse, Finken, Stieglitze und Tau-
ben werden über 20 Jahr alt.
Der Nutzen, den die Vögel sowohl in der Natur
überhaupt, als besonders für den Menschen stiften, ist
überaus groß. Verschiedene Raubvögel, z. B. Geier
und Naben, verzehren das Aas, welches durch seine
Ausdünstung die Luft vergiften würde. Die Krähen,
die Würger und andere Vögel fressen viele Feldmäuse
weg, deren zu große Vermehrung leicht Mißwachs mv
Ursachen würde. Unzählige schädliche Insekten werden
von Vögeln vertilgt und die Erfahrung hat gelehrt, daß
die gänzliche Ausrottung mancher für schädlich gehalte-
nen Vögel, z. B. der Sperlinge und Krähen, die Folge
hatte, daß das Ungeziefer sich unglaublich vermehrte, '
und unersetzlichen Schaden anrichtete. Die Störche und
Reiher vermindern die Frösche, Schlangen und Ei-
dechsen. Die Enten reinigen die Gärten von schädli-
chen Schnecken; die Sperlinge, Meisen und Schwal-
ben verzehren eine große Menge der schädlichsten Rau-
pen, Insekten und Wärmer. Unzählige Vögel find ge,
fchäftig, das Unkraut zu vertilgen, und leisten dadurch
dem Menschen einen sehr großen Dienst. Andere sor-
gen für die Vermehrung und Fortpflanzung nützlicher
Tbiere und Gewächse auf eine höchst merkwürdige Art.
Wir wundern uns oft darüber, daß auf den höchsten
Mauern, und auf steilen Felsen, wohin kein Mensche
kommen kann, Weidenbäume und große S^räscher des
Dogelbeecbaumes sieben; die Drosseln habe« sie dabin
gepflanzt. Sie verschlucken nämlich die Saamenkör-
124 Produkte der Erde.
«er, geben sie unverdaut wieder von sich, und verpflan«
zen sie eben dadm ch an Oerter, welche keine Menschen-
hand erreichen kann. Auf ähnliche Art tragen die wil-
den Gänse auf ihren Zügen den Fischroggen in entfernte
Teiche über. Die Seevögel düngen durch ihren Mist
kahle Felsenklippen und Küsten, worauf nachher man-
che nutzbare Pflanze vorkommt. Für den Menschen ins-
besondere sind die Vögel freilich nicht in dem Grade
brauchbar, wie es die Saugethiere sind, allein sie ge-
währen ihm auch doch verschiedene eigenthümliche Vor-
theile. Cr benutzt das Fleisch, die Eier und das Fett
von vielen, z. B. von den Gänsen, Enten und Hüh-
nern, zu seiner Nahrung, und gebraucht ihre Federn
zum Ausstopfen der Betten, zum Schreiben, zu Pinsel-
Futteralen, zu Pfeilen, Angeln und zum Putze. Auch
zur Härtung des Stahles, zur Bekeilung musikalischer
Instrumente, in Apotheken zum Filtrirey, unh auf man-,
che andere Art sind die Vogelfedern nutzbar.
Der Schaden, den die Vögel anrichten, ist unbe-
deutend, wenn man ihn mit den Vortheilen vergleicht,
welche sie uns verschaffen. Einige Raubvögel, z. B.
der Condor (der größte unter allen fliegenden Vö-
geln), der Lämmergeier u. a. tödten Füllen, Kälber,
Ziegen und Schaafe. Der Fischadler und viele Waffer-
vögel sind den Fischen verderblich, und besonders ihrem
Laiche. Die Falken, Habichte, Sperber, Neüntödter
und Elstern stellendem Hausgeflügel nach, und würgen
es. Auch die Störche, welche von abergläubischen Men-
schen für segenbringende Thiere gehalten werden, sind
sehr schädliche Raubvögel; denn sie fressen nicht, bloß
Frösche, Schlangen, Heuschrecken, Feldmäuse und
Maulwürfe, sondern auch junges Federvieh, Lerchen,
Bienen, Fische und Fischlaich. Die Sperlinge und
manche Singvögel schaden der Saat, den Weintrauben
und den Obstbäumen». Auch werden nicht bloß brauch-
bare Gewächse, sondern es wird eben so wohl wuchern-,
des Unkraut durch die Vögel verpflanzt..
Amphibie n.
Die Amphibien unterscheiden sich vorzüglich
Dadurch von den Säugethieren und Vögeln, daß sie
Produkte der Erde. 12Z
kein warmes Blut haben. Ihr Körper ist daher bestän-
dig kalt. Von den Fischen unterscheiden sie sich dadurch,
daß sie durch Lungen Luft schöpfen. Merkwürdig ist eS,
daß sie das Athemholen sehr lange entbehren können,
daher z. B. Kröten in einem engen Baumloche, und so-
gar mitten in Steinblöcken, wo sie wie eingemauert si-
tzen, geraume Zeit leben. Auch ein sehr hoher Grad
von Hitze und Kälte tödtet sie nickt, denn Man hat Bei-
spiele von Fröschen, welche in dichte Eisschollen einge-
froren waren, und doch noch lebten, als das Eis ge-
schmolzen war. Die meisten Amphibien geben eine
Stimme von sich, z.B. die Frösche quaken; einige aber
z.B. die grünen Eidepen, scheinen gänzlich stumm zu
seyn. Sie haben eine sehr verschiedene Bildung, denn
einige sind vierfüßig, wie die Schildkröten, Frösche und
Eidexen, andere haben einen langgestreckten, röhrenför-
migen, dünnen Körper, ohne Füße und ohne irgend ein
äußeres Bewegungswerkzeug, z. B. die Schlangen.
Diese können sich nur dadurch von einem Orte zum
Andern bewegen, daß sie ihren Körper zusammenziehen
und wieder ausstrecken. — Einige Amphibien haben
eine knöcherne Schaale zu ihrer Bedeckung erhalten,
vdere bornartige Reifen, oder zahlreiche kleine Schilde,
oder Schuppen; noch andere haben eine nackte, nur
mit Schleim überzogene Haut, z» B die Laubfrösche.
Die Mehresten häuten sich von Zeit zu Zeit. Merk-
würdig ist eS, daß manche Amphibien plötzlich rhce
Farbe ändern, wie z. B. der Laubfrosch Und verschie-
dene Eidepen, besonders das Chamäleon. Daher ist
es gekommen, daß man von einem veränderlichen Men-
schen sagt: er sey ein wahres Chamäleon. Einige Ei-
dexen und Schlangen haben eine überaus schöne bunt-
gefleckte Haut. .Die Nahrung der Amphibien, beson-
ders der Schildkröten und der Schlangen, ist sehe
rnanmchfaltig. Manche nähren sich bloß von einigen
Gattungen lebender Insekten. Fast alle Amphibien
können bewunderswürdig lange fasten. -Ein Sala-
mander kann mehrere Monate lang obne Speise leben,
und man bemerkt nicht einmal, daß er dabei beträcht-
lich abzehrt. Von Schildkröten weiß man, daß sie ge-
gen anderthalb Jahre ohne alle Nahrung ausdauern
126 Produkte der Erde.
können. — Noch bewundernswürdiger, als diese Zä-
higkeit ihres Lebens, ist die Schnelligkeit, mit welcher
den Amphibien verlorne Glieder wieder wachsen. Ei-
nem Wassermolche, dem man ein Auge ausschnitt, wuchs
innerhalb io Monaten ein neues, nur etwas kleineres
Auge wieder. — Einige Amphibien, vorzüglich einige
Schlangen, Arten, haben ein Gift bei sich, womit sie
sich gegen ihre Feinde vertheidigen. — Wahrscheinlich
bringen alle Amphibien ohne Ausnahme die kältern Win-
tecmonate in einer Erstarrung zu, und zwar zum
Theil in großen Haufen, wie z.B. die Frösche und Sa-
lamander. Fast alle Amphibien legen Eier; aber man-
che, besonders unter den Schlangen, geben die Eier
nicht eher von sich, als bis das darin befindliche Jun-
ge beinahe seine völlige Ausbildung erhalten hat. Sie
wachsen sehr langsam, leben aber auch zum Theil sehr
lange. Man hat Beispiele, daß Schildkröten über 125
Jahre gelebt haben, und wahrscheinlich können also die
Schlangen und Krokodille noch älter werden. Der Kro-
kodil! ist unter allen den Thieren, welche im süßen Was-
ser, d. h. in Seen und Flüssen leben, das größte; denn
er erreicht eine Länge von 5o Fuß. Er tödtet Men-
schen und größere Thiere. Das Weibchen legt gegen
loo Eier, welche kaum die Größe eines Gänse.Eies ha-
ben. — Die Schildkröten leben theils im Meere,
theils in Flüssen. Die Riesen, Schildkröte ist länger
und größer, als ein Ochse, wiegt zuweilen 8 Centner,
und kann Lasten von mehreren Centnern auf ihrer knö-
chernen Rücken forttragen. Alle Schildkröten sind
nemlich mit einer knöchernen, sehr festen Gchaale be-
deckt, deren Obertheil mit breiten hornigten Schuppen
(Schildpatt) belegt ist. Diese Schuppen sind bei man-
chen Gattungen so stark und schönfarbig, daß sie zu al-
lerlei Kunstsachen, besonders zu Dosen und Uhrgehäusen,
verarbeitet werden. Die See, Schildkröte legt
mehrere 100 Eier, und bat ein sehr schmackhaftes Fleisch.
Die Krö 1 e ist nicht giftig. Die grünen Wasserst--
sch e find schlau und muthig. Sie verzehren Mäuse, Sper-
linge, und selbst junge Enten. Sogar über große Hech-
te werden sie Herr. Sie sind eßbar. Die Schlangen
leben theils iiy Wasser, theils auf der Erde, theils auf
127
Produkts tcs Erde.
Bäumen. Cs gwbt Schlangen von 40 biS Zo Fuß
.Lauge. Sie können Thiere verschlingen, welche weit
dicker als sie selbst sind, weil ihre Kinnladen sich sehr
weit ausdehnen, aber kauen können sie nicht.
Fische.
Die Fische unterscheiden sich durch ihre mit Grä-
ten versehene Flossen und durch den Mangel der
Lunge« von allen übrigen Thieren. Statt der Lungen
haben sie Kiefern oder Kiemen erhalten. Oie
Flossen oder Floßfedern bestehen aus knorplichen Gra-
ten, welche durch eine feine Haut mit einander verbun-
den sind. Sie scheu am Rücken, am Schwänze, ander
Brust und am Bauche, und vermittelst dieser verschie-
denen Flossen können sich die Fische sehr mannichfaltig
und schnell bewegen. Die Kiemen liegen an beiden Sei-
ten des Kopfs, und bestehen aus feinen Fasern, welche
an Gräten sitzen. Mehrere große Schuppen, welche die
Form eines halben Mondes haben, bedecken die Oeff-
nungen der Kiemen, und heißen daher K i e m e n, D e-
ckel. Indem der Fisch durch den Mund Wasser ein-
sangt, drückt er die K-emen, Oeffnungen so lange zu,
bis die in dem Wasser erhaltene Luft in die feinen Blut-
Gefaße, welche in den Kiemen liegen, eingedrungen ist;
durch die Kiemen,O-ffuung geht sie dann wieder fort. —
Deo Körper der Fssche ist mit hornartigen Blättchen
(Schuppen) bedeckt, welche noch mit einem besonde-
ren Schleim überzogen sind. In dem Bauche der Fische
befindet sich eine Blase, welche das Schwimmen erleich-
tert, und daher die Schwimmblase heißt. Manche
Fische halten sich nur in Seen, Flüssen und Teichen,
andere nur im Meere auf. Die lehtern werden G e e-
. fische genannt. Der Aal und die Muräne können auch
einige Zeit im Trocknen aushalten. Manche Fische kön-
nen sogar in warmen Quellen ausdauren. Die Eier,
welche die Fische von sich geben, heißen Roggen,
wenn sie noch in dem Leibe des Fisches sitzen ; bat sie
der Fisch schon von sich gegeben, so werden sie Laich
genannt. Beim Laichen oder Eierlegen kommen viele
Fische an das Ufer, um im Schilfgrafe oder an Klip-
128 Produkte der Erde.
pen ihre Eier zu legen, wo sie dann durch die Sonnen-
wärme ausgebrütet werden. Die meisten Fische leben
von Wasserpflanzen, kleinen Thieren und allerlei Un-
rath, Einige sind Raubfische, diese nähren sich von an-
dern Fischen, und haben deswegen Zähne in den Kinn-
laden. Die Häringe, und einige andere Fische machen
zu bestimmten Jahreszeiten, in unermeßlichen Schaacen
weite Züge im Meere. Ein besonders merkwürdiger
Fisch ist der Aal. Ec lebt mehrenthcils vom Raube.
Der gemeine Aal ober der F l u ß, A a l kann nur sehr
kleine Fische verschlingen, und lebt daher meistens von
Würmern, Insekten und Fischlaiche. Ec liegt bei Tage
und während der Winterzeit im Schlamme, und geht
des Nachts aufs Land, wo er sich die Erbsen und dett
jungen Weihen sehr wohl schmecken läßt. # Die Fluß-
Aale werden an zo Pfund schwer, und gebühren leben-
dige Junge. Der Zitter, Aal, welcher in unseren
Flüssen nicht gefunden wird, bringt demjenigen, wel-
cher ihn berührt, eine heftige Erschütterung bei. Dieß
findet auch noch bei einigen andern Fischen statt. — Die
Schollen haben beide Augen an einer Seite deS
Kopfs. — Der Lachs gehört zu den Zug-Fischen,
und wird bis 60 Pfund schwer. Ec zieht aus dem Meere
weit in die Flüsse hinein, sobal^der Frühling gekommen
ist. Im Herbste kehrt er wievec in das Meer zurück. —
Der H e.ch t ist m sehr gefräßiger Fisch, und wird biS
i2 Pfund schwer. Ec fccht Frösche, Mäuse und viele
Fische, besonders dis Karauschen. Der Karpfen wird
an 2 Ellen lang, bis 30 Pfund schwer, und kann 100
Jahr alt werden.
Insekten.
Die beiden letzten Klassen oder Abtheilungen deS
Thierreiches, die Insekten und die Würmer, un-
terscheiden sich schon dadurch von den vorhergehen-
den, daß sie kein rotbeS Blut, sondern statt dessen
einen weißlichen Saft in ihrem Körper haben. Ih-
ren Namen haben die Insekten daher, weil Kopf,
Brust und Hinterleib an ihnen wie durch Einschnitte
von einander abgesondert sind, ja bei den mehre-
sten fast nur durch einen Faden, mit einander ver-
Produkte der Erbe. >29
bunden zu seyn scheinen; denn Insekten bedeutet so viel
als Thiere mit Einschnitten. Außerdem unter-
scheiden sie sich noch durch die Fäden, welche sie an der
Stirn tragen (Fühlhörner), und durch die Fahl ih-
rer Füße, denn sie haben wenigsten- sechs; manche aber
auch i2, 20, ja bi- 100 und i5o Füße. Es ist übri-
gens ein großer Unterschied unter den Insekten, schon
in Ansehung der Bedeckung ihres Körpere. Gehr viele,
z. B. die Käfer, sind mrl einer hornartigen Decke über-
zogen, unter welcher ihre kleinen Flügel liegen; andere
find mit feinen Haaren bedeckt; bei den Schmetterlin-
gen und einigen andern Insekten sind die Flügel mit klei-
nen Federchen, oder vielmehr mit Schuppen versehen,
die zum Theil von den schönsten Farben sind, so wie sich
überhaupt unter den Insekten Thiere von unbeschreibli-
cher Schönheit finden. — D'e Fühlhörner sind den
Insekten als Werkzeuge des G fübls sehr nützlich, be-
sonders deswegen, weil sie ihre Augen nicht bewegen
können, und weil ihre harte äußere Decke ganz unem-
pfindlich ist. — Fast auf alla Tbieren sind Insekten
anzutreffen, und sogar unter den Insekten giebt es ei-
nige, z. B. Käfer und Bienen, auf welchen andere In-
sekten, nämlich Milben und Läuse, sich befinden Auch
giebt es nur sehr wenig« Gewächse, auf welchen nicht
irgend eine Art von Insekten ihre Wobnung und ihren
Aufenthalt hätte; ja manche unter ihnen, z. B die Ei-
chen, werden von mehr als ivo verschiedenen Gattun-
gen von Insekten bewohnt -- Nur wenige Insekten
leben in gesellschaftlicher Verbindung. Manche, die
in zahlreicher Gesellschaft ausgewachsen sind, wie z. B.
die Spinnen, zerstreuen sich bald nachher, und leben
einsiedlerisch. Die mehresten Insekten bauen sich über-
aus künstliche Wohnungen oder Gehäuse, oder sie
spinnen sich ein, um ihren langen Todesschlaf zu beste-
hen. Bewundernswürdig ist di- Kunst, mit der sich ei-
nig« Arten von Infekten ihre Nahrung zu verschaffen
wissen. Wer kann Spinngewebe betrachten, ohne
über die Kunst des kleinen Thieres zu erstaunen? Eben
so erstaunenswürdig ist die trichterförmige Fallgrube,
welche der Ameisenlöwe, ein Insekt von der Größe ei-
ner Fliege, in lockerem Sandboden zu machen weiß.
rzo Produkte der Erde.
Er scharrt sich selbst unten bis an den HalS in den Sand,
und lauert nun auf dre Ameisen, welche unversehens
an den Rand seiner Grube kom men, und am d^m lo-
ckeren Sande hmadschurren. — H-chst merkwürdig
find die Gebäude, welche die weißen Amersen, die
in Afrika und A ierrka gefunden werden aus Thon und
Lehm aufführen S e sind kegelförmig, meist m»t Meh-
rern Sp tzen besitz', inwendig hoch ausgewörbt, oft io
bis 12 Fuß hoch, und zuweiten so zahlrr-ch dey einander
angelegt, baß sie in der Ferne bas Ansehen eines Dorfs
haben. Die Wände sind mit großen weiten Gangen
durchzogen, aber doch so fest gewölbt, daß sie mehrere
Menschen tragen. — Eben so merkwürdig ist die Woh,
nung der Bienen, der Bienenstock mit seinen künsili-
chen Zellen, die keine Menschenhand so regelmäßig nach-
zudlloen im Stande wäre. — Bei der Art, wie sich die
Insekten nähren, ist es sehr auffallend. daß sie nicht
bloß essen, um satt zu werden, sondern um zugleich Aas
aufzuzehren, oder um andere schädliche Insekten zu ver,
mindern, oder um Unkraut zu vertilgen: denn ihre Eß»
tust ist ginz außerordentlich groß, und sie find recht ei-
gentlich gefräßig. Eine Raupe verzehrt in 24 Stunden
dreymal mehr, als sie wiegt. —
Die mehresten Insekten legen Eier, welche die Müt-
ter nach einem bewundernswürdigen Instinkt immer
aufs genaueste an solche Orte legen, wo die künftige
Brut am leichtesten und sichersten ihre Nahrung finden
kann. Manche legen z. B. ihre Eier nur in den Kör-
per lebendiger Insekten anderer Art, in Raupen, oder
in Puppen, oder gar in die Eier anderer Insekten.
Nur wenige Insekten gebähren lebendige Junge. Die
geflügelten Insekten nehmen mehrere Gestalten an, ehe
fie dem Thiere ähnlich werden, aus welchem sie ent-
standen sind. Diele Veränderung der Gestalt nennt
man die Verwandlung der Insekten. Eigentlich
ist es keine Verwandlung, sondern es kommen dabey
nur diejenigen Theile zum Vorschem, welche so ver-
hüllt find, daß man sie zuvor nicht bemerken konnte.
Das Thierchen. welches aus dem Eie kriecht, heißt
die Larve. So sind die Raupen Larven aus Schiet«
terlingseiern; die Engerlinge sind Larven von Maykä-
Produkte der Erde. igt
ser, viele Maden sind die Larven verse-irdener Fliegen-
Gier. Diese Larven thun nichts, als treffen/ und strei-
fen einigemal ihre Haut ad (hauten sich), worauf sie
eine neue erhalten. Nach einiger Z it verfertigen sie
sich eine Hülle, m welcher sie gewöhnlich still und ru-
hig liegen, ohne zu fress n. In dinier Gestalt heißen
sie Puppen oder Nymphen. Während der Zeit,
da sie io ganz gefühllos und erstarrt in ihrer Hülle ver-
graben zu seyn scheinen, gehr mit ihnen dre große be-
wundernswürdige Veränderung vor, durch welche sie
aus Larven vo kommene Infekten werden, und zu ei-
ner bestia mten Zeit bricht das neue Insekt aus seiner
Hülle hervor. In diesem Zustande w chsen sie nicht
wehr, fc-ffcn wenig ober gar ni.ot, und leben oft nur
einige Stunden/ nachdem sie zuvor ihre Bestimmung
erfüllt, und ihr Geschlecht durch Eierlegen fortgepflanzt
haben. — Einige Insekten sinv eßbar, z. B dre Krebse
und die großen Heuschrecken, welche aber bey uns
nicht gesunden werden. Die Seidenraupe ist dem
Menschen durch ihr schönes Gespinnst überaus nützlich,
denn es läßt sich in einem rangen Faden abwickeln,
und giebt die brauchbare Seide. Nach jener Häutung
wrrd sie größer, und ein'^e Tage nach der vierten Häu-
tung spinnt sie sich ein. DoS äußerste G webe, wel-
ches sie den ersten Tag spinnt, ist sehr unordentlich;
eS giebt die F oretfeide. Am zweiten Tage spinnt sie
ihre zweyte Hülle, auS welker man ordentliche Fäden
erhält; zuktz: kommt noch ein dichter Filz. In Dieses
Hülle nennt man Die Seidenraupen Kokons. Sie wer-
den rn einem Backofen oder in heißem Wasser getödtet,
und dann wird dos Gespir nst abgeh-Spelt. Einige
tödtkt man nicht, und auS diesen bricht, nach etwa z
Wochen, ein weißer Schmetterling hervor/ weicher Eier
legt und siirot. — Die Bienen gehören ebenfalls zu
den Insekten, welche dem Menschen unmittelbar nütz-
lich sind. Unsere Hauobrenen leben in Benenkörben^
oder Bienenstöcken, die wilden leben in hohicn Bäu-
men In jedem Bienenstöcke finden sich dreierlei Arten
von Bienen^ Die äußerlich und innerlich sehr verschie-
den sind/ nämlich eine Kön'gin oder der Weisel, Ar-
beitsbienen und Drohnen. Die Königin hält die ganze
rz» Produkte der Erde.
Gesellschaft zusammen, und erhalt Ordnung und Thätig-
keit in derselben. Sie allein legt Eier, aus welchen alle
übrige Bienen entstehen. Die Arbeitsbienen sind klei-
ner, als die Königin, und ihrer sind 20 bis 60000 in
jedem Stocke. Die Drohnen sind männliche Bienen,
und unter allen die größten. Es find über 1600, und
sie haben leinen Stachel. Wenn die Arbeitsbienen eine
neue Wohnung bereiten wollen, so sammeln sie erstlich
eine Art Kütt, den sie von den klebrigen Knospen ab-
nagen, und an ihre Füße kleben. Damit werden alle
Ritzen und Fugen deö Stockes bis auf die Fluglöcher
verstrichen. Dann holen sie Materialien zum Wachse
herbey. Dieß ist der Blumeustaub von unzähligen Blu-
men und Blüthen. Sie benetzen ihn, und verzehren
ihn dann. Erst in ihrer. Magen verwandelt er sich in
Wachs; so schwitzen sie ihn wieder aus, und verferti-
gen davon die regelmäßigen sechseckigten Zellen. Die-
se dienen theils zur Aufbewahrung des Honigs, theils
zu Nestern für die Brut. Die gefüllten Zellen ver-
schließen sie mit einer feinen Wachsdecke, damit der
flüssige Honig nicht heraus rinne. Vermittelst ihres
kleinen Rüssels saugen sie den süßen Saft aus den Blu-
men ein, schlucken ihn hinter ., und verarbeiten ihn im
Honigmagen, der wie eine kleine Blase aussieht, und
worin der Saft zu Honig wird. Die Königin legt
in jede Zelle ein Ei, und den ganzen Sommer hindurch
Zo bi5 40000. Zuerst legt sie die Eier, woraus Ar-
beitsbienen kommen, dann die zu den Drohnen,
und endlich noch ro Eier, woraus Königinnen werden,
in besonders dazu gebauete Zellen. In einigen Tagen
entsteht aus dem Ei eine Made. Diese wird von den
Bienen sorgfältig mit einem Brey gefüttert, bis sie sich
nach etwa 8 Tagen einspinnt. Dann verschließen die
Bienen die Zellen mit einem Wachsdeckel. Nach eini-
gen Häutungen ist binnen 14 Tagen das Thierchen ei,
ne Biene, bricht durch den Wachsdeckel hervor, wird
mit Honig gefüttert, und fliegt nach einigen Stunden
mit den übrigen aus. Wenn sich in einem Stocke die
Bienen zu sehr vermehrt haben, und besonders wenn
mehrere junge Königinnen da sind, so wird ein Theil da,
von ausgetrieben. Diese nennt Man einen Schwarm.
Produkte der Erbe. 133
Sie folgen der Königin, hängen sich da, wo sie sich
hinsetzt, in einem kegelförmigen dicht zusammengedräng-
ten Haufen, an, werden so in einem leeren Bienenkörbe
aufgefangen, und fangen sogleich an, sich anzubauen.
Sind mehrere Königinnen in den neuen Stock gekom-
men, so findet man die überflüssigen am andern Tage
getödtet vor dem Glocke liegen; denn nur eine kann
herrschen. Dieß geschieht im May und Zuny. Im
August, wenn die Brutzeit vorbei ist, fallen die Arbeits,
bienen über die Drohnen her, und tödten sie. Sobald
die Fröste im Spätherbst« eintreten, verfallen die Bie-
nen, wie die meisten Insekten, in den Winterschlaf,
aus dem sie, wenn die Kalte anhält, erst zu Anfange
de- Frühlings erwachen. — Auch die fleißigen Amei-
sen gehören zu den geselligen Insekten.
Würmer.
Die Würmer haben zwar auch ein weißliches kaltes
Blut, wie die Insekten, aber keine Fühlhörner und kei-
ne eingetenkte Bewegungswerkzeuge. Ihr Körper ist
mehrentheils weich, ganz ohne Knochen, schleimig und
nackt d. h- ohne Haare,^Schuppen und Stacheln. Viele
Würmer wohnen 'in ekntzm festen knochenartigen G e-
h äuse, welches ihnen angeboren ist, z. B. die Schnek-
ken und die Austern. Statt der Fühlhörner haben viele
Würmer sogenannte Fühlfäden am Kopfe, die bei
einigen von beträchtlicher Länge sind. Bei vielen Schnel-
len. Arten sitzen vorn die Augen daran. Manche Wür-
mer haben einen so ein fachen «Körperbau, daß man gar
keine Gliedmaßen an ihnen unterscheiden kann. In
Ansehung der Größe sind sie außerordentlich verschieden.
Es giebt Muschel-Thiere (Conchylien), die gegen
6 Centner wiegen, und dagegen wieder Würmchen,
welche man nur durch ein Vergrößerungsglas erblickt.
Die meisten Würmer hallen sich im Wasser auf, einige
leben blos unter der Erde, und viele blos in dem Kör-
per anderer Thiere, und in den Eingeweiden der Men-
schen, z. B. die Darmwücmer. Manche Arten der
Würmer findet man zwar in großen Haufen bei einan-
der, wie z. B. die Austern, über sie leben doch in Uu
134 Produkte der Erde.
ner geleIrgen Verbindung Ihre Nahrung suchen die
Würmer in allen drey Reichen der Natur, denn manche
fressen auch Erde und Kalk. Viele derselben, beson-
ders un'ec den Schnecken, und auch die Blutige! kön-
nen aufnehmend lange fasten. Einige legen Eier, an-
dere bringen ihre Jungen lebendig zur Wett. Merk-
würdig ist das zähe keben vieler Würmer, und die Wie-
der - Erzeuqungskraft, weiche man an ihnen be-
merkt. Man kunn nämlich manche unter den Wür-
mern zerschneiden, ohne daß sie sterben, und nach kur-
zer Zeit wamsen die abgeschnittenen Theile wieder,--wie
die H.mre und Nagst der den Menschen Unter den
Conchylien sind viele eßbar, und msnche dienen den
Seefahrern »and den Bewohnern der Meereslü?e zu ei-
ner Hauprn hrung. Aus dem Safte der Blackfische
kann man Tinte machen Der Bast der St- ckmuschel
giebt eine Art braune Gerde, die sich sehr gut verarbei-
ten läßt. Mehrere Muschel-A'tm enthalten dre kostba-
ren Perlen, und g d^n d-.s schöne Perlenmntrer,
woraus man Knövfe und Oostn macht. Der Bade,,
sa w-mm ist wahrscheinlich das Gehäuse eines Wurmes.
Unzählige Conchvlien werden zu Kstk gebrannt.
2. Das Pflanzenreich ^der Gewächsreich.
Unter dem N men Pflanzen oder Gewächse ver-
steh: man: Bäume. Sträucher, Kräuter, Gräser,
Schwämme ur.d Moose.
D e Bäume haben einen Stamm, starke Wurzeln,
Aefte Zwerge, Knospen, Blüthen. Blätter und Früchte.
Dre Rinde (Borke) schützt den Stamm. Unter der Rin,
de lugt der Butt, und unter diesem das weiche Holz,
welches man Splint nennt. Indem festen Hylze ist
das Mark eingeschlossen. Qftn Strauch treibt meh-
rere schwache Stämme aus der Wurzel. Diejenigen
Baume, wstche eßbare Früchte trogen, werden Obst-
baume und üile übrigen, von welchen man nur das
Holz gebrauchen kann, Forst bäume oder Wald-
bäume genannt. Auch einige Sträucher tragen eß-
b re Früchte. So wachsen z. B. die Haselnüsse, Sta-
chelbeeren, Johannisbeeren, Berberis - Beeren und
Produkte der Erde- iz§
Himbeere, auch die Weintrauben an Sträuchern.
Die Waldbäume sind entweder Laubhölzer oder
Nadelhölzer. Die letzteren haben sehr schmähte
und spitzige Biäktec, welche man Nadeln nennt, weil
sie wie Nadeln stechen. Unter den Laubhölzern sind
die Erchen und die Buchen die größten und stärkten
Bäume. Auch der Baum, dessen Rinde der Kork ist,
woraus wir Pfröpfe machen, ist ein Eichbaum. Das
Buchenholz braucht der Tischler lieber, als der Z,m-
mermann. Es ist das beste Brennholz, giebt sehr gute
Asche, und wird auch vom Stellmacher benutzt. Die
Bucheckern dienen zur Mast, und geben ein gute-
Oehl Die Hainbuche wird zu Lust Hecken gebraucht.
Ihr zähes Holz giebt gme Dreschflegel, Rollen und
Stampfen. Auch das Holz der Birke, ist sehr brauch-
bar. ES giebt gute Kohlen, und «st- auch ein guteS
Nutzholz. Die Birkenrinde ist f^ft unverweslich. Bir-
kenwasser giebt ein weinartiges Getränk. AuS den Blät,
lern wird däs Schütigeld gemach-, und aus dem Ruß die
Buchdrucker, Schwärze. AuS den Birkenreisern werden
die nützlichen Besen gemacht. — Die Erle (Eller,
E!se), wächst hoch und gerade, und am besten in einem
mor stigen Grunde. Ihr Holz ist besonders zu Wasser-
röhren und Molden bruüchdar; auch läßt es sich schwarz
Le tzen. Die Rinde gebraucht der Gerber, wenn sie auf
der Lohmühle zu Lohe gemahlen ist. — Die Esche
giebt ein sehr gureS Nutzholz für Stellmacher, Drechs,
ler und Tischler. In warmen Ländern wächst eine be-
sondere Acr von Eschen, welche einen heilsamen Saft,
das Manna, ausschwitzen. — Die übrigen Laubhöl-
zer sind: die Ulme (Rüster), die Weide, die Pap-
pel, die Linde, die Traubenkirsche, der Vo,
gelbeerbaum und der Spindelbaum. Die wil-
de Kastanie (Roß - Kastanie), und die Akazie sind
fremde Bäume, welche aber jetzt bey uns häufig, zum
Theil auch schon als kleine Waldungen angepflanzt
werden.
Unter den Nadelhölzern wächst die Fichte
(Roth,Tanne) bey uns am häufigsten. Sie wird 60 bi-
so Fuß hoch, und hat ein sprödes Holz, daß aber der
Nässe und Fäulmß sehr gut widersteht. Die Tanne, ein
rz6 Produkte der Erde.
schöner Baum, wächst vorzüglich in kalten Ländern und
auf Felsen. Sie giebt ein treffliches Bauholz. Von
der Weißtanne gewinnt man den Terpentin. Die Kie-
fer oder der Kienbaum (Föhre) wird besonders zu
Ma' bäumen benutzt. Die Weibmuthskiefer wird
über 50 Ellen hoch, und wächst auch bei uns jetzt häu,
fig. D?r Lerchenbaum trägt seine zarten Nadeln
in Büscheln, wird bis 80 Fuß hoch, und giebt ein gu-
tes Baubolz, denn es wird von keinem Wurme zerfres-
sen. Die Tannen und Fichten liefern das Pech,
einen harzigen Saft, der in großen Kesseln mit Was-
ser geschmolzen, in Säcke gethan und ausgepreßt
wird Das schwarze Pech, welches die Schuster und
die Schiffer gebrauchen, ist eingekochter und getrock-
neter Theer. Der Theer wird aus den feiten Wur-
zeln des Fichtenbaums gebrannt.
Uneer den ausländischen Bäumen, welche zum
Theil bei uns in Treib oder Gewächshäusern durch Kunst
gezogen werden, sind besonders folgende merkwürdig:
den Zitronenbaum, der Pomeranzenbaum,
dessen Früchte auch Orangen genannt werden, (daher
das Wort Orangerie); der Kaffeebaum, dessen
Früchte kle.nen Kirschen ähneln, und die Bohne enthal-
ten; der Theebaum, dessen geröstete Blätter Thee
genannt, und sehrtheuer bezahlt werden; der Gewürz-
nelken. und der Muskatennuß'Bau m; der
Lorbeerbaum und der Zimmtbaum, dessen Rin-
de ein sehr starkes Gewürz ist. Um ihres schönen Hol-
zes willen sind folgende ausländische Bäume merkwür-
dig: der Mabagony'Baum, in Amerika, dessen
braunrothes Holz eine vortreffliche Politur annimmt,
und überaus dauerhaft ist; das Ebenholz, dessen
schwarzes Hob einen schönen Glanz hat, wenn es po-
lirt ist; der Brasilien holz. Baum, aus dessen
Holze man eine schöne Farbe bereitet; der BuchS-
bäum, dessen Holz zu Flöten, Kämmen, Zahnsto-
ch-rn und feinen Gerâîhschaften verarbeitet wird; der
Platanen Baum, welcher auch bei uns jetzt häufig
angepflanzt wird — Eben so merkwürdig sind noch ei-
nige andere ausländische Bäume, welche besonders zur
Ernährung der Menschen dienen, und überaus frucht-
Produkte der Erde. izy
reich find, z B. der Feigenbaum, der nie blüht,
und doch so viel Früchte trägt, die Olive, oder der
Oelbaum, dessen Früchte vorzüglich zur Bereitung der
BaumöhlS benutzt werden; die Palmen, herrliche
Bäume, von welchen einige über ioo Ellen hoch wer-
den, und weder Lseste noch Zweige, sondern blos am
Gipfel einen stacken Büschel Blätter haben. Die K o-
ko s » P a l m e trägt Nüsse von der Größe eines Kinder-
kopfS, in welchem ein Milchsaft enthalten ist, der als
ein erquickendes Getränk genossen wird, und auch ein
schönes Oehl giebt. Die Fasern, womit die Gchaale
der Nuß umgeben ist, werden zu Stricken verarbeitet;
aus den großen Blättern dieses Baumes macht man
Körbe und Hüte, und gebraucht sie zum Decken der Häu-
ser , weil sie sehr dick und fest find. Die Dattelpal-
me hat auch schöne Früchte, auö deren Kernen ein Mehl
gemacht wird. AuS dem Mark der Sagopalme
wird auch ein nahrhaftes Mehl gemacht. — Der
Brotbaum hat eine melonenförmige Frucht, die ge-
röstet wie Weizenbrot schmeckt. Diese Bäume tragen
beständig so reichlich Früchte, daß drey Bäume einen
Menschen das ganze Jahr hindurch nähren.
Bon den Gewächsen, welche als Sträucher und
Stauden wachsen, merken wir uns folgende: den
Kreuzdorn, die Stechpalme mit rothen Beeren, den
Schneeballenstrauch, das Ep heu (Eppich, Winter-
grün), das Geißblatt oder Kaprifolium mit seiner
wohlriechenden Blume, den Kellerhals, dessen Rinde
den Seidelbast giebt, der Blasen auf der Haut zieht;
den wilden Rosensträuch oder die Hagebutte. — Ein
merkwürdiges Gewächs ist der Mistel, welcher nie
in der Erde, sondern nur an Bäumen wächst, eine
Elle hoch wird, und durchfichtige Beeren trägt. Zn
den Sträuchern, welche eigentlich bey uns fremd find,
gehört der Jasmin, der Spanische Hollunder
(Flieder), und der S u m a ch oder Gerberbaum. Bon
ausländischen Sträuchern merken wir uns den Pfef. ^
fer,Strauch, dessen reife Beeren den weißen Pfef-
fer, so wie die unreifen den schwarzen geben; den Spa-
nischen Pfeffer, den Kapernstrauch, dessen Bluten-
knospen, mit Essig und Salz eingrmacht, Kapern hei-
rzK Produkte der Erde.
ßen, und den Bocksbart, von welchen der Gummi
Tragant kommt, dm die Färber gebrauchen.
Eine eigene Gattung von Pflanzen machen die
Farrenkräutec, die Moose und Schwämme
aus Za jenen gehört das Kannenkraut oder Schach»
telhalm, das /»um Policen gebraucht wird. Die Moo-
s: wachsn an Baumen, Sl<inen, Knochen und Fel-
sen. Einige MooSarten überziehen die Moräste, und
aus ihnen cntftchr zum Theil der Torf. DaS Islän,
dische Moos giebt eine sehr gesunde und nahrhafte
Sp-'ise. Ua er den Schwämmen giebt es giftige und
eßbare. I ne haben dunkle und bunte Farben, und
einen hohlen Ssiel. Die Pilze sind eine Art von
Schwamm n Die Morcheln gehören auch zu dieser
Art von G wächsen Eben so die Trüffeln, ein son-
derbares Gewächs ohne Wurzel, Stiel und Blätter,
welches unter der Erde gedeiht.
Z u den Gräsern oder Grasarten gehört alles Ge-
tret de. Der Roggen ist die wichtigste Getreide,
art, weil er das kräftige Brot, unser hauptsächlich-
stes Nahrungsmittel, giebt, und sehr einträglich ist;
denn in manchen Gegenden bekommt man von einem
Scheffel Roggen wohl zehn und mehr Scheffel wieder.
Die übrigen Getreidearten sind: der Weizen, der
Spelz oder Dinkel, die Gerste, der Hafer, der
Buchweizen oder das Haidekorn (welches aber
eigentlich nicht unter die Gräser zu rechnen ist), die
Hirse, der Mais (türkisch Korn), und der Reiß
(daS Haupt - Nahrungsmittel der Bewohner Asiens).
Auch das Rohr, das Schilf und die Bmfcnpfianzen
gehören ru den Gräsern. Das Zucker-Rohr ist we-
gen fernes süß.m SafkeS, woraus der Zucker bereitet
wird, sehr merkwürdig. Es wächst besonders in Afrika
und Amercka. Das Bambusrohr, wovon man bey
uns Spaziecstöcke macht, wird ein starker Baum, und
bekommt Aesie Das Spanische Rohr dient zum Be-
stechten der Rohrstühle und zu Spazierstöcken.
Zu den Pflanzen, welche einen Theil des Feld-
baues ausmachen, gehört der Flachs, der Hanf,
der Hopfen, der Taback und die Rübsaat. Der
Produkte der Erde. 139
Taback ist eine Amerikanische Pflanze. Auch Erbsen,
Linsen und Bohnen, diese sogenannten Hüller früchte,
werden häufig auf dem Felde grauet. Der Mohn ge-
hört ebenfalls zu den Feldtrüchlen. Folgende Pflanzen
find unter dem Namen der F .rvekräutcr bekannt:
der Krapp (Färberröth ), der Wald, d e Scharte (Fär-
berdistel, der meillene wild wachsende Wau, der Sa-
flor, ein DiftelzewächS, und der Safrm.
Unter dem Namen der Gartengewächse oder
Kückengewächse begreift man alle diejenigen Kräu,
ter und Pflanzen, welche entweder als Speisen zude»
reitet, oder als Gewürze an die Speisen gethan werden.
Dazu g hört z B der Blumenkohl, der Wirsing oder
Welschkohl Kohlrabi. Koh'.rübn (Swckrüben), Weß-
kohl, welcher auch als S uerkraut eingemacht wird —
Zu den Rüben und Wurzelgewächsen gehören
die Mohrrüben oder Möhren, die rothen Rüden, die
Runkelrüben, welche oft 10 Pfund schwer sind, und
aus deren Saft man einen guten Z-'cker machen kann,
die kleinen Märkischen oder weißen Rüden, die Pasti«
naken die Zucker- und Haferwurzeln, u. a m. Auch
die Wurzeln der Petersilie, der Rettige, der Radies-
chen und des Meer - Rettigs gehören hlcher.
Eine eigene Art von Gewächsen sind die Zwie-
belgewächse, zu welchen auch einige Blumen-Arten
gehören, z B. die Hyacinthen, Tulpen, Lilien und
Tazetten. Folgende Zw'ebelgewächse sind eßbar, und
werden als Gewürz an die Speisen gethan: die ge-
wöhnlichen Zwiebeln (Bohnen), Schnittlauch, Knob-
lauch, Schallotten.^dec Porrreh, die Rokkambole. —
Die Knollengewächse sind den Wurzel-Gewächsen
ähnlich. Man rechnet dazu den Sellerie und die Ra-
punuka (Rüdenrapunzel), die Kartoffeln,^die Erdäpfel
und die Erdnüsse oder Erdeichein.
Auch die großen Bohnen (Saubohnen), die Vits-
oder Schmink- ohnen, die Gurken. dre Melonen, die
Kürb sse, der Srlat. die Endivien, die Kresse, der
Spargel, der Spinat, die E.dbeere und die Artischocke,
sind G rtengewächse. Foqende Gewürzkräuter
dürfen ebenfalls in keinem gut angebauten Küchengar-
140 Produkte der Erde.
ten fehlen: Körbel, Raute, Salwey, Melis-
se, Pfefferkraut, Portulack, Pimpinelle,
Sauerampfer, Löffelkraut, Majoran, Thy,
miau, Anis, Fenchel, Kümmel, Dill, Dra-
gun, Beyfuß, Genf und Koriander
Von diesen Kräutern unterscheiden sich die Arze-
neykräuter, welche zur Heilung der Krankbeiten ge-
braucht werden. Dahin gehört z. B. das Süßholz,
aus dessen Gaft der Lakrrtzensaft bereitet wird, der
Rhabarber, der Baldrian, die Kamille, die Schaf-
garbe, der Sauerklee, der Löwenzahn, das Johannis-
kraut, die Stiefmütterchen und viele andere.
So heilsam diese Kräuter sind, so schädlich sind einige
andere, welche daher giftige Kräuter genannt
werden. Vor diesen maß man sich sorgfältig hüten,
denn ihr Genuß zieht gefährliche Krankheiten, und so-
gar den Tod nach sich. Es sind folgende: der Schier-
ling, welcher der Petersilie sehr ähnlich ist, und besom
ders an feuchten und schattigen Orten wächst; das Bil-
senkraut mit einergrauen, blau geäderten Blume,
und einem Gaamenbehältnisse, welches den Haselnüssen
ähnlich ist; das Eisenhütchen, eine schöne, blaue,
den Ritterspornen ähnliche Blsme, welche man oft in
Gärten findet: der Stechapfel mit einer langen
trichterförmigen Blume, und einer Saamenkapsel, wel-
che stachlicht, und der wilden Kastanie ähnlich ist; die
Belladonna, eine Staude mit einer blauen Blume,
und einer der Herzkirsche ähnlichen Frucht. Als Arz-
neimittel sind diese Kräuter, wenn sie auf die rechte Art
gebraucht werden, sehr heilsam?
Noch giebt es Kräuter, welche vorzüglich deswegen
angebauet werden, weil sie ein gutes und nahrhaftes
Futter für die Hauslhiere geben. Sie werden daher
Futterkräuter genannt. Von dieser Art sind fol-
gende: der gemeine oder Spanische (rothe) Klee, die
Esparsette, die Luzerne, der Ackecspergel, einige Acten
der Wicken, und selbst die große Brenn, Nessel.
Diejenigen Gewächse, welche vorzüglich um ihrer
schönen oder wohlriechenden Blüthen willen in Gärten
gezogen werdend heißen Blumen. Die meisten gehö-
Produkte der Erde 141
ren zu den Kräutern, nur die Nelken werden zu den Gras-
arten gerechnet. Die bekanntesten sind außer den Ro-
sen, welche zu den Strauch, Gewächsen gehören: Tul-
pen, Hyacinthen, Ionkillen, Tazetttn, Narzissen, Li-
lien, Aurik-ln und Primeln, die Reseda, welche eigent-
lich eine Art von Wau ist, die Levkojen, der Lack (Gold-
Lack), die Viola makronalis, Astern, Ranunkeln, Ritter-
sporen, Tuberosen, Balsaminen, Veilchen und Lupinen.
Unter den ausländischen Kräutern und Pflanzen sind
besonders folgende merkwürdig, weil sie entweder als
Gewürz oder auf andere Art sehr nützlich sind. Der
Ingwer, mit einem schstfähnlichen Stengel, dessen
Wurzeln sehr gewürzhaft sind; die Vanille, ein Ran-
kengewächs mit Schoten, worin die glänzenden und
sehr gewürzhaften Gaamenkörner liegen, welche zur Be-
reitung der Schokolade gebraucht werden; die Ana-
nas, ein Amerikanisches Gewächs, das auch bei UnS
in Treibhäusern, die stark geheitzt werden müssen, häu-
fig gezogen wird, und eine sehr köstliche Frucht bringt;
der Pi sang, ein hochstämmiges Gewächs mit gurken-
ähnlichen sehr schmackhaften Früchten und Z Ellen lan-
gen Blättern ; die B a u m w 0 l l e, welche als Kraut und
als Strauch wächst, und in kleinen Kapseln die schöne
Wolle enthält, aus der man so viel feine Zeuge (Kat-
tun, Zitz Mußelin, Nanking, Bacchend, Kannefaß,
Manschester) macht; der Indigo, ein krautartiges
Gewächs, dessen Blätter eine überaus schöne blaue
Farbe geben; die Aloe mit mehr als Fingerdicken,
langen und stachlichten Blättern, welche daher auch
in Amerika zum Decken der Häuser gebraucht werden.
Don einer Art der Aloe erhält man einen bittern Saft,
der zur Arzney gebraucht wird.
Z Das Mineralreich.
^lle Mineralien lassen sich unter folgende vier
Klassen bringen.
i) Erden und Steine. Unter den verschie-
denen Erden sind wegen ihrer Nutzbarkeit vorzüglich
merkwürdig: die Kiesel.Erde, welche durch Ver-
mischungen mit Laugensalz zu Glas geschmolzen row
i4* Produkte der Erde.
den kann. Der Bergkcystall, der Chslcedon, der Tri-
pel, der Bimsstein, der Feuerstein (Flintenstein), der
Jaspis, der Lasurstein von trefflicher blauer Farbe,
der Granat, und viele andere gehören zu den K'eseln.
Die Thonerde, wozu nicht bloß der gemeine Thon
(Töpferthon, die Porcellain. Erde, der Bolus oder die
Segel-Erde, die Wrlker,Erbe (welche leicht Fett ein-
faugr), der Allaunrhon, der Thon Schreier, Tafel-
Sch.efer und Dach-Schiefer, sondern auch manche edle
'Sterne, z. B der Saphir, Rubin, Smaragd, Top s
und andere gerechnet werden, weil ihre Bestand h?i!e
thonarug und auf eine für uns unbegreifliche Werfe so
ausnehmend hart, durchsichtig und feurig geworden
sind. Eine besonders merkwürdige Eteinatt ist der La«
vez stein oder Top f stein, welcher so weich aus der
Erde kommt, daß er sich wie Holz drechseln iäßn Mm
macht Keff.l, Töpfe und Lampen daraus. Eine ähn-
liche Eigenschaft hat der Serpentin stein. Die Klk-
Erde hat das E:gene, daß sie sich mit Wcsser ecyitzt.
Sir wird zum Theil so hart, daß sie am Srahl Funken
gibt, und manche sehr schöne Sceine sind eigen'lich
nichts anders, als Kalksteine, z B der Marmor. Auch
die Kreide, der Mergel und derGypsstein sind Kalkarren.
2.) Brennliche Mineralien, welche mit ei-
nem eigenen Gerüche brennen,' oder wenigstens glim,
men, und zur Unterhaltung des Feuers dien n können.
Dahin gehört z B. der Schwefel, der Bernstein, das
Erdöhl (Steinöhl Bergöhli, das Ecdpech (Judenpech,
Asphalt), dm Steinkohle, da§ Reißbleo l Graphit) wor-
aus Bleyftifte und Swmekztrea 1 gemacht werden und
da- auch als Ofenschwärze gebraucht wird. Selbst der
Demant (Diamant) gehört zu den brennbaren Minera-
lien, ob er gleich der härteste unter ollen bekannten Kör-
pern ist, und von keiner Feile angegriffen wird
z ) Die Metalle. S>e sind die schwersten Körper
in d.?r Natur, haben alle einen Glanz weichen man daher
den metallischen Glanz genannt hat, sind biegsam (be-
sonders B!ey und Zmn) dehnbar, so dast sie sich zu
dünnen Blättchen ousaröilen lass n (besonders Gold
und Silber) und zähe, so daß man sie zu Dr th zie-
hen kann, Alle Metalle lassen sich im Feuer schmelzen;
Produkte der Erde. 14z
das Eisen und der Braunstein aber nur bey einem sehr
starken Feuer. Man findet die Metalle in der Erde ent-
weder gediegen d h. rein von allen Beymischungen,
ober vererzt. d h. vermischt mit andern Mineralien,
z. B- mit Schwefel oder Kalk. Bis jetzt kennt man
folgende ly Metalle: Platina, Gold, Silber,
Quecksilber, Kupfer, Eisen, Bley, Zinn,
Zink. Wlsmurh, Spiesglas, Kobalt Nickel,
Braunstein, Wolfram, Molybdän, Arsenik,
UraniUM und Titanium.
Das mit andern Kö pern vermengte Metall, oder
düS Erz wird in den sogenannten Hütten^ gereinigt,
indem man eS erstlich pocht, d. h. mir Hämmern in
kleine Stücke zerschlägt, dann durch Maschinen zu Pul-
ver stampft, dieses durchsiebt oder wascht, und auf
diese Art das reine Erz gewinnt. Manche E!ze werden
vor dem Pochen und Waschen geröstet. Dieß gcscbiht,
indem man wechseisweise eine Schicht Erz, und dann
eine Schicht Holz oder Kohlen aufschülter, und dann
den ganzen Haufen anzündet. Auf diese Art macht man
die Erze mürbe und zum Schmel-en geschickt, und rei-
nigt sie zugleich.
Das Eisen wird sehr mannichfaltig benutzt indem
man entweder Ofenplatten, Kanonen und Kugeln dar-
aus gießt, oder es durch große Hämmer zu Blech schlägt,
oder eS zu Draht zieht. Die Elsenstäbe, (das Siabei-
sen) wird zu Messern, Scheeren, D^gen, Säbeln,
Büchsen, Pistolen, Sägen, Sicheln, Sensen, Schlös-
sern, und vielen andern Dingen verarbeitet.
Aus dem Kupfer machen die Kupferschmiede Kes-
sel, Töpfe, Becken, Dosen, Kannen, Pfannen, Ofen-
blasen und verschiedene andere Gerüche. Durch Mi-
schungen macht man aus dem Kupfer Tomdack und
Messing.
Das Zinn und Bley verarbeitet der Zinngießet;
man schlägt es aber auch zu sehr dünnen Blättchen,
welche Stanio! oder Folie heißen, und zur Belegüng
der hintern Seite des Spiegelglases dienen Da-
Bley wird zu Schroot und Hagel (kleinem SchrooH
i44 Produkte der Erbe.
verarbeitet, auch zwischen Walzen ganz dünn geplat-
tet, und als Fenster- oder Tabacks. Bley gebraucht.
Gold und Silber wird hauptsächlich zu Mün-
zen gebraucht, aber auch von dem Goldschmidt zu al-
lerley Geräeben verarbeitet. Der Goldschläger schlägt
Gold und Silber zu ganz dünnen Blättchen, welche
die Vergolder zu gebrauchen wissen. Auch zu Tressen
wird das Gold und Silber verarbeitet.
VI.
Don dem Menschen.
i. Vorzüge des Menschen.
vergleiche dich selbst mit einem Thiere: das Thier
geht gebückt, du gehst aufrecht. Das Thier kann nur
vor sich sehen, du kannst auch über dich und um dich
sehen, kannst den Himmel mit seinen Sternen, kannst
die Sonne und den Mond betrachten. Du hast Hände,
aber kein Thier hat Hände. Und wie nützlich sind dem
Menschen seine zwey Hände! Er kann damit schreiben,
zeichnen, schnitzen, mahlen, nähen, drechseln, die Pfec,
de regieren, das Brot backen, säen, erndten u. dgl m.
Der Mensch kann sprechen, das Thier nicht. Und wie
gut ist es für uns, daß wir sprechen kennen! Durch die
Sprache geben wir Andern unsere Gedanken, Wünsche
und Bitten, unsere schmerzlichen und unsere angeneh-
men Empfindungen zu erkennen. Könntest du nicht
sprechen, so würdest du in der Krankheit dem Arzt nicht
sagen können, was dir fehlt, und er könnte dir dann
auch nicht helfen.
' Da kannst 60, 70 und 80, ja 90 und roo Jahre
alt werden. Die meisten Thiere werden nicht halb so
alt. Nur sehr wenige erreichen ein eben so hohes Al-
ter, als der Mensch; aber doch einige, z. B. Elephan-
ten, Schildkröten und Adler.
Von dem Menschen. 145
Der Mensch hat mehr Lebenskraft, als die
Threre.
Der Mensch kann in allen Ländern der Erde und
in, jeder Luftart (Himmelsstrich, Klima) leben und
ausdauern, in der warmen, kalten und heißen; da-
Thier aber stirbt, oder wird klein und schwächlich, und
verliert seme Schönheit und Stärke, wenn es aus sei-
nem Vaterlande nach einem fremden Lande hingebracht
wird- Nur wenige Thiere können in jedem Himmels-
striche leben. Auch hieran zeigt sich die größere Lebens-
kraft des Menschen
Das Th. r kann sich zwar auch, wie der Mensch,'
willkührlich (wie es will) von einem Orte zum an-
dern bewegen; aber so mknnichfattrge und so künst-
liche Bewegungen, wie der Mensch, kann es doch mit
seinem Körper nicht machen. Wie langsam und schwer-
fällig bewegen sich Baren, Äffen und Hunde, wenn
man sie auch noch so künstlich zum Tanzen abgerichtet
hat; urch wie ungeschickt und häßlich sehen sie dabei
auS! Der Mensch k-nn sogar, ohne zu sprechen, bloß
durch die Bewegungen seines Körpers, besonders der
Hände, des Kopfs und der Augen, andern seine Ge-
danken und Wünsche zu verstehen geben, er kann die
Gedehrdenspreche reden. Höchstens kann der
Hund durch Krümmen seines Körpers und Kriechen
seine Furcht und Angst, und durch das Wedeln mit
dem Schwanz« seine Freude zu erkennen geben.
Auch das Thier kann für sein Leben, seine Erhal-
tung und Sicherheit sorgen, kann sich gegen Gefahren
und Angriffe schützen; aber bei weitem nicht auf so
mannichfattige Act, wie der Mensch. Dieser hat un-
zählige Mittel, sein Leben zu schützen, und zu erhal-
ten. Ec bsut sich feste Wohnungen, worin er vor
dem Angriff der wilden Thiere gesichert ist, und sich
zugleich vor Kälte. Hitze, Regen und Wind schützen
kann. Ec kennt so viele Kräuter und Pflanzen, welche
die Krak' haben, Krankheiten zu heilen, oder ihn da-
vor zu bewahren. Er kann sich durch Dämme gegen
die tteberichwemniungen des Meeres und der Flüsse,,
durch Gewmsravletter gegen die Verwüstung des Bli-
»46 Don dem Menschen.
tze-, durch Vorrathshäuser gegen Mange! und Hun-
gerSnoth, durch Kleidung gegen Kälte und Regen
schützen.
Wenn du einem hungrigen Hunde Gras hinwirfst,
wird er eS fressend Aber welches Thier wird eS gern
fressen? Wie kommt es, daß kein Hund Gras frißt,
und kem Pferd Fleisch? Weiß der Hund, daß ihm daS
Gras schädlich, und das Fleisch nützlich ist? Nein, er
weiß es nicht; aber er h.rt von Natur einen Trieb zum
Fleischessen, und einen Widerwillen gegen Gras und
Kräuter. Jedes Thier hat von Natur einen Trieb zu
allem, was ihm dienlich, und einen Widerwillen gegen
alles, was ihm schädlich ist. Auch zu gewissen Hand-
lungen, die zu ihrer Erhaltung nothwendig sind, haben
alle Thiere von Natur einen Trieb. So haben alle Vö-
gel einen Trieb, sich Nester zu bauen, und zu fliegen;
die Fische, und auch die Enten, Gänse und Schwäne
haben den Trieb, zuschwimmen; die Katzen, zu klet-
tern und Mäuse zu fangen; die Hunde zu jagen u s. w.
Viele Vögel hchen den Trieb, von uns wegzussehen,
wenn der Wmter heran kömmt, weil sie im Winter
keine Nahrung bei uns finden würden. Wer weiß eini-
ge dieser Vögel zu nennen?
Auch die Menschen haben von Natur Triebe. DeS
Mittags empfindet der Mensch einen Trieb zum Essen,
deS Abends, wenn ec müde ist, zum Schlafen. Kein
Mensch würde gern eine lange Zeit allein seyn, denn
alle Menschen haben einen Trieb, in Gesellschaft mit
ihres Gleichen zu leben. Alle Kinder ahmen daS nach,
was die Erwachsenen vor ihren Augen thun; denn die
Menschen.haben einen Nachahmungstrieb.
Manche von den Trieben, welche die Menschen ha-
ben, bemerkt man auch an einigen Thieren z. B den
Trieb, mit ihres Gleichen in Gesellschaft zu leben. Die
Bienen, die Amessen, die Biber, die Affen leben in
großen Gesellschaften bei einander. Die Gemsen, wel-
che mit unsern Ziegen viel Aehnlichkeit haben, gehen
immer in Gesellschaft auf Nahrung aus, und stellen
Schildwachen aus welche die Andern durch ein star-
kes Pfeifen vor einer drohenden Gefahr warnen müssen.
Alle Zugvögel, und besonders die Kraniche, ziehen in
Von dem Menschen. 147
Gesellschaft fort, und geben sich in der Ferne durch ein
rauhes Geschrei einander zu erkennen, um nicht getrennt
zu werden. Sie fliegen in einer bestimmten Ordnung,
und diejenigen, welche voran fliegen, werden nach eini-
ger Zeit von den hintersten abgelöst.
Oie menschlichen Gesellschaften sind aber doch viel
ordentlicher eingerichtet, und dauern länger, als die der
Lhiere. Die Menschen leben bei einander in Städten
und Dörfern, um sich einander bei ihren Arbeiten und
in der Noth zu unterstützen, sich gemeinschaftlich gegm
Gefahren und Unglücksfälle, besonders auch gegen dir
wilden Lhiere, zu schützen, so daß einer für des Ändern
Sicherheit und Wohlfahrt sorgt.
Die Verbindungen oder Gesellschaften, in welchen
die Menschen leben, sind ferner sehr manmchfaltig.
Vom ersten Augenblicke seines L benS an lebt der Mensch
in der Verbindung mit seinen Eltern und Hausgenos,
sen. Wenn er anfängt seinen Verstand zu gebrauchen,
so tritt er mit Lehrern rmd Mitschülern in Verbindung-
dann auch mit güten Freunden. Nachbarn und Mitbür-
gern. oder Landsleuten, mit Vorgesetzten und Gönnern,
mit seiner Obcigkert.
Manche Menschen leben, wegen des Geschäftes daS
sie betreiben, in besonders vielen und weitfüuftigen Ver-
bindungen. Der Kaufmann steht mit Menschen in als
len Theilen der Erde in Verbindung; denn er bekommt
seine Waaren aus verschiedenen und weit entfernten
Ländern, z B Citronen und Pomeranzen aus Italien,
Wein aus Spanien und Frankreich Kaffee aus Ame-
rika und Asien, oft m-hrere tausend Meilen weit; Ei-
sen aus Schweden, Zinn aus England, Wolle auS
Schlesien u f. w. Zwei Künsten hiben es die Men-
schen zu verdanken, daß sie mit den Einwohnern der ent-
ferntesten Länder in Verbindung stehen können, nämlich
der Schifffahrtskunst und der Schreibekunst. Auf gro-
ßen Schiffen fahren die Menschen über die großen Meere
hinüber, welche die Länder der E^de von einander tren-
nen, und durch die Schrribekunst können sie denen, wel-
che noch so weit von ihnen entkernt sind, ihre Gedan-
ken und Wünsche so gut zu verstehen geben, als ob sie
sich mit ihnen unterrrdeken.
K %
148 Von dem Menschen.
Ein jeder Mensch kann unterscheiden, wrs wahr,
und was falsch ist. Er kann sich unzählige richtige
Begriffe machen, denn er har d>s' Vermögen, zu
denken, und dieß ist sein größter und Herrischster Vor-
zug vor den Thieren. Er sieht z. V em, d.ch er nicht
würde leben können, wenn er nicht Speise und Tran?
zu sich nähme, kerne Kleidung und keine Wohnung
hätte; daß er also diese drei Dinge nicht entbeh»
ren kann. So erhält er einen Begnff von Bedürf-
nissen. Der Mensch kann sich auch aus dem, wüS
er gesehen, gehört, verstanden und begriffen hat, eme
Menge nützlicher Regeln sammeln. E. h t z. B. ge-
sehen oder gehört, daß einer, der unmäßig gegessen
hatte, sehr krank geworden war, und zieht aus dieser
Erfahrung die Regel, daß 'man nicht unmäßig effen
müsse, wenn man gesund bleiben wolle. Oder er hört,
daß der Blitz sich nach den Bäumen hinzieht, und zieht
sich nun daraus die Regel, daß man sich bei einem Ge-
witter nie unter einen Baum stellen müsse. Auf diese
Art lernt er, vermöge seines Verstandes, einsehen, waS
nützlich und was schädlich, was zweckmäßig und zweck-
widrig ist. Du gehst in die Schule, und hast dabei den
Zweck, etwas Nützliches zu lernen, und verständig zu
werden. Aber wenn du nun in der Schule nicht auf-
merksam bist, sondern plauderst, oder spielst, und um-
her gaffst, so handelst du zweckwidrig; denn auf
diese Art kannst du deinen Zweck, verständiger zu
werden, nicht erreichen. — Durch seinen Verstand
wird der Mensch klug und geschickt, und wie be-
wundernswürdig sind die Werke, welche der menschliche
Verstand hervorgebracht hat! Man betrachte nur die
prächtigen Gebäude, die großen Schiffe, den Weber-
stuhl, die Mühlen u. dgl. m. Ohne Verstand wüßte
der Mensch nichts vom Ackerbaue, von Handwerken,
Künsten, und andern nützlichen Erfindungen.
Groß und dankenswerth sind die Vorzüge, wel-
che Gott dem Menschen zugetheilt hat! Wir wollen
uns dieser Vorzüge freuen, und Gott dadurch dafür
danken, dsß wir sie weift und gewissenhaft gebrauchen,
und sie zu erhalten suchen. \
149
Von dem Menschen.
2. Der menschliche Körper.
2ec Körper des Menschen, dieses bewundernswürdige
und höchst kunstvolle Werkzeug der Seele, ist aus vie-
len flüssigen und festen Theilen zusammengesetzt,
und alle diese fast unzählbaren Theile bilden eine Ma-
schine, deren Bau wir nicht oft und aufmerksam genug
betrachten können, weil sie uns vorzüglich die Macht
und Weisheit des Schöpfers kennen und verehren lehrt.
Knochen.
Die Grundstützsn unsers Körpers find die Kno-
chen. S;e sind stark, fest und hart gebildet, damit
sie das Fleisch dcs Körpers unterstützen, und vor dem
Zusammensinken bewahren können. Vermittelst' der
Gelenke si:>d sie alle fest unter einander verbun-
den, die Gelenke aber sind mit Knorpeln verfe»
hen, damit sich die Knochen nicht an einander reiben
können. Jedes Gelenk ist mit starken Bändern ver«
sehen, damit es nicht auseinander gehen kann, und
aus kleinen Bläschen (Drüsen) dringt beständig eine
Fettigkeit in die Gelenke, damit sie geschmeidig bleiben.
Alle durch Bänder und Knorpel unter einander verbun-
dene Knochen, deren man ungefähr s6i zählt, machen
das Gerippe des menschlichen Körpers aus. Die
Knochen haben theils eine röhrenförmige, theils eine
platte oder breite Gestalt, und viele sind inwendig ganz
hohl. Auch die 32 Zähne gehören zu den Knochen.
Sie unterscheiden sich nur dadurch von den übrigen,
daß sie an ihrer Spitze (Krone) nicht mit einer zar-
ten Haut, der Beinhaut, bekleidet sind. Auch die
innere Höhlung der Knochen, welche da- Mark ent-
halt, ist mir solch einem Häutchen belegt. — Das
ganze Knochengedäude theilt man in den Kops, den
Rumpf, und die Gliedmaaßen. Der Schädel deS
Kopfes ist aus verschiedenen Theilen zusammengesetzt,
ob er gleich größrencheils nur aus Einem Stücke zu be-
stehen scheint. Diese Theile heißen: das G t i r n b e i n,
die Scheitelbeine, da-Hinterhauptbein, und
die Schlafbeine oder Schläfe. Die Gesichtskno,
chen sind: das Nasenbein, die Thränender-
ï§o Von dem Menschen.
ne, und die Gaumen deine. Sie bilden die Kinnla-
den »Höhle. In der obern und unîern Kinnlade sind die
Zähne befestigt Das Rückgrat, die Brust, und daS
Becken machen den Rümpf aus. Rückgrat ist eine
Gaule, welche aus 24 Wirbel Beinen besteht, und
den Kopf trägt. Zu oberst stehen die 7 Halswirbel,
dann folgen 12 Rückenwirbel, und dann 5 Lenden-
wirbel. An den Rückenwirbeln sind, vermittelst sehr
fester Bänder, die Rippen befestigt. Sieben von
diesen Rippen sind gekrümmt, und bilden mehrere Bo-
gen, die sich mit dem Brustbeine, einem in der
Mitte liegenden platten und schm .len Knochen, ver-
einigen Sie umgeben die Brusthöhle. Fünf andere
Rippen liegen nicht so dicht am Brustbeine, wie die
obersten, und heißen falsche Rippen — Da, wo das
Rückgrat aufhört, stehen die Hüftknochen zu bei-
den Seiten hervor. Diese sind mit einigen andern ver-
bunden, und bilden die Figur eines Beckens, daher sie
Backenknochen heißen. — Zu den Gliedmaßen gehö-
ren die Arme und Beine, welche einander sehr ähn-
lich sind, und wieder aus verschiedenen einzelnen Thei,
len bestehen. An den Armen unterscheidet man den
Oberarm, den Unterarm, und die Hand; die Beine
bestehen aus dem Ober - und Unterschenkel, und dem
Fuße. Der Oberschenkel fängt sich an der Hüfte an,
und reicht biS an das Knie. Unter der sogenannten Knie»
scheibe fängt sich der Unterschenkel an, welcher bis an
den Fuß reicht.
Alle diese Knochen sind anfangs weich und knorpel-
artig; nach und nach werden sie härter und fester. Bei
ganz jungen Kindern sind z- B- die Knochen dss Hirn-
schädels noch sehr weich, daher man von ihnen zu sagen
pflegt; ihr Kopf sei offen. Im iZlen. und bei man-
chen erst im rosten Jahre werden die Knochen vollkom-
men fest; im Alter werden sie leichter und brüchig.
Muskeln.
Sie dienen zur Bewegung deS KötperS, und ma-
chen das Fleisch desselben aus. Es besteht nämlich,
alles Fleisch auS mehreren hundert Fleifchbündeln, wel-
che dicken Bändern gleichen« «nd dieß sind eben die
Von dem Menschen. ist
Muskeln Jeder Muskel besteht aus einzelnen Fasern,
welche ofr dünner, als Zwirnsfäden, und mit einer fei-
nen Haut, dcm sogenannten Zellgewebe, überzogen
sind. Die Kraft, mit welcher sich die Muskeln zusam-
menziehen und ausdehnen, ist außerordentlich groß, und
wird die Reitzbarkeit genannt. Diese Kraft wirkt
theils mit unserm Willen, wie z. B. wenn wir unsere
Arme oder Beine bewegen, wenn wir gehen, arbeiten,
etwas ergreifen oder festhalten, theils aber auch ohne
unserem Willen (unwillkührlich), wie z B bei der Be-
wegung unsers Herzens und beim Atemholen. Weife
sind daher vom Schöpfer einige Muskeln so eingerichtet,
daß sie nie müde und schlaff werden, sondern immer in
Bewegung seyn können, ohne jemals zu erschlaffen.
Das Herz, die Blutgefäße und die Adern.
Das Herz ist ein hohler, aus starken Fleischbün-
deln zusammengewundener Körper, der unten in dev
Brusthöhle in einem häutigen Sacke, dem Herzbeu-
tel, ruht. Eine Scheidewand theilt die Höhlung des
Herzens der Länge nach in zwei Höhlen, welche die
Herzkammern genannt werden. Jede Herzkammer
ist wieder durch eine Scheidewand in zwei Höhlen ab-
getheilt. Mit diesen verschiedenen Kammern sind die
Adern verbunden. Dieß sind häutige Röhren, oder
zarte Schläuche, durch welche das Blut aus dem Her-
zen in alle Theile des Körpers dringt- DaS Geschäft
des Herzens ist, das Blut in die entferntesten Thüle
deS Körpers fortzutreiben, und es endlich wieder aufzu,
nehmen, um es von neuem ausströmen zu lassen Dieß
nennt man den Kreislauf des Blutes Er wird
vorzüglich dadurch bewirkt, daß das Herz sich mit ei-
ner außerordentlichen Kraft wechselsweise zusammen-
zieht, und wieder ausdehnt. Zunächst strömt das Blut
aus dem Herzen in eine Ader, welche die große
Pulsader genannt wird. Aus dieser ergießt eS
sich in zwei kleinere Adern, dann wieder in noch klei-
nere, mit welchen der ganze Körper gleichsam durch-
stochten ist. Indem das Blut nach dem Herzen zurück-
strömt, nimmt es seinen Weg durch andere feinere Adern,
welche Blutadern heißen, und stießt in die rech-
i; 2 Von dem Menschen.
te Herzkammer, und von da auS seinen Lauf durch den
Körper fortzusetzen. Weile hat es der Schöpfer so ein-
gerichtet, daß alles Blut seinm Weg durch dre Lungen
nehmen muß, denn da diese lockcrn fchwarr migen Ge-
webe beständig mit der Luft angesüßt sind, welche der
Mensch einachmet, so wird das Blut bei seinem Durch-
gänge durch die Lunge abgekühlt und erfrischt. Der
Weg, den das Blut bei seinem Umlaufe zu machen hat,
beträgt ungefähr iZo Fuß, oder gegen 75 Ellen, und
doch legt es diesen Weg in der kurzen Zeit von etwa 5
Minuten zurück. Welch eine bewuudernswÄrdige
Schnelligkeit!
Das Herz eines gesunden Menschen zieht sich i> Einer
Minute sechzig bis achtzigmal zusammen, und also in
einer Stunde drei taulend sechshundertmal; wie erstau-
nenswürdig ist diese Bewegunaskra.ft, brsondcrs, wenn
man bedenkt, daß das Herz sich von selbst, ohne irgend
einen Anstoß, oder Trieb von außen, bewegt. Und
wie sehr müssen wir dabei dir Weisheit des Schöpfers
bewundern, der das Herz so eingerichtet hat, daß sema
Bewegung oder Zusammenziehung und Ausdehnung
nicht von dem Willen des Menschen abhängt, sondern
ohne seinen Willen, und ohne daß er sich dcssen be-
wußt wird, geschieht. Denn wie leicht würden wir
dabei etwas vergessen, und augenblicklich hörte dann,
unser Leben auf.
Wenn du dich erhitzt hast, so dringt eine wäß-
rige Feuchtigkeit aus deinem ganzen Körper, welche
Schweiß genannt wird. Da der Schweiß nur
dann aus dem Körper dringt, wenn dein Blut durch
Laufen oder Arbeit in eine ungewöhnlich schnelle Be.
wegung gekommen ist, so erhellet daraus, daß der
Schweiß vom Blute abgesondert wird, oder sich ab-
seht. Auch die Thränen gehören zu den wäßrigen
Feuchtigkeiten, welche von dem Blute abgesondert
werden. Sie stießen aus kleinen Bläschen, welche
man Drüsen nennt,, und die in den Augenhöhlen
angebracht sind Die Thränenfeuchtigkeit ist für das
Auge sehr wohlthätig, denn sie verhindert, daß das
Auge trocken wird, und befördert die Beweglichkeit
desselben. Auch zur Reinigung des Auges dient diese-
Von dem Menschen. izz
Feuchtigkeit, denn sie spühlt gleichsam den Staub,
und alle andere Unreinigkeiten, welche in das Nuge ge-
flogen sind, aus demselben weg, und darum hat eS
Gott sehr weise so eingerichtet, daß di? Augen sogleich
thränen, wenn sie voll Staub oder anderer Unceintgfeit
find. — Beständig dringt aus unserm Kö-pcr ein
wäßriger Dunst, auch dann, wenn wir nicht fvn>i$cn;
dieser Dunst wird ebenfalls von dem Bure abgeson-
dert. Auch noch eine andere Flüssigkeit, welche salzig
ist, der Urin, wird täglich und sehr häufig von dem
Blute abgesondert. Diese Absonderung geschieht in den
Nieren, welche unten am Räckgrate liegen, und den
Urin in die Blase leiten. D -Her enthalten die Nieren
eine große Menge Blutgefäße, durch welche das Blut
läuft, um sich von der wäßrigen und salzigen Feuchtig-
keit zu befreien.
Von den Lungen und dem Achencholen.
Die Brusthöhle, worin das Herz zwischen den
Lungen liegt, ist mit einer Scheidewand versehen, welche
sie von dem Untecleibe trennt. Diese Scheidewand be-
steht aus einer schnichten Muskel, welche gleich einem
Felle ausgespannt ist. Man nennt sie das Zwerch-
fell, und sie besteht darum au- weichen Muskeln,
damit die zarten Lungen, welche bis auf daß Zwerch-
fell herabhängen, nicht gedrückt werden, oder sich rei-
ben mögen.
Von den zwei Lungen, welche wir haben, liegt
die eine in der rechten, die andere in der linken Seite
der Brusthöhle; daher wird die eine die rechte Lunge
und die andere die linke genannt. Die Lungen sind
weiche, schwammartige Körper, und enthalten viele
Luftgeläße oder Lufrbehälter.
Ader wie kommt denn die Luft in die Lungen
werdet ihr fragen. Dieß geschieht auf folgende Art.
Vorne am Halse fühlet ihr dicht unter der Haut eine
aus mehreren knorpellchten Rmgen zusammengesetzte
Röhre; dieß ist die Luftröhre. Da sie die Luft m
zwei Lungen leiten soll, so theilt sie sich, nahe vor den
Lungen, in zwei Aeste, durch welche die eingeathmete
i54 Von dem Menschen.
Luft in die Lungen geht. Durch den Mund und die
Nrse z;chen wir die Luft ein, weiche dann in dem hin»
irrsten Theile des Mundes, welcher der Schlund
helßr, in die Oeffturng (den Kopf) der Luftröhre hin«
eingeht. Diese Oeffnung ist nur sehr schmal und enge,
gleichsam wie eine Spalte oder Ritze. Indem die ein-
geathmete Lufr sich durch diese enge Spalte drängt,
emstchr brr Ton, den wir Stimme nennen, und
darum nennt man diesen Eingang der Luftröhre die
Stimmritze. Da alle Speisen üder den Eingang
der Luftröhre hmweggkiren müssen, um in die mehr
huttermäcts liegende Speiseröhre zu kommen, so ist
die Summeitze mit einem D'cke! versehen. Denn
» e leicht könnten sonst dre zerkauten Speisen in die
Luftröhre kommen, und so bald dieß geschähe, müßte
der Mensch ersticken.
Die Luit dringt von selbst durch die Luftröhre in
die'Luftqeftße der Lungen, indem sich die Brusthöhle,
yermittelst der R-ppen, und Bauchmuskeln, und ver-
miitclst des Zwerchfelles erweitert, und so bald sich
die Brusthöhle wieder zusammenzieht, wird die einge-
athmete Luft aus den Luftgrfaßen wieder herausgetrie-
ben, und durch die Luftröhre weggeschafft, damit die neu
ringeathmete Luft an ihre Stelle eindringen kann.
Jetzt lasset uns einige Bortheile bemerken, welche
der Mensch von dem mhemhoien hat. Erstlich wird
dadurch das Blut in den Lungen, wo sich durch das
Arhemholen immer frische Luft befindet abgekühlt, und
zugleich von seinen unreinen Theilen befreit, denn diese
setzen sich als Dünste bei dem Durchgänge des Bluts
durch dre Lungen ab, und werden nun mit der aus-
strömenden Luft weggeführt. Hieraus läßt es sich be-
greifen, daß in einer Gmbe, wo viele Menschen bei
einander sind, endlich die Luft unrein und schwer wer-
den muß. Dagegen empfängt nun das Blut wieder
von der eingearhmeken Luft die besten Theile, und wird
auf diese Art durch das Atemholen sehr verbessert.
Indessen geschieht diese Verbesserung des Blutes nur
dann, wenn die Lungen frische, reine Luft eingesogeu
haben.; ist sie unrein und nicht frisch, so wird das
Von dem Menschen. 155
Blut nicht verbessert, sondern verschlimmert, und der
Mensch fühlt Beängstigung und innere H tze. Dar-
um kann man sich in einer mit heißen Dünsten ange-
füllten Stube unmöglich wohl befinden.
Da der Magen, ein häutiger Sack, nahe unter
dem Zwerchfelle siegt, und das Zw<rch ell beim A hcm-
holen in Bewegung gesetzt wrrd io befördert des Ach<m-
holen auch die Bewegung des Magens und d.r übri-
gen Theile des Unterleibes, weiche mit dem Magen
in Verbindung stehen. Also auch d cß ist ein Vorrheil,
den wir von dem Aihemholen haben. Hizu ?ommt
noch dieser, daß eS zur Hervorbringung der Stimme
dient; denn die Töne entstehen, indem wir die Luft
aus der Luftröhre hecausstoß^n, und sie sich durch die
Stimmritze hindurch drängt.
Von der Verdauung der Speisen.
Wenn unser Körper erhalten werden soll, so müs-
sen wrr täglich Nahrungsmittel zu uns nehmen;
denn daS Blut leidet beständig einen sehr merki chen
Verlust, theils durch die Ausdünstung, theils durch die
Säfte, wlche es den verschiedenen Gliedern des Kör«
pecS zutheilen muß, damit sie bestehen können Dieser
Verlust muß wieder ersetzt werden, und dieß ge-
schieht durch den Genuß der Nahrungsmittel Die
Nah'ungsmittel werden nämlich durch mancherlei
Werkzeuge verdaut, d. h in Saft und Blut ver-
wandelt. Der Mund ist das erste Verdauungs-
werkzeug unsers Körpers. Indem die festen Spei-
sen, vermittelst der Zunge, welche auch ein Muskel
ist, in dem Munde fest gehalten werden, sind die Zäh-
ne befchäs.igt, sie zu zerkauen. Zugleich vermischt sich
eine Flüssigkeit mit den Speisen ^ nämlich der Spei,
chel Dieser wird durch Drüsen, oder Bläschen, wel-
che in dem Munde angebracht sind, abgesondert; man
nennt sie Speicheldrüsen.
Wir w'ssm schon aus dem vorigen, daß hinten
im Schlunde, in der Nachbarschaft der Luftröhre,
noch eine andere Röhre ihre O-ffaung hat, welche
die Speiseröhre genannt wird. Die zerkauten^
»z6 Von dem Menschen.
und durch den Speichel angefeuchteten Speisen gehen
nun durch den Schlund in die Speiseröhre, und
beide gehören also zu den VerdauungS, Werkzeugen.
Der größte Theil der Speiseröhre befindet sich in der
Höhle des Unterleibes. Diese Höhle ist durch das
Zwerchfell von der Brusthöhle abgesondert, und der
Beckenrnochen verschließt fie nach unten zu. Jetzt be-
greifen wir, warum dieser Knochen die Gestalt eines
Backens bekommen hat; wnl er nämlich den untern
Enden der Speiseröhre, welche Gedärme heißen, zum
Bchälter dienen soll.
Wollet ihr wessen, auf welche Art dir Spei/eröhre
bis in den Unterleib reicht, so merket euch, daß sie sich
hinter den Herzbeutel an den Bcustwirbelbeinen gerade
-um Zwerchfell hinab, und durch eine Orffnung dessel-
ben in den Unterleib zieht. Kurz nach ihrem Eingänge
in denselben nimmt sie sehr an Weite zu, gleich einem
Kegel
Der Magen, welcher wie ein queer liegender Beu-
tel aus mehreren Häuten gebildet ist, liegt zu oberst,
nahe unter dem Zwerchfelle, hängt mit der Speiseröhre
genau zusammen, und liegt mit seiner rechten Seite an
der Leber, mir seiner linken an der Milz. Aus der
Speiseröhre gehen also bit Speisen unmittelbar in den
Magen, und zwar durch die oberste Oeffnung desselben,
welche der Mag en mund heißt. Hier mischt sich ein
scharfer Saft unter die Speisen, der sich durch die Be-
wegung des Magens aus den Drüsen preßt, die zwi-
schen den Häuten des Magens liegen; er heißt der Ma,
gen fast. — Aber die Speisen sollen nicht beständig
im Magen bleiben, sondern ar-S demselben in die Ge-
därme gefähret werden; darum hat der Magen außer
dem Magenryunde noch eine Ö ffnung erha-ken, durch
welche die Speisen in die Gedärme grleitet werden.
Die Gedärme sind weiche Röhren, welche aus einer
glatten, inwendig schleimickten Haut bestehen. Sie
machen nur einen einzigen Darm» Kanal aus, wel-
cher sechsmal länger ist, als der ganze Mensch. Den-
noch h)ben sie im Unterleibe vollkommen Play, weil
sie eine gewundene Lage haben Den obersten Theil
Kiefer Gedärme nennt man den Zwölffingerdarm,
Von dem Menschen. A 57
der sitzte heißt der Mast - Darm. In dem Zwölssin«
ger-Darm wird der Brei, weicher im Magen aus den
Speisen entstanden ist. noch mehr verdünnt, durch da-
Zusammenziehen starker Muskelfasern zusammengekne-
rer, und mit der Galle, einer bittern und schleimich«
ten Feuchtigkeit, vermischt. Durch diese Vermischung
werden die guten Nahnnigs! heile aus den Speisen ab-
gesondert. So gehen sie dann in die übrigen Därme,
die sie endlich in ezne wcißlrchte milchanige Flüssigkeit
verwandeln, welche der Nahrungs. Saft genannt
wird. *
Ihr könnt leicht denken, daß diese Gedärmeinbe-
ständiger Bewegung seyn müssen, wenn der Nahrungs-
drei aus einem Gedärme in das andere gedrängt, und
zugleich verdünnt werden soll. Die Bewegung der Ge-
därme, so wie des Magens, ist wurm förmig, d.
h. ungefähr eben so, wie die eines Wurmes, der fort-
kriechen will. Ader da die Gedärme in der Höhle deS
Unterleibes durch einander geschlungen liegen, so könn-
ten sie sich bei dieser beständigen Bewegung leicht an
einander reiben, oder in einander wickeln. Um dieß zu
verhüten, sind sie durch eine mit Fett bewachsene Haut,
die man das Gekröse nennt, unter einander vrrbun,
den. Eine andere ebenfalls fettige Haut, das Netz ge-
nannt, halt sie alle, wie in einem Beutel, zusammen,
und verhindert, daß sie nìcht mit dem Bauchfelle zu-
sammenwachsen. Durch einen heftigen Sprung odee
Fall, oder eine übermäßige Anstrengung beim Heben
schwerer Saften samt das Netz Löcher bekommen: dann
treten die Gedärme aus ihrer Lage und der Mensch be-
kommt einen Bruch.
Die Leber, das größte Eingeweide des Unterlei-
bes, dient zur Bereitung der Galle aus dem Blute.
Sie liegt gleich unter dem Zwerchfell, und bedeckt die
rechte Seite de« Magens. Auch die Milz, welche an
der linken Seite deß Magens liegt, und mit ihm genau
verbunden ist, trägt zur Verdauung bei; denn sie führt
der Leber daS Blut zu, und macht es zur Gallen »Ab-
sonderung tauglich. Sie ist, wie eine Zunge, nämlich
länglichrund, gestaltet, und au- vielen Blutgefäßen
und Zellgeweben zusammengesetzt, daher schrvammicht.
158 Von dem Menschen.
Ihr seht also lieben Kinder, daß der scharfe Ma,
gensaft nicht alles bei der Verdauung oder Auflösung
der Speisen thut, sondern daß auch die wurmförmige
Bewegung des Magens und der Gedärme, die daraus
ent eh-noe Wärme, und auch die Luft, welche in den
N hrungsmitteln euch Uten ist, dam mitwirken. Hie-
zu kormm nun noch wie wir gehört haben, die Galle
nebji einigen andern Saften.
Indem sich der Nahrungssaft durch die dünnen Ge,
dörme drangt, bleibt er an der innern flockigten Haut
dieser Gedärme hängen, und hier saugen ihn die kleinen
G äße ein, welche Milchgefäße genannt werden,
well sie den dünnen milchartigen Saft aus dem Nah-
rungsvreie »sehen. Natürlicherweise wird diesor Brei
dadurch d cker, und rn dem Krummdarme, wohin
er nun kommt, verliert er seine Flüssigkeit fast ganz,
indem hier fortdauernd der Milchsaft von den Milchge,
säßen ausgesogen wird WaS nach dieser Aussaugung
am Ende des KrrmmdarmeS zurückbleibt- ist zur Er,
vähcung des Körpers untauglich; die Natur läßt es da,
hrin den dicken Gedärmen in Fäulniß übergehen,
und durch dkcse, besonders durch den sogenannten Mast,
darm aus dem Kö per herausschaffendenn der Aus,
gang des Maftd-rms öffnet sich in dem After, oder
in dem Himercheile des Menschen. Eine Menge Schleim,
die sich in dem M ftdarme befindet, erleichtert die Aus-
leerung des harten Unraths, und macht feine Schärfe
für den Darm unschädlich. Bei einem gesunden Men-
schen geschieht die e Ausleerung innerhalb 24 Stunden
gewöhnlich ein bis zweimal und die Gewöhnung kann
bewirken, daß sie zu einer bestimmten Zeit erfolgt.
Der Nahrungssaft soll, wie wir gehört haben,
im Körper allmähl'g in B!m verwandelt werden, um
so dem Blute immer frische Theile zuzuführen. Da,
mit dieß geschehen möge, so wird er durch die Ge krös-
Drüsen, in welchen eine wäßcichte Feuchtigkeit ent-
halten ist, verdünnt, und dann durch die Blutadern
nach dem Herzen hingeführt, wo er sich erst nach Ver-
lauf mehrerer Stunden in Blut verwandelt. Diese
Verwandlung geschieht unter andern dadurch, daß dar
Von dem Menschen. 159
Herz, vermittelst seiner Muskeln, des mit Milchsaft
vermischte Blut zusammendrückt und reibt.
Von dem Gehirne, dem Rückenmarke und
den Nerven.
Ihr wißt schon, lieben Kinder, daß man den läng-
lichtrunden (ovalen) Knochen, welcher den oberen und
hinteren Theil des KopfeS ausmacht, dre Hirn sch aale
oder den Hirnschädel nennt. Eigentlich müßte man
ihn den Gehirnschädel nennen, denn er hat von dem
Gehirn, welches in der Höhluna des Schädels liegt,
seinen Namen erhalten. Das Gehirn ist der weichste
Theil des Kopfes, und der wichtigste und zarteste Theil
des ganzen menschlichen Körpers; denn die geringste
Verletzung desselben zieht sehr oft augenblicklichen Tod
nach sich. Bewundert daher die Weisheit des Schöp»
fers, der diesen zarten Theil mit einem Knochen um-
geben hat, welcher ihm gleichsam zu einem festen und
undurchdrmglichen Schilde dient. Merket euch hierbei,
daß das Gehirn bei einem Erwachsenen kaum drei Pfund
schwer ist. und daß es beinah den sechsten Theil alle-
des Blutes in sich faßt, welches der Mensch m seinem
Körper hat.
Aus dem Gehirne und Rückenmarke entspringen vie-
le welße Fäden oder Schnüre von verschiedener Dicke,
die sich fast nach a-llen Theilen des menschiichen Kör-
pers verbreiten. Man nennt sie Nerven, und sie
sind häufig mit einander verbunden, oder vermochten.
Sie entspringen alle paarweise. Aus dem Gehirn ent-
springen eilf Paar, aus dem Rück.nmarke über drei-
ßig. D'.e Nerven sind überaus wichtige und noth-
wendige Theile unsers Körpers, denn sie machen durch
ihre Rertz dar keil, daß wir empfinden. Daher
sind auch nur diejenigen Güeder unsers Körpers, in
welchen Nerven liegen, empfindlich, alle andere
aber, z. B- die Nägel, die Haare und die Knochen,
sind unempfindlich. Alle Nerven kommen im
Gehirne zusammen, und daher rührt eS. daß der
Mensch alle Empfindungen verliert, wenn sein Ges
16o Von dem Menschen.
Hirn gedrückt wird, und daß einer, dem die Nerven im
Arm zerschnitten worden sind, an der Hand keinen
Schmerz mehr empfindet, wenn man auch mit einem
Messer hmemschnitte. — Die Nerven sind aber nicht
bloß die Werkzeuge der Empfindung, sondern
auch der Btzwegung; denn sobald ein Nerve zer-
schnitten, oder unterbunden wird- verlieren alle Glie»
der, zu denen der zerschnittene Nerve hingehet, thre
Beweglichkeit, und werden steif.
Vài den Sinnen.
Wenn du mit deinem ginget: an einer Glasscheibe
hin und her fährst, so bemerkst du, d,;ß sie glatt ist,
und du bemerkst dieß nicht durch das Gesicht, auch nicht
durch dein Gehör, sondern durch das Gefühl, wel-
ches du in deinem Finger wahrnimmst? Eben so kannst
du té auch nur d.rch das Gefühl erfahren, ob eine
Sache hart oder weich, kalt oder warm, naß oder tro-
cken, schwer oder leicht ist. Aber ob ein Getränk hit-
ter, oder süß, oder sauer ist, dieß kannst du nicht durch
dein Gefühl, sondern nur durch deinen Geschmack
erfahren Sowohl durch das Gefühl, als durch den
Geschmack, erhältst du Empfindungen und Vorstellun,
gen von den Dingen welche außer dir sind. Kostest
oder schmeckst du den Essig, so haft du durch deine Em-
pfindung eine Vorstellung von seiner Saure erhalten,
und diese Vorstellung könntest du dir auf keine andere
Art, als durch den Geschmack, verschafft haben. Hast
du das Eis angefühlt, so erhältst du eine Vorstellung
von seiner Kälte Auch durch den Geruch. durch das
Gehör und das Gesicht, also durch alle deine Sin-
ne erhältst du Empfindungen und Vorstellungen vow
dem, was außer brr rst. Würdest du z. B. wohl eine
Vorstellung von dem Duft emer Rose haben, wenn
du ihn nicht durch den Geruch empfunden hättest?
Könntest du dir den Knall einer K none und die
schwarze Farbe vorstellen, wenn du jenen noch nie
gehört und diese noch nie gesehen hättest r Beschreibe
einem Blmdgebornen die schwarze Farbe, und einem
Laubgrboriien eine schöne Musik, so gut du kannst.
Von dem Menschen. ,6t
beide werden doch nimmermehr eine deutliche Vorstel-
lung davon erhalten.
Zuerst wollen wir über den Sinn des Gefühls
weiter nachdenken. Wenn wir fühlen wollen, ob et-
was hart oder weich, fält oder warm, rauh oder glatt
ist, so bedienen wir uns dazu der Hand, und vorzüglich
der Fingerspitzen, weil wir in diesen dasfeinsteGefüht
haben. Aber woher kommt es; daß wir mit den Fin-
gerspitzen so fein fühlen können? Weil da die Haut am
dünnsten und weichsten ist, und weil sich da viele Ner-
ven endigen. Aber die Hände sind nicht die einzigen
Werkzeuge der Empfindung, der ganze Körper
ist ihr Werkzeug. Deine Empfindungen sind nicht alle
von einerlei Art. Nicht wahr, du hast eine unangenehme
Empfindung, wenn du aus einer wohlgeheitzten Stube
auf einmal in die Kälte kommst? Aber deine Empfin-
dungen sind sehr angenehm, wenn du aus der Kälte in
eine warme Stube trittst ? Du siehst hieraus, daß deine
Empfindungen eben so verschieden sind, als die Eindrü-
cke, welche die äußeren Gegenstände auf dich machen»
Sind diese Eindrücke nur schwach, so sind es auch
deine Empfindungen; sind sie stark, so hast du auch stär-
kere Empfindungen. Würde nicht deine Empfindung weit
stärker seyn, wenn dir einer deiner Mitschüler aus Un-
vorsichtigkeit die schwere Bank auf den Fuß würfe, als
wenn er dir nur ganz leise auf den Fuß träte? wie hef-
tig ist die Empfindung, wenn man sich den Finger vom
am Nagel klemmt, aber bei weitem nicht so heftig ist
sie, wenn man sich den Arm klemmt, weil man am Ar-
me nicht so empfindlich ist, als am Finger. Ein Stich
in die Fußsohlen schmerzt lange nicht so heftig, als ein
Stich in die Hand oder in den Arm, weil der Mensch
an der Fußsohle eine überaus dicke Oberbaue bat, und
der Schmerz dadurch gemäßigt wird. Durch Gewohn-
heit und Abhärtung kann auch ein Theil des Körpers fast
unempfindlich werden. Dieß ist z. B. bei den Feuer-
acbeitecn, bei Schmieden und Schlössern der Fall. Weil
diese Leute beständig mit dem Feuer umgehen, und die
schweren Hämmer täglich führen müssen, so bekömmt die
innere Fläche ihrer Hände dadurch eine so harte Haut,
daß sie heißes Eisen eine gute Weile in der Hand halten
8
x6£ Von dem Menschen.
können, ohne Schmerzen zu empfinden. Worauf kömmt
es also bei dem Gefühle an? Theils auf die Beschaf-
fenheit des Eindrucks, theils auf den Grad der
Schwäche oder Stärke und Heftigkeit de-
Eindrucks; theils darauf, wie groß oder wie gerin-
ge die Empfindlichkeit des Theils ist, welcher
den Eindruck erhält. Die größte Empfindlichkeit hat
der Mensch im Auge, und darum verursacht ihm auch
schon das kleinste Ding oder Fäserchen, wenn eS iu'S
Auge fliegt, große Schmerzen.
Der Ginn des Geschmacks hat die meiste Aehu-
lickkeit mir dem Gefühle. Die Zungeist das vorzüg-
lichste Werkzeug, wodurch wir schmecken. Fühlst du dio
Oberfläche deiner Zunge mit dem Finger an, so bemerkst
du eine Menge kleiner Erhöhungen, welche sehr reitzbar
sind, weil sich die Nerven in diesen Erhöhungen endige».
Sie heißen deswegen Nervenwärzchen. Diese»
Wärzcben ist es eigentlich zuzuschreiben, daß der Mensch
s'vmecken kann, und darum nennt man sie auch Ge-
schmack s n e r v e n. Da die Speisen nicht einerlei Be-
standtheile haben, so ist es natürlich, daß sie sehr ver-
schieden schmecken. Dazu kommt, daß dieselben Rah,
ruvgsmittel dem einen sehr angenehme, dem andern sehr
unangenehme Empfindungen verursachen, also dem ei-
nen gut, dem andern sehr übel schmecken. Giebt es doch
M-nschen, welche die besten Nahrungsmittel, z. B.
Obst und Butter, nicht essen können, weil sie bei ihnen
die unangenehmsten Geschmacksempfindungen hervor-
bringen. Und dieß geht sehr natürlich zu; denn die Spei-
sen vermischen sich im Munde mit den schon vorhande-
nen Säften des Essenden, und diese Säfte können doch
unmöglich bei allen Menschen von einerlei Art seyn.
Wie viel diese Säfte, und wie viel besonders der Spei-
chel zur Veränderung des Geschmacks beiträgt, sieht
man sehr deutlich an Kranken. Ihr werdet euch erin-
nern: lieben Kinder, daß euch alles bitter schmeckte,
wenn ihr krank wäret, und daß ihr auch vor den beste«
Speisen einen Ekel hattet. Und wie konnte dieß anders
seyn? Eure Safte waren verdorben; mit diesen ver-
dorbenen Säften mischten sich die Speisen, die ibr i«
den Mund nähmet, also mußten fie wohl Witter schme-
Von dem Menschen. r6z
cken. — Der Geschmack lehrt uns übrigens verdor-
bene Speisen von guten und frischen Speisen Wterschei-
den, und bewahrt uns also vor dem Genusse solcher
Nahrungsmittel, welche unS schädlich werden könnten,
so wie er uns dagegen zum Genusse guter Nahrungs-
mittel reitzt, und sie für uns angenehm macht.
Der Geschmack hat einen treuen Gefährten an dem
Ginne des Geruchs erhalten, und sehr weise hat
der Schöpfer das Werkzeug des Geruchs, die Nase,
über dem Mund angebracht, damit der Mensch schon
durch den Geruch von solchen Dingen zurückgehalten
werde, welche ihm schädlich sind, ehe er sie noch zum
Munde führt. Die Nase ist eine aus Knochen und
Knorpel bestehende Höhle, welche durch eine Scheide-
wand in zwei Theile getheilt wird, und vorn und hin-
ten geöffnet ist. Ihre hintern Orffnungm erstrecken sich
bis zum Rachen hinab. Die Nasenhöhle ist innerhalb
mit vielem Schleim überzogen, und darum heißt die
Haut, mit welcher sie ausgefüttert ist, die Schleim-
haut. Sie ist voller Drüsen und Gchlermblascken,
welche beständig, und besonders bei einer Entzündung
der Schleimhaut, den Schleim abfordern. Der dicke
Nasenschleim wird durch die Thcänenfeachtigkeit, wel-
che beständig in die Nase hinabfließt, so lange der Thrä-
nenkanal nicht verstopft ist, verdünnt und flüssig erhal-
ten. Unter allen Ginnen bringt der Geruch die heftig-
sten Eindrücke hervor, denn durch übelriechende Dinge
können Ohnmachten entstehen, und durch gute Gerü-
che kann man die stärksten Ohnmachten vertreiben.
Wer während des Schlafes den Geruch stack duften-
der Blumen beständig einzieht, kann vom Schlage ge-
rührt werden und sterben. — Das, was eigentlich den
Geruch bewirkt, der Duft, ist etwas sehr feines, un-
sichtbares und ungemein flüchtiges, und es giebt nur
sehr wenig Dinge, welche keinen Dust von sich geben,
oder nicht ausdünsten. Durch das Einatbmen und Ein-
ziehen der Lust wird der feine Duft den sie enthält, zn
den sehr empfindlichen Nerven, welche in der Gchleim-
. haut liegen, hingeführt, wo er dann die Empfindung,
Oder den Reitz, welchen wir Geruch nennen, bewirkt»
164 Von dem Menschen.
Darum ist eS auch nicht nöthig, daß man einen Kör-
per dicht an die Nase bringe, um ihn zu riechen. Wenn
man gegen den Wind geht, so kann man schon in einer
weiten Entfernung Dinge durch den Geruch wahrneh-
men. Gehr weit kann man z. B. den Pulverdampf
riechen, und sehr weit durch den Geruch frischen Mist
wahrnehmen, weil die aus diesen stark riechenden Kör-
pern ausgedünsteten öhligen und salzigen Theile in der
Luft schwimmen, und mit der Luft in die Rase einge-
zogen werden, wo sie dann die Nerven mit der Schleim-
haut reißen, und so den Geruch verursachen. — Der
Mensch kann sich an alle Gerüche und selbst av die-
jenigen gewöhnen, welche ihm anfangs Ekel verursa-
chen. — Aber warum gab uns der Schöpfer den
Sinn des Geruchs? Ohne Zweifel, um uns durch
den erquickenden Duft der Blumen und Kräuter, der
Speisen und Getränke zu erfreuen; aber auch deswe-
gen, damit wir im Stande seyn möchten, die Schäd-
lichkeit und Unschädlichkeit der Luft, der Speisen und
Getränke zu unterscheiden; und vorder schädlichen
Luft und den schädlichen Nahrungsmitteln schon durch
den Geruch gewarnt würden. Denn die meisten wohl-
riechenden Nahrungsmittel find heilsam, und die mei-
sten übelriechenden find nachteilig.
Lasset uns über den Sinn nachdenken, welchen
die Kinder besonders beim Unterrichte gebrauchen sollen,
über den Sinn des Gehörs. Ihr wisset alle, daß
die Ohren die Werkzeuge de- Gehörs find; aber ihr
wisset noch nichts von ihrer inneren Einrichtung, und
werdet erstaunen, wenn ihr fie jetzt kennen lernet. Da-
äußere Ohr, ich meine den tänglicht gewundenen
Knorpel, der so verschiedene Vertiefungen hat, ist nur
der geringste Theil eures Obres. Der länglicht runde
Gang, welcher aus dem äußeren Ohre in das innere
fübrt, wird nach innen immer enger. Merkt euch, daß
man ihn den G e h ö r g a n g nennt. Ihr könnt es selbst
fühlen, daß der äußere Theil des Gebörganges knorp-
licht ist, aber sein innerer Theil ist knöchern. Auch
das könnt ihr fühlen, daß in dem Gehörgange ein kle-
briger Saft'befindlich ist, der das Innere desselben
überkleidet; man nennt ihn das O h r e n sch m a lz. Die-
Von dem Menschen. 165
sec Saft ist gelblicht und bitter, und soll das Ohr vor
dem Einkriechen der Insekten beschützen. Eben dazu
sind auch die feinen Härchen da, welche man in dem en-
geren Theile des Gehörganges findet. Zugleich dient
das Ohrenschmalz zum Schutz wider die Luft, welche
sonst die zarte Haut des Gehörganges zu stark reitzen,
und dadurch Schmerzen hervorbringen würde. Die in-
nere enge Oeffnung des Gehörganges ist durch eine läng-
licht runde dünne Haut verschlossen, welche gleich ei-
nem Trommelfelle darüber ausgespannt ist, und daher
auch das Trommelfell genannt wird. Hinter dieser
Haut ist eine kleine Höhle, welche durch eine Röhre mit
dem Schlunde in Verbindung steht; sie heißt die Trom-
mel-Höhle, nnd enthält drei kleine Knochen, welche
man, ihrer besondern Bildung wegen, Hammer,
Amboß und Steigbügel nennt. Der Griff des
Hammers liegt an dem Trommelfelle, mit dem Kopfe
des Hammers ist der Amboß verbunden, und die eine
Seite des Amboßes hängt wieder Mt dem Steigbügel
zusammen. Wenn nun das Trommelfell durch einen
Schall, der in das Obr dringt, erschüttert wird, so ge-
rathen auch diese drei Knochen, der Reihe nach, in Be-
wegung. Außerdem findet sich noch in dem Innersten
des Ohres eine Röhre, welche gleich dem Gehäuse einer
Schnecke gewunden ist, und daher der Schnecken-
gang heißt. — Wollet ihr nun auch wissen, wie eS
mit dem Hören zugeht, so merket euch Folgendes.
Wenn ihr mit einer Messerklinge an ein Glas schlaget,
so höret ihr einen Schall, und bemerket, daß das Glas
zittert. In eben diese zitternde Bewegung wird nun
auch die Luft versetzt, welche das Glas umgiebt, und
so entsteht das, was wir Schall nennen. Daß sich der
Schall fortpflanzt, kommt daher, weil die Lufttheile so
genau unter sich zusammenhängen, wie die Wassertheile.
Wenn du einen Stein ins Wasser wirfst, so wird nicht
blos derjenige Theil des Wassers bewegt, den der Stein
getroffen hat, sondern rund herum geräth das Wasser
in Bewegung, und es entsteht eine Welle nach der an-
dern. Gerade so geht es auch in der Luft zu, und nun
werdet ihr begreifen, wie es möglich ist, daß der Schall
einer weit entfernten Glocke von uns empfunden oder ge-
166 Don dem Menschen:
hört werden kann, und wie es zugeht, daß man stärker
hört, wenn man das äußere Ohr vorwärts beugt.
Jetzt bleibt uns nur noch der Ginn des Ge-
sichts übrig. Die Werkzeuge dieses Sinnes sind die
Augen, welche am obern Lheile des Gesichts, in den
sogenannten Augenhöhlen, befestigt sind. Ihr könnet
es fühlen, daß diese Höhlen aus Knochen gebildet find,
und dieß èst eine überaus weise Einrichtung des Schö-
pfers ; denn durch diese festen Knochen sind die zarten
Augen vor Stößen gesichert, und können nun über-
haupt nicht so leicht beschädigt werden. Eben diesen
Dienst leisten auch die Augenljeder den Augen,
indem sie darunter, wie unter einer weichen Decke, ge-
schützt liegen. Am Rande des obern und des untern
Augenliedes bemerket ihr kleine Haare, die in e i n e r Rei-
he dicht bei einander stehen; auch diese Härchen dienen
zum Schutze des Auges, indem sie es hindern, daß
nicht zu viel Lichtstrahlen auf einmal gerade in s Auge
fallen. Ihr wisset, daß diese Härchen die Augen-
wimpern genannt werden. Sie leisten dem Auge
auch noch einen andern Dienst, indem sie dem Staub,
und andere Dinge auffangen, welche in's Auge fliegen
wollen. Zwei Muskeln setzen die Augenlieder in Bewe-
gung, und ziehen sie, wenn wir schlafen wollen, fest
zusammen. Auch die Augenbraunen tragen sehr
viel zur Beschützung des Auges bei, denn sie fangen den
scharfen Schweiß auf, der bei starker Bewegung oder
schwerer Arbeit von unserer Stirn fließt, und der die
Augen sonst äußerst beschädigen würde. — Das Auge
selbst, oder der sogenannte Augapfel, ist kugelför-
mig. Die äußere und weiße Haut, welche rings an den
Augenstern grenzt, ist hart gebildet, und heißt auch die
harteHaut. Hinter ihr, und mit ihr verbunden, ist
die schwärzliche Aderhaut. Die mittlere, runde
und durchsichtige Haut ist hornartig gebildet, und heißt
daher die Hornhaut. Hinter dieser liegt noch eine an-
dere Haut, welche strahlenförmige und verschieden ge-
färbte Streifen har, und daher die Regenbogenhaut
heißt. In ihrer Mitte ist eine runde Oeffnung, die S e h-
ö ff ' u n g genannt, welche wie ein kleiner schwarzer Fleck
aussieht. Eine fünfte Haut «mgieht die innere Seite der
Bon dem Menschen. 167
schwärzlichen Haut, und heißt die N e tz h a u t, weil sie netz-
förmig gebildet ist. Sie umfaßt eine durchsichtige, zähe
Feuchtigkeit, welche die g l ä se r n e genannt wird, weil sie
dem geschmolzenen Glase ähnlich ist. Vorn in dieser glä-
sernen Feuchtigkeit ist eine rundliche Grube, in welcher
ein kleiner Heller und durchsichtiger Körper liegt, den man
die Krystall.Linse nennt, weil Krystall sehr hell und
durchsichtig ist, und weil dieser Körper die Form einer
Linse hat. DecRaum, welcher zwischen derHornhaut und
der Linse ist, enthält eine wäßrichte Feuchtigkeit, wel-
che die Geschmeidigkeit des Auges befördert, und es be-
weglich macht. Damit sich das Auge nach allen Rich-
tungen bewegen könne, so hat der Schöpfer 6 Muskeln
an dem Augapfel angebracht.
Jetzt, lieben Kinder, kennet ihr erst die Theile, au-
welchen eure Augen bestehen; aber ihr wisset noch nicht,
wie es zugeht, daß ihr sehen, d. h. mit euren Augen
die Dinge, welche um euch her sind, deutlich wahrneh-
men könnet. Dieß sollet ihr jetzt lernen. In einer dun-
keln Stube, oder in einer finstern Rächt könnet , ihr
nichts sehen; durch das Licht werden euch die Dinge erst
sichtbar. Die Lichtstrahlen, welche von dem Gegen-
stände ausgehen, den ihr sehen sollet, dringen durch die
Häute und Flüssigkeiten des Auges, «nd werden auf
die Art gebrochen, daß sie sich auf der Netzhaut verei-
nigen, und da im Kleinen ein Bild des Gegenstandes
entwerfen, wie es der Spiegel im Großen thut. Ist
der Gegenstand unseren Augen zu nahe, so sehen wir
ihn nicht, weil dann das Bild desselben hinter die Netz-
haut fällt; ist er zu weit entfernt, so sehen wir ihn auch
nicht, weil da- Bild alsdann vor die Netzhaut fällt.
Daß wir die Gegenstände nicht doppelt sehen, ob wir sie
gleich mit zwei Augen wahrnehmen, rührt daher, weil
die Empfindung in beiden Augen gleich ist. Mit zwei
Augen sieht man nicht beträchtlich deutlicher «nd schär-
fer, als mit einem. Der Sinn des Gefühls muß
fast bei allen Gegenständen dem Sinne des Gesichts
behülflich seyn, wenn wir eine vollständige, richtige und
deutliche Vorstellung von einem Gegenstände erhalte»
sollen. Nennet mir nur einige Dinge, oder Eigenschaf-
ten der Dinge, von welchen wir keine Vorstellung ha-
ben wurden, wenn wir sie nicht sehen könnte«?
168 Von dem Menschen.
Von der Haut, den Haaren und den Nägeln.
Unser ganzer Körper ist in eine weiche und starke
Decke eingehüllt; wir nennen sie Haut. Sie ist einer
außerordentlichen Ausdehnung fähig, und nimmt nach
jedem Drucke ihre vorige Gestalt wieder an, oder ist
elastisch. Sie hat eine Menge Blutgefäße, und da-
her ist sie an verschiedenen Stellen bläulich, oder auch
röthlich. Da das Blut beständig wäßcichte Dünste durch
die Haut aushaucht, so ist sie auch mit solchen Gefäßen
oder kleinen Behältern versehen, welche diese Flüssigkei-
ten aufnehrnen. Noch andere Gefäße der Haut dienen
zum Einsaugen der Luft, welche durch die Haut be-
ständig dem Körper zugeführt wird. Die Haut hat über-
all eine große Empfindlichkeit; an den Fingerspitzen ist
diese Empfindlichkeit am größten, und daher fühlen
wir auch mit diesen am schärfsten. Viele Nerven, die
sich in äußerst kleine Wärzchen endigen, bringen diese
Empfindlichkeit hervor, welche durch ein dünnes Häut-
chen, womit die eigentliche Haut überzogen ist, durch
die Oberhaut, ein wenig vermindert wird. Diese
Oberhaut ist unempfindlich; man kann sie mit einer Na-
del durchstechen, ohne den geringsten Schmerz zu em-
pfinden. Wird sie viel gerieben oder gedrückt, z. B.
bey schweren Handarbeiten, so wird sie dick und hart.
Daher kommt es, daß diejenigen, welche sich mit schwe-
ren Handarbeiten beschäftigen müssen, sehr harte Hän-
de bekommen, und wenig Gefühl in den Händen haben.
Die Härte unserer Fußsohlen hat eine ähnliche Ursache.
Die Farbe der Haut ist bei allen Menschen
gleich, nämlich weiß; denn die Schwärze des Negers,
die gelbbraune Farbe des Arabers, die kupferrothe Far-
be des Amerikaners, und die weiße des Europäers ist
nicht die Farbe der eigentlichen Haut, sondern die Far-
be einer schleimichten Materie, welche wie ein Netz
zwischen der Oberhaut und der eigentlichen Haut sich
hinzieht, und die Fett haut genannt wird. Da aber
die Oberhaut sehr dünne, und halb durchsichtig ist, so
schimmert die Farbe der innern Fetthaut hindurch, und
so scheint es denn, als ob die Oberhaut die Farbe hätte,
welche eigentlich der Fetthaut zugehört.
Von dem Menschen. §69
Die äußere Seite der Haut ist größtenteils mir
Haaren besetzt, welche aber nur an wenigen Stellen
zahlreich, lang und dick sind, und an manchen Stellen
ganz fehlen, wie z. B. an den Fußsohlen, an der inne-
ren Fläche der Hand und an den Augenlirdecn. Diese
Haare entstehen aus Kügelchen, welche in dem Zellge,
webe und unter der Haut liegen, und Wurzeln hei-
ßen. Kaum werdet ihr es glauben, lieben Kinder, daß
jedes, auch das feinste Haar, eine hohle, harte und
elastische Röhre, und mit einem Safte angefüllt ist,
bei dessen Vertrocknung das Haar abstirbt und ausfällt.
Die Wurzeln führen dem Haare seine Nahrung zu, und
daher kommt es, daß es nicht wieder wächst, wenn es
mit der Wurzel ausgerissen ist, wohl aber, wenn man
es nur an der Wurzel abgeschnitten hat. Aber wozu,
werdet ihr fragen, nützen denn die vielen Haare dem
Menschen? Ihr Nutzen besteht hauptsächlich darin, daß
sie eine zähe und fette Feuchtigkeit absondern, und daß
sie den unter ihnen liegenden Theil bedecken, erwärmen
und beschützen. Dieß erfahren diejenigen, welche die
Kopfhaare größtenteils, oder ganz verlohren haben;
sie müssen, um sich vor den Schmerzen und Unannehm-
lichkeiten, welche daraus entstehen, zu schützen, aller-
lei künstliche Kopfbedeckungen gebrauchen.
Wir haben nun alle Theile unseres künstlich gebau-
ten Körpers, bis auf die Nägel, kennen gelernt.
Merkt euch von diesen, daß diese harten, glatten und
unempfindlichen Platten an den Fingern und Zehen mit
ihren Wurzeln befestigt sind, daß sie diesen Gliedern
eine größere Festigkeit geben, und dadurch den Men-
schen das Greifen, Anfassen, Gehen und Treten sehr
erleichtern. Zugleich dienen sie zum Kratzen, und auch
dieser Dienst ist uns oft sehr willkommen und sehr noth-
wendig. Kinder müssen sich jedoch sorgfältig hüten,
diesen Dienst zu oft von den Mgeln zu begehren, denn
es ist unanständig. Reinliche Kinder sorgen auch da-
für, daß ihre Nägel gehörig beschnitten sind, denn lange
Nägel find ekelhaft.
170
Gesundheitslehre.
VIL
Gesundheitslehre.
i Gesundheit und Krankheit.
Ä!ir schmeckt das Essen, ich fühle keine Schmerzen,
ich kann meine Hände und Füße, meine Augen, Oh-
ren und Nase gebrauchen, ich schlafe ruhig, und kann
Wind und Wetter ertragen. Also bin ich gesund,
und will mich meiner Gesundheit freuen, will mich
aber auch in Acht nehmen, daß ich nicht krank werde.
Denn dem Kranken ist nicht wohl. Er ist schwach
und matt, das Essen schmeckt ihm nicht, er kann nicht
Wind und Wetter ertragen, nicht arbeiten, er hat
Angst und Schmerzen, und freut sich nicht.
Wenn ich einen gesunden Leib behalten will, so
muß ich ihn ernähren durch Essen und Trinken, und
ihn erhalten durch Bewegung und Ruhe. Die beste
Bewegung ist die Arbeit, und die beste Ruhe der
Schlaf. Ich kaun krank werden, wenn ich mich är-
gere; wenn ich zornig, oder böse, oder wild bin; wenn
ich zu sehr springe; wenn ich zu viel esse oder trinke,
oder zu unrechter Zeit und zu oft esse; wenn ich mich
durch Laufen und Springen erhitze, und dann sogleich
trinke; wenn ich zu lange schlafe, oder nicht zu rech-
ter Zeit zu Bette gehe; wenn ich mich nicht wasche
und nicht kämme; wenn ich mich nicht vor dem Fallen
în Acht nehme, und unvorsichtig einhergehe; wenn ich
mich erst erhitze, und dann in den Zug stelle, oder
mich bis aufs Hemde ausziehe.
2. Von der Kleidung.
Aie Kleidung muß gerade so beschaffen seyn, daß man
nicht unbehaglich kalt, aber auch nicht unbehaglich
Gesundheitslehre. 171
heiß ist. Sie muß sich daher nach der Jahreszeit und
der Witterung richten, aber auch noch besonders nach
dem Gesundheitszustände eines jeden Menschen. Es
ist gut, sich von Kindheit an mehr an eine kühle, als
an eine sehr warme Kleidung zu gewöhnen, und sich
gegen die Wirkungen der Kälte abzuhärten, weil man
leicht in Umstände gerathen kann, durch die man ge-
nöthigt wird, der wärmeren Kleidung zu entbehren.
Schädlich ist es, sich übermäßig warm zu kleiden, und
eine Last von doppelten Hemden, Wämsern, Oberröcken
und Pelzen auf dem Leibe zu tragen; es bringt bei der
geringsten Bewegung das Blut in Wallung, erschwert
das Athmen, und setzt in Gefahr, sich zu erkalten.
An kalten Tagen kleide man sich mitten im Gom-
mer, wie man sich an einem Wintertage kleiden würde.
Ueberhaupt ist in unsern Gegenden die leichte Som-
mertracht sehr schädlich, da die Witterung bei uns so
unbeständig ist, und oft auf einen heißen Tag ein sehr
kühlen, wohl gar ein kalter Abend folgt.
Jede zu stark oder nur an einigen Theilen des Kör-
pers drückende, pressende und kneipende Kleidung ist
schädlich. Besonders schädlich ist es, die Strumpfbän-
der fest zu schnüren. Der Kopf muß kühl gehalten wer-
den, und jede Kopfbedeckung ist, zumal, wenn man
starkes Haar hat, unnölhig, ausgenommen zum Schutz
vor der Sonne. Selbst die kleinsten Kinder darf man
ohne Gefahr mit bloßem Kopfe in die freie Luft schi-
cken. Sehr schädlich sind die warmen wollenen Mützen
und die Pelzmützen. Die Kinder werden davon krank,
bekommen Ungeziefer und Grind, Flüsse, Kopf, und
Zahnschmerzen, und besonders schlimme Augen. Am
wenigsten dürfen sie dann einen Hut oder eine Mütze
aufsetzen, wenn sie einen ausgeschlagenen Kopf haben.
Dicke Halstücher, besonders wenn sie fest zuge-
schnürt werden, sind schädlich und es ist dagegen sehr
heilsam, mit bloßem Halse zu gehen. Der Unterleib
muß vorzüglich warm gehalten werden. Durchfälle,
Koliken und Ruhr können von Erkältung des Unterlei,
he- entstehen. Auch die Füße vertragen gern mehr
172 Gesundheitslehre.
Wärme, Nur ein gesunder und abgehärteter Mensch
darf baarfuß gehen
Dis engen spitzigen Schuhe gehören auch zu den
schädlichen Kleidungsstücken. Sie verderben die Füße,
machen die Gelenke den Zehen steif, und erzeugen die
schmerzhaften Hühneraugen, woran viele im Alter für
die Eitelkeit ihrer Jugend büßen müssen.
Hütet euch, Kleider zu tragen, welche kranke Men-
schen getragen haben, denn viele Krankheiten sind an-
steckend, und mancher, der sonst sehr gesund war,
wurde krank, und mußte wohl gar früh sterben, weil
er die Kleider eines Schwindsüchtigen getragen hatte.
3. Von der Luft.
Es kommt sehr viel darauf an, daß die Luft, welche
wir emarhwen, frisch, rein und trocken sey; denn
sonst kann sie uns nicht beleben und stärken, nicht frisch
und fröhlich machen. Reine und trockene Luft muntert
auf zur Arbeit, vermehrt den Hunger, macht, daß ei-
nem die Speisen wohl bekommen, und giebt einen ru-
higen, sanften Schlaf. Nicht wahr, dir ist ängstlich
und peinlich zu Mu.the, wenn du mit vielen Menschen
in einer kleinen Stube lange beysammen seyn mußt,
und weder Fenster noch Thüren geöffnet werden? —
Schlechte, verderbte und unreine Luft schwächt den
Menschen, macht ihn träge und verdrießlich, und zieht
ihm, wenn er lange darin lebt, allerlei böse Krankhei-
ten, besonders Fieber, zu.
Die f r i s ch e und reine Luft ist also dem Menschen
zum Gesundseyn eben so nothwendig, wie Speise und
Trank, und wie dem Fische das frische Wasser. Habt
ihr nicht gesehen, daß Pflanzen in der besten Erde,
und Thiere bei dem besten Futter, ohne frische Luft,
verderben? Wie könnte der Mensch ohne frische Luft
gedeihen und leben, gesund und froh seyn? Wie sehr
freuet ibc euch, wenn ihr lange in der Stube habt
sitzen müssen, und nun auf einmal vor's Thor in die
frische reine Luft kommet! Nicht wahr, da ist euch
«och einmal so wohl, als in der dunstigen Stube?
Gesundheitslehre. ' 173
Wollet ihr wissen, wodurch die Luft verdirbt?
Das sollt ihr hören. Aber merkt es euch auch! —
Wenn in einer kleinen Stube viele Menschen bei ein-
ander sind, und besonders darin bei einander schlafen,
so verdirbt die Luft. Was ist nun da zu thun? Man
muß Morgens, Mittags und Abends die Fenster und
Thüren auf einige Minuten öffnen, und die frische
Luft von außen hineinlassen. Aber thun das wohl
alle Menschen? Ist es Winter, oder Herbst, so sagen
die meisten: es wäre ja Schade, wenn man die schöne
Warme wollte zum Fenster hinaus gehen lassen!
Und im Sommer haben sie wieder andere Einwendun-
gen. Aber ist es nicht besser, ein wenig frieren, und
dabey gesund seyn, als warm sitzen und dabey kränk-
lich, schwach und verdrießlich seyn?
Noch schlimmer ist es, wenn in der Stube, au-
ßer den Ausdünstungen der Menschen, auch noch der
Dampf von Oehllampen, Talglichtern oder Lichtschnup-
fen, oder vom Bügeln und vom Plätten der Wäsche,
oder vom Wollkämmen und von brennenden Holzkoh-
len die Luft verdirbt. Dann können die Menschen
nicht nur krank werden, sondern sogar ersticken. Man
kann die Luft dadurch verbessern, daß man Essig
auf einen glühenden Stein gießt. Lin Windofen ist
ein guter Luftreiniger.
Wer in einer Stube schläft, in welcher frische
Wäsche zum Trocknen aufgehängt ist, setzt sich in die
größte Gefahr, plötzlich an einem Schlagflusse zu ster-
ben, oder wenigstens unerträgliche Kopfschmerzen und
heftigen Schwindel zu bekommen.
Hört, wie es dem Gastwirth Müller ging. Die-
ser hatte eine ganze Nacht nicht schlafen können, und
•wollte gern am andern Tage ein wenig Mittagsruhe
halten. Aber in der Gaststube war unaufhörlich Ge-
räusch. Seine Frau rieth ihm, oben auf eine abgelege-
ne Stube zu gehen, weil er da ganz ungestöhrt schla-
fen könne. Sie selbst führte ihn hinauf, und schloir
die Thür ab, mit dem Versprechen, ihn in einer gu-
ten Stunde zu wecken. In dieser Stube war eine gro-
sse Menge irische Wäsche aufgehängt; das bedachte die
i74 Gesundheitslehre.
Frau nicht. Als sie nach einer Stunde kam, um ihren
Mann zu wecken, fand sie ihn, vom Schlage gerührt,
todt im Lehnstuhle.
Eben so schädlich sind die Ausdünstungen stark
riechender Blumen, und frisch mit Kalk übertünchter,
oder mit Farben angemahlter Wände.
In einer ordentlichen und reinlichen Wohnstube
sieht man keine Spinngewebe; im Sommer nur
wenig Fliegen, keinen Staub, kein Stroh und keinen
Unrath, also z. B. keine Apfelschaalen. oder Kno-
chen. Die Fenster sind hell und klar, und man spürt
keinen üblen Geruch oder stinkende Ausdünstungen.
4- Du sollst reinlich und ordentlich seyn.
Ferdinand nahm sich des Morgens nie die Zeit,
sich zu waschen und zu kämmen, und seine Kleidungs-
stücke gehörig zu säubern. Cr spottete wohl gar über
feine reinliche Schwester Marie, wenn sie sich bei
dem Aufstehen sorgfältig den Mund mit reinem und
kaltem Wasser ausspühlte, die Zähne putzte, das Ge-
sicht, den Kopf und die Ohren wusch, und dann ihr
langes Haar mit vieler Mühe auskämmte. Diesem gu-
ten Beispiele folgte der unreinliche Ferdinand
nicht, so oft ihn auch der Vater und die Mutter dazu
ermahnten, und wegen seiner Unsauberkeit bestraften.
Daher erlebte er auch manche Schande. Kam er in
die Schule, so hieß ihn der Lehrer oft wieder hinaus-
gehen und sich waschen, und eben so oft mußte ec
im Winkel stehen, weil er sich die Haare nicht aus-
gekämmt und die Stiefeln nicht gereinigt hatte. Ja
er bekam sogar endlich einen ekelhaften ansteckenden
Ausschlag an den Händen, den man die Krätze
nennt, und durfte nun eine lange Zeit gar nicht mit
andern Menschen umgehen. Jeder verachtete ihn,
und keiner mochte bei dem schmutzigen Ferdinand si-
tzen. Dagegen wurde die reinliche Marie überall gern
gesehen, und von allen Menschen wegen ihrer Rein-
lichkeit geschätzt und geliebt. Sie sahe immer gesund
und frisch a«ö, und durfte sich nie schämen.
Gesundheit-lehre. 175
Die Unreinlichkeit, lieben Kinder, ist die Ur-
sache von vielen Krankheiten, besonders von anste-
ckenden Krankheiten und bösen Ausschlägen. Wer da«
vor bewahrt bleiben will, muß nicht nur das Gesicht,
die Hände und dieZüße fleißig waschen, sondern auch
den ganzen Körper, und zwar in jeder Woche wenig-
stens einmahl. Darum wäre es wohl zu wünschen,
daß man an jedem Orte Anstalten zum Baden hätte,
und daß das Baden eine allgemeine Sitte würde. Nur
dadurch wird die Haut so rein gehalten, daß sie frey
ausdünsten kann.
Wenn aber das Baden heilsam seyn soll, so muß
man folgende Regeln dabey sorgfältig beobachten:
1) Man muß sich vorsichtig an solchen Stellen ba-
den, wo keine Gefahr ist.
2) Man muß gesund und wohl seyn.
z) Man darf nicht erhitzt seyn, oder kurz vorher
viel gemessen haben.
4) Man muß sich nicht langsam, sondern geschwind
mit dem Kopfe und dem ganzen Körper, unter
das Wasser tauchen.
2) Man muß im Bade nicht still sitzen, sondern
sich stark bewegen, oder schwimmen. Und
6) Nach dem Bade muß man nicht ruhe«, sondern
gemächlich gehen.
ln 6. batten di« mehresten jungen Leute Lust zum Ba-
den. Sie gingen alle Tage, gegen Abend, in Gesell-
schaft, nach einem Teiche. Einige konnten schwim-
men. Diese wollten sich eines Tages, weil ein Frem-
der dabey war, als grosse Schwimmer zeigen, kleideten
sich daher schnell aus, obgleich sie noch vom Gehen
erhitzt waren, sprangen ins Wasser, und durchschwam-
men den Teich einigemal. Einen von ihnen röhrt«
der Schlag, als er noch fern vom Ufer war; dies war
die Folge der zu schnellen Abwechselung der Hitze mit
der Kälte. Die übrigen Schwimmer waren weit von
ihm entfernt, und als sie herbey kamen, theils zu
furchtiäm, theils au ermüdet, um ihn retten zu krön*
>76 Gesundheitslehre.
sien. Gott! wer schildert das Schmerzgefühl derjeni-
gen , die gern gerettet hätten, aber nicht schwimmen
konnten! Man lief in grösster Eile, um vom nahen
Dorfe einen Kahn und Stangen zu holen. Viele Men-
schen eilten zur Hülfe herbei. Man fand den Verun-
glückten bald; Aerzte kamen auch, aber vergebens
war das Bemühen, ihn in’» Leben zurück zu bringen.
Schrecklich war die Lage derer, die den Eltern des Er-
trunkenen die Todesnachricht bringen mussten. Man
denke sich den Gram guter Eltern, welche die frohe
Hoffnung, an dem schon erwachsenen Sohne eine Stüz»
ze ihres Alters zu haben, auf einmal zernichtet sa-
hen O vergesset es doch nicht, lieben Kinder, dass
Vorsichtigkeit bei jedem Unternehmen nöthig ist, vor-
züglich aber da, wo nahe Gefahr des Lebens droht! —
Sollten nicht endlich so viele Beispiele durch ihre ei-
gene Schuld Ertrunkener, Vorsicht und Behutsamkeit
lehren ?
Ein warmes Bad muß man in einem Hinlänglich
warmen Zimmer nehmen, ja nicht in einem kalten; oh-
ne diese Vorsicht wird man sich durch ein warmes Bad
mebr schaden, als nützen. Dieses gilt auch von den
Fußbädern, welche bei Anhäufung des Bluts im
Kopfe und in der Brust sehr heilsam sind.
Nicht bloß seinen Körper und seine Kleidung soll
man reinlich halten, sondern auch das Hausgeräth, die
Betten, die Stuben und die Kammern müssen stets rein-
lich und ordentlich gehalten werden. Dazu gehört, daß
mandas Hausgeräth fleißig scheureund putze, dieBet-
ten von Feit zu Feit in die Sonne lege, oder in die fri-
sche Luft hänge und ausklopfe und die Stuben oft
auskehre oder scheure. Nur muß man sich wohl hüten,
in einer gescheuerten Stube, die noch nicht wieder recht
trocken ist, zu schlafen, denn das ist sehr schädlich.
5. Von den Speisen. .
28arum esset und trinket ihr? Nickt wahr, um eu-
ren Hunger zu stillen, um euren Körper zu erhalten,
und ihn zu ernähren? Und eure vorzüglichsten Nah-
rungsmittel sind folgende: Brot, Gemüse (nennet
mir einige Arten von Gemüse!) Hülsen- und Saa-
>■. men-
Gesundheitslehrs.
menfrüchte, (wer kann einige nennend) Obst, Milch-
Fische und Fleisch. — Merkt euch, daß Pflanzenspei-
sen nicht so nahrhaft und stärkend sind, als Fleischspei-
sen, und daß Fleischspeisen auch nahrhafter sind, als
Speisen von Fischen. Darum sollten unsere Mahlzeiten
aus einem kleinern Theile Fisch und einem größeren
Theile Gemüse bestehen. Von bloßen Fleischspeisen ge-
räth das Blut in Fäulniß, und wer bloß Gemüse essen
wollte, würde nicht Kraft und Stärke genug'haben.
Soll dir das Essen immer recht wohl schmecken, so
sorge dafür, daß du hungrig werdest, denn der Hun-
ger ist der beste Koch, und wenn du recht hungrig bist,
so wird dir auch die einfachste Kost herrlich schmecken.
Aber wenn du müßig gebest, oder kurz vor der Mahl-
zeit allerlei Näschereien issest, so kannst du nicht hung-
rig werden. Du mußt fleißig arbeiten, und dich in
freier Luft bewegen, dann wirst du gewiß hungrig zu
Tische kommen, und dann werden auch die Speisen bei
dir gedeihen.
Aber merke dir dabei, was das Sprüchwort sagt:
Allzuviel ist ungesund. Denke nichti viel Essen
giebt viel Nahrung, denn wenn du das, was du ge-
gessen hast, nicht verdauen kannst, so schadet es dir.
Hüte dich, vielerlei Speisen durch einander zu es-
sen, damit es dir nicht gehe, wie dem unverständiger!
und gierigen Moritz. Dieser hatte einige Grolchen
geschenkt bekommen, und ging nun auf den Markt
um steh einmal, wie er sagte, etwas zu gute zu thun.
Erst kaufte ®r Pfefferkuchen , und verzehrte sie, dann
Aepfel, dann gebackene Pflaumen, und nun noch fet-
tige Kuchen, welche eine Frau feil bot. Das alles ver-
zehrte Moritz in einer Stunde. Und was geschah? Et
konnte diese Speisen nicht verdauen, klagte über Kopf-
und Leibschmerzen, ihm wurde übel, und er quälte sich ei-
nige Stunden, ehe ersieh übergeben konnte. Noch am
andern Tage war er sehr krank, und musste nun meh-
rere Tage fasten/
Pflanzen müssen, ehe man sie genießt, sorgfäl-
tig untersucht werden, damit keine Giftpflanzen oder
M
178 ' Gesundheit-lehre.
Giftwurzeln, als: Bilsenkraut, Schierling, Gleiße,
Wolfskirsche oder Tollwurz, Stechapfel, Schwarzküm-
mel, und dergleichen darunter sey.
Alle Schwämme oder Pilze verdauen sich schwer,
und sind ungesund, und da überdieß leicht giftige
Schwämme darunter seyn können, so thut man am be-
sten, wenn man keine ißt.
Reife Kartoffeln sind nicht ungesund, wenn sie
von guter Art sind, und nicht übermäßig genossen wer-
den. Unreif sind sie wahres Gift für den menschlichen
Körper, erzeugen die Ruhr, und andere schlimme Krank-
heiten. Vor der Mitte des Septembers sollte niemand
Kartoffeln essen. FetteSpeisenin Menge zu genie-
ßen ist sehr schädlich. Der Husten, an dem beim An-
fange des Winters so viele leiden, ist mehr dem zu häu-
figen Genüße des Schmalzes und des Schweinefleisches,
als der Kälte zuzuschreiben.
Scharfe, gesalzene, und gewürzte Speisen erhitzen
das Blut, und sind ungesund. Diel und besonders alten
Käse zu essen ist ungesund, weil er Grieß und Steine in
der Blase erzeugt. Süße Sachen schwächen den Magen,
machen Blähungen, und unterdrücken die Eßlust. Hü-
tet euch, die Speisen heiß zu genießen; ihr verderbet
dadurch nicht nur eure Zähne, sondern schwächet auch
den Magen.
Kupferne Geschirre müssen gut überzinnt seyn,
und irdene Gefäße müssen eine gute Glasur haben, sonst
können sie für die Gesundheit sehr schädlich werden; doch
ist bei den letztem weniger Gefahr, als bei den erstem.
Besonders muß man sich hüten, saure Spiesen in kupfer-
nen und zinnernen Gefäßen zuzubereiten und aufzubewah-
ren, denn sie lösen das Kupfer und das dem Zinne ge-
wöhnlich beigemischte Blei auf, und verwandeln es in
Gift. Höret hiervon ein warnendes Beispiel:
Der Schuster Lodenteich in bi. kocht« Pflaumen-
muss. Nachdem feine Frau dasselbe in Töpfe gethan
hatte, blieb am Rande des kupfernen Kessels, wie ge-
wöhnlich, etwas sitzen. Der Schuster, welcher aus
unzeitiger Sparsamkeit nichts von dem schönen Müsse
wollte umkommen lassen, kratzte alles sorgfältig mit
Gesundheit-lehre. t-9
Äem Rössel ab, was gm Rande des Kessels sitzen ge-
blieben war, und afs es begierig. Einige .Stunden nach-
her empfand er heftige Leibschmerzen. Er nahm einen
Schluck Branntwein, aber die Schmerzen wurden nur är-
ger darnach, und er brachte die Nacht unter schreckli-
chen Quaalen zu. Am Morgen war sein Leib aufge-
schwollen, und es musste ein Arzt zu Hülfe gerufen wer-
den. Doch dieser kam leider zu spät, denn schon war
der Unglückliche an dem Müsse, welches er so unvor-
sichtig genossen hatte, gestorben. Die Saure der Pflau-
men hatte nämlich den Grünspan aus dem Kupfer ge-
zogen, und so das Muss vergiftet.
Wer unglücklicher Weise etwas Giftiges genossen hat,
Wuß sogleich viel warme Milch, oder Wasser, mit fri-
scher geschmolzener Butter oder Oei vermischt trinken.
Brechmittel sind am wirksamsten, wenn jemand Schier-
ling, oder Wolfskirschcn u. dgl. gegessen hat.
Weitzenbrot, Kuchen und Semmel schaden in zu
großer Menge. Und warm genossen, und sind nickt so
gesund, als Roggenbrot. Doch muß auch dieses einige
Lage alt seyn, wenn es den Namen einer heilsamen
Speise verdienen soll. Zu den vorzüglich schädliche«
Speisen gehört auch daS fette Backserk (Kuchen), be-
sonders Pasteten und Torten, die nur ein äußerst starker
Magen zu verdauen im Stande ist.
Marie pstegte, wenn sie Brot im Vorrath backte,
für ihre Kinder kleine Salzkuchen zu backen, um ih-
nen ein Vergnügen zu machen. Eines Tages hatte sie
diese auch gethan, und liess sich von den Kindern er-
bitten, ihnen die Kuchen sogleich zu geben, ehe sie
noch kalt geworden waren. Zwar hatten sie alle ver-
sprochen , nicht eher davon zu essen, als bis sie kalt
geworden wären: allein Christian, Marien’» zweiter
Sohn, konnte doch feine Begierde nicht massigen, son-
dern verschlang den ganzen heissen Kuchen. So lief
er aufs Eis, ward durstig, und trank das eiskalte Was-
ser. Auf einmahl fühlte er Uebelkeit, und kaum konnte
er noch das Haus erreichen. Mit jeder Stunde ward
lein Zustand schlimmer, und noch vor Abend war er
todt. Die Aerzte öffneten feinen Leib, um die Ursecfc
M 2
iSo Gesundheitslehre.
fönei plötzlichen Todes zu erfahren, und fanden den
Kuchenteig in einem Klumpen vereinigt, und noch ein
Stück davon im Schlunde.
6. Von den Getränken.
SD« Mensch muß nur in der Absicht trinken, um
seinen Durst zu löschen, nicht aber, um den Gaumen
zu kitzeln.
DaS gesundeste Getränk für den Menschen ist
reines, klares Wasser; es kühlt, verdünnt und reinigt
das Blut^ erhält Magen, Eingeweide, Gehirn und
Nerven in Ordnung, und macht den Menschen ruhig, hei-
ter und froh. Auch z ehret das Wasser nicht, wie man
gewöhnlich glaubt, sondern es macht Gedeihen, wenn
man sich dabei viel Bewegung in frischer Luft macht.
Die Menschen trinken gewöhnlich viel zu viel war-
mes Getränke, als: Kaffee, Thee u. dgl. Es ist da-
her nicht anders möglich, als daß ihr Blut scharf und
unrein, und ihr Angesicht blaß werden muß. Beson-
ders schadet dem weiblichen Geschlechte, welches mehr
in Stuben sitzt, als das männliche- der zu häufige
Genuß des warmen Getränkes.
Dünnes, fein ausgegohrnes, und gut gehopftes
Bier ist für Erwachsene nicht schädlich; aber Kin-
dern sollte man es nicht geben, weil es ih-
nen das Blut erhitzt, und die Lust zumWas-
sertrinken benimmt.
Der Branntewein ist unter allen Getränken da-
schädlichste. Ec rektzt so stack, daß ein Mensch, der
nicht an ihm gewöhnt ist, kaum einen Theelöffel voll
davon vertragen kann. Er hindert die Verdauung,
macht Wallung und Hitze, und wirkt auf das Gehirn
so stark, daß derjenige, welcher viel davon genießt,
alle Besinnung verliert, und so schwerfällig und kraft-
los wird, daß er nicht mehr auf seinen Füßen stehen
kann. Wie schrecklich und wie ekelhaft ist der An-
blick eines Betrunkenen; Auch dann, wenn er sich
erholt hat, bleibt er schwach, und dieß Gefühl der
Schwäche verleitet ihn, auf- neue zu ttinken. Auf
Gesunbheitölehre i8í
Liefe Art gewöhnen sich viele an Las Branntweinfaufen,
indem sie es nach und nach zu der unglückseligen Fer-
tigkeit bringen, sehr viel davon zu trinken, ohne be-
rauscht zu werden. Die Folgen dieser abscheulichen Ge-
wohnheit sind schrecklich. Die Säufer können die ge-
nossenen Speisen nicht mehr verdauen, und verlieren
daher endlich alle Eßiust. Bei einigen entsteht von dev
heftigen Reitzung ein Bluthusten und Lungensucht; die
gewöhnliche Folge ist die Wassersucht. Dabey werden
die Seelenkräfte ebenfalls geschwächt; die Säufer ver-
lieren endlich so ganz das Gedächtniß und die Urtheils-
kraft, daß sie zu den meisten Geschäften gar nicht mehr
zu gebrauchen sind. Eben dies ist der Fall bei Wein-
säufern. Der Wein ist zum täglichen Getränke für Ge-
sunde nicht tauglich; nur als stärkende Arznei sollte ev
von Kranken getrunken werden. Wer gesund ist, der
trinke nur dann Wein, wenn er durch starke Arbeiten
oder langes Gehen ermattet ist, oder dann, wenn er
einmal mehr Lebhaftigkeit und Frohsinn als gewöhnlich
zu haben wünscht. Soll aber der Wein stärken und
fröhlich machen, fo muß man wenig trinken.
bi eit mann in Br. erbte von seinem redlichen Vates
Haus und Hof im besten Stande. Schöne Pferde, Kühe
und Schweine waren in den Ställen; die Gärten voll
schöner Obstbäume, und das Ackerland trug reichlich
Korn und Hülfenfrüchte. Auch baares Geld erbte Heit-
mann von seinem Vater, denn dieser war arbeitsam
und sparsam gewesen, so lange er lebte. In den er-
sten Jahren war auch Heitmann ein recht guter Wirth»
und es ging ihm sehr wohl. Aber eben dieser Wohl-
stand, in dem er lebte, verleitete ihn zum Müfliggan«
ge, und er gewöhnte sich, alle Nachmittage in ein
"Wirthshaus zu gehen, und da bis an den späten Abend
zu bleiben. Dort fand er Säufer, mit welchen er spiel-
te, und die ihn nach und nach zum Branntweintrin-
ken verleiteten, um ihm dann, wenn er berauscht
war, desto leichter im Spiele Geld abzugewinnen. Bald
genug fiel er so tief in das Laster der Trunkenheit,
dass er oft, wenn er um Mitternacht taumelnd nach
Haufe kam, feine Frau schlug, und das Gesinde miss-
handelte, Von diesem ward er endlich bei dei übrige
iHr Gesundheitslehre.
Keil verklagt, di« ihm nun mit Gefängnissstrafe drohte^
wenn er sich noch einmahl an denSeinigen vergriffe. Bei
nüchternem Muthe versprach er Besserung, aber am fol-
genden Tage war er schon wieder betrunken* So ver-
schwendete er nach und nach all* sein baares Geld, und
fing nun an, feiner Frau heimlich Speck, Würste, Lin-
nen und Kleidungsstücke wegzunehmen, um sie an
schlechte Leute, die ihn in seinem Laster bestärkten, zu
verkaufen. Dadurch kam der unglückliche Mann end-
lich so weit, dass er die Abgaben nicht mehr bezahlen
konnte, und ein Stück Vieh nach dem andern um einen
sehr niedrigen Preis verkaufen musste, denn bei dem Sau-?
sen hatte er das Vieh versäumt,und so war es in schlech-
tem Stande. Eines Tages kam Heitmann spät aus dem
Kruge, als alle Einwohner des Dorfs schon in tiefem
Schlafe lagen. Halb betrunken schwärmte er umher, und
kam auf den unglücklichen Einfall, dem vor dem Dorfe
wohnenden Müller einen Schreck einzujagen. Er taumel-
te hin, brüllte vor der Mühle, war wieder still, und
suchte ins Haus zu kommen. Durch das Gebell der
Hunde erwachte der Müller, sah aus dem Fenster, und
rief; wer da? Heitmann schwieg, und suchte die Thür
zu öffnen. Der Müller glaubter es wären Diebe, wel-
che ihn überfallen wollten, holte feine Flinte, und rief:
sagst du nicht, ob du Freund oder Feind bist, so schiesse
ich dich über den Haufen. Heitmann schwieg immer
noch. Der Müller schoss zu, und traf ihn in s Bein. Er
stürzte hin. Man lief nun mit Knüppeln hinaus, und
schlug so unbarmherzig auf ihn los, dass er einige Wun-
den am Kopfe, und einen ganz blauen Rücken bekam.
Als sich die Wuth des Müllers abgekühlt hatte, und sieh,
in Mitleid verwandelte, holte man eine Laterne, und sa-
he mit Schrecken, dass es Heitmann war, den man so
jämmerlieh geprügelt hatt«. Der Müller liess ihn nun
in s Haus tragen, und auf’s beste verpflegen, denn er be-
reute feine Wuth und feine Uebereilung. Es kam zu ei-
ner gerichtlichen Untersuchung, und der Müller war sehr
bereitwillig, die Heilungskosten zu tragen Heitmann
musste für feinen dummen 8pass schrecklich husten; aber
auch: diesi besserte ihn nicht, und man war endlich
genöthigt, ihn in das Zuchthaus nach W. zu bringen»
Gesundhektslehre. , »8z
wo er Zeit genug bekam, über sein ruchloses Leben nach*
zudenken.
Ein eben so unglückliches Ende nahm Wachtmei-
ster, der durch Heirath eine Schenke erhalten hatt*.
Da er täglich mit Bier - und Branntweinschenken zu thun
hatte, so gewöhnte er sich, durch Müßiggang verführt»
allmählig an das Saufen, und da er auf die Bitten und
Vorstellungen feiner rechtschaffenen Frau und seines Bru-
ders nicht hören wollte, so kam er endlich in diesem La-
ster so weit, dass man ihn selten nüchtern fand. Durch nie-
drige Possen machte er sich bei seinen Gästen lächerlich
und verächtlich, so dass sie beständig ihren Spott mit ihm
trieben. Eine Zeit lang schien er sich bei dieser schänd-
lichen Lebensart recht wohl zu befinden; denn die viele
Hitze vom Branntwein hatte ihn aufgedunsen ; aber nach
und nach ward sein Verstand schwächer, und eines Ta-
ges zeigten sich auf einmahl Spuren von Wahnsinn. Er
sprang nehmlich plötzlich von seinem Stuhle auf, nahm
Krüge und Gläser, und warf sie aus dem Fenster, holt®
feine Flinte, und wollte einen seiner Gäste erschienen.
Man bemächtigte sich zwar sogleich seiner, und brachte
ihn in Verwahrung, aber sein Verstand kam nicht wieder,
er blieb wahnsinnig, und war durch kein Mittel zu ret-
ten, denn sein Körper war zu sehr geschwächt, uod sein
Blut gänzlich verdorben. Zuweilen kam er zur Besin-
nung, und dann beweinte er seinen unglücklichen Zu-
stand, klagte sich selbst an, und bat alle, die um ihn
waren, sich durch sein trauriges Schicksal warnen zu las-
sen- Er starb im Wahnsinn. -
Kindern ist der Branntwein noch viel schädlicher, alS
Erwachsenen; sie werden davon ungesund, träge, dumm
und lasterhaft. Unvernünftig ist es, wenn man einem
Fieberkranken Branntwein, mit Pfeffer gemischt, als Arz-
nei eingiebt, und eben so unvernünftig, wenn man ihn
den Kindern nüchtern zu trinken giebt, um ihnen die
Würmer abzutreiben, den-n es ist nicht wahr, daß jenes
Mittel das Fieber vertreibe, und dieses die Würmer in
den Gedärmen tüdke. Selbst das Waschen des Kopfs
mit Branntwein kann kleinen Kindern schädlich werden.
Am allermeisten muß man sich hüten, Brannt-
teein zu trinken, wenn man in großer Kälte eine
i §4 Gesundheitslehre.
Reise thut; mau kann sich sehr leicht dadurch den Tod
zuziehen,
7. Von der Bewegung und Ruhe.
2ie körperliche Bewegung, besonders in freier Luft,
hat manmchfaltigen Nutzen für den Menschen: sie be-
wirkt Hunger und Durst, hilft Essen und Trinken ver-
dauen, und macht, daß es gedeiht; sie reinigt daS Blut,
und erhält die Eingeweide gesund; sie giebt Rahe, und
einen sanften Schlaf. Die körperliche Arbeit beson-
ders ist dem Menschen überaus heilsam; sie verschafft
ihn eine blühende Gesundheit und ein langes Leben,
schenkt ihm Heiterkeit und Wohlstand, und bewahrt
ihn vor vielen Uebeln. Ohne viele körperliche Bewe-
gung und ohne Arbeit kann der Mensch unmöglich ge-
sund seyn. Aber man kann es hierin leicht übertreiben.
Dieß thun z. V. diejenigen, welche einen laugen Weg
machen wollen, und gleich Anfangs so laufen , daß sie
zuletzt matt und kraftlos werden. Nie muß man so
stark und so lange laufen, daß man außer Athem kommt,
und Herzklopfen fühlt.
Den Kindern ist Bewegung eben so nöthig, als Er-
wachsenen. Kinder, welche viel sitzen müssen, werden
ungesund. Besonders ist es für kleinere Kinder sehr
schädlich, wenn man sie immerfort auf dem Arme trägt,
oder sie halbe Tage lang in durchlöcherten Kinderstüh-
len sitzen läßt.
Die Bewegung und die Arbeit kann nur dann scha-
den, wenn der Mensch seine Kräfte übermäßig anstrengt,,
oder in seiner frühen Jugend zu schwere Arbeiten an-
haltend verrichtet; dann wird sein Körper kraftlos,
stumpf, und vor der Zeit alt. — Wer sich so stark be-
wegt, oder so eifrig und mühselig arbeitet, daß er
Schweiß vergießt, und sich erhitzt, der hüte sich, auf
einmal stille zu sitzen, oder sich der Zugluft auszusetzen,
oder einen kalten Trunk zu thun, denn durch alles'dieß
fetzt er seine Gesundheit und sein Leben in Gefahr.
Grobmann ging gern auf Hochzeiten, und war
immer in solchen Wirthshäusern zu finden, wo es
Gesundheit-lehre. r85
recht ausgelassen und lärmend zuging, und wo die
halbe Nacht hindurch wild getanzt wurde. Da tanzte
er dann so lange und so heftig, dass ihm der Schweifs
von der Stirn floss, wie bei der schwersten Arbeit.
Dabei trank er beständig Bier und Branntwein, und
gebchrdetc sich, wie ein Unsinniger. An einem heis-
sen Sommertage wollte er sich auf diese Art einen lu-
stigen Tag machen, und als nun bei der heftigen Er-
hitzung nichts mehr seinen Durft löschen wollte, so
rief er: gebt mir einen Eimer mit Wasser, das muss
helfen! Einige Anwesende, welche vernünftiger waren,
erinnerten ihn, dass er sich durch einen kalten Trunk
auf die Erhitzung den Tod zuziehen könnte; aber
Grobmann verachtete ihre wohlgemeinten Erinnerungen,
und rief: meint ihr, dass ich so weichlich bin, wie
ihr seyd? Ich kann alles vertragen; nur Wasser her!
Und damit taumelte er nach der Küche. Hier legte
er sich neben einen vollen Eimer hin, und trank sich
recht satt. Das hat geholfen! rief er prahlend. Aber
es dauerte nicht lange, so fühlte Grobmann den hef-
tigsten Fieberfrost; man musste ihn endlich nach Haufe
und ins Bette bringen, aus dem er nicht wieder auf-
stand; denn schon am folgenden Tage brach er Blut,
und nachdem er sich mehrere Monate mit der Schwind-
sucht gequält hatte, starb er in der Blüte seiner Jahre,
als ein warnendes Beispiel, wie unglücklich der Mensch
durch Wildheit und Ausgelassenheit werden kann.
Viele Jünglinge und Mädchen müssen früh und elend
an der Lungensucht sterben, weil sie den wilden Tanz
zu sehr liebten. Wer nicht beim Tanz vollkommenen
Athem behält, sollte sich dieses Vergnügens ganz ent-
halten. In einem niedrigen, engen und dumpfigten
Zimmer zu tanzen ist höchst schädlich.
Z. Vom Schlafen.
^6er ruhig schlafen will, muß sich nicht mit vollem
Magen niederlegen, nicht hitzige Getränke genossen,
sich den Tag über müde gearbeitet, und ein gutes Ge-
wissen haben. — An einem ruhigen Schlafe ist sehr
viel gelegen; denn wer nicht ruhig geschlafen hat, kany
i§5 Gesundheitslehre.
am Morgen nicht munter und froh seyn, und weder
Kraft, noch Lust zur Arbeit haben.
Das Schlafgemach muß nicht warm und niedrig,
sondern, kalt, hoch und geräumig seyn, und so viel als
möglich frische Luft haben. Deßhalb muß man am Ta-
ge fleißig die Fenster öffnen, und keine Vorhänge um
die Berten haben. — Auf und unter Federbetten zu
schlafen, ist nicht gut; denn diese Betten haben zu viel
Warme, auch sammeln sich die bösen, unreinen und
oft kranken Ausdünstungen darin, und machen den Kör,
per unaefund. Besonders verursachen sie Flüsse, Kopf-
Zahn-Ohren und Gichtschmerzen. Die besten Bit-
ten für Erwachsene sind die von Pfcrdehaaren, Häcksel
oder Stroh, und baumwollene oder wollene durchnähte
Decken. Wenn man sich aber einmal daran gewöhnt
har, auf Federbetten zu schlafen, so müssen sie im Som-
mer alle acht, und im Winter alle 14 Tage an die Luft
gebracht, ausgeklopft, und alle Monate mit reinen
Uebeczügen versehen werden.
Auch für Kinder sind Betten von Pferdehaaren,
Stroh und Moos am besten, nur müssen sie oft frisch
ausgestopft werden. Federbetten sind Kindern noch
weit schädlicher, als Erwachsenen.
Man muß sich hüten, in fremden Betten zu schla,
fen, wenn sie nicht zuvor gelüftet, und mit reinen Ue-
Verzügen versehen sind Ist man daher auf der Reise,,
und muß in einem Wirchshause übernachten, so thut
man wohl, wenn man mit einem Strohlager vorlieb
Nimmt, oder sich unausgekieidet auf daS Bette legt.
Man kann auch zu viel schlafen, und das merkt
euch wohl, lieben Kinder, damit ihr nicht Langschlä-
fer werdet, wie Georg und Heinrich waren. Diese
wollten, als Kinder, niemals gleich aufstellen, wenn
die Mutter sie weckte, sondern ließen sich wohl drei-
mahl wecken, ehe sie die Augen öffneten, und Anstalt
machten, sich anzukleiden. Darum kamen sie fast jeden
Tag zu spät in die Schule, und mussten deßhalb oft
Strafe leiden. Die Mutter ermahnte sie vergebens, sie
möchten sich doch endlich das Langeschlafcn abgswöh:
Gesundheit-lehre. 187
nen., denn künftig würden sie früh aufstehen müssen,
Hmd dann würde es ihnen sehr schwer werden. So kam
HS denn auch, als sie zu einem Tischler in die Lehre
gebracht waren. Dieser war mit seinen Lehrlingen sehr
strenge, und daher mussten die beiden Langschläfer viel
Beschämung, und harte Strafen erdulden, ehe sie sich
daran gewöhnen konnten, früh und rasch aufzustehen.
Nun gedachten sie oft an di« gütigen Ermahnungen ih-
rer Mutter, und beweinten zu spät ihren Ungehorsam.
Als sie sich endlich daran gewöhnt hatten, mit Aufgang
der Sonne aufzustehen, wurden sie noch einmahl so ge-
sund und munter, als sie zuvor gewesen waren, und
ihr Lehrmeister hatte sie nun recht lieb , denn sie waren
tüchtige Arbeiter.
Ohne dringende Nothwendigkeit sollten niemals Kin-
der bei Erwachsenen, oder mehrere Kinder in einem
Bette schlafen, denn so muß eines des andern Ausdün-
stungen einathmen, und dabey kann man nicht gesund
seyn und nrcht ruhig schlafen Ader noch schädlicher,
und sehr gefährlich ist es, wenn ein gesunder Mensch in
einem Bette schläft, worin ein Kranker gelegen hat,
ohne daß es zuvor gelüftet und ausgeklopft worden ist.
Ist die Krankheit sehr bösartig gewesen, so muß man
hft Betten verbrennen, oder tief vergraben^
9. Vyn den Wohnungen.
Ä?enn eine Wohnung gesund seyn soll, so müssen die
Stuben und Kammern hell, geräumig und luftig seyn.
In dunkeln, dumpfigten und feuchten Wohnungen wer-
den die Menschen ungesund und schwach, gichtisch und
kränklich, ja wohl dumm^ verdrießlich und schwermü-
thig Kinder gedeihen in solchen Wohnungen nicht, son-
dern werden blaß, schwellen, zehren aus und sterben.
Wer aus Armuth in feuchten Kellerstuben wohnen muß,
kann sie verbessern, wenn er ihnen von innen und von
außen viele- Licht, und so viel als möglich reine Luft
zu verschaffen sucht, den niedrigen Fußboden erhöhet,
und die feuchten Wände frisch und trocken ausmauert.
Stuben und Kammern müssen olle Tage gekehrt
und gereinigt, und ,wo möglich alle. Jahr gmM
i88 Gesundheikölchre.
werden. Dieß ist gesund und auch löblich, denn es ist
ein Zeichen der Liebe zur Ordnung und zur Reinlichkeit.
Bei kaltem Wetter muß man die Stuben nicht un-
mäßig heitzen, und sich nicht an den warmen Ofen se-
tzen oder stellen, am allerwenigsten sich auf die Ofen-
bank legen und schlafen, denn das macht den Menschen
dumm und krank. Torf und Steinkohlen zu brennen,
und damit zu heitzen, ist nicht schädlich, wenn nur die
Oefen gehörig eingerichtet sind, und die nöthige Vor-
sicht angewendet wird. Eme sehr üble mit» gefährliche
Gewohnheit ist es, die Schlafstube noch kurz vordem
Schlafengehen zu heitzxn. Daraus kann großes Un-
glück entstehen, wie ihr aus folgender Geschichte lec-
neu könnt.
Vine wohlhabend Wittwe, welche zwei erwachse-
ne Töchter hatte, musste eine Nacht aus dem Hause
bleiben, um bei ihrer kranken Schwester zu wachen.
Die beiden Mädchen dachten, sie wollten sich einmahl
recht was zu gute thun, und heitzten, weil der Abend
sehr kalt war, die Schlafstube ungewöhnlich stark.
Nun gingen sie beide fröhlich zu Bette, nachdem sie
zuvor den Ofen fest zugemacht hatten. Die Unglück-
lichen! Sie standen nicht wieder auf; denn der Ofen
bekam von der starken Hitze einen Riss, und ein Stück
Holz, welches nur halb verbrannt war. fing an zu
schwelen, und füllte bald die ganze Stube mit Rauch
an. Beide Mädchen mussten ohne Rettung ersticken,
Zwar war die eine vom Schlafe erwacht, aber verge-
bens hatte sie es versucht, die Thür zu erreichen ; man
fand sie in schrecklicher Gestalt auf dem Boden liegen?
in der Todesangst hatte sie sich das ganze Gesicht zer-
kratzt, und die Haare ausgerauft. Welch ein Anblick
war es für die unglückliche Mutter, als sie am Morgen
ihre beiden geliebten Kinder, die Hoffnung und Stütze
ihres Alters, nicht mehr am Leben fand! O lernet doch,
so lieb euch euer Leben ist, mit Feuer und Licht be*
hutiam umgehen, lieben Kinder, damit euch nicht ein
ähnliches Unglück widerfahre!
Merkt euch auch dieß , daß es äußerst gefährlich ist,
hie Stuben und Schlafkammecn, oder sich selbst durch
Gesundhsitslehre. 189
Holzkohlen, welche in einem Feuecbecken oder in ei-
nem Topfe sind, zu erwärmen, man wird davon elend,
und kann sehr Leicht ersticken.
io. Von Erhitzungen und Erkältungen.
Ä?enn man durch heftige körperliche Bewegung, durch
Arbeiten, Laufen oder Tanzen sehr erhitzt ist, so muß
man folgendes beobachten :
1) Nicht auf einmal ruhig sitzen oder liegen, son-
dern in einer mäßigen Bewegung bleiben.
2) Nichts kaltes, und auch keinen Branntwein,
Wein, Punsch oder Kaffee trinken, denn es ist ein
höchst verderbliches Vorurtheil, daß man Hitze durch
Hitze vertreiben müsse. Nichts ist vielmehr der Lunge
und dem Magen schädlicher; es entsteht ein abmatten-
der Schweiß, und hinterher manche gefährliche Krank-
heit.
z) Nicht die Haut oder den Körper der kalten Luft
oder dem Winde aussetzen, und also nicht in bloßem
Hemde gehen, sondern die Kleider anziehn. Es ist
freilich behaglicher, ohne Kleider zu gehen, wenn man
erhitzt ist,^ es scheint so stärkend zu seyn; aber dennoch
ist eS höchst gefährlich; die schlimmen Folgen kommen
nach.
4) Nickt kalt baden, und wenn man vom Regen
durchnäßt ist, nicht in den nassen Kleidern still sitzen.
5) Sich nicht auf den kalten Erdboden, auch nicht
in's Gras setzen oder legen, und am wenigsten fo schla-
fen; denn davon kann man an allen Gliedern gelähmt
werden, und die Schwindsucht oder die Gicht bekom-
men."'
Dieß alles muß man nicht thun, wenn man
erhitzt ist. Und was soll man dagegen thun? Man
soll sich bei einer gelinden Bewegung zu erhalten, und
abzukühlen suchen, dann die vom Schweiße durchnäß-
ten Kleidungsstücke mit trockenen verwechseln, und nun
langsam seinen Durst löschen. Wie aber, wenn der
tfjo Gssundhei'tSkhre.
Mensch bei schwerer Arbeit und heißer Luft brennen-
den Durst fühlt, und es kaum länger aushalten kann,
soll er dann nicht auch trinken ? Ja, er darf es zur
Noth wohl thun, aber nur nicht viel auf einmal, auch
darf ec dabei nicht ruhen, sondern er muß rasch fort-
arbeiten, oder sich bewegen, sonst erkältet er sich, und
wird krank. Noch besser ist es, besonders auf der
Reise, seinen Durst mrt einem in Bier oder Wasser
eingetunkten Srückcken Brot zu löschen.
Wer sich in feuchter und kalter Witterung, oder
im Winde erkaltet hat, muß keine hitzige schweißtrei-
bende Mittel einnehmen, sondern einige Tassen war-
mes Wasser, mit dem vierten Theil Essig vermischt,
trinken, sich recht warm mit Kleidern bedecken, und
durch starke Bewegung das Blut wieder nach der Haut
treiben. Ist die Erkältung sehr groß, so muß man ein
warmes Fußbad nehmen, Essig trinken, und sich inS
Bette legen.
Wenn der Körper und die Föße naß und kalt ge-
worden sind, so muß man die nassen Kleider und Strüm-
pfe nicht anbehalten, sondern die Haut abtrocknen und
warme trockene Kleider anziehen. Unterläßt man dieß,
so bekommt man leicht Flüsse, Gliederreißen und Gicht.
Eden dieser Gefahr ist man ausgesetzt, wenn ein Theil
des Körpers der Zugluft oder der Kalte ausgesetzt ist,
indeß der ganze üvrige Körper warm liegt und ausdün-
stet; wenn man also z. B. an einer feuchten Mmd sitzt,
oder gar daran schläft. — Man kann sich vor jenen
Uebeln bewahren, wenn man die Haut von Kindheit
an durch Luft. Waschen und Baden stark, rein und kühl
erhalt, und sich bei jeder Witterung, auch der rauhesten
und unangenehmsten, und in jeder Jahreszeit mit der
gehörigen Vorsicht viel körperliche Bewegung in freier
Luft macht.
Hütet euch, lieben Kinder, zu früh Sommerklei-
der anzuziehen, oder euch gleich in oen ersten war-
men Tagen des Frühlings so leicht zu kleiden, als
«b ihr mitten im Sommer lebtet, denn an solchen
Tagen kann matt sich am aklerleichtesten und gefähr-
kichsten erkälten, weil gewöhnlich die Abende empfind-
Gesundheitslehre. iSr
M kalt sind. Es ist doch wohl vernünftiger und
besser, ein wenig Hitze ausstehen, und dabei gesund
zu bleiben, als sich zu erkälten, und dann lange zu
leiden? Die Kälte ist ein Hauptfeind alles Lebens, od-
gleich ein mäßiger Grad von Kalte sehr stärkend seyn
kann. Die Wärme dagegen dringt in der ganzen NaZ
tur Leben und Wirksamkeit hervor. Ohne Wärme kann
nicht einmahl ein Saamenkorn keimen. L:sct folgendes
auffallende Beispiel von der außerordentlichen Kraft
der Wärme, Leben zu nähren und zu erwecken, wel-
ches sich am zweiten August 1790 in der Stadt Stras-
burg ereignete»
t^ier stürzte sich am gedachten Tage ein Soldat,
Namens Petit, ganz nackend aus dem Fenster des
Krankenhauses in den f luss. Erst um drei Uhr Nach-
mittags vermisste man ihn, und er mochte über eine
halbe Stunde im Wasser gelegen haben, als man ihn
herauszog Er war ganz todt. Man that weiter nichts,
als dass man ihn in ein recht durchwärmres Bett leg-
te, den Kopf hoch, die Arme an den Leib, und die
Beine nahe neben einander gelegt. Mäh legte ihm da-
bei immerfort warme Tücher, besonders auf den Ma-
gen und auf die Beine: auch wurden in verschiedenen
Gegenden des Bettes heisse Steine, mit Tüchern um-
wickelt, gelegt. Schon nach 7 bis 8 Minuten nahm man
an den obern Augenlfedern eine kleine Bewegung wahr.
Einige Zeit darauf öffnete sich die obere, bis dahin
fest geschlossene, Kinnlade; es kam Schaum aus dem
Munde, und Petit konnte einige Lössel Wein verschluk-
ken. Der Puls kam wieder, und eine Stunde daraui
konnte er reden.
ii. Von der Erhaltung einzelner Theile
des Körpers.
Unsere Sinnen-Werkzeuge müssen wir mit der grüß-
ten Sorgfalt gesund zu erhalten suchen, denn uns
glücklich ist der Mensch, welcher auch nur einen fei-
ner Sinne nicht gebrauchen kann; er muß viele Freu-
den und Annehmlichkeiten entbehren, und viel Lei-
den erdulden. — Die Werkzeuge des Sehens, der
192 Gesundheirslehre.
Hörens mtb des Geruchs werden durch fleißige Ue-
hung in freier reiner Luft gesund erhalten, geschärft
und gestärkt. Diesen, drei Ginnen schadet nichts so
sehr, als das übermäßige Warmhalten des Kopfes,
besonders durch Pelzmützen, denn dadurch wird das
Blut im Kopfe angehäuft, es entstehen Flüsse und
Geschwüre, deren Eiter oft zurücktritt, und dann
Blindheit oder Taubheit verursacht.
Den Augen schadet besonders blendendes, Un-
gleiches und schnell abwechselndes Lickt. Darum hü-
tet euch z. B. bei der Arbeit, und besonders bei feiner
Arbeit so za sitzen, daß euer Gesicht gegen eine frisch
geweißte Mauer, auf welche die Sonne scheint, ge-
richtet ist, oder euch, wenn ihr leset, so zu setzen, daß
die Sonne auf das Blatt scheint. Eben so schädlich
ist cs, das Bette so zu stellen, daß das Tageslicht ge-
rade in die Augen strahlt. Hütet euch, alles zu sehr
in der Nahe, oder schief von der Seite zu sehen, oder
euch langein verdorbener, mit Staub, Rauch oder
feuchten Dünsten angefüllter Luft aufzuhalten, oder in
den langen Winterabenden bei scharfen Oehl- und Licht-
dämpfen, bei starker Ofenhitze, oder in der Dämme-
rung solche Arbeiten vorzunehmen, wobei ihr eure Au-
gen anstrengen müsset. Die dachförmigen Lichtschirme,
welche die Lichtflamme ganz umgeben, das ganze Zim-
mer beschatten, und alles Licht auf das Papier werfen,
taugen nicht. Ueberhaupt sollte man nur grobe Arbeit
ten bei Lichte verrichten.
Dem Gehör schadet jeder scharfe, starke und un-
erwartete Schall oder Knall, verdorbene Luft, Feder-
betten, Staub, vieler Schleim in der Nase und in den
Ohren, und das Zusammendrücken der äußeren Oh-
ren durch Mützen und Kopfbinden.
Dem Geschmack schadet der Genuß scharfer Spei-
sen, und besonders übermäßiger Genuß scharfer Ge-
würze, z. B. des Pfeffers; ferner das Tabackcauchen,
und unmäßiges Wern- und Branntweintrinken,
Das Gefühl wird besonders durch beständige
Uebung, durch ununterbrochene Thätigkeit und durch
sorgfältiges Reinhalten der Haut gesund erhalten.
Wik
Gesundheitslehre. 193
Wir wollen uns hierbei merken, daß es äußerst ge-
fährlich ist, die von der Kälte erstarrten Hände am
heißen Ofen, oder gar am Feuer zu erwärmen; man
muß sie reiben, und so zu erwärmen suchen. Nicht
weniger schädlich ist es, die Hände, welche man eben
in kaltem Wasser gehabt hat, sogleich wieder in war-
mes zu stecken. Hat man vom Froste das Kribbeln
in den Händen, oder in den Fingern, so stellt man das
verlorne Gefühl am besten dadurch her, daß man
sich mit Schnee reibt.
Da unsere Seele vermittelst der Eindrücke, wel-
che die Sinne von den äußeren Gegenständen bekommen,
Vorstellungen erhält, so ist es nothwendig, daß wir
unsere Sinne - besonders in der Jugend, täglich und
vielfältig zu üben suchen, um recht verständig zu wer-
den; und vor dem thörichten Glauben an Gespenster be-
wahrt zu bleiben. Es würde weit weniger Aberglaube
in der Welt seyn, wenn alle Menschen von Kindheit an
ihre Sinne sorgfältig geübt, und dadurch gesund erhal-
ten hätten. Besonders können uns Gesicht und Gehör,
wenn sie nicht geübt sind, in der Nacht betrügen, so
daß wir furchtbare Gestalten zu sehen, und schreckliche.
Töne zu hören glauben, wo doch weder etwas zu sehen
noch zu hören ist. Sind aber diese Sinne gehörig ge-
übt, und geht man beherzt auf das, was man sieht oder
hört, los, und faßt es mit den Händen, so wird man
finden, daß alle Gespenster nur Betrug böser Men-
schen, oder Täuschungen unserer Sinne sind. Höret
hiervon ein merkwürdiges Beispiel.
In einem kdagdeburgiicben Dorfe wohnte ein recht-
schaffener und verständiger Prediger, welcher seine
grösste Freude an der Erziehung seiner Kinder fand.
Er hatte oft die Erfahrung gemacht, wie viel Unheil
die thörichte Furcht vor Gespenstern unter den Men-
sehen anrichtet, und lieft es sich daher bei der Erzie-
hung seiner Kinder angelegen seyn, sie vor dieser
Furcht zu bewahren. Sie mussten, schon in der ersten
Kindheit, des Abends eine Zeitlang allein im Finstern
bleiben, mussten gewöhnlich ohne Licht zu Bette ge-
hen, und zuweiten im Finstern aus abgelegenen Ge-
genden des Hauses, wo sie genau Bescheid wussten;
J94 Gesundheit-lehre.
etwas holen. Oft erzählte der Prediger Gespensterge-
schichten, und zeigte dann immer, dass Betrug oder
kindische Furcht und Einbildung dabei im Spiele ge-
wesen wäre. Eines Abends, als er auch dergleichen
Geschichten erzählt hatte: sagte er zu seiner zwölfjäh-
rigen Tochter Marie: würdest du dich wohl scheuen,
ohne Licht auf den obersten Boden zu gehen, und die
Garnwinde von da herunter zu holen? Nein, gewiss
nicht, lieber Vater, antwortete Marie. — Nun, wir
wollen sehen; jetzt geh’ einmahl, und hole ile; aber
geh’ bedächtig, und nimm dir Zeit! Marie ging, ohne
lieh zu bedenken, und fand auch bald, was sie holen
sollte. So lange war ihr nicht die geringste Furcht an-
gekommen. Aber indem sie die ersten Stufen der Trep-
pe hinunter gehen wollte, hörte sie etwas rasselnd hin-
ter sich her kommen. Jetzt fing sie an, furchtsam zu
werden; doch hatte sie noch Muth genug, sich umzu-
sehen. Aber freilich erblickte sie in der Finsterniss
riichts, und indem sie nun weiter ging, hörte sie das
rasselnde Ding wieder dicht hinter sich» Sie raffte al-
len ihren Muth zusammen, und rief: wer da? bekam
aber keine Antwort. Es war ein Glück, dass sie noch
so viel Muth behielt, denn sonst wäre sie gewiss die
Treppe hinabgestürzt, und hätte dann vielleicht Arm
und Bein gebrochen. Indessen, als sie nun auf die
zweite »Treppe kam, und das rasselnde Ding nicht auf-
hörte, sie zu verfolgen, schrie sie voll Angst: Licht!
Licht! und kam endlich ganz ausser Athem, doch mit
der Garnwinde in der Hand, in das Wohnzimmer. Hier
sahe sie sich wild um, und siehe da, ihr Verfolger war
auf einmal verschwunden. Sie erzählte nun zitternd,
was ihr begegnet war, und kaum hatte man angefan-
gen, die Sache zu untersuchen, so entdeckte man schon
mit Lachen das rasselnde Gespenst. Es war nichts an-
ders, als eine getrocknete Bohnenranke, mit einigen
Schaalen voll klappernder Bohnen, welche der guten
Marie an der Rockkante hangen geblieben war; denn
als sie sich diese wieder anhing, und damit fortging,
war gleich das Rasseln wieder da.
4 Eine gute, verständliche und angenehme Sprache
möchtet ihr doch wohl alle gern haben? Nun, so ge.
Gesundheit-lehre.
brauchet auch sorgfältig die Mittel, durch welche ihr
eure Stimme rein erhalten könnet. Schnüret nicht den
Hals mit dicken oder steifen Halsbinden zusammen,
haltet die Nase rein, und gebrauchet also fleißig daS
Schnupftuch, spühlet oft den Mund mit Wasser aus,
und übet euch, langsam, vernehmlich und laut zu spre,
chen, richtet dabei den Kopf in die Höhe, und strecket
die Brust hervor.
Die Nase soll zum Athemholen, und der Mund
zum Sprechen dienen; man wirdchaher nickt durch den
Mund Athem schöpfen, wie die unreinlichen Kinder thun,
welche die Nase immer voll Schleim haben, sondern
durch die Nase, und eben darum diese rein halten, sich
nicht an den Schnupftaback gewöhnen, und es dahin zu
bringen suchen, daß man im Schlafe den Mund ge-
schlossen hat, und durch die Nase Luft schöpft.
Auch die Zähne gehören zu denjenigen Theilen un-
seres Körpers, welche wir nrit der größten Sorgfalt
gesund erhalten sollen, denn sie sind nickt bloß zürn
Sprechen, sondern auch zum Kauen der Speisen noth-
wendig. Wenn die Speisen nicht gehörig gekaut, und
dadurch in einen Brei verwandelt werden, so kann sie
der Magen nicht verdauen, und dann nähren sie auch
den Menschen nicht, sondern schaden vielmehr feinet
Gesundheit. Wollet ihr eure Zähne gesund, erhalten,
so hütet euch vor allen Dingen, beiße Speisen zu essen,
und viel warme Getränke zu genießen. Gewöhnet euch
nicht an den schädlichen Kaffee und Thee, sondern trin-
ket lieber kaltes Wasser, esset gekochte Speisen nicht
«her, als bis sie lauwarm sind, reiniget des Morgens
beim Aufstehen, und nach dem Essen den Mund, die
Gurgel und die Zahne mit lauwarmen Wasser (denn
dieß ist den Zähnen viel zuträglicher, als kaltes, rei-
nigt sie auch besser von allem Schleim, der stch an-
gesetzt hat, und von den zurückgebliebenen Speisen,)
und setzet nicht ein- Ehre darin, Taback zu rauchen,
oder die härtesten Fruchtkerne zu zerbeissen; stochert auch
nicht mit Messern, Gabeln und Nadeln in den Zähnen,
sondern bedienet euch dazu eines spitzen Holzes, oder
einer Feder. Wer schlechte Zähne hat, soll sie nich^
i§6 Gesundheitslehre.
durch Arzneien, z. B. durch Zahnpulver, sondern ein-
zig durch Reinlichkeit, durch Kauen, frische Luft und
kaltes Wasser zu verbessern suchen. Die schrecklichen
Zahnschmerzen bringen diejenigen, welche daran
leiden müssen, oft zu dem Entschlüsse, sich die kranken
Zähne ausziehen zu lassen. Es giebt Fälle, in wel-
chen dieß rathsam ist, aber man muß dabei sehr vor-
sichtig zu Werke gehen, und zuvor andere Mittel ver-
suchen, ehe man zum Ausziehen schreitet. Oft ist Ue-
berladung des Magens die Ursache der Zahnschmerzen,
und in diesem Falle nimmt man wiederholt kleine Ga-
ben Rhabarber. Zuweilen rühren die Zahnschmerzen
von Vollblütigkeit her, und dann schröpfe man im
Nacken, und setze Blutige! an den Hals , hinter das
Ohr und den Kinnbackenwinkel der leidenden Seite,
hüte sich dabei vor heißen Stuben und vor Erhitzung,
und trinke viel kaltes Wasser. Will man den Schmerz
stillen, so muß man ja kein Nelkenöhl nehmen, denn
dadurch wird der Schmerz nur heftiger, und endlich
unausstehlich. Das unschädlichste Linderungsmittel ist
folgendes: man nehme ein halbes Loth reine zerstoßene
Myrrhe, gieße 6 bis 8 Unzen kochendes Wasser dar-
auf, lasse den Abguß klar ab, nehme davon immer-
fort einen lauwarmen Schluck in den Mund, und be-
halte ihn einige Minuten im Munde. Eben diese Wir-
kung thun 60 bis 80 Tropfen Myrrhenessenz, in eine
Tasse lauwarmes Wasser getröpfelt.
Da der Speichel zum Kauen und Verdauen der
Speisen sehr nothwendig ist, so muß maw alles ver-
meiden , wodurch viel Speichel verlohren geht, z. B.
Tabackcauchen, Tabackkauen und das Benetzen des Fa-
dens beim Spinnen mit Speichel*). Es ist eine häß-
liche und schädliche Gewohnheit mancher Kinder, be-
ständig und ohne Ursache den Speichel auszuwerfen.
•) Beim Spinnen muß man den Faden mit Wasser, da-
zuvor durch Bier, Seife oder Starke klebrig gemacht
worden ist, benetzen, auch den Flachs von allen Fasern
und Schaben sorgfältig reinigen, sonst fliegen diese beim
Athemhoie« in die Brust, und verursachen mancherlei
Uebel.
Gesundheitslehre. 197
12. Von der Schönheit und Vollkommenheit
des menschlichen Körpers.
(Sdj&n ist der Mensch nur dann, wenn sein, von Na-
tur wohlgestalteter Körper, gesund und vollkommen, d.
h. ohne Gebrechen ist. Gesundheit und Vollkommenheit
des Körpers ist für jedes Geschlecht, für jedes Alter,
das einzige Schönheitsmittel; alle andere Mittel, wel-
che Thorheit, Eitelkeit und Betrug erfunden haben, sind
elender Tünch, der wieder abfällt, und traurige Spu-
ren seines Mißbrauchs hinterläßt. Und wodurch wird
Gesundheit erlangt? Nur durch den freien Gebrauch
und durch die beständige Uebung des Körpers in den er-
sten eilf Jahren des Lebens, so lange das Kind noch
Milchzähne hat. Ferner: durch den Genuß der freien
reinen Luft, durch Waschen und Baden, leichte und
freie Kleidung, durch einfache und nahrhafte Speisen,
und Wassertcinken.. — Wodurch wird die Vollkommen-
heit des Körpers erlangt? Wenn der Körper, welcher
in den ersten eilf Jahren durch freie Selbstthätigkeit in
allen leichten Bewegungen geübt, und dadurch geschmei-
dig gemacht wurde, nach dem eilftrw Jahre durch Lei-
besübungen und körperliche Spiele mit der gehörige»
Vorsicht in allen schweren Bewegungen geübt, und da-
durch stark gemacht wird.
Dabei müssen sich Kinder gewöhnen, ihren Körper
gerade, aufrecht, mit hoher Brust, und aufgerichtetem
Kopfe zu. tragen und zu halten, wenn sie stehen, oder
gehen, oder sitzen. 8s ist dagegen sehr schädlich, nach-
lässig, krumm und schief zu geben, zu stehen, oder zu
sitzen; es ist schädlich , die Brust einzuziehen, den Kopf
auf die Brust hängen zu lassen , und von der Seite zu
sehen. Auch sollten Kinder eigentlich beide Hände gleich
gut und geschickt gebrauchen, lernen; die linke, wie die
rechte.
Wer es sich angewöhnt hat, mit dem Gesichte aller-
lei wunderliche Mienen, und mit dem Körper seltsame
Gebehrden und Stellungen zu machen, der wird da-
durch häßlich und lächerlich.
Doch die Gesundheit und Vollkommenheit des Kör-
pers macht nicht allein die Schönheit des Menschen aus;
198 Gesundheitslehre.
denn Vernunft und gute Gesinnungen sind die eigen-
thümlichsten und größten Vorzüge des Menschen. Wenn
also euer Körper noch so gesund und noch so schön ist,
rrnd ihr habt ein zorniges, rachgieriges, oder zänkisches
und halsstarriges Gemüth/ seyd ungehorsame, oder
faule/ oder leichtsinnige Kinder, so wird euch kein ver-
nünftiger Mensch um eures schönen Körpers willen lie-
chen und achten. Darum bemühet euch mir gleicher
Sorgfalt, die Gesundheit und Schönheit eurer Seele
und eures Körpers zu erhalten.
iZ. Von dem Verhalten in Krankheiten.
Kinder und Erwachsene leben nicht immer vernünftig,
ordentlich und mäßig, und daher sind sie nicht iinmer
gesund, sondern fühlen sich oft krank und schwach.
Wie sollen sie sich dann verhalten? Dieß sollet ihr jetzt
lernen, lieben Kinder.
Wer sich krank fühlt, soll sich vor ollen Dingen ru-
hig und geduldig verhalten, und die Hülfe eines Arztes
suchen. Das thun leider nur wenige Kranke. Sehe
viele wollen in der Krankheit nicht ruhig seyn, sondern
arbeiten, und ihre Geschäfte betreiben, und dadurch
machen sie die Krankheit schlimmer Andere wollen sich
nicht geduldig den Befehlen und Anordnungen des Arz-
tes unterwerfen, sondern geschwind geheilt seyn, und
nehmen darum einen Quacksalber an, der dann freilich
die Krankheit oft geschwind genug vertreibt, aber auf
rine solche Act, daß eine noch gefährlichere Krankheit
hinterher kommt
Ihr fraget, lieben Kinder, was Quacksalber sind %
So nennt man die niedrigen Betrüger, welche sich rüh-
men, alle Krankheiten schnell und glücklich zu heilen,
ja sogar die Beschaffenheit und den Ursprung der Krank-
heit aus dem Urine des Kranken sicher beurtheilen zu
können, und die doch nicht die allergeringste Kenntniß
vom menschlichen Körper, von den Heilkräften der Na-
tur , und vcn den Kräften der Arzneimittel haben, da-
her auch nicht von der Obrigkeit zu Aerzten bestellt sind,
sonderu sich eigenmächtig und heimlich zu Aerzten auf-
werfen. Uedecall finden sich solche Betrüger, und ge-
Gesundheitslehre. 19-
wöhnlich sind es solche Hirten, oder Scharfrichter, oder
verdorbene Handwerksleute. Zuweilen gelingt es ih-
nen, durch ihre Arzeneien einen Kranken wieder gesund
zu machen. aber dann hat allemal seine starke Name
LaS Beste dabei gethan, und er kann froh seyn, daß er
so glücklich davon gekommen ist. Sehr oft kommen
auch ihre Betrügereien an den Tag, und dann werden
sie von der Obrigkeit so hart gestraft, wie sie es verdie-
nen, Sie verstehen die Kunst, einfältige Leute auszu-
fragen, und hernach stellen sie sich, als hätten sie alles
an dem Ucine gesehen, was ihnen diese erst selbst in ih-
rer Einfalt gesagt haben. Einige richten ihre Weiber
dazu ab, daß sie die Leute, weiche den Ucin des Kran-
ken bringen, ausforschen, und ihnen dasjenige vorher
hinterbringen, was sie nachher mit großer Prahlerei
aus dem Urine prophezeien. Andere horchen hinter der
Thür, oder hinter einer spanischen Wand, was die Leute,
welche Arznei holen wollen, unter einander reden. So
habe ich einst von einem verdorbenen Schuster gehört,
der als ein Wunderdoktor weit und breit gerühmt wur-
de; dessen Schwager war Schenkwirth im Dorfe. Wenn
nun ein Kranker kam oder schickte, dessen Umstände der
Schuster noch nicht wußte, so war er allezeit nicht zn
Hause, ober hatte nothwendig zu thun, und feine Fraa
bestellte die Leute in einer oder zwei Stunden wieder.
Gewöhnlich sagte sie ihnen dann: sie möchten nur unter
der Zeit in den Krug gehen, und das thaten sie auch
wohl von selbst. Der Schenkwrrth war nun von sei-
nem Schwager, dem Wunderdoktor dazu angewiesen,
wie er die Leute ausfragen sollte. Was sic ihm sagten,
schrieb er geschwind auf ein Papier, und schickte dieß
feinem Schwager. Kamen nun die Kranken, oder ihre
Boten wieder hin zum Schuster, so trat er mir einer
großen Perücke hervor, nahm das Uringlas in die Hand,
legte mit einer wichtigen Miene den Finger an die Ra-
se, und erzählte ihnen nun so viel von ihren Umständen,
daß sie vor Verwunderung nicht wußten, wag sie sa-
gen sollten. Sie bezahlten nun dem Lügenprophetcn
gern, was er verlangte, und dieser theilte dann da-
Geld mit seinem Schwager. Die Pillen, die er den
Leuten gab, machte er aus bloßer Semmelkrume, und
200 Gesundheitslehre.
vergoldete oder versilberte sie, und seine Fieberpulvep
bestanden aus Zucker, Salz und Kreide. Und es war
noch gut, daß er seinen Kranken keine schädlichen Sa-
chen gab. Schlimmer machte es ein anderer Quacksal-
ber, der das kalte Fieber durch Tropfen kurirte, zu wel-
chen er Arsenik oder Rattengift nahm. Davon verging
zwar das Fieber schnell, aber hinterher bekamen die
Leute von seinen Gifttropfen schlimmere Zufälle, als.
das Fieber, und blieben zeitlebens ungesund.
Es ist Aberglaube, daß Krankheiten durch Behexen
und Besprechen entstehen können. Alle Krankhei-
ten haben ihre natürlichen Ursachen.
ln H. waren noch viele einfältige Leute, welche
an Hexen und Hexereien glaubten, so oft sie auch vom
Prediger und von dem Schullehrer eines bessern be-
lehrt worden waren. Michels Kind war verfüttert,
und wurde sehr elend. Anstatt sich an einen vernünfti-
gen Arzt zu wenden, und das Kind massig und or-
dentlich zu halten, gebrauchte man, allerlei thörichte
Mittel gegen die Hexerei, so lange, bis das arme Kind
zum Krüppel geworden war. — Konrads Kind wör
von der ungesunden Milch seiner Mutter, die sehr är-
gerlich war, krank und schwach, bekam Krämpfe und
hahe heftige Verzuckungen, wobei es das Gesicht
schrecklich verzerrte. Die abergläubischen Eltern glaub-
ten steif und fest, ihr Kind sey behext, und begnügten
sich daher, es zu bekreutzen und zu segnen, ohne ei-
nen Arzt herbei zu rufen, und Arzneimittel zu gebrau-
chen. Es musste elend sterben. — Heinemanns
Kinder hatten beim Spielen im Garten den giftigen
Stechapfel gegessen; sie kamen schreiend, unter hefti-
gen Schmerzen, nach Hause, und klagten den Eltern
ihre Noth. Bald bekamen sie schreckliche Verzuckun-
gen. Die Eltern, welche ihre Kinder noch kurz zuvor
so munter und froh gesehen hatten, konnten diese
plötzliche Veränderung nicht begreifen, und .ohne erst
nach der Ursache zu forschen, waren sie gleich darin
einig dass die armen Kinder behext seyn müssten. Sie
sehickten daher eiligst nach dem Kuhhirten in einem
benachbarten Dorfe, der in dieser Gegend als ein Wun-
dermann berühmt war» Dieser kam, gab den Kindern
Gesundheit-lehre. 201
einen Trank ein, wobei er mancherlei närriiche Gebehr-
den machte- um die vermeinte Hexerei zu bannen Al-
lein schon in der folgenden Nacht starben zwei von
den Kindern auf die kläglichste Art, weil sie nicht zu
rechter Zeit Hülfe bekommen hatten: auch das dritte
musste sterben, weil die Hülfe des Arzte* zu spät kam.
Dieser öffnete nun die todten Körper, um die Ursache
des Todes zu erforschen, und so fand es sich denn
bald. dass der giftige Saamen sie getödtet hatte. Jetzt
machten sich di« abergläubischen Leute bittere Vorwür-
fe, dass sie so thöricht gehandelt, und vom Aberglau-
ben verführt, die ordentliche Hülfe eines geschickten
Arztes versäumt hatten, Sie konnten sich nie hierüber
zufrieden geben.
Wenn der Arzt die Krankheit eines Menschen Heilen
soll, so muß er die Beschaffenheit und die Ursache der
Krankheit wissen. Man muß daher dem Arzte alle Zu-
fälle, Zeichen und Umstände des Kranken, und sein gan-
zes Befinden vom Anfange der Krankheit an genau und
richtig erzählen, ihm die Leibesbeschaffenheit und die Le-
bensart des Kranken anzeigen, und ihm alle die Umstän-
de sagen, welche die Ursache der Krankheit seyn könnten.
Es ist daher gut, daß der Arzt den Kranken sehe und
spreche , und selbst die Natur und Ursache der Krankheit
erforsche. Der Kranke muß dann den Rath und die An-
weisung des ArzteS in Ansehung der Lebensordnung, des
Essens und Trinkens genau befolgen, und die verordne-
ten Arzneyen treulich und zur rechten Zeit gebrauchen.
Auch muß er diese Arzeneien bis zum Ausgange der
Krankheit fortbrauchen, und nicht ungeduldig oder miß,
trauisch werden, wenn die Krankheit nicht gleich nach
der ersten Arznei vergeht, denn das ist eben so unmög-
lich, als daß ein Baum auf den ersten Hieb falle.
Die Pfleger eines Kranken müssen mit ihm, als mit
einem Unglücklichen, sanft und liebreich umgehen, ihn
sorgfältig warten und pflegen, nicht viel mit ihm reden,
so lange die Krankheit noch gefährlich ist, und dafür sor-
gen, daß es still und ruhig um ihn her sey, und daß er
immer frische, reine und trockne Luft habe.
LOL
VIH.
Von der Zeitrechnung und vom Kalender.
zum Untergänge derriben ein Lag, und dieß wäre der
natürliche Tag. Ader so berechnen wir unsere Lage
nicht, denn sonst würden sie niemals aus vier und zwan-
zig Smnden, sondern mitten im Sommer höchstens aus
fechszehn, und mitten im Winter nur aus sieben
dis acht Stunden bestehen. Nach der Zeitrechnung,
welche bei uns eingeführt ist, nehmen wir Lag und
Nacht zusammen, und nennen dieß einen Tag. Wenn wir
also von Jemand sagen: er ist auf acht Lage verreist, so
heißt das eigentlich auf acht Lage und acht Nächte.
Solch ein Lag, von vier und zwanzig Stunden, der
sich um Mitternacht anfängt, und bis zur folgenden Mit-
ternacht dauert. heißt ein bürgerlicher tT ag. Wir
zählen aber nur zwölf Stunden, von Mitternacht bis
Mittag, und dann eben so viele von Mittag bis Mit-
ternacht. Die Uhren dienen dazu, um genau die
Stunden abzumessen.. Man hat dreierlei Uhren. Die
eine Art ist unbeweglich, nämlich die Sonnenuh-
ren. Die Sonnenuhren zeigen bei Sonnenschein die
Stunden mittelst eines Zeigers an, der in der Mitte
der Uhr aufrecht steht, und dessen Schatten immerauf
Die Zch! der Stunde fällt, welche verflossen ist. Fällt
also der Schatten des Zeigers zwischen vier und fünf,
so ist es halb fünft. Die Sanduhren sind jetzt fast
gar nicht mehr gebräuchlich. In einem verschlossenen
Glase ist feiner Sand, der in einem überaus feinen
Strahl Furch eine unten im Glase angebrachte Oeff-
rmng in ein anderes Glas läuft. Die Einrichtung ist
fb gemacht, daß er gerade in einer Stunde abläuft.
Man kann an diesen Uhren nur wissen, daß eine Sttm-
Von der Zeitrechnung und vom Kalender 20z
de des Tages verflossen ist, aber nicht: die wie vielste
Stunde.
Die brauchbarsten Uhren sind also unstreitig die
Räderuhren, denn man kann sie bei Sonnenschein
und in der Finsterniß gebrauchen, und sie zeigen weit
genauer die Zeit an, als Sonnenuhren und S-nduhren.
Die Röderuhren werden, wenn sie groß sind, wie z. B.
die Wanduhren und Srudenuhren, durch Gewichte in
Bewegung gesetzt Sind sie klein, ww die Taschen-
uhren, so setzt man sie durch eine dünne zusammenge-
krümmte Stahlplatte, welche die Feder heißt, und
sich nach und nach ausdehnt, in Bewegung Eine Rä-
deruhc zeigt nicht nur die Stunden, sondern auch die
Minuten, (deren sechszig auf eine Stunde gehen, ja
sogar, wenn sie darnach eingerichtet ist, die Sekun-
den an. Sechszig Sekunden machen Line Minute aus.
Wie viel Sekunden gehen also auf eine Stunde?
Der Mond läuft in jedem Jahre ungefähr drei-
zehn Mal um die Erde, und wird, eben so, wie unsere
Erde, von der Sonne erleuchtet. Aber bei seinem Um-
laufe zeigt er uns nicht immer die ganze von der Sonne
erleuchtete Hälfte, sondern bald einen größeren, bald
einen kleineren Theil derselben. Diese Veränderungen
seiner erleuchtenden Scheibe finden wir im Kalender mit
folgenden Namen angezeigt: Neumond; erstes
Viertel; Vollmond; letztes Viertel. Den
Neumond sehen wir gar nicht, weil uns der Mond als-
dann seine dunkle Seite zukehrt. Aber einige Tage nach
dem Neumonde sehen wir einen schmähten Abschnitt der
Mondscheibe, in Form einer Sichel, am Himmel glän-
zen. Sieben Tage nach dem Neumonde sehen wir die
Mondscheibe halb erleuchtet, und dieß wird das erste
Viertel genannt. Nun wird die Mondscheibe an je-
dem Abende größer und runder, und sieden Tage nach
dem ersten Viertel ist sie ganz rund, denn nun steht der
Mond der Sonne gegen über, und zeigt uns seine ganze
erleuchtete Hälfte. Nun nennen wir ihn Vollmond.
Der Vollmond nimmt alle Abende ad, und hat sich
nach sieden Tagen wieder in den Halden Mond ver-
wandelt, d. h. wir sehen seine Scheide nur halb er-
Ä04 Von der Zeitrechnung und dem Kalender.
leuchtet, und zwar des Morgens um 6 Uhr. Dann sa-
gen wir: es ist das l e tz t e Viertel. Von dieser Zeit
an rückt der Mond der Sonne wieder näher, und steht
nach sieben Tagen mit ihr in einerlei Gegend des Him-
mels, daher wir ihn dann gar nicht sehen, und folglich
wieder Neumond haben.
Die Zeit von einem Neumonde bis zum andern, wird
ein Monat oder Mond genannt. Wie viel Tage
würden also zu einem Monat gehören, wenn sich der
Mond wirklich genau in Zwischenräumen von sieben Ta-
gen viermal so veränderte, wie es vorhin beschrieben
worden ist? — Aber so rechnen wir nicht, denn wir
würden mehr als zwölf Monate im Jahre zählen müs-
sen, wenn wir die Monate genau nach dem Umlaufe des
Mondes abmessen wollten. Um eine gerade Zahl zu ha-
ben, hat man zwölf Monate angenommen, und
jedem Monate einige Tage mehr gegeben, als er haben
müßte, wenn er genau nach dem Umlaufe des Mondes
abgemessen werden sollte. Der Mondschein ist für
die, welche des Nachts reisen oder arbeiten, sehr nützlich.
Wenn eucb aber jemand bereden will, daß einige Ge-
schäfte besser im zunehmenden, und andere besser im
abnehmenden Monde gerathen, so glaubet es nicht.
Wir sagen zwar: die Sonne geht auf und geht
unter; aber eigentlich geht oder bewegt sich die Sonne
am Himmel nicht, sondern bleibt unbeweglich an dem-
selben Orte stehen. Aber unsere Erde bewegt sich um
die Sonne, und zwar binnen einer Zeit von drei, hun-
dert fünf und sechzig Tagen und sechs Stunden, und in-
dem sie sich um die Sonne herum bewegt, dreht sie sich
zugleich drei hundert fünf und sechzigmal um sich selbst,
wie sich das Rad um seine Axe dreht, und dabei zugleich
immer weiter fortbewegt. Die Sonne kann die Erde,
da diese fast so rund, wie eine Kugel ist, nicht auf ein-
mal ganz bescheinen, oder erleuchten, sondern nur die-
jenige Hälfte der runden Erde, welche ihr zugekehrt ist.
Nimm eine Kugel, und halte sie, wenn es finster ist,
gegen ein Licht; nicht wahr, so wird nur die eine Hälf-
te der Kugel von dem Lichte erleuchtet, und die andere
Richt? Es sieht also freilich alle Tage so aus, als ob
Don der Zeitrechnung und dem Kalender. 205
die Sonne unterginge, weil wir die allmählige Bewe-
gung unserer Erde unmöglich wahrnehmen können, so
wenig wir es wahrnehmen, daß 'ein Schiff allmählig
auf dem Flusse fortschwimmt, wenn wir nicht etwa
ein besonderes Merkzeichen haben, woran wir dieß er-
kennen.
Daß man also die Zeit in Jahre eintheilte, und
drei, hundert fünf und sechszig Tage zu einem Jahre
rechnete, dieß kommt daher, weil man alle Tage die
Sonne erscheinen und wieder verschwinden sabe. Und
nun gebt einmal recht Acht auf die Sonne, so werdet
ihr bemerken, daß sie nie an demselben Orte des Him-
mels erscheint und verschwindet. In manchen Mona-
ten scheint sie nur kurze Zeit, weil diejenige Halste un-
serer Erde, welche wir bewohnen, sich nach sechs oder
acht Stunden schon wieder von der Sonne abkehrt;
in manchen Monaten aber sehen wir die Sonne sechs-
zehn bis siebzehn Stunden am Himmels weil in dieser
Zeit diejenige Hälfte unserer Erde, auf der wir woh-
nen, sich für so lange Zeit der Sonne zukehrt. Cs
giebt also Monate im Jahre, # wo unsere Tage kurz,
und dann folglich auch die Nächte desto länger sind;
und wiederum andere Monate, in welchen wir kurze
Nächte und lange Tage haben. Zweimal im Jahre
nämlich den ein und zwanzigsten März und den drei
und zwanzigsten September, ist der Tag bei uns gerade
eben so lang, als die Nacht, also beim Anfange des
Frühlings und Herbstes. Den kürzesten Tag im
Jahre haben wir am ein und zwanzigsten December,
und den längsten am ein und zwanzigsten Juni.
Nun wissen wir alle, woher die Abwechselung
von Tag und Nacht entsteht; nämlich von dem Um-
drehen der Erde um sich selbst, oder, wie man auch
sagt, um ihre Axe. Wir wissen auch, daß am Ende
eines Jahres oder eines Zeitraums von drei hundert
fünf und sechszig Tagen noch sechs Stunden übrig blei-
ben, weil die Erde gerade so viel Zeit gebraucht, um
ihren Laus um die Sonne zu vollenden. Diese über-
zähligen sechs Stünden rechnet man allemal im vier-
ten Jahre zusammen, und macht einen Tag darauf
so6 Von der Zeitrechnung und vom Kalender.
den man den Schalttag nennt, weil er dem jedes-
maligen vierten Jahre eingeschaltet wird, und zwar
im Monat Februar, der also dann neun und zwanzig
Tage enthält. Das Jahr, in welchem diese Einschal-
tung geschieht, heißt ein Schaltjahr.
Wenn hundert Jahre verflossen sind, so sagt man:
ein Jahrhundert ist zu Ende. Wir haben das
Ende eines Jahrhunderts erlebt, und nennen dieses
zu Ende gegangene Jahrhundert das achtzehnte,
weil seit der Geburt Jesu Christi, des größten
Wohlthäters der Menschen, des weisesten und kagend-
haftesten Mannes, der je gelebt hat, achtzehn hundert
Jahre verflossen sind.
In dem Kalender, den wir vermuthlich alle ken-
nen, ist die Zeitrechnung durch ein ganzes Jahr genau
angezeigt. Er ist also ein sehr nützliches Buck. Doch
enthält er auch manches Unnütze, z. B. die Vorhersa-
gung der Witterung; denn kein Mensch ist im Stande,
auch nur einen Tag, viel weniger ein ganzes Jahr vor-
her zu wissen, wie die Witterung beschaffen seyn wer-
de, da nichts veränderlicher ist, als das Wetter. Das
Nützlichste in dem Kalender ist die Anzeige der Tage,
Wochen und Monate durchs ganze Jahr; die Bestim-
mung der Festtage, die Abwechselungen des Mondes,
und die Anzeige der Sonnen t und Mondfinsternisse,
welche in dem Laufe des Jahres eintreten.
Die Namen der zwölf Monate sind sehr alt,
und nicht deutschen Ursprungs. Besser wäre es daher,
wenn wir die deutschen Namen gebrauchten, welche
schon vor tausend Jahren ein Deutscher Kaiser, Karl
der Große, den Monaten gab. Er nannte mit
Recht den Januar Win termon ak, den Februar
Hornung — von dem alten deutschen Worte Hör,
welches Koth bedeutet, weil es in diesem Monate ge-
wöhnlich thauet, und dann viel Koth entsteht; — den
März nannte er den Lenz - oder Fcühlingsmo-
nat; den April Ostermonat; dm Mai Wonne-
monat, weil er Wonne oder Freude bringt; den
Juni Brachmonat, weil dann die Brachäcker, d. h-
die unbesäet gebliebenen Aecker zur Wintersaat zu-
Von der Zeitrechnung und vom Kalende^ 207
bereitet werden; — den Juli Heumonat; den Au-
gust Erntemonat; den September Herbst monat:
den October Weinmonat, den November Winter-
monat, und den December Christmonat, weil das
Geburtssest Jesu Christi in diesem Monate gefeiert
wird, und zwar, wie wir alle wissen, um Weihnach-
ten. Dieses Fest fällt allemal auf den fünf und zwan-
zigsten December.
Das Osterfest fallt nicht immer auf denselben
Tag, und nicht immer auf demselben Monat, sondern
entweder am Ende des Märzes, oder vor den fünf und
zwanzigsten April.
Das Pfingstfest fällt allemal sieben Wochen nach
Ostern ein.
Der Kalender enthält auch ein genaues Verzeichniß
der Jahrmärkte und Messen, welche in verschie-
denen Städten gehalten werden. Unter Messen versteht
man große Jahrmärkte, zu welchen sich sehr viele Kauf-
leute aus fremden und entfernten Ländern mit ihren
Waaren einfinden. In Deutschland giebt cs mehrere
Orte, wo Messen gehalten werden. Die bekanntesten
sind die Messen, welche in Leipzig, in Frank-
furt am Main, Frankfurt an der Oder und
Braunschweig gehalten werden.
In unsern Kalendern sieht auch ein Abschnitt von
Sonnen, und Mondfinsternissen. Mit dielen
Finsternissen hat es folgende Bewandniß. Wir wissen
aus dem vorigen, daß die Erde um die Sonne, und
der Mond- um die Erde, aber auch zugleich mit der
Erde, um die Sonne läuft. Indem sich nun diese gro-
ßen Körper um einander herumdrehen, so geschiehet eS
zuweilen, daß einer dem andern das Licht der Sonne
wegnimmt oder auffängt, indem er zwischen ihn und
die Sonne tritt. Da nun beide, die Ecde und der
Mond, ihr Licht von der Sonne erhalten, und also
finster werden müssen, wenn ihnen dieß Licht entzogen
wird, so ist's natürlich, daß der Mond vor unsern
Augen verdunkelt da steht, wenn die Erde bei ihrer
Umwälzung um die Sonne zwischen ihn und die Son-
so8 Merkwürdige Natur * Erscheinungen.
ne getreten ist, denn nun wirft die Erde ihren Schat-
ten auf den Mond, und verursacht dadurch eme
Mondfinsternis Ist nun der Fall umgekehrt, daß
nämlich der Mond zwischen die Sonne und unsere Er-
de getreten ist, so wird zwar die Erde nicht ganz dadurch
verdunkelt, da der Mond kleiner als die Erde ist; aber
der Mond entzieht uns dann doch größten Theils den An-
blick Sonnrnscheibe, so daß es uns scheint, als sey
die Sonne zum Theil verfinstert, und darum nennen wir
diese Erscheinung eine Go«neüfinsteeniß. Diese
Benennung ist also eben so wenig richtig und passend,
als der Ausdruck: die Sonne geht auf und geht un,
ter; denn die Sonne wird ja bei einer sogenannten
Sonnenfinsterniß nicht wirklich verfinstert, sondern
nur durch die Mondscheibe verdeckt, und so zum
Theil unseren Augen entzogen. Da nun in diesem
Falle der Mond den größten Theil der Sonnenstrah-
len auffängt, so wird es bei Sonnenfinsternissen bis-
weilen so dunkel, daß die Sterne am Himmel zu se-
hen sind, und es aussieht, als ob es Nacht werden
wollte.
IX.
Merkwürdige Natur.Erscheinungen.
Die 2uff, welche uttfete Erbe voi, allei, Seiien uni.
giebt, sammt den Dunsten, welche sse enthàlt, wird die
Atmosphàrs oder ver Luftkreis genannt. Ie
hbher man z. B. arss hohen Bergen, in diesem Luft-
tretfe hmaufsteigt, desto dànner wird die Luft, und desto
weniger dràckt sie. Daber kommt es, dafi die Bergbe-
wohner starter und fcbhlicher find, als die Bewohner
ber Thalec.
Alle Dunste und D.'rmpfe, welche bestàndig von
ber Erbe und allea Dingen auf der Erbe aufsteigen,
sam-
Merkwürdige Natur - Erscheinungen. S09
sammeln sich in der Atmosphäre, und indem sie sich
verbinden, entj-eht daraus Regen, Schnee, Nebel,
Wind, und jede andere Veränderung der Witterung —
W nn sich die Luit in einigen Gegenden der Atmosphäre
auf einmal sehr stark ausdehnt, und dagegen in ande-
ren Gegenden derselben sich zusammendrängt, so entsteht
eine starke Bewegung unter den Luftmassen, und diese
Bewegung wird Wind genannt. Ist der Wind sehe
hefng, so wird er Sturm genannt; den heftigsten
Sturm nennt man einen Orkan. Ein Sturm zer-
bricht die stärksten Bäume, wirft Häuser und Thürme
um. und verheert zuweilen ganze Wälder. Eme solche
Verheerung nennt man einen Windbruch.
Der Thau entsteht aus den wäßrigen Dünsten,
welche am Tage auö der Erde aufsteigen, durch die
Kälte der Nacht verdickte- werden, und dann nieder-
fallen. Wenn daher die Nächte lehr warm sind, so
fällt wenig oder gar kein Thau. Gefriert der Thau,
so nennt man ihn Reif. Wenn cs gereift har, so sind
die Bäume und Gräser so weiß, als ob sie gepudert
wären. Wenn nämlich d>e Bäum? und andere Kör-
per sehr kalt sind, so müssen die darauf gefallenen
Dünste nothwendig zu E s'hcilchen werden Bei gro-
ßer Kälte gefrieren sogar die Ausdünstungen, die auS
unserem Munde gehen, und das Haar wird davon,
wie mit einem Reise, überzogen.
Der Nebel entsteht ebenfalls aus Dünsten, die sich
schon verdichtet haben und also eigentlich nicht mehr
Dünste sind D das Wasser, aus welchem er besteht,
in sehr feine Theile zertheilt ist, so schwimmt er in der
Lult. Wenn sich diese feinen Theile verbinden, so bil-
den sie sehr feine Tropfen welche alsdann niederfallen.
Dann sagt man: der Nebel fällt. Scheint die
Sonne unmittelbar auf den Nebe!, so wird d;es schwim-
mende Wasser durch die Wärme ausgedehnt, cs muß
verdunsten und die aus die Erdfiäche gelagerte Nedel-
Masse muß sich beben Man sagt dann: der Nebel
steigt. Der Nebel welcher sich an heitern <^ommcr-
abendm zeigt entsteht daraus, daß sich die Luft abgr-
kühlthat. Flüsse, welche nicht zugefroren sind, rau-
2 io Merkwürdige Natur. Erscheinungen.
chen im Winter, wenn es stark frieret, weil die obern
Wasserschichten, wegen ihrer größeren Dichtigkeit und
Schwere, zu Grunde gehen, und das noch wärmere
Wasser von unten auf in die Höhe drängen, welches
zwar verdunstet, aber sogleich wieder kropfbar wird.—
Die Nebel, welche in den höheren Gegenden deß Luft,
kceises schwimmen, nennen wir Wolken. Ans auf-
steigenden Nebeln bilden sich Wolken, deren verschiedene
Farben bloß daher entstehen, daß das Sonnenlicht auf
eine sehr verschiedene Weise in den Wolken gebrochen
* wird. Manche Wolken mögen über drei Meilen von
der Erdfläche entfernt stehen.
Aus feinen Nebeltropfen bildet sich rn der oberen
Luft der R e g e n. Man unterscheidet Staubregen und
Platzregen, Strichregen und Landregen. Hagel ist
gefrorner Regen. Der Schnee begeht aus nichts an-
derem, als auL.gefrornen sehr feinen Waffertbeilchen,
welche bei stiller Luft in Gestalt sechszackiger Sterne
niederfallen. Hängen sich mehrere derselben an einan-
der, so werden Schneeflocken daraus. Wenn alles
Wasser, welches ein ganzes Jahr hindurch als Regen,
Schnee und Hagel niederfällt, auf der Oberfläche unse,
rer Erde stehen bliebe, ebne zu verdunsten, so würde eS
ungefähr 30 Zoll hoch über dem ganzen flachen Lande
stehen. — Zuweilen hat der Regen eine röthliche Far-
be (der sogenannte Blutregen); dieß rührt von einigen
Schmetterlings-Arten her, welche eine rothe Materie
von sich geben, wenn sie aus ihren Hüllen hervorkrie-
chen. Abergläubische und unwissende Menschen erzäh-
len , daß es Frösche geregnet habe. Damit hat es fol-
gende Bewandniß: wenn es nach langer Dürre einmal
regnet, so kommen die Frösche aus ihren trockenen Lö-
chern hervor, und hüpfen in großer Menge auf dem
nasse« Boden herum, indem sie ihren Durst löschen. —
Der Regenbogen ist ein großer siebenfarbiger Halb-
zirkel, welcher in den Regentropfen sichtbar wird, wenn
die Sonne einer dunkeln Wolke gegenüber steht, und
wir uns zwischen der Sonne und der Wolke befinden.
Die Sonnenstrahlen werden nämlich in den herabfal-
lenden Regentropfen auf eine verschiedene Weise gebro-
Merkwürdige Natur - Erscheinungen. 21t
chen. Die oberste Farbe des Regenbogen- ist die rothe,
und die unterste die violette.
Es giebt in der Natur einen Stoff, von dessen Be-
schaffenheit uns nur dieß bekannt ist, daß er einem
Körper die Kraft giebt, andere Körper bald anzuzie-
hen und bald abzustoßen, wobei sich fast immer ein
Lichtfuuke oder eine Flamme mir einem größeren oder
geringeren Geräusche zeigt, und derjenige Körper, der
davon getroffen ist, erschüttert wird. Dieses Natur-
Ereigniß wird Elektricität genannt. Reibt man
z. B. eine reine und trockne Glasröhre mit einem wol-
lenen Lappen, uud hält sie über kleine Stücke Papier,
so werden diese einigemal angezogen und zurück ge-
stoßen; kommt marz dieser Röhre mit dem Finger na-
he, so sieht man im Dunkeln einen Funken, hört ein
Knistern, und fühlt ein Stechen im Finger. Hält man
die Röhre, nachdem sie lauge und stark gerieben ist,
gegen das Gesicht, so hat man eben die Empfindung-
als wäre das Gesicht mit Spmncnwebe überzogen.
Eben dieß bemerkt man, wenn man Bernstein, Schwe-
fel, Porzellan oder Siegellack reibt. Man hat eine
eigene Maschiene erfunden, durch welche man die Elek-
tricität sehr leicht erregen kann, die E lek tri si r ma-
schi ne. Wenn die Glasscherbe, welche sich daran zwi-
schen zwei Reibekissen berumdrebt, iu Bewegung gesetzt
wird, so fangt eine blecherne Röhre, welche damit in
Verbindung sieht, die durch das Reiben des Glase-
er. egte Elektricität auf, und mit einem krummen, an
jedem Ende mit einem blanken Knopfe versehenen
Drahte, der einen gläsernen Handgriff hat, lockt man
die Elektricität aus der Röhre; denn indem man sie
mit dem Knopfe des Drahtes berührt, fährt der elek-
trische Funke heraus Man kaun diesen Funken so
stark machen, daß Metalle dadurch in einem Augen-
blicke geschmolzen, und ghiere getödtet werden können.
Diele elektrische Matene befindet sich nun auch in den
Wolken, welche man Gewitterwolken nennt, und wenn
sie in Gestalt eines zackigten Feuerstrahls ausfährt/
so sagen wir: es blitzt, oder wetterleuchtet.
Der Knall, welcher gewöhnlich auf den Blitz oder
2it Merkwürdige Natur, Erscheinungen.
Wetterstrahl folgt, nennen wir den Donner schlag.
Wenn die elektrische Klamme, welche wir Blitz nen,
nen, einen Körper, z. B- einen Baum oder ein Haus
trifft, so zerstört sie ihn, indem sie ihn entweder in
Brand steckt, oder zerspittert. Trifft der Blitz einen
Menschen, so betäubt, lähmt oder tödlet er ihn. Doch
dieß geschieht sehr selten, und der Nutzen, dm die Ge,
Witter dringen, ist weit größer, als der Schaden, den
sie anrichten. Sie kühlen die Luft ab, und reinigen sie
von schädlichen Dünsten. Der Regen, welcher gewöhn-
lich die Gewitter begleitet, macht das Land fruchtbar,
und befördert das Wachsthum der Pflanzen sehr merk-
lich. — Die nachtheiligen Wirkungen des Blitzes an
Gebäuden verhütet man am sichersten durch wohl ein,
gerichtete Blitzableiter. Dieß sind eis rne Stan,
gen, welche am obern Ende mit einer scharfen Spitze
versehen seyn müssen. Um sie vor dem Rost zu bewah-
ren , überzieht man sie mir Zinn oder Firniß und ver,
goldet die Spitze. Breite, genau an einander befestigte
Kupferbleche thun eben diese Dienste. Der Blitzableiter
wird von der Erde bis an die Spitze des Daches ge«
führt, und dicht am Hause befestigt, doch so, daß
er bis in die feuchte Erde hinabreicht. An einem sol-
chen Blitzableiter fährt die elektrische Materie, ohne
das HauS zu beschädigen, herunter in die Erde. Ein
Haus, welches von hohen grünenden Bäumen umge,
den ist, wird vom Blitze nicht getroffen, weil der Blitz
sich nach den Bäumen hinzieht Eben darum muß
man aber auch nie bei einem Gewitter unter Bäumen
Schutz suchen.
Ihr habt wohl schon oft von Irrlichtern oder
Irrwischen gehört? Dieß sind kleine Flammen oder
Lichter, welche sich an sumpfigten Oerrern sehen las,
fen, und eine hüpfende Bewegung haben. Sie ent-
stehen aus brennbaren Dünsten, welche sich entzünden,
und fo lange leuchten, als sie brennen. Man hat
diese leuchtenden Dünste darum Irrlichter genannt,
weil bisweilen Reisende, welche ihnen nachgingen, da,
durch von ihrem Wege ab, und mehrentheils in Süm-
pfe geführt wurden. Eine ähnliche Bewandniß hat
Europa. 313
eS mit den so genannten Sternschnuppen und
Feuerkugeln Wenn diese leuchtenden Körper an-
der obern Luft herabschießen, so sieht eS gerade so auS,
als ob ein Stern vom Himmel fiele. Sie schießen mit
der größten Geschwindigkeit brennend fort, und lassen
zuweilen einen röchlichen Strich in der Luft zurück, der
sich allmahlig verliert. Zuweilen hört man ein Gezische,
womit sie sich bewegen, und oft zerspringen sie mit einem
Knall. Ihr Licht ist blendend hell.
Zuweilen sieht man an der mitternächtlichen oder
Nord -Seite des Himmels einen hellen Schein, aus
welchem bisweilen Strahlen hervorschießen, und der
sich nach und nach über einen großen Theil de- Him-
mels verbreitet. Der Himmel sieht dann zuletzt ganz
roth und freurig aus, und gewahrt einen überaus schö-
nen Anblick- Man nennt diese Natur-Erscheinung ein
Nordlicht, und sie ist unstreitig, so wie daS Wetter-
leuchten, eine Wirkung der Elektricität. Es ist thöricht,
sich davor zu fürchten, denn das Nordlicht richtet nie
Schaden an, und hat auch nichts Böses zu bedeuten.
X.
Europa.
xDir wissen aus dem porigen, daß derjenige Theil
unsere Erde, in welchem wir wohnen, Europa heißt,
und daß die 5 großen Theile der Erde wieder in klei-
nere Theile, oder in Lander und Staaten einge,
theilt sind, welche auf der Landkarte durch die verschie-
denen Farben bezeichnet werden. Die Länder, in wel-
che Europa getheilt ist, haben folgende Namen:
1) Deutschland, unser Vaterland, welches mit-
ten in Europa liegt (f. S. 219 )
2) Die Schweitz oder Helvezien, ein kleines
bergigtes Land, dessen Einwohner Schweitzer ge-
nannt werden, liegt zwischen Frankreich, Deutschland
214 Europa.
und Italien, nAürt zahlreiche und schöne Viehherden,
hat Wein und Obst, wenig Getreide, und ist das höch-
ste Land in Europa. Wir wollen uns die Namen von
zwei ansehnlichen Städten merken, welche in diesem
Lande liegen. Sie heißen: Zürich und Bern.
Z) Italien, ein großes, und sehr fruchtbares Land,
welches man daher den Gerten von Europa genannt
hat. Es ist reich an Reis, Wein, Oehl, Citronen, Po-
meranzen, Zeigen, Apfelsinen, und schöner Seide, und
hat einen Ueberfluß an Viel). In Italien findet mau
unter andern die starken Büffel, viele Maulthiere und
Esel, und den schöben weißen Marmor, aus welchem
unsere Bildhauer Statüen und Bildsäulen machen. Un-
ter den Städten Italiens sind die merkwürdigsten : M a i-
land, Rom, Venedig, Neapel, Florenzund
Genua.
,;) Frankreich, ein großes, fruchtbares Land,
welches reich an Wein, Getreide, Oehl, Obst und edlen
Früchten ist. Wir merken unS die Hauptstadt dieses
Landes: Paris, in welcher mebr als siebenmal 1»un,
derttausend Menschen wohnen, und die Städte: Toulon,
Bordeaux, Marseille und Strasburg. Die Einwohner
Frankreichs werden Franzosen genannt.
5) Spanien, ebenfalls ein großes, und zum Theil
sehr fruchtbares Land, in welchem die feinste Sedaaf-
wolle, gute Seide, sehr viel Wein (besonders Mallaga)
und Oehl sOlivenöhl), Baumwolle, Zucker, Manna
und Taback gewonnen wird. Die Spanischen Pferde,
Esel und Maulesel sind vortrefflich. Die Hauptstadt
dieses Landes, und Residenz (Wohnort) des König-
von Spanien heißt Madrit.
6) Portugal, ein kleines, merstentheilS fruchtba-
re-, aber wrnig angebautes Laúd, in wela-em viel Wein,
Oehl und Reis wächst. Auch an Südfrüchten, d. h. an
Pomeranzen , Citronen und Feigen, ist kem Mangel.
Man findet in Portugal weit mehr Esel und Maulesel,
als Pferde. Wie man bei uns auf Pferden reitet, so
reitet man in Portvgal auf Mauleseln. Die Hauptstadt
ches Landes und die königliche Residenz heißt Lissabon.
Die Einwohner Portugals werden Portugiesen genannt.
Europa. 215
7) Holland oder die Niederlande ist ein
kleines morastiges, von vielen Kanälen durchschnit-
tenes Land, in avelchem sehr wenig lGetreide, kein
Holz und kein Wein, auch nur sehr wenig Obst wächst.
Die Holländer verstehen sich aber sehr gut auf die Vieh-
zucht, und daher hat das Land Ueberfluß an Butter
und Käse. Da es am Meere liegt, so fehlt es auch
nicht an Seefischen vnd Seesalz. Die größte Stadt in
diesem Lande heißt Amsterdam.
8)Großbrittanien, oder: England, Schott-
land und Irland, besteh; ans zwei großen Inseln.
In England baut man vortreffliche Gerste, und daher
ist auch das Englische Bier das beste. Die Viehzucht
ist in diesem Lande sehr hoch getrieben, besonders die
Schaaf- und Pferdezucht, daher die Englische Wolle,
nächst der Spanischen, hie beste ist, und die Englischen
Pferde für die schönsten in Europa gehalten werden.
Das englische Leder ist berühmt. Sehr reich ist Eng-
land an Steinkohlen, und das beste Zinn ist das Eng-
lische.— Schottland ist an Eisen und Fischen, be-
sonders an Häringen und Stockfischen sehr reich, hat
treffliche Gchaafzucht, und Ueberfluß an Steinkohlen.
Auch Irland hat treffliche Wolle, Getreide und Fi-
sche, besonders Lachse, im Ueberfluß. Der König von
England wohnt in London, einer der größten Städte
in der Welt, in welcher mehr als eine Million Men-
scheu wohnen. Wer diese ungeheure Stadt nach ihrer
ganzen Länge durchwandert, hat einen Weg von bei-
nahe anderthalb Meilen zu machen. Sie enthält 8000
große und kleine Straßen, 34 Marktplätze, und noch 75
andere Plätze, und beinahe 500 Kirchen und Kapellen.
Beständig kommen auf dem Flusse, an welchem London
liegt, auf der Themse, Schiffe aus allen Theilen
der Erde an , und man rechnet, daß jährlich mehr als
izooo Schiffe aus-und einlaufen.
9) Dänemark, ein kleines ebenes Land, welches
schönes Rindvieh, Pferde, Schaafe, Schweine, Fi-
sche, Austern, Steinkohlen, Bernstein, -aber weder
Salz, noch Metalle, und wenig Holz hat. Die Ein-
wohner des Landes werden Dänen genannt. Die
2l6 Europa.
Hauptstadt heißt Kopenhagen. Hier wohnt der Kö-
nig von Dannemark.
10) Norwegen, ein großes Land, welches auch
dem Könige von Dannemark gehört. ES ist voll hoher und
rauher B rge, deren Gipfel zum Theil beständig mit
Schnee bedeckt sind. Drese Berge enthalten den Reich»
thum des Landes, denn in ih em Innern findet si Sil-
ber, Kupfer und E'sen in Menge Ackerbau und Vieh-
zucht können die Einwohner, welche Normänner genannt
werden, fast gar nicht treiben, denn lhr felsigtes Land
bringt weder Getreide noch Gras hervor. Desto mehr
beschäftigen sie sich mit d»r Jagd und Fischerei. In den
Norwegischen Wäldern finden sich Elenthiere, Bären,
Wötte, Hermeline und Haasen genug, und das Meer,
an welchem Norwegen hegt versorgt die Normänner
mit Lachsen, Häringen. Stockfischen und Austern so reich,
lich daß sie einen großen?hn- davon verkaufen können.
Die ansehnlichste Stadt in Norwegen heißt Bergen.
11) Schweden, eines der größten Länder in Eu-
ropa, aber dennoch eins der ärmsten, daher es auch
nur wenig Einwohner hat Nur an Eilen ist Schweden
unermeßlich reich Es wird daraus vortrefflicher Stahl
gemacht, und mit diesem, so wie mit dem Kupfer, wel»
ches auch in großer Menge gefunden wird, ein sehr
einträglicher Handel getrieben. Außer dem Bergbaus
find die Schweden auch mit der Fischerei beschäftigt.
Ihr Lund ist voll großer fischreicher Seen, und liegt
von einer Seite am Meere. Das Rennthrer ist in
Schweden zu Haufe. Wölfe finden sich in ganzen
Schaaren. Auch Elenthrere sind häufig. — Die
Hauptstadt des Landes, und Residenzstadt des Königs
ydlßt Stockholm.
12) Rußland ifd das größte Land in Europa,
und daher von sehe verschiedener Beschaffenheit. Im
äußersten Norden findet man nur Gesträuche, Bee.
ren, Marienglas, Pehthiere in großer Menge, Fi-
sche und Federvieh. In einem andern Theile des
Landes bringt der Boden doch Gerste und einige
Gartenfrüchte hervor, und die mittäglichen Gegenden
V
217
Europa.'
haben Ackerbau. Obst und gute Viehmrbt, wilde Pfer-
de, und ungeheure Waldungen. Noch weiter gegen
Mittag bringt das Land Wein, Oost, Lorbeerbäume
und Getcede, worunter auch der Reis ist, in Menge
hervor. An diesen Gegenden sind die E^l und die Ka-
meek die gewöhnlichen Laitthiere, d«e Buff wchsen zie-
hen den Pstug, und die Pferde werden erlogt und geges-
sen. Viele Bewohner dieses fruchtbaren Lant firichS wis-
sen nichts von Hä Ilern, sondern wohnen beständig in
schlechten Hätten oder in Zetten, und zuhen mir ihren
Heerden aus einer Gegend in die andere. Viele schla-
gen in F-llen, Höhlen od'r Erdhütten ihre Wohnung
auf. Diese Bewohner Rußlands heißen Tataren.
Die Hauptstadt Rußlands und R si enz deS mächtigen
Russisten Kaisers h<aßr Petersburg Eure ndere
sehr große Stadt dieses Landes heißt Moskau.
13) Die Türkei ist ein sehr fruchtbares und war«
mes Lano, und daher reich an vortrefflichen Produkten,
besonders an Reis, Wein Südfrüchten, B umwolle,
Seide Taback; an Rindvieh. Schaffen, Pferden,
Eseln und Mautthieren; an Marmor, Alaun, Schwe-
fel, Eisen und Salpeter. Das türkische Garn ist be,
rühmt. AuS der Seide machen die Türken prächtige
Stoffe und Tapeten Der Mais oder düs Türkische
Korn ist auch bei uns bekannt. Aus Zttgenfeüen wacht
man in der Türkei den schönsten Korduan und S'fsian.
Die Hauptstadt des Landes heißt Konftanrinopel.
Sie ist die Residenz des Türk-schen Kaisers, welcher
auch Großsultan oder Großherr genannt wird, und die
größte Stadt in Europa, aber nicht die schönste; denn
sie hat fast lauter hölzerne Häuser, und krumme schmutzi-
ge Srraßen. -
14) Ungarn ist zum Theil ein sehr gebürgtes und
waldiges Land, zum Thnl aber auch äußerst fruchtbar,
und besonders sehr reich an Gold und Wein, in einigen
Gegenden auch an Getreide, Mais, Reis, Safran,
Honig Mandeln, Obst, schönem Rindvlehe und schö-
nen Pferden, an Stein - und Quellsakz, und fast allen
Mineralien. In dem Sande einiger Ungarischen Flüsse
werden Goldkörner gefunden. Auch hier bedient man
218 Europa
sich des Büffels beim Ackerbaue. An Fischen hat das
Land Uebecfluß. Cs werden besonders Hausen und
Karpfen in großer Menge gefischt. Dir vornehmsten
Städte Ungarns heißen Preß bürg und Ofen. Mit-
ten durch das Land strömt die Donau.
,*5 ' Galizien ist ein salzreiches Land. Es giebt
hier ein Salzbergwerk, in w 'l-Hrm man ungeheure Höh-
len findet, deren Wände und Gewölbe aus lauter Stein-
salz bestehen. In den Bergen Galiziens wird Alaba-
ster und Marmor gefunden. Wachs und Honig wird in
Menge gewonnen. Auch an Getreide und Obst fehlt
es nicht. Die Hauptstadt des Landes heißt Lemberg.
16) Preußen ist größten Theils ein ebenes und
fruchtbares Land, voll schöner Wiesen und Viehweiden.
Seine Hauptprodukte sind: Getreide, Buchweitzrn, Hir-
se, Hülsenfrüchte, Flachs, Hanf, Taback, Vieh aller
Art, Hon;g und Wachs, Wildpret, auch Bären, Wöl-
fe, Clenthiere, hie und da Auerochsen und Biber;
sehr viel Fische, holzreiche Waldungen, Bernstein, Ei,
sen, Blei und Steinkohlen. Die Weichsel strömt
durch das Land. In einem Theile Preußens giebt es
vortreffliche Pferde und Ochsen. Die größten Städte
dieses Landes heißen: Königsberg, Danzig, El-
bing. An den Preußischen Küsten (Meeres - Ufern)
hat das Meer ungeheure Sandfelder und Sandberge
(Dünen) aufgethürmt, welche man schon zum Theil
urbar gemacht d. h. bebaut und mit Baumen bepflanzt
hat. Auf diese Act vergrößert sich das Land in jedem
Jahre.
'7) Böhmen, ein gebörgiges und waldiges, aber
doch im Ganzen sehr fruchtbares Land. Am reichsten
ist es an Getreide, Honig, Wachs Obst, Edelsteinen,
Holz, Eisen und Zinn. Die Böhmen find sehr betrieb-
sam und geschickt, besonders im Leinweben und Spitzen-
klöppeln, in der Verfertigung des Glases, im Berg-
bau und in der Musik. Die Elbe durchströmt dieß
Land. Das Riesengebürge trennt es von dem benachbar-
ten Schlefien. Die Hauptstadt Böhmens heißt Prag.
18) Mähren ist auf allen Seiten von Gebärgen
eingeschlossen, hat aber dennoch Getreipe, auch Reis
2l9
Europa.
und Mais. Safran und Süßholz, Flachs und Hanf
wird in Menge gewonnen. Die zahlreichen Bergwerke
liefern Vitriol, Alaun, S^weftl, Esten, Blri, Sil-
ber und Steinkohlen. Die beiden vornehmsten Städte
heißen Brünn und Ollmütz.
19) Schlesien, ein zum Theil bergigtes Land,
hat sehr fleißige und geschickte Emwobner. ^ie Schle-
sische Lemewand ist berühmt, und die Schlesische Wolle
wird rheuer bezahlt. In den zahlreichen Bergwerken
des Landes wird Silber, Kupfer, Eisen und Ble ge-
funden; Steinkohlen sind in der größten Menge vorban-
den. Die Oder durchströmt dieß Land. An ihrem
Ufer liegt die Hauptstadt des Landes, Breslau.
20) Die Lausitz ist ein kleines, bolz- und stein-
reiches Land, dem es auch nicht an Vieh, besonders
an gut?n Schauen fehlt, und dessen Einwohner die Bie-
nenzucht, den Obst und Ga tenbau, und zum Tbeil
auch den Weinbau sehr emsig betre b-n. Dw beiden
vorzüglichsten Städte dieses Landes heißen: Bautzen
und Luckau. In der Lausitz entspringt der Spree-
Fluß, an welchem Berlin liegt.
' Die Länder Böhmen, Mähren, Schlesien
und die Lausitz werden zu Deutschland ge »chnet.
Die mehresten Emwohner dieser 4 Länder sprechen auch
die deutsche Sprache als ihre Mutter sprach-. Doch ha-
ben die Böhmen eine eigene Sprache, außer welcher sie
aber auch noch die deutsche sprechen.
XI.
Deutschland.
Deutschland ist unter den 20 Europäischen Ländern,
von welchen wir eben etwas gelesen haben, eins der
größten und fruchtbarsten. Es besteht aus vielen
größern und kleineren Staaten, unter deren Be-
herrschern einer den Titel Kaiser führt. Die übri-
22o Deutschland.
gen sind Könige, Großherzoge, Herzoge, Fürsten
und Grafen.
Ein kleiner Theil Deutschlands liegt am Meere,
namllch an der Oft fee und Nordsee, und an dem
Adriatischen Meere. Das übrige Deurschland ist
von folgenden Ländern eingeschlossen; von Dänemark,
Holland, Frankreich, Helvezien oder der Schweitz, Ita-
lien, Ungarn, Galizien und Preußen.
Deurschland enthält viele Berge und Ge bürge.
Einige darunter sind so hoch, daß ihre Gipfel fast das
ganze Jahr hindurch mit Schnee bedeckt sind. Eins
unter diesen Gebürqen, der Harz, besteht aus einer
16 Meilen langen R-ihe von Bergen, unter welchen
der Brocke n oder Blocksberg der höchste ist. Der
Schwarzwald, der Thüringer-Wald, das
Erzgebürge und das Fichtelgebürge sind eben,
falls sehr große Bergketten.
Fünf große schiffbare Flüsse durchströmen Deutsch-
land. Sie heißen: Donau, Elbe, Oder, Rhein
und Weser. Außerdem giebt es in Deutschland noch
sehr viel kleinere Flüsse, die aber auch schiffbar sind,
und eine große Menge Seen, unter welchen der Bö,
densee an der Grenze Deutschlands und der Schweitz
der größte ist.
Rar sehr kleine Landstriche in Deutschland sind un,
angebaut, und diese heißen Haiden. Die meisten
Deutschen Länder sind wohl angebaut und fruchtbar,
und daher sind die Produkte Deutschlands überaus
zahlreich. Besonders sind die meisten Deutschen Länder
reich an Obst, Holz, Getreide. Flachs, Wein, Vieh,
Silber, Eisen und Kupfer. Die reichsten Gilberberg,
werke sind im Erzgebürge, welches eben von seinem
Reichthums an Erz oder Metallen den Namen hat, und
im Harzgebürge. Im Erzgebürge wird auch Zinn
gefunden.
Da§ größte Deutsche Land ist das Erzherzogthum
Oesterreich, welches dem Kaiser von Oesterreich
gehört. Ern Theil dieses Landes, welches T y r o l heißt,
ist voll hoher Berge, die bis in die Wolken reichen, und
unter denen viele beständig mit Schnee bedeckt sind. Auf
I
Deutschland. 221
diesen Bergen wohnen Gemsen, (wilde, unfern Ziegen
ähnliche Thiere), Stemböcke» Murmelthiere und Adler.
Ja, man findet sogar in diesem rauhen Lande Berge,
welche au- lauter Eis bestehen. Sie werden Glet-
scher genannt. Die Tyrolrr wandern in ganz Deutsch-
land als Handelsleute umher. — Das Ercherzogrhum
Oesterreich hat -ehr reiche Bergwerke, welche vortreffli-
ches Eisen und Quecksilber liefern. — Die Hauptstadt
des Landes heißt Wien. Sie liegt an der Donau, ist
die Residenz des Kaisers von Oesterreich, und die größte
und volkreichste Stadt Deutschlands.
Das Königreich Baiern liegt auch zum Theil
an der Donau, und ist ein fruchtbares Land Es gehört
dem Könige von Pfalz. Baiern. Die Hauptstadt
des Landes heißt München, und ist eine der schön,
sten Städte in Europa. — Mehrere tausend Einwohner
Baiern- nähren sich von dem Gewinne des Salzes, wor»
an dieß Land einen unerschöpstichen Reichthum hat.
Franken oder der Fränkische Kreis liegt in
der Mitte Deutschlands, und ist ein warmes, fruchtba-
res, mit Getreide, Wein und Obst reichlich versehenes
Land Außer den gewöhnlichen Getreidearten wächst
hier noch eine, welche nicht sehr häufig ist, der Dinkel.
Das Frch^elgebürge liegt in diesem Lande Die merkwür-
digsten Städte Frankens heißen: Nürnberg» Erlan,
gen. Anspach, Bayreuth, Würzburg und
Bamberg. — In einer Gegend Frankens wächst
das Süßholz, welches die Apotheker zur Arznei ge-
brauchen, so häufig, daß jährlich mehrere 100 Centner
davon verkauft werden.
Schwaben oder der Schwäbische Kreis ist
ein außerordentlich fruchtbares und warmes Land. Da-
her bringt eS Getreide, Wein und Obst im Uederstusse her-
vor. Doch giebt es auch öde» unfruchtbare Gegenden
in Schwaben, denn zwei hohe und rauhe Gedürge. der
Schwarzwald und die Alb. ziehen sich durch da-
Land. Dev größte Strom in Europa, die Donau,
har hier seinen Ursprung. Die merkwürdigsten Schwä-
bischen Städte sind folgende: Stuttgardt, die Rest-
222' Deutschland.
denz deß Königs von Würtenberg, welchem ein Theil
von Schwade» gekört; Karlsruhe, die Residenz des
Großherzogs von Baden; Augsburg, eine von Al-
ters her berühmte Handelsstadt, in welcher besonders
schöne Silber. Arbeiten gemacht werden, und Ulm an
der Donau.
Hessen. Die zum Theil sehr schön gebaute Haupt,
stadt Cassel liegt an der Fulda In de-: Nachbar-
schaft dieses Landes liegt Frankfurt am Main,
eine berühmte Handelsstadt, in welcher jährlich zwei
Messen gehalten werden. Dreh Messen werden von
Kaufleuten auS fast allen Europäischen Ländern, beson-
ders aus Frankreich und England, besucht.
Die Pfalz am Rbein ist ein schönes fruchtbares
Land an der Grenze Deutschlands. Der Rhein, an
welchem es liegt, trennt es von Frankreich. Es ist ein
weinreiches Land. Der Wein, welch?» man hier ge-
winnt, wird Rheinwein genannt- Die Landstraßen sind
größten Theils mit Nußbäumen besetzt, und in den
Weinbergen stehen ächte Kastanien- und Mandelbäume.
Obst wachst in großem Ueberfiusse. Die schönste Stadt
des Landes heißt Manheim. —
Westphalen ist ein großes, nicht überall frucht,
bares Land. Ein klein" Theil desselben liegt auch am
Rhein, ein anderer lir^t an der Weser und Ems.
Die Einwohner beschäftigen sich mehr mit der Viehzucht
und dem Leinweben, als mit dem Ackerbaue. Nur der
Flachsbau wird fast überall eifrig betrieben. Die Bie-
lefelder Leinwand wird tbeuer bezahlt. In dem ge-
bürgigen Theile Westfalens giebt es große Eisen-
und Skabl. Fabriken. In der Stadt Iserlon wer-
den Frschangeln, Radeln, Schnallen, Ketten und F-n-
gerbüte in großer Menge verfertigt. In Schwelm,
macht man Schraubenstöcke, Schlösser, fangen, Wa-
genwmden, Aexte, Beiie, Sagen, Meißel, Hvbelei-
sen, Bohr«"-, Feiten und mehr dergleichen Eisenwaa,
ren. 9'* den merkwürdigsten W stphalischen Städten '
gehören folgende: Wesel, Münster, d!e Handels,
fiudt Emden an der Mündung der Ems , nicht weit
Deutschland. 22z
von den Küsten dsr Nordsee, Minden an der We-
ser, Bielefeld und Pyrmont, mit einem berühm-
ten Gesundbrunnen.
Niedecsachsen oder der Niedersächsische
Kreis. Die Elbe durchströmt dieses Land, in wel-
chem es große unbebaute Striche oder Haiden giebt.
Ein Theil von Niedersachsen ist gebürgig: er enthält
das hohe, rauhe, aber silberreiche Gebürge, welches
der Harz genannt wird. Einige Gegenden Nieder-
sachsenS haben Ueberfluß an Getreide, und in den Lan-
dern an der Ostsee und Nordsee wird starke Viehzucht,
besonders Pferdezucht getrieben. Die Hollsteinische But-
ter ist bekannt, und die Hollsteinischen Pferde werden
theuer bezahlt. Die vorzüglichsten Niedersächsiscken
Städte sind folgende. Hamburg, die größte Deut-
sche Handelsstadt, an der Elbe. Jährlich kaufen drei
bi- vier taufend Schiffe hier ein, worunter die Hälfte
Seeschiffe sind. In dem geräumigen Hafen dieser Stadt
liegen beständig Schiffe aus England, Dänemark,
Schweden, Rußland, Amerika und Asien vor Anker,
beladen mit den Produkten aller Ecdtheile, besonders
mit rohem Zucker, Kaffee, Wein, Indigo, Taback,
Baumwolle und Gewürzen. Cs giebt in dieser reichen
Stadt mehr als zoo Zuckersiedereien, und sp viel Kat-
tundruckereien, daß gegen 2000 Menschen darin Arbeit
finden. Mehr als 100,000 Menschen wohnen in Ham-
burg, und die meisten nähren sich vom Handel. —
Bremen, au der Weser, ist auch eine ansehnliche Han-
delsstadt. — Lübeck liegt nicht weit von der Ostsee,
und treibt ebenfalls ansehnlichen Handel. — Hanno-
ver ist die Hauptstadt des Brauuschweig-Lü-
neburgschen oder Hannöverschen Landes, und
liegt an der Leine. — Braunschweig war sonst
die Hauptstadt eines Herzogt hu ms Braun-
schweig, und hat eine berühmte Messe. — Mag-
deburg ist eine sehr starke Festung an der Elbe, und
eine bedeutende Handelsstadt. — Halberstadt war
sonst die Hauptstadt eines Fürstenthums dieses Na-
mens Dies Land bringt sehr viel Getreide, Anies,
Kümmel und Flachs hervor. — Glückstadt ist die
2 24 Deutschland.
Hauptstadt des Herzogthums Holstein, eines
Dan.schon Landes.
Obersachsen oder der Obersächsische KreiS
macht einen beträchtlichen Theil D mschkands aus, und
besteht auS drei Ländern, welche Sachsen Bran-
denburg und P o m m e r n heißen In dem mittägli-
chen Theile dieses Kreises liegt d 's Erzgebirge auS
welchem die Bergleute vre! Sr'^er Kupfer und Eisen
hervorholen Der nördliche Thsrl hat einen niedrigen,
flachen sandrgen Boden, aber zum Therl auch frucht-
bare Gegenden und vortreffliches Holz zum Schiffbaue.
E n Theil des Kreises, welcher an der Ostsee liegt, Pom-
mern h^r gare V-ehzucht. Die Flüsse, welche Oder,
sachsen durch rö ren, sind folgende: dreElde die Oder,
die Havel, die Saale, die W arthe und dieSpree.
Der südliche Therl deö Landes g hört größten Theils
dem Kö nige von Sachsen, der nördliche g hört
beinah ganz dem Könige von Preußen, der auch
Kuhrfürft von Brandenburg heißt. — Sachsen ist
eins der heften Länder in Deutschland. Seine Emwoh,
ner sind sehr geschickt und fleißig. Die Hauptstadt die-
ses Landes hecht Dresden. Sie ist die Resident deS
Königs, und gehört zu den schönsten Städten Deutsch-
lands Die Elbe fließt durch diese Stadt. A^ch Leip-
zig ist eine schöne sächsische Stadt, und eine berühmte
Handelsstadt. Ihre Messen werden nicht nur von Drut»
schen, sondern auch von Russischen, Französische.', Eng,
lischen und Türkischen Kaufleuten besucht — Halle
liegt zwar auch in Sachsen, an der Saale, und hat eine
berühmte Universität.
Die MarkBrandenburgist zwar nicht so frucht-
bak, als Sachsen, aber sehr sorgfältig angebaut. Sie
wrd von der Ober , E de, Havel, Spree und Marche
durch :römt. Außer d m Ackerbaue beschäftigen sich die
Brandenburger mit d r Viehzucht, der Bienenzucht, dem
Seidenbaue und in einigen Gegenden auch mit dem Wern-
baue Inden Städten giebt es ansehnliche Manufak-
turen und Fabriken, besonders Biumwo'lcn. Wol-
len und Seidenfabriken. DieHaup st dt des Landesund
die Residenz des Königs von Preußen ist Berlin, eine
Deutschland. 225
sehr große und größten Theils schön gebaute Stadt,
in welcher mehr als 160,000 Menschen wohne«, worun-
ter ungefähr 25000 Soldaten sind. Unter den Fabriken
dieser Stadt ist die Porzellän-Fabrik die merkwürdigste.
Sie giebt mehr als 300 Arbeitern, und über 60 Mah-
lern Beschäftigung. In einer andern Fabrik sind einige
hundert Arbeiter beschäftigt, feines und grobes Tuch zu
verfertigen. Die Zuckersiedereien, die Leder. Fabriken,
dieBranndtweinbrennereien, die Seiden» und Baumwol-
len »Fabriken und die Buchdruckereien geben mehreren
tausend Menschen Nahrung, und man rechnet, daß in
den sämmtlichen Berlinischen Manufakturen und Fabri-
ken mehr als 16000 Menschen Beschäftigung finden.—
Berlin liegt zwischen der Oder und Elbe, an der Spree,
einem mäßigen Flusse, der aber doch große beladene
Kähne trägt, und sich zwei Meisen von Berlin mit der
Havel vereinigt. Da die Havel in die Elbe fällt, so
können die Waaren zu Wasser bis nach Hamburg ge-
bracht werden. Auch mit der Oder ist die Spree durch
einen Kanal verbunden, und die Waaren können daher
auf der Spree und Oder bis in die Ostsee gebracht wer-
den. Potsdam, eine schöne Stadt mit prächtigen
Schlössern und Lustgärten, liegt an der Havel, von
schönen Bergen umgeben, unter welchen viele Weinberge
sind. — Frankfurt an der Oder, eine Handels-
stadt, in welcher Messen gehalten werden, liegt in einer
schönen Gegend. Auch hier wird der Weinbau sehr
stark getrieben.
Pommern ist ungleich fruchtbarer, als die Mark
Brandenburg, und hat daher Ueberfluß an Getreide.
Die Ochsen, Kühe, Pferde, Schaafe und Schweine
sind in diesem Lande vorzüglich groß und stark. Die
Flüsse Pommerns sind fischreich. Die Oder strömt
mitten durch das Land. Die Hauptstadt des Landes,
Stettin, liegt an der Oder, nicht weit vom Ausflusse
derselben indas frische Haff, einen großen See, der
mit der Ostsee in Verbindung steht. — Ein kleiner Theil
von Pommern gehört dem König von Schweden, und
heißt daher Schwedisch. Pommern. Die Haupt,
stadt desselben heißt Stralsund.
2S6 Don d. Rechten «. Pflichten ter Unterthanen
XII.
Von den Rechten und Pflichten der Unter-
thanen in wohleingerichteten
Staaten.
Kinder find, so lange fie In dem Hanse Ihrer Eltern
leben, diesen Gehorsam schuldig, d. h. sie dürfen nicht
thun, was ihnen gut dünkt, oder in den Ginn kommt,
sondern sie müssen thun, was ihre Eltern wollen, und
was diese ihnen befehlen oder gebieten. Wenn sie aber
erwachsen sind, und eine Kunst, oder ein Handwerk,
oder eine Wissenschaft erlernt haben, wodurch sie sich
ihren Unterhalt erwerben können, so gehören sie nicht
mehr bloß zur häuslichen, sondern auch zur bürger-
lichen Gesellschaft, und müssen, als Mitglieder
derselben, den Gesetzen gehorchen, welche in ihrem Da-
terlande gelten; diese Gesetze heißen Landesgesetze,
weil sie nicht für einige Menschen, sondern für alle
Einwohner de- ganzen Landes gemacht find, und weit
sie von ihnen allen befolgt werden sollen, damit Ord-
nung, Ruhe und Sicherheit in dem Lande herrsche.
Es gab nicht immer so viel Menschen auf der Er-
de, als fetzt, und die Menschen lebten auch ehemals
nicht in Städten, Dörfern und Ländern gesellschaftlich
beieinander, sondern wohnten zerstreut, in schlechte«
Hütten. Damals gehorchten die Mitglieder einer Fa-
milie dem Hausvater, und es gab keine Könige, keine
Fürsten und Obrigkeiten unter den Menschen; keiner
war mehr als der andere, denn alle bauten das Feld,
hüteten ihr Vieh, und nährten sich von den Früchten
des Feldes, und von der Milch ihrer Heerden. Nach
und nach vermehrten sich aber die Bewohner der Er-
in wohleingerichteten Staaten. 227
de, und nun mußten sie nothwendig näher bey einan-
der wohnen. Da es nun von jeher gute und böse Men-
schen gab, so entstand sehr bald Streit unter ihnen,
als sie näher zusammen wohnten. Wenn dann einer
sich stärker fühlte, oder mehr Verstand hatte, als sein
Nachbar, so nahm er diesem mit Gewalt sein Eigen-
thum weg, wozu er freilich kein Recht hatte. Aber
man nannte dieß dennoch das Recht des Stärke-
ren, oder auch, weil es dabei auf die Stärke der
Faust ankam, da- F a u st r e ch t. Ihr könnt leicht den-
ken, lieben Kinder, daß die Schwachen, die Sanftmü-
thigen, die Friedfertigen, und besonders die Weiber und
Kinder sehr unglücklich waren, so lange dieses so ge-
nannte Recht galt; denn keiner war damals seines Ei-
genthums und selbst seines Leben- sicher, keiner konnte
in Ruhe und Friede genießen, was er sich mit Mühe
erworben hatte; Streit und Krieg nahm kein Ende,
weil jeder Beleidigte sich, sobald er konnte, an seinem
Beleidiger zu rächen suchte. Dieses elenden Lebens
wurden die Menschen endlich überdrüßig, und die Ver-
nünftigsten unter ihnen besonders sannen darauf, wie
diesem Unfug abzuhelfen seyn möchte. Da kamen sie
denn endlich darin überein, daß die Erfahrensten, Red-
lichsten und Weisesten unter ihnen ausmachen sollten,
was jeder zu thun und zu lassen habe, und alle übrige
sollten sich darnach richten. Das, was jene ausgemacht
hatten, nannte man Gesetze oder Verordnungen.
Nun würde der Zustand der Menschen sehr glücklich ge-
wesen seyn, wenn sich wirklich alle nach den Gesetzen
gerichtet hätten; allein die Unverständigen, die Zornigen
und Eigensinnigen, die Unredlichen und Leichtsinnigen
kehrten sich oftmals nicht an die Gesetze, sondern tha-
ten, was ihnen gut dünkte, beleidigten die Redlichen
und Friedfertigen, und nahmen ihnen mit Gewalt ihr
Eigenthum. Da wurden diese mit einander einig, ge-
wisse Personen unter sich zu wählen, welche darauf ach-
ten und dafür sorgen sollten, daß die Gesetze von allen
treulich befolgt würden. Diese Personen nannte man
zusammen genommen die Obrigkeit, und alle übrige
Einwohner des Landes wurden Unterthanen genannt,
weil sie jenen Unterthan, d. h. gehorsam seyn sollten.
P a
228 Von d. Rechten u. Pflichten der Unterthanen
Eben so, wie die Lehrer in der Schule, die Eltern kn
ihrer Familie, die Aufseher in einer Fabrik, und die
Offiziere bei einem Regiment Soldaten darauf Acht
haben, daß alles ordentlich und ruhig zugehe, und
keiner den andern beleidige oder beraube: ebenso hat
die Obrigkeit in einem Lande darauf Acht, daß in dem
Lande, und in den Städten, Flecken und Dörfern des
Landes die Ordnung, Ruhe und Sicherheit nicht durch
böse Menschen gestört werde. Sie hat auch das Recht,
diejenigen zu strafen, welche sich nicht nach den Gese-
tzen richte» wollen, sondern aus bösem Willen oder aus
Leichtsinn Unruhe und Unordnung anrichten.
Ihr habt wobt schon die furchtbaren Häuser gese-
hen, welche man Zuchthäuser und Gtadtgefäng-
nisse nennt? In diesen Häusern findet man lauter
kleine Stuben, welche mit festen Thüren, mit großen
und festen Schlössern und Riegeln verwahrt sind, und
nur ein kleines Fenster haben, das von außen mit
starken eisernen Stäben versehen ist. In solche Stu-
ben, welche man Kerker oder Gefängnisse nennt,
werden die Verbrecher, d. h. die bösen Menschen,
eingesperrt, welche die Gesetze nicht befolgt, sondern
durch Diebstahl, Betrug, Räuberei und Mordthaten,
Unordnung und Unglück angerichtet, oder sich den Be-
fehlen der Obrigkeit widersetzt haben. Da müssen sie
oft Jahre lang, manche sogar zeitlebens für ihre Ver-
brechen büßen. Vielleicht denkt ihr, lieben Kinder,
daß diese Leute aus Unwissenheit gesündigt haben?
Nein, sie haben allerdings gewußt, was sie thun und
lassen sollten, denn schon durch ihr eigenes Nach-
denken konnten sie ja einsehen, daß es unrecht und
schändlich sey, Andere vorsätzlich zu beleidigen, sie zu
betrügen, oder ihnen ihr Eigenthum wegzunehmen, und
daß es dagegen ihre Pflicht sey, der Obrigkeit zu ge-
horchen. Und ohnehin können alle Einwohner eines
Landes genau erfahren, was von der Obrigkeit gebo-
ten oder verboten ist, weil die obrigkeitlichen Gesetze
und Verordnungen öffentlich bekannt gemacht werden.
Dieß geschieht theils in einer Schrift, welche in jeder
Woche gedruckt heraus kommt, und für wenig Geld zu
haben ist, (sie heißt die Zeitung), theils dadurch,
in wohleingerichteten Staaten. 229
daß jedes neue Gesetz auf Blätttern abgedruckt wird,
und diese Blätter an den Ecken der Straßen angehef,
tet werden, so daß sie jeder lesen kann. Also kann
kein Unterthan sich mit seiner Unwissenheit entschuldi-
gen, wenn er die Gesetze übertreten hat.
Damit auch ihr recht früh mit dem, was ihr künf-
tig als Unterthanen zu thun schuldig seyd, bekannt wer-
den, und nickt aus Unwissenheit dagegen sündigen mö-
get, so leset das Folgende mit großer Aufmerksamkeit,
und präget es eurem Gedächtnisse tief ein.
i. Von den Rechten der Menschen.
r. Älles, was einem Menschen erlaubt und freigestellt
bleiben muß, und ihm weder geboten, noch verboten
werden darf, wird sein Recht genannt. So hat z B.
jeder Mensch das Recht, alles, was er sich erworben
hat: sein Geld, sein Haus, seine Kleider und Sachen
nach seinem Belieben zu gebrauchen, wenn er nur da-
mit Andern keinen Schaden zufügt.
2. Wenn also jemand mein Recht gewaltsam anzu-
greifen und zu verletzen suchte, mir z. B. mein Geld
wegnehmen, und rS zu seinem Nutzen gebrauchen wollte,
so dürfte ich ihn durch Zwang und Gewalt davon ab-
halten, oder mich gegen ihn vertheidigen, und ihm das
Genommene wieder abnehmen.
z. Jeder Mensch darf seine Anlagen, Fähigkeiten
und Kräfte frei und ungehindert ausbilden; dieß ist
das erste unter den allgemeinen Menschen-
Rechten. Es darf also keiner durch grausame und
unbarmherzige Behandlung die Geisteskräfte eines An-
deren zerrütten oder verderben; es darf keiner den An-
'Lern hindern, diese Kräfte zu üben, und durch Uebung
zu erhöhen und zu vervollkommnen. Wenn also z. B.
ein Herr seinen Diener, oder ein Lehrmeister seinen Lehr-
ling mit Fleiß in der Unwissenheit erhielte, ihm alle Ge-
legenheit und Mitt- l nähme, um etwas zu lernen, oder
ihn gar in Irrthümer führte, um dann mit ihm macken
zu können, was er wollte, der hätte auf eine schändliche
Weise die Rechte der Menschheit gekränkt.
2Z0 Von d. Rechten u Pflichten der Unterthanen
4. Jeder Mensch darf nicht nur sein Leben erhalten-
es beschützen und vertheidigen, sondern auch überhaupt
für die Erhaltung und Beförderung seines äußern Wohl-
standes sorgen. Wer also einen Menschen so grausam
und gewaltthätig behandelt, daß sein Leben oder seine
Gesundheit dadurch in Gefahr kommt, der verletzt die
allgemeinen Menschenrechte, und ist strafbar.
Z. Jeder Mensch darf die Annehmlichkeiten des Le-
bens frei genießen. Es darf also keiner den Andern
hindern, auf seine eigene Art sich des Lebens zu freuen.
Wenn z B^ ein Mensch auf den Einfall käme, junge
Leute, welche auf einen öffentlichen Platze mit Spie-
len sich vergnügen, gewaltsam daran zu hindern, und
sie weg zu treiben, obgleich ihre Spiele ganz unschul-
dig sind, so wäre dieß eine strafbare Handlung, denn
er kränkte dadurch die Menschenrechte.
6. Jeder Mensch darf alle die Sachen erwerben,
besitzen und gebrauchen, welche zur Erhaltung seines
Lebens, und zur Beförderung seiner Glückseligkeit die-
nen. — Hierin besteht das Recht des Eigen-
thums. — Folgendes darf ich mein Eigenthum nen-
nen: i) alle die Sachen, welche ich zuerst in Besitz
nehme, da sie noch keinem andern zugehörten, denn
ich verletze dadurch nicht das Eigenthumsrecht eines
Menschen; 2) alles, was ich durch eigene Thätigkeit
und Betriebsamkeit, durch Anwendung meiner Vec-
standeskräfte erworben habe; 3) alles, was mir ein
Anderer von seinem Cigenthume freiwillig auf irgend
eine Weise (durch Verkauf, Schenkung, Vermächtnis
Tausch) überlassen und abgetreten hat.
Einige unter diesen Menschenrechten sind veräu-
ßerlich, d. h. sie find von der Act, daß ich sie ver-
nünftiger Weise einem Andern übertragen kann und
darf. Go kann ich einen Theil meiner äußeren Frei-
heit, einen Theil meiner Kräfte und meiner Erhal-
tungSmittel, ja selbst einen Theil meiner Glückselig-
keit, meines Vergnügens und Lebensgenusses an einen
Andern überlassen, indem ich z. B. für Jemanden be-
schwerliche Dienste übernehme, ihm etwas schenke, oder
in wohlekrigerichteten @toaim. 2z i
«in Vergnügen aufgebe, um eiven Andern bet feiner
Arbeit zu helfen, oder ihm in seiner Krankheit beiz«,
stehen. Es giebt aber auch unveräußerliche
Rechte, d. h. solche, die ich entweder gar nicht, oder
doch nur unter gewissen Bedingungen an Andere über-
lassen darf. Diese find: daß Recht, nach meinen Ein-
sichten und Ueberzeugungen zu handeln, mein Leben
zu erhalten und es zu genießen, und überhaupt meine
Glückseligkeit zu befördern und zu vergrößern.
Mein Eigenthums recht kann ich einem Andern
abtreten, entweder ohne alle Bedingung, durch Schen-
kung, oder mit gewissen Bedingungen, welche der
Andere sich gefallen läßt, durch einen Ve-rtrag.
Dieß geschieht z. B., wenn ein Hausbesitzer einen
Theil seines Hauses einem Andern zur Wohnung über-
läßt, oder es ihm verkauft. Ein Vertrag wird auch
ein Kontrakt genannt. Es giebt also Mieths-
Pacht, Kauf, Kontrakte u. a. m.
Die Obrigkeit schützt jeden Bürger des Staates bei
dem Genusse seiner Rechte, und sichert ihm diesen Genuß.
2. Von den Pflichten der Menschen gegen
ihre Mitbürger.
i. 3eder Mensch hat ein Recht auf sei« Le-
ben; also sollst du keinen Menschen um sein
Leben bringen. — Wer einem Menschen vorsätzlich
das Leben nimmt, begeht das schreckliche Verbrechen
eines Mordes, oder Todtschlages. Ein vorsätz-
licher Mörder wird von der Obrigkeit am Leben ge-
straft (hingerichtet), weil er ein höchst gefährlicher
Mensch ist. Die Obrigkeit hat das Recht, einem Mör-
der das Leben nehmen zu lassen. Wer einen feiner
Derwadren tödtet, wird härter gestraft, als ein an-
derer Mörder; auch derjenige, welcher Jemanden mit
besonderer Grausamkeit tödtet.
Wer in der Hitze, aus Ueberrilung oder aus Un-
vorsichtigkeit einen Mord begeht, kommt auf mehrere
Jahre ins Zuchthaus. Eben so wird derjenige gestraft,
2Z2 Von d. Rechten u. Pflichten der Unterthanen
welcher den Versuch macht, einen Menschen umzubrin-
gen, und an der Ausführung des Mordes gehindert
wird. — Wer einen Menschen, der in Lebensgefahr
ist, ohne eigene große Gefahr retten kann, und es nicht
thut, erhält Gefängnißstrafe. Dagegen erhalten dieje-
nigen Belohnung, welche so edelmüthig sind, mit eige-
ner Gefahr einem Menschen das Leben zu retten. Wer
einen Ertrunkenen, Cchenkten, Erstickten oder Erfrore-
nen findet, soll ihn sogleich ins Leben zu bringen suchen,
und der Obrigkeit davon Nachricht geben. Wer solche
Verunglückte rettet, erhält eine Belohnung an Gelde;
wer sie ohne Beistand laßt, wirb gestraft. Auch derje-
nige erhält Strafe, welcher einen Andern deßwegen ver-
spottet, weil er einen Erhenkten losgeschnitken hat.
2. Jeder Mensch hat einRecht auf seine
Gesundheit; daher sollst du keinem Men,
schen Schaden an seiner Gesundheit zufü,
gen. Je größer der Schaden ist, welchen ein Mensch
dem andern an seiner Gesundheit zufügt, desto größer
ist auch die Strafe, welche er nach den Gesetzen erhalt.
Ein geringeres Vergehen dieser Art wird mit Geld, oder
Gefängnißstrafe, ein größeres mit Zuchthausstrafe be-
legt. Wer einen seiner Mitbürger verwundet, erhält
nicht nur Strafe, sondern muß auch noch die Heilungs-
kosten bezahlen, und dem Verwundeten eine Entschädi-
gung an Gelde, wegen der ihm verursachten Schmerzen,
und der Störung in seinem Berufe geben. Wer einen
Andern durch Verwundung oderMißhandlung ganz zur
Arbeit untüchtig macht, muß ihn zeitlebens ernähren.
3. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine
Freiheit; daher sollst du keinem Menschen
seine Freiheit nehmen. Wer einen Menschen
verhindert, das zu thun, was er rechtmäßiger Wei-
se thun darf, oder ihn einsperrt, so daß er sich nicht
hinbegeben kann, wohin er will und darf, der hat
ihm seine Freiheit genommen. Ein Mensch, der sei-
ne Freiheit nicht hat, kann seine Kräfte nickt dazu
gebrauchen, wozu sie ihm von Gott gegeben sind,
nämlich zu seiner Vollkommenheit und Glückselig,
keit. Jeder Mensch hat also ein Recht auf seine
in rvohleingerichteten Staaten. 2zz
Freiheit, und er verliert dies Recht nur dann, wenn
er seine Freiheit mißbrauche, um Andern zu schaden.
Dann hat die Obrigkeit das Recht, ihm seine Freihel?
zu nehmen; aber kein Anderer bat hiezu ein Recht, und
wer daher einen Menschen mit Gewalt von etwas ab-
hält, was er thun darf, oder ihn gar einsperrt, wird
gestraft. Wer Kindern ihren Eltern oder Erziehern durch
'List oder Gewalt wegnimmt, um sie zu seinen Absich-
ten zu gebrauchen, z. B. um sie zum Geiltanzen, oder
ähnlichen Kunststücken abzurichten, der wird als ein
Menschen. Räuber sehr hart gestraft.
4. Jeder Mensch hat ein Recht auf Ehre;
daher sollst du keines Menschen Ehre und
guten Namen kränken, und wenn du es thust,
wenn du also z. B. einen Menschen verächtlich behandelst,
ihn durch Gebehcden, Schimpfworts und beleidigende
Handlungen krankst, so bist du nach den Gesetzen straf-
bar. Auch derjenige, welcher einem Andern schlechte
Handlungen, die er wirklich begangen hat, öffentlich
vorwirft, wird von der Obrigkeit als ein Chrenschän-
der bestraft, denn nur die förmliche Anklage, aber nicht
öffentliche Beschimpfung, ist erlaubt. Wer Andere iu
einer Schrift, oder durch ein Gemälde, auf welchem
sie in einer lächerlichen oder verächtlichen Gestalt dar-
gestellt sind, beschimpft, (durch sogenannte Pasquille)
wird.ebenfalls als ein Ehrenschänder gestraft. In diese
Strafe fallt auch derjenige, welcher solche Schmäh-
schriften oder Pasquille verbreitet und bekannt macht.
Außer der Strafe muß derjenige, welcher Andere be-
schimpft hat, auch noch dem Beschimpften Abbitte und
Ehren. Erklärung thun.
Z. Jeder Mensch hat ein Recht auf sein
rechtmäßig erworbenes Eigenthum; daher
sollst du nicht stehlen, und keinem Menschen in
Ansehung seines Eigenthums oder Vermögens Schaden
zufügen, besonders wenn dir das Eigenthum Anderer
zur Bewahrung anvertraut worden ist. — Wer das,
was einem Andern gehört, ohne Vorwissen und ohne
Einwilligung des rechtmäßigen Eigenthümers weg.
nimmt, um es zu behalten, begeht einen Diebstahl,
2Z4 Von d. Rechten u. Pflichten der Unterthanen
und wird vsn der Obrigkeit hart gestraft, wenn der
^Dieb stahl entdeckt wird. Auch derjenige wird als ein
^)ieb bestraft, der etwas findet, und es weder demjeni-
gen zurück giebt, der es verloren hat, noch der Obrig-
keit seinen Fund anzeigt. Je größer der Werth eines
gestohlenen Gutes ist, desto größer ist auch die Strafe
des Diebes. — Wer bei einem Diebstahle Thüren und
Schlösser erbricht, oder tödtliche Instrumente bei sich
führt oder gar dem Eigenthümer Gewalt anthut, wird
härter bestraft, als ein gewöhnlicher Z)ieb. Eben dieß
geschieht, wenn sich Jemand an solchen Sachen ver-
greift, welche bei Feuers - Wasser, und Kriegsnoth ge-
rettet worden sind. Wer solche Sachen stiehlt, welche
unmöglich sorgsam verwahrt werden können, z. B. ge-
fülltes Holz in einer Haide, oder auf einem Holzmarkte,
Floßholz, Wildpret, Feld, und Gartenfrüchte, Acker-
gerätlsschaftenu dgl., der wird vorzüglich hark gestraft.
Eben so derjenige, welcher seine Herrschaft oder seine
Hausgenossen bestiehlt. — Wer einen andern gewalt-
sam überfällt, um ihm sein Eigenthum zu nehmen,
der wird als ein Räuber zum Festungsbaue verur-
teilt; hat er bei dem Raube sogar einen Menschen ge-
iobtei, so wird er als ein Mörder am Leben gestraft. —
Wer sich, um zu rauben und zu stehlen, mit einer Ban-
de von Räubern vereinigt, wird härter gestraft, als je-
der andere Dieb oder Räuber; vorzüglich hart wird
her Anführer einer solchen Bande gestraft.
Die Strafen des Diebstahls und Raubes treffen
nicht bloß diejenigen, welche die Hauptpersonen dabei
gewesen sind, sondern auch diejenigen, welche auf ir-
gend eine Weise, z. B. durch Anweisung einer guten
Gelegenheit zum Stehlen, oder durch Verheimlichung
des Diebstahls, als Diebes-Hehler, an demsel-
ben Antheil genommen haben.
Auch diejenigen werden von der Obrigkeit gestraft,
welche aus Rache, Bosheit, Muthwillen oder Unacht-
samkeit fremdes Eigenthum beschädigen, z. G. da-
durch, daß sie mit dem Feuer und Lichte unvorsichtig
umgehen, und einen Brand veranlassen. Sie müssen
außerdem noch den verursachten Schaden ersetzen.
in «ohleingerichketen Staaten. 2Z§
Wer Fruchtbäume und andere Bäume, die ihm nicht
gehören, besonders diejenigen, welche aus öffentlichen
Plätzen und an den Landstraßen stehen, umbaut, oder
beschädigt, und aus Muthwillen oder Bosheit Lebens,
mittel verdirbt, wird vorzüglich hart gestraft.
Wer boshaft genug ist, Feuer anzulegen, wird als
ein Mordbrenner von der Obrigkeit am Leben ge,
straft. Wer darum weiß, daß ein Anderer Feuer an-
legen will, und es der Obrigkeit nicht anzeigt, muß
Gefängniß, oder Zuchthausstrafe leiden. Dagegen be,
kommt derjenige eine ansehnliche Belohnung an G-lde,
welcher der Obrigkeit von solchen gefährlichen Men,
schen, die Feuer anlegen wollen, oder angelegt haben,
sichere Nachricht giebt.
Wer Andere durch falsche Versicherungen irre führt
und hintergeht, oder ihnen gar durch solche Versiche-
rungen einen Schaden an ihrem Vermögen zufügt, dek
ist ein Betrüger. Wer sich der Betrügerei schuldig
gemacht hat, muß nicht nur den dadurch verursachten
Schaden ersetzen, sondern auch Geld - oder Gefängniß-
strafe erleiden. Am härtesten werden diejenigen gestraft,
welche falsches Geld machen, oder wissentlich An-
dern falsches Geld geben. — Wer solche Sachen, die
ihm zur Verwahrung anvertraut, oder geliehen sind,
ablaugnet, und unterschlägt, wird härter gestraft, als
jeder andere Betrüger. Kaufleute, welche die Waaren,
oder da- Gewicht und Maaß verfälschen, sind schänd-
liche Betrüger, und haben harte Strafe zu erwarten,
wenn die Obrigkeit ihre Betrügerei entdeckt.
Z. Von den Pflichten der Unterthanen gegen den
Landesherrn und gegen die Obrigkeit.
Äer Landesherr hat ein Recht, von seinen Uatertha,
nen zu fordern, daß ein jeder derselben die
bürgerlichen Gesetze willig befolge; denn
wenn nicht alle Bürger eines Staats sich den Gesetzen
unterwerfen, und ihnen Gehorsam leisten, so kaun der
Landesherr seine Unterthanen nicht bei ihren Menschen-
2g6 Von d. Pflichten u. Rechten der Unterthanen
rechten schützen, und die allgemeine Muhe, Ordnung
und Sicherheit erhalten.
Da die Obrigkeit die Stelle des Landesherrn ver,
tritt, so darf sie die Unterthanen dazu anhalten, daß
ein jeder derselben zum allgemeinen Besten alles das
thue und leiste, was die Gesetze von ihm fordern. Wer
sich also weigert, die gesetzmäßigen Abgaben und Zölle
zu entrichten, und dem Staate die Dienste zu leisten,
welche ec von seinen Bürgern fordern darf, (z. B.
Kriegsdienste, Kriegsfuhcen u. s. w.) kann von der
Obrigkeit dazu gezwungen werden.
Jeder muß das Beste seines Vaterlandes und seiner
Mitbürger, so viel er kann, zu befördern, und Scha-
den zu verhüten suchen, sollte ec auch selbst darüber
Schaden leiden.
Eines der größten Verbrechen begeht derjenige, wel-
cher gefährliche und boshafte Anschläge gegen den Lan-
desherrn und den Staat macht, oder sich mit den Fein-
den seines Vaterlandes in ein Verständniß einläßt. Eben
so strafbar ist derjenige, welcher öffentlich die Gesetze
und Anordnungen der Obrigkeit mit Frechheit tadelt,
darüber spottet, und wohl gar die öffentlich angehefte-
ten Bekanntmachungen der Obrigkeit abreißt oder besu-
delt. — Wer Andere beredet, daß sie sich mit ihm ge-
waltsam den Befehlen der Obrigkeit widersetzen, oder
mit Ungestüm etwas fordern sollen, das gegen die Ge-
setze ist, macht sich als ein Aufrührer und Störer der
vffentl'chen Ruhe, eines sehr großen Verbrechens schuldig,
und wird mit lebenslänglicher Einsperrung bestraft.
Wer sich von einem Andern beleidigt, und in seinen
Rechten gekränkt glaubt, soll sich nicht selbst Recht ver-
schaffen ; sondern bei der Obrigkeit Schutz und Genug-
thuung suchen. Der angreifende Tbeil aber soll sich ohne
Widerrede den Befehlen der Obrigkeit unterwerfen, und
die Strafe leiden, welche auf sein Verbrechen gesetzt ist.
Jeder Unterthan soll der Obrigkeit mit der gebüh-
renden Achtung und Ehrerbietung begegnen, und die-
selbe auch durch äußerliche Zeichen an den Tag legen.
Daher sind Schmähschriften, welche gegen die Obrig,
keit gerichtet sind, doppelt strafbar. Keiner soll sich
den Abgeordneten, Bedienten oder Wachen, welche
in wohleingerichteten Staaten. 257
die Obrigkeit sendet, widersetzen, wenn sie thun, was
ihnen aufgetragen ist.
4. Von dem Verhalten der Menschen bei dem
Gebrauche ihrer Rechte.
E- ist nicht genug, daß ein Mensch den andern nicht
in dem Genusse seiner Rechte stört, seine Abgaben ent-
richtet, und sich den Anordnungen der Obrigkeit unter-
wirft. Jeder soll auch bei dem Gebrauche seiner Rechte
gesetzmäßig verfahren; wer dieß nicht thut, wird
entweder fernes Rechtes verlustig, oder seine Handlung
wird für ungültig erklärt.
Nur die Mündigen, d. h. diejenigen, welche ein
gewisses Alter (entweder, nach Sächsischen Gesetzen,
das riste, oder nach Preußischen Gesetzen, daS 2/j.ste
Jahr) erreicht haben, dürfen ihre Rechte selbst in Aus-
übung bringen. Minderjährige, d. h. solche Per-
fönen, welche dieses Alker noch nicht haben, können
nur durch Andere ihre Rechte ausüben lassen. So lan-
ge der Vater lebt, ist dieser der Stellvertreter seiner
minderjährigen Kinder; lebt er nicht mehr, so erhalten
sie von der Obrigkeit einen Aufseher, welcher der Vor-
mund genannt wird. Diejenigen, welche unter einem
Vormunde stehen, werden Mündel genannt. Sie
dürfen, ohne Einwilligung ihres Vormundes, nicht-
Wtchtiges unternehmen
Wer nicht mehr minderjährig ist, sondern die Voll-
jährigkeit erreicht hat, darf seine Rechte selbst ge-
brauchen, und dieß auf jede Art thun, welche ihm vor-
theilhaft zu seyn Escheint, so lange er dabei die Rechte
Anderer nicht kränkt. Er darf also z. B. Verträge
schließen, wodurch er Andern seine Rechte abtritt. Auch
darf ec bestimmen, wer seine Rechte, und insbesondere
sein Eigenthum nach seinem Lode haben soll; er darf
ein Testament machen.
Keiner darf über unerlaubte Handlungen
einen Vertrag schließen. Verträge von Wichtigkeit muß
man entweder schriftlich, oder im Beiseyn von Zeugen
abschließen, oder von der Obrigkeit bestätigen lassen.
2Z8 Von d. Rechten u. Pflichten der Unterthanen
Zum Zeichen, daß man einen Vertrag oder Kontrakt
mit Jemanden abgeschlossen habe, pflegt man Geld oder
Geldeswerth zu geben. Dieß geschieht besonders bei
Kauf, oder Miethökontrakten, indem man etwas dar-
an f g i e b t, d.h. einen geringen Theil des MiethS, oder
Kaufgeldes voraus bezahlt. Wer durch Zwang oder
Betrug dabin gebracht worden ist, einen Vertrag zu
schließen, und dieß beweisen kann, darf sein gegebenes
Wort zurücknehmen; in jedem andern Falle aber muß
er sein gegebenes Wort halten. Die Obrigkeit sorgt
dafür, daß jeder sein gegebenes Wort halte, und den
eingegangenen Vertrag erfülle.
ß. Von den Ständen in der bürgerlichen
Gesellschaft.
Da die Obrigkeiten mehr Gewalt haben müssen, als
die übrigen Menschen, so mußten verschiedene
Stände unter den Menschen entstehen; es mußten
einige vornehm, andere geringe, andere weder vornehm
noch geringe seyn, oder zum Mittelstände gehören.
Ein Mensch ist vornehmer als der andere, das heißt so
viel, als: ein Mensch hat mehr Ansehen und Macht,
als der andere. Bei uns Deutschen giebt es 4 Stän-
de, nämlich: Fürsten, Edelleute, Bürger und
Bauern; doch sind die Bürger von den Bauern ei-
gentlich nur durch ihr Gewerbe und ihre Lebensart un-
terschieden, und nicht durch den Stand. Diese Stände
sind erblich, d. h. die Kinder erben den Stand des
Vaters. Der Sobn eines Fürsten ist also auch wieder
ein Fürst, und die Tochter eines Fürsten ist auch wieder
eine Fürstin. Man nennt jenen Prinz, und diese
Prinzessin. Die Söhne und Töchter eines Edel-
manns sind auch wieder adelich, oder gehören zum Adel-
stände; die Kinder eines Bürgers sind von Geburt
bürgerlichen Standes, und die Kinder eines Bauers
find gebohrne Bauern. Die Adelichen heißen auch Gra-
fen, Freiherrn oder Barone, und diejenigen, welche
so heißen, gehören zum hohen Adel.
Jeder Stand bat besondere Rechte, damit ein jeder
desto leichter die Beschäftigungen verrichten kann, die
in «ohleingerichteten Staaten. 259
seinem Stande zukommen, und kein Stand dem andern
hinderlich werde. Die Rechte des Adelstandes be-
ziehen sich vorzüglich auf den Vorrang, der ihm vor
den übrigen Ständen zugetheilt ist. Zn Rücksicht der
Abgagen hat der Adelstand eigentlich keinen Vorzug;
denn wenn er auch nicht gerade die Abgaben entrichtet,
welche die übrigen Stände entrichten müssen, so hat er
dafür wieder andere Beschwerden zu ertragen, welche
diesen nicht aufgelegt find. — Zudem Bürgerstan-
de gehören alle diejenigen, welche nicht adelrch sind,
und auch nicht Bauern genannt werden können, weil
sie bürgerliche Gewerbe treiben. Diese Gewerbe sind:
die Handlung, die Künste, die Handwerke, die Bier-
brauerei, der Weinschank und die G4stwirtbschaft. Wer
von der Obrigkeit einer Stadt die Erlaubniß hat, sich
Inder Stadt niederzulassen, und ein bürgerliches Ge-
werbe zu treiben, hat das Bürgerrecht erlangt.
Wer ein bürgerliches Gewerbe treiben will, muß sich
zuvor die dazu nöthigen Eigenschaften, Geschicklichkei-
ten und Kenntnisse erwerben. Wer Handlung treiben
will, muß sie zuvor ordentlich erlernen; ein Handwer-
ker muß als Lehrbursche die Lehrjahpe ausge-
halten haben, welche in den Gesetzen bestimmt sind.
Rach vollendeten Lehrjahren wird er losgesprochen, und
zum Gesellen aufgenommen. Als Geselle geht ec
auf die Wanderschaft, und wenn er durch Verfertigung
eines Meisterstücks einen Beweis seiner Geschicklichkeit
abgelegt hat, so wird er Meister. Als Meister hat
er das Recht, seine Arbeit öffentlich, jedoch an fremden
Orten nur zur Meß. und Zabrmarktszeit, zu verkaufen.
Weder Adeliche, noch Bauern dürfen ein bürgerliches
Gewerbe treiben. — Den Bauernstand machen alle
Einwohner der Dörfer-auS, und die Beschäftigung die-
ses Standes ist der Ackerbau und die Viehzucht. Bauern-
güter, d. h. solche Grundstücke, welche besonders zum
Ackerbau und zur Viehzucht bestimmt sind, dürfen in
der Regel nur Bauern besitzen. Die Bauern bezahlen
von ihren Grundstücken nicht so viel Abgaben, als die
Bürger in deu Städten. Daher ist eS nicht unbillig, daß
sie dafür zu Frucht. Lieferungen und Dienstleistungen,
z. B. zu Krieg-fuhren, verbunden sind.
240 Von d. Rechten u. Pflichten der Unterthanen
6. Von den Dienstboten und Herrschaften.
Dienstboten sind schuldig, ihrer Herrschaft alle die Dien-
ste sorgfältig, gewissenhaft und willig zu leisten, wozu
sie von derselben angenommen worden find. Sie sollen
den Befehlen ihrer Herrschaft gehorsam seyn, ausge-
nommen in dem Falle, wenn diese ihnen etwas Uner-
laubtes beföhle. Sie sollen sich gegen ihre Herrschaf-
ten treu beweisen, d. h. sie sollen sich nichts zueignen,
was ihnen nicht gehört, und mit dem, was ihnen an-
vertraut ist, gut und haushälterisch umgehen, und eS
eben so gut bewahren, als ob es ihr Eigenthum wäre.
— Die Herrschaften sind dagegen schuldig, ihrem Ge-
sinde den ausbedungenen Lohn zur bestimmten Zeit zu
bezahlen, und ihm hinreichende Kost zu geben. Auch
müssen sie dem Gesinde allen Schaden ersetzen, wel-
chen es bei Verrichtung seiner Dienste erlitten hat. Die
Herrschaft kann das Gesinde nicht vor. Ablauf der Dienst-
zeit fortschicken, ausgenommen in dem Falle, wenn es
gänzlich ungeschickt, faul, untreu und liederlich ist. Da-
gegen darf auch das Gesinde, bei Gefängnißftrafe, nicht
eher, als nach Ablauf der Dienstzeit aus dem Dienste
treten, es sey denn, daß ihm die Herrschaft den Lohn
nicht ordentlich bezahlte, es mißhandelte, und unerlaub-
te Handlungen von ihm verlangte. — Herrschaften
sind verbunden, den abziehenden Dienstboten ein Zeug-
niß (Attest) über ihr Verhalten im Dienste auszustel-
len, welches diese ihrer neuen Herrschaft vorzeigen müs-
sen, weil sie ohne ein solches Zeugniß nicht gemiethet
werden dürfen. — Aus dem Dienste getretenes Gesin-
de muß fick sogleich wieder vermiethen; oder wenn es
dazu keine Gelegenheit finden sollte, sich deßhalb sogleich
bei der Obrigkeit melden. Wer sich an zwei Herrschaf-
ten für eine und dieselbe Zeit vermiethet, muß für diese
Betrügerei Gefängnißstrafe leiden, und dann zu der
Herrschaft ziehen, an welche er sich zuerst vermiethet
hatte.
XIII,
Lieder und Gesänge.
XIII.
Lieder und Gesang
r. Morgenlied.
Ä? ein erst Gefühl sey Preiß und Dank;
Erhebe Gott, o Seele'
Der Herr hört meinen Lobgesang,
Lobsing' ihm, meine Seele!
Mich selbst zu schützen ohne Macht
Lag ich, und schlief im Frieden,
Wer schafft die Sicherheit der Nacht,
Und Ruhe für die Müden%
Du bist es, Gott und Herr der Welt,
Und dein ist unser Leben.
Du bist eS, der es uns erhält.
Und mir's jetzt neu gegeben-
2. Morg engebet.
Mel. Von Gott will ich nicht lassen K,
Allmächtiger', ich hebe
Mem Aug' empor zu dir.
Preis dir, durch den ich lebe,
Und neuer Dank dafür!
Herr, deine Huld ist groß.
Und niemals hat das Lallen
Der Unschuld dir mißfallen.
Das aut dem Herzen floß.
Q '
A
241
Lieder und Gesänge.
Daß »richt im tiefen Schlummer
De- Lebens Licht verlischt,
Und daß mich, frei von Kummer,
Ein sanfter Schlaf erfrischt,
Dieß dank ich deiner Macht,
Und deiner Vater-Treue;
Durch sie bin ich auf's neue
Mit heiterm Muth erwacht.
Z. Gottes Güte.
groß ist des Allmächt'gen Güte!
Ist der ein Mensch, den sie nicht rührt
Der mit verhärtetem Gemüthe
Den Dank erstickt, den ihm gebührt?
Nein, seine Liedx zu ermessen
Sey ewig meine größte Pflicht;
Der Herr hat mein noch nie vergessen.
Vergiß mein Herz auch seiner nicht!
Wer hat mich wunderbar bereitet?
Der Gott, der meiner nicht bedarf!
Wer hat mit Langmuth mich geleitet?
Er, dessen Rath ich oft verwarf!
Wer stärkt den Frieden im Gewissen?
Wer giebt dem Geiste neue Kraft?
Wer läßt mich so viel Gut'S genießen?
Sein Arm lst's, welcher alle- schafft!
4. Morgen - Gesang.
Mel. Nun danket alle Gott rc.
ÄaS Grau'n der Nacht entfloh.
Die Sonne kehret wieder.
Und was auf Erden lebt
Singt dir de- Dankes Lieder;
Lieder und Gesänge.
Die, der du Berg und Thal
Mit deinem Thau erquickst,
Und auch den Sterblichen
Durch süßen Schlaf erquickst.
Gestärkt eilt unser Geist
Nun wieder zum Geschäft?,
Das du für uns ersahst.
Wozu du Lust unv Kräfte,
Und dein Gedeihen gabst.
Steh' ans noch ferner bei.
Daß unser Eifer uns
Und Andern nützlich sey'.
243
£. Andenken a» Gott.
Mel. Lobt Gott. ihr rc.
3^och leben wir, und haben Brod,
Und ein gesundes Blut
Macht uns aufs neu die Wangen roth,
Und füllt das Herz mit Muth.
So lange dieses Herz noch schlägt.
Die Augen offen stehn,
Soll dieses Herz, von Dank bewegt.
Auf Gott, den Geber, sehn«
6. Beim Schlüsse der halbjährigen Lectrou.
Mel. Was Gott thut, das ist rc.
«vollendet ist auch diese Bahn
Preis dir, der sie unS führte.
Der Großes auch an uns gethan.
Deß Weisheit unS regierte. Ge-r-Sckert-incntut
für Viicrn j'rionaio
Sc: . iucuforschur.g
! nachweist
Lieder und Gesänge.
Du gabst uns Kraft
Der W-ssenschast
Und unserer Pflicht zu leben,
Und weiter fort zu streben.
Wohl uns, wenn des Gewissen- Ruh
In unsern Herzen wohnet;
Sie strömt uns süße Freuden zu,
Ihr sanft Gefühl belohnet
Für Müh' und Schweiß
Den treuen Fleiß;
Sie läßt uns mit Vertrauen
Die hellste Zukunft schauen.
Verzeih, wenn säumend unser Fuß
Nicht rasche Schritte wagte,
Der Mund, voll Mißtraun und Verdruß,
Oft über Lasten klagte«
Hinfort soll nie
Der Arbeit Müh
Uns schrecken, nicht Beschwerden!
Wir wollen besser werden!
7. sskach geendigter Arbeit
M el. Lobt Gott, ihr Ehristen re.
vollbracht ist unser Tagewerk;
Nun laßt uns fröhlich seyn!
Die Freude giebt zur Arbeit Stärk',
Und unserm Leib Gedeihn.
Von unserm jugendlichen Reihn
Sey Lärm und Muthwill fern.
Vernünftig soll die Freude seyn.
Und angenehm dem Herrn.
245
Lieder und Gesänge.
Wie gut ist unser Gott, wie gut!
Er giebt gesunden Leib,
Ein frohes Herz, und frischen Muth,
Und so viel Zeitvertreib.
Laßt uns ihm dankbar seyn! Die Lust
Beim frohen Iugendspiel
Ersticke nie in unsrer Brust
Der Gottesfurcht Gefühl.
Mit Gnade blickt er dann herab.
Sieh; unsre Freuden gern,
Die Freuden, die er selbst uns gab;
O Kinder, lobt der Herrn 1
8. Danklied nach der Mahlzeit.
^ankt dem Herrn!
Mit frohen Gaden
Füllet er das ganze Land;
Alle-, alles, was wir haben,
Kömmt aus seiner Vaterhand.
Dankt dem Herrn!
Er giebt uns Leben,
Giebt uns Segen und Gedeihn;
Schafft uns Brod und Saft der Reben,
Uns zu starken, zu erfreun.
Dankt dem Herrn!
Vergiß, o Seele
Deines guten Vaterö nie!
Werd' ihm ähnlich, und erzähle
Seine Wunder spät und früh.
S46 Lieber und Gesänge.
. 9. Ermunterung zur Redlichkeit.
tW immer Treu' und Redlichkeit
Bis an dein stilles Grab,
Uns welche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.
Dann wirft du, wie auf grünen Au'n
Durch's Pilgerleben aehn;
Dann kannst du, sonder Furcht und Grau'n,
Dem ^od' entgegen sehn.
Dem Bösewicht wird alles schwer,
Er thue, was er thu';
Das Laster treibt ihn hin und her,
Und läßt ihm keine Ruh.
Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
Ihm lacht kein Aehrenfeld,
Er ist auf List und Trug erpicht,
' Und wünscht sich nichts, als Geld.
Der Wind im Hain, das Laub am Baum
Saus't ihm Entsetzen zu;
Er findet, nach des Lebens Traum,
Im Grabe keine Ruh.
Drum ühe Treu' und Redlichkeit
Bis an dein stilles Grad,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.
Dann segnen Enkel, deine Gruft,
Und weinen Thränen drauf,
Und Sommerbkumen^ voll von Duft,
Plüh'n aus den Thränen auf.