276 pfangen haben. Er, der Tapferste aller Deutschen, der den Drachen erschlagen und sich eines unermeßlichen Schatzes bemächtigt hatte, wurde der Schwager des Bnrgunderkönigs. Aber weil die Schwäge¬ rinnen um den Vorrang eifersüchtig waren, wurde Siegfried auf An¬ stiften der burgundischen Königin auf der Jagd hinterlistig ermordet. Die Quelle, wo Dies geschah, soll seitwärts von Worms an der Bergstraße liegen. Später wurde Worms eine der mächtigsten und berühmtesten Reichsstädte, wo die Kaiser oft einkehrten und ihre Reichs¬ tage hielten. Keiner dieser Reichstage ist so bekannt, als der im Jahr 1521, wo Dr. Martin Luther, der arme Mönch und Professor von Wittenberg, vor dem Kaiser und der glänzenden Versammlung der Fürsten, Bischöfe und Ritter erschien und seine Lehre vertheidigte. Man hatte ihn gewarnt nach Worms zu gehen, da ihm dort leicht das Schicksal widerfahren könne, das den Johann Huß 100 Jahre früher zu Kostnitz getroffen hatte. Doch unerschrocken gab Luther zur Antwort: „Und wären so viel Teufel in Worms, als Ziegel auf den Dächern, ich gehe doch dahin." Auch dichtete er auf der Reise das Lied: „Eine feste Burg ist unser Gott." Bei dem Eintritt in die Reichsversammlung klopfte ihm der alte Kriegsheld Georg von Freunds- berg auf die Schulter, sprechend: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jetzt einen Gang, dergleichen ich und mancher Kriegsoberster auch in der allerernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du aber auf rechter Meinung und deiner Sache gewiß, so fahre in Gottes Namen fort und sei getrost, Gott wird dich nicht verlassen." In der Versammlung selbst war er am ersten Tage von dem Glanze etwas betroffen und bat sich, als man Widerruf von ihm verlangte, Bedenk¬ zeit aus. Am andern Tage hatte er aber feinen ganzen Muth wieder¬ gefunden und sprach mit fester Stimme: „So will ich denn eine Antwort geben, die weder Hörner noch Zähne haben soll. Es sei denn, daß ich mit Zeugnissen der heiligen Schrift oder mit öffentlichen, klaren und hellen Gründen und Ursachen überwunden werde, so kann und will ich nicht widerrufen, weil weder sicher noch gerathen ist, Et¬ was wider Gewissen zu thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders; Gott helfe mir! Amen." Zwar sprach der Kaiser die Reichsacht über ihn aus, so daß ihn jeder umbringen durfte, aber Luther war schon auf die Wartburg gerettet. Jetzt ist Worms nur noch eine mittelmä¬ ßige Stadt, welche durch ihren trefflichen Wein, die Liebfrauenmilch, am bekanntesten ist. 81. Der hörnerne Siegfried. Siegfried, ein Königssohn, aus Rauten am Rhein, war so stark und muthig, daß ihm die Zeit zu lange währte, bis ihm fein Vater ein Ritterschwerd gab. Er lief deßhalb zu einem Schmied, und be¬ gehrte zu lernen, wie man ein Schwerd schmiedet. Der Schmied willigte ein, wenn Siegfried ihm eine Zeit lang dafür diene. Sieg¬ fried war dazu bereit, richtete aber mit feiner ungeheuren Stärke so riel Unheil an, daß ihn der Meister gern wieder los gewesen wäre. Bald zerschlug der starke Knabe nämlich den Hammer, womit er schmieden sollte, bald mißhandelte er die Gesellen, wenn ihn diese als