97 Als er nun die Hand zurückzog, da hob sich die Scholle von ein¬ ander, und ich sah zwei Blättlein hervorkommen. Aber kaum hatte ich sie gesehen, da schlossen sich die Blättlein an einander, und es ward ein runder Stamm, in eine Rinde gewickelt, und der Stamm ward zusehends höher und dicker. Darauf sprach der Mann Gottes zu mir: Gib Acht! und in¬ dem ich aufmerkte, verbreiteten sich sieben Aeste aus dem Stamme gleichwie die sieben Arme am Leuchter des Altars. Ich erstaunte; aber der Mann Gottes winkte und gebot mir, zu schweigen und aufzumerken. Siehe, sprach er, bald werden neue Schöpfungen beginnen. Darauf faßte er Wasser in seine hohle Hand aus dem Bäch¬ lein, das vorüberfloß, und besprengte drei Mal die Aeste; und steh, nun hingen die Aeste allesammt voll grünender Blätter, also daß ein kühler Schalten uns umgab, vermischt mit lieblichen Düften. Wo¬ her, rief ich, diese Wohlgerüche zu dem erquicklichen Schatten? Siehst du nicht, sprach der Mann Gottes, die purpurfarbige Blüthe, wie sie aus den grünen Blättern hervorspcosset und in Büscheln niederhängt? Ich wollte reden; aber ein sanfter Wind schwebte in den Blät¬ tern und streute die Blüthen um uns her, wie wenn der Schnee aus den Wolken herniederschwebt. Kaum waren die Blüthen ge¬ sunken, so hingen zwischen den Blättern die rothen Granatäpfel hernieder, wie die Mandeln an den Stäben Aacon's. Da verließ mich der Mann Gottes in tiefem Staunen. Hier endete Nathan. Da fragte hastig Salomo: Wo ist ec? Wie heißt der Name des göttlichen Mannes? Lebt ec noch? Da erwiderte Nathan: Sohn David's, ich habe dir ein Traum¬ bild erzählt. Als Salomo diese Worte vernahm, ward er betrübt in seinem Herzen und sprach: Wie vermagst du mich also zu täuschen! Nathan aber fuhr fort: Ich habe dich nicht getäuscht, Sohn Jsai. Siehe, in dem Garten deines Vaters magst du Alles in Wirklichkeit schauen, wie ich dir gesagt habe. Geschieht nicht jetzt an jeglichem Granalbaume und anderen Bäumen dasselbige? Ja, sagte Salomo, aber unbemerkt und in langer Zeit! 'Da antwortete Nathan: Ist es darum weniger ein göttliches Wunder, weil es in leiser Stille und unbeachtet geschieht? Ich dachte, es wäre um desto göttlicher. Erkenne erst die Natur, sprach er darauf, und ihr Wicken, dann wirst du leicht an ein höheres glauben. Leseb. f. ob. Tl.» L6. Aufl.