506 tes die Bibel, das Buch der Bücher. Sie zerfällt in das Alte und das Neue Testament (Vermächtniß, Bund). Die Bücher des Alten Testaments sind schon 400 Jahre vor Christo, die des Neuen Testaments erst im Anfange des 4. Jahrhunderts nach Christo voll¬ ständig gesammelt gewesen. Das Alte und das Neue Testament bil¬ det den Kanon, d. h. die Richtschnur der Christenlehre, und ihre Bü¬ cher heißen deshalb kanonische Bücher. Die Apokryphen, welche dem Alten Testamente angehängt zu werden pflegen, gehören nicht zur Bibel, sind nicht kanonisch. Die Bibel ist die einzige Quelle al¬ ler Gotteswahrheit. Aus den Schriften der Propheten bezeugt Jesus, daß er der Christus sei; in den Schriften der Evangelisten und Apostel sehen wir die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Darum fordert Jesus die Juden auf: Forschet in der Schrift; denn sie ist es, die von mir zeuget! (Joh. 5.) Und die Apostel ermahnen die Gläubigen, in der Schrift zu forschen, ob sich's also verhalte. (Ap.-Gesch. 17.) Lasset das Wort Christi reichlich unter euch wohnen, und lehret und ermahnet euch selbst in aller Weisheit! (Kol. 3. 16.) Und St. Paulus spricht zu Timotheus (II., 3, 14—17): Bleibe in dem, was du gelernt hast, weil du von Kind auf die heilige Schrift kennest, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christo Jesu! — So haben denn auch von jeher die heiligen Väter alle Christen zum fleißigen und an¬ dächtigen Lesen der heiligen Schrift dringend ermahnt, sie in zahllosen Abschriften unter das Volk verbreitet und durch ihre Predigten das Verständniß derselben gefördert. Erst als die Kirche in Lehre und Leben mannigfaltig von den Grundsätzen der heiligen Schrift abge¬ wichen war, und die Finsterniß mehr liebte als das Licht, weil ihre Werke das Licht scheuten (Joh. 3, 19 — 21), da ward die Bibel in der Christenheit ein seltenes, fast unbekanntes Buch; die zu Lehrern des Volkes bestellt waren, forschten selten noch in der Schrift, und dem Volke wurde es unmöglich gemacht, da sie nur in der lateinischen Sprache gelesen werden durfte. Damals klagte der gottselige Thomas von Kempen: „Die Unbckanntschaft mit der heil. Schrift ist der Ursprung aller Irrthümer, die Thür zum Verderben, Verlust der Ehre, der Tugend und des Heils; denn im Worte Gottes finden wir das Licht des Lebens, das Heil der Welt, die Tbür des Himmels, die Nahrung unsrer Seele und wahren Genuß für das Gott über Alles liebende Herz." Deshalb war es das wichtigste und seligste Geschäft der vom Herrn erweckten Reformatoren, nicht allein selbst in dem heiligen Buche zu forschen, sondern auch dasselbe dem Christenvolke in seiner Sprache zurückzugeben, und es zum fleißigen und andächtigen Lesen desselben zu ermuntern und anzuleiten. Seitdem ist es in allen bekannten Spra¬ chen der Welt, in mehr denn 180 Sprachen verbreitet worden, und der Neuseeländer, der Eskimo und der Hottentott liest es mit der¬ selben Erbauung wie der Deutsche. Nur unsern katholischen Mitchri¬ sten wird der Gebrauch deflelben noch immer erschwert oder gar ver-