140 * 138. Die Zugvögel. Immer mehr verbreitet sich öde Stille über die Natur, wenn die zahllosen Scharen der Zugvögel unsere Gegenden verlassen und sich nach dem Süden hinwenden. Dort hat der Allmächtige für Millionen dieser gefiederten Auswanderer Nahrung in reicher Fülle bereitet; aber wie wohl sie sich auch bei dieser Fülle in der zweiten Heimath befinden mögen, sie suchen dennoch, von ihrem mächtigen Na¬ turtriebe aufgeregt und geleitet, den ersten Wohnort wieder auf. Dabei ist merkwürdig, daß sie nicht alle, wie die Störche, Staare, Schwalben, gesellig in Scharen ziehen, sondern einige, z. B. die Amseln, Nachtigallen und Wiedehopfe, sich ganz einzeln auf den Weg machen, noch andere familienweise fortziehen, wie die Wach¬ teln, Weindrosseln und Haidelerchen. Eben so merkwürdig ist die Zeitordnung, welche dabei von den Zugvögeln genau beobachtet wird, indem sie niemals alle zu gleicher Zeit aufbrechen, sondern in einer gewissen Aufeinanderfolge. Bekanntlich machen die Störche schon im Monat August den Anfang, und bedeutend später folgen die Staare, noch später die Schwalben nach. Ist die Zeit zum Fortziehen gekommen, so treten sie bei günsti¬ gem Winde ihre Reise an, lassen den traurigen Winter hinter sich und suchen den ewigen Frühling auf. Da zieht Alles fort, Jung und Alt; selbst die zahmen Störche wollen dann nicht bleiben, auch wenn sie Futter genug haben. Unruhig laufen sie hin und her nnd klappern ihren fortziehenden Cameraden den Abschiedsgruß nach. Aehnlich verhalten sich die Wachteln, die in einen Käfich eingesperrt sind; sie laufen, wenn ihre freien Schwestern im Sep¬ tember ihre Reise antreten, unruhig in ihrem Käfiche hin und her; ja, sie fliegen dann mit solcher Gewalt an die Decke des Käfichs, daß sie oft besinnungslos niederfallen. Bricht der Tag an, so wer¬ den sie ruhig, sind aber traurig, träge und schläfrig; dies dauert dreißig Tage lang. Aber wohin ziehen die Vögel, und wer zeigt ihnen den Weg? Einige, z. B. die Staare und Drosseln, bleiben in wärmeren Ge¬ genden Europa's zurück, die Störche und Schwalben wandern nach Africa, und die Goldamsel zieht bis nach Ostindien. Die Störche, die Schwalben, die Wachteln, die Nachtigallen machen die weite Reise nach Africa im Herbste ohne Wegweiser durch Wälder, über Berge, Flüsse und Seeen und zuletzt noch über das weite Meer, und dennoch verfehlen sie ihren Weg nicht. Hart geht es dabei den Wachteln; sie können wohl gut laufen, aber nicht zum besten fliegen. Sie müssen oft ruhen, und wenn sie an das Meer kom¬