377 Anderen die Ehre nicht, weiter gesehen zu haben, so arbeitet er wohl gar dem Verständigen entgegen. Das erfuhr auch Columbus. In Genua, Portugal und England wurde über sein Vorhaben gespöttelt und seine Bitte um Unterstützung nicht erfüllt. Endlich wurde in Spa¬ nien der König Ferdinand, mit dem Beinamen der Katholische, und besonders die Königin Jsabella, seine Gemahlin, für die Sache ge¬ wonnen. Columbus schiffte den 3. August 1492 mit drei kleinen Schis¬ sen und 120 Mann aus dem Seehafen Palos ab. Vermöge eines Vertrages sollte er Ober-Admiral in allen neu entdeckten Meeren und Unter-König aller Länder und Inseln sein, die er auffinden würde; auch sollte er den zehnten Theil aller Einkünfte aus den neuen Be¬ sitzungen erhalten. Diese Würden und Vortheile sollten erblich auf seine Nachkommen übergehen. Seine Gefährten aber verloren bald den Muth, als alles Land verschwunden war, und sich ihnen nichts als ein unabsehbares Meer und der weite Himmel zeigte, und das ersehnte neue Land nicht er¬ scheinen wollte. Sie wurden so unruhig, daß sie den Columbus ins Meer werfen wollten, wenn er nicht umkehrte. Mit Mühe erhielt er von ihnen, daß sie noch drei Tage Geduld hätten. Jetzt sah man aber Vögel und schwimmendes Zimmerholz, was ein nahes Land ver¬ kündigte. Als am folgenden Tage die Sonne unterging, sah man noch nichts. Zwei Stunden vor Mitternacht erblickte Columbus in der Ferne ein Feuer, und „Land! Land!" erscholl es aus jeder Brust. Man stürzte einander in die Arme, Alle weinten vor Freude und baten weinend den Columbus um Verzeihung. Darauf sangen sie Gott Loblieder, und als der Morgen anbrach, Freitags den 12. Oc- tober, sahen sie eine schöne grüne Insel vor sich liegen. Mit Sonnen¬ aufgang ruderten sie unter kriegerischer Musik aus Land, warfen sich betend nieder, und Columbus nahm die Insel im Namen des Königs von Spanien in Besitz und nannte dieselbe (bei den Eingeborenen hieß sie Guanachani) San Salvador. Die Bewohner der Insel erstaunten über die Ankömmlinge, und diese über die Bewohner: denn sie waren von einer dunkeln Kupfer¬ farbe und gingen nackt, hatten sich aber am Leibe mit allerlei Farben zum Putze bemalt. Sie kannten das Eisen nicht, und ihre Waffen wa¬ ren vorzüglich hölzerne Wurfspieße, an deren Ende ein spitzer Knochen war. Das Holz bearbeiteten sie mit harten Steinen. Sie hatten mit Hülfe des Feuers Baumstämme zu Kähnen ausgehöhlt, die an 45 Mdnn faßten. Die milde Luft und die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens erzeugte ihnen Früchte zur Nahrung; darum arbeiteten sie nicht, bauten keinen Acker, weideten kein Vieh, fingen keine Fische, keine Vögel. Daher hatte auch Keiner ein Eigenthum; Jeder aß, wenn er hungrig war, wo er etwas fand, und schlief auf bloßer Erde. In der Nase trugen sie einige Stückchen Goldblech. Man nannte sie un¬ schicklich Wilde, weil sie von den Kenntnissen, Einrichtungen und