146 desto tiefer werden die Töne. Durch die Kunst des Orgelbaues ist es aber gelun¬ gen, dem Instrumente nicht bloß die größte Höhe und Tiefe, sondern in seinen Re¬ gistern auch eine kleine Welt von mannigfaltigen Klängen zu geben; so wird die Orgel, als das kräftigste und reichste Instrument, zum würdigsten Dolmetscher und Begleiter der religiösen Gefühle der versammelten Gemeinde. Ihr stehen vor allem die Saiteninstrumente gegenüber, die Geige mit dem seelenvollen Klange und das Klavier, ein kleines Orchester unter den übrigen Instrumenten. Auch in den Blas.- instrumenten wird der Ton theils durch die Lippen (wie bei der Trompete), theils durch schwingende Platten im Instrumente selbst (wie bei der Klarinette und Mund¬ harmonika) hervorgebracht. Höhere Bedeutung indeß, als alle Instrumente, hat die menschliche Stimme. Das Werkzeug, welches diese Stimme erzeugt, der menschliche Kehlkopf, ist ähnlich gebaut wie die Instrumente, welche durch schwingende Saiten oder Metallplatten Töne hervorbringen. Zwei schmale Häute oder Bänder sind im Kehlkopfe so ausgespannt, daß nur eine schmale Ritze zwischen ihnen übrig bleibt. Werden diese Häute vom Stoße der ausgeathmeten Luft bewegt, so schwingen und tönen sie. Je größer der Kehlkopf ist, desto länger werden seine tönenden Bänder, und wie bei den Saiten wächst mit der Länge dieser Bänder die Tiefe des Tones. Darum haben die Männer, bei denen der Kehlkopf großer ist, als bei Frauen und Kindern, auch tiefere Stimmen als diese. Wie alle Töne, so wird auch die wohl¬ gebildete Stimme des Menschen musikalisch und melodisch. Im Gesänge wird der Mensch viel mehr durch seine innersten Gefühle geleitet, als im Spiele eines In¬ strumentes; darum vermag auch kein Instrument die Tiefen der Seele so zu bewe¬ gen, wie der melodische Ton der Menschenstimme. Wie im Klange sich die eigenthümliche Natur jedes Körpers ausspricht, so ist in noch höherem Sinne die menschliche Stimme der Ausdruck der eigensten Gefühle und Gedanken. Als Sprache oder als Gesang verräth sie, was die Seele des Menschen bewegt. Die Klänge der Geschöpfe find der einfache, nothwendige Aus¬ druck ihrer Natur; aber der Ton der Menschenstimme verkündigt die freie Thätigkeit eines geistigen Wesens. Selten freilich bedenkt der Mensch, daß ihm die Stimme dazu gegeben ist, Gott als den Schöpfer und das Urbild seines Wesens zu verkün¬ digen und zu preisen. 74. Fob -er Tonkunst. Der schönsten und herrlichsten Gaben Gottes und der besten Künste eine ist die Mustca, damit man viel Anfechtung und böse Ge¬ danken vertreibt. Die Noten machen den Text lebendig; ste ver¬ jagt den Geist der Traurigkeit, wie man am König Saul sieht. Música ist das beste Labsal einem betrübten Menschen, dadurch das Herz wieder zufrieden, erquickt und erfrischt wird; Música ist eine halbe Lehr- und Zuchtmeisterin, so die Leute gelinder und sanft- müthiger und vernünftiger macht. Die bösen Fiedler und Geiger dienen dazu, daß wir sehen und hören, wie eine feine, gute Kunst die Mustca sei; denn Weißes kann man besser erkennen, wenn man Schwarzes dagegen hält.