129 einigen Stunden verzog sich auch der Nebel, so daß gegen Mittag Alles wieder hell und ruhig wurde, als wenn Nichts vorgegangen wäre. Dies ist die Begebenheit. Was für eine Bewandtniß es aber mit solchen Steinen, die vom Himmel fallen, habe, das ist bis jetzt unter den Gelehrten noch keine aus¬ gemachte Sache. 63. Belehrung über das Wetterglas. Mancher geneigte Leser hat auch sein Wetterglas im kleinen Stüblein hängen, nicht erst seit gestern, denn die Fliegen haben auch schon daran geschaut, was der Himmel für Wetter im Sinn hat, also daß der Mensch nicht mehr viel daran er¬ kennen kann. Mit einem nassen Tüchlein von Zeit zu Zeit wäre zu helfen. Aber das scharfe Aug des Lesers hats noch nicht von Nöthen. Jetzt schaut ers deutlich an und sagt: „morgen können wir noch nicht mähen auf den untern Matten." Jetzt klopft er ein wenig an dem Brettlein, ob sich denn das Quecksilber gar nicht lupfen will, als wenn er es wecken müßte, wie aus einem Schlaf oder aus tiefen Gedanken, und wenn es ein wenig ob sich geht, so heitert sich in seinem Herzen die Hoffnung auf. Aber doch weiß er nicht recht, wie es zugeht. Merke, erstlich: ein braves Wetterglas hat an der Spitze des Kölbleins oder Köpfleins, worin sich das Quecksilber sammelt, eine kleine Oeffnung. Zweitens: sonst meint man, wo nichts Anderes ist, dort sei doch wenigstens Lust. Aber oben in der langen Röhre, wo das Quecksilber aufhört, bis ganz oben, wo die Röhre aufhört, ist keine Lust, sondern Nichts, reines, klares, offenbares, nie gewesenes Nichts. Dies wird erkannt, wenn man das Wetterglas langsam in eine schiefe Rich¬ tung bringt, als wollte man es umlegen, so fährt das Quecksilber durch den leeren Raum hinauf bis an das Ende der Röhre, und man hört einen kleinen Knall. Dies könnte nicht geschehen, wenn noch Luft darin wäre. Sie würde sagen: „ich bin auch da; ich muß auch Platz haben." Drittens: die Lust, welche die Erde und Alles umgibt, drückt unaufhörlich von oben gegen die Erde hinab, ja sie will vermöge einer inwendigen Kraft unaufhör¬ lich nach allen Seiten ausgedehnt und so zu sagen ausgespannt sein bis auf ein Gewiffes. Denn sie ist Gottes lebendiger Athem, der die Erde umhüllt und Alles durch¬ dringt und segnet, und hat gar viel verborgene Wunder. Also geht die Lust durch jede offene Thür, ja durch jedwedes Spältlein in die Häuser, nnd aus einem Gemach in das andere, und durch die kleine Oeffnung an der Spitze des Kölbleins hinein und drückt auf das Quecksilber, und die Lust, welche noch außen ist, drückt immer nach und will auch noch hinein. Ei, sie drückt und treibt das Quecksilber in der langen Röhre gewöhnlich zwischen sieben und zwanzig und acht und zwanzig Zoll weit in die Höhe, bis sie nimmer weiter kann. Denn wenn das Quecksilber in der Röhre einmal eine gewisse Höhe erreicht hat, so drückt es vermöge seiner eigenthüm¬ lichen Schwere der Luft wiederum dergestalt entgegen, daß beide in das Gleichge¬ wicht treten. Da strebt gleiche Kraft gegen gleiche Kraft, und keines kann dem an¬ dern mehr etwas anhaben. Die Luft spricht: „gelt, du mußt droben bleiben!" Das Quecksilber spricht: „gelt, du bringst mich nimmer höher!" Lesebuch. 9