36ö warten; es brannten schon alle Fackeln im Saal der Reichsversammlnng. Als er endlich vorgelassen und aufgefordert war zu reden, sprach er mit deutschen Worte«: .Allergnädigster Kaiser, gnädigste Kurfürsten, Fürsten und Herren! Ich erscheine als der Gehorsame auf de» Termin, so mir gestern Abend angesagt ist, und bitte durch Gottes Barmherzigkeit, Ew. Majestät in Gnaden wollten diese gerechte und wahrhaftige Sache, wie ich hoffe, gnädigst hören, und so ich ans Unverstand vielleicht einem Jeglichen seinen gebührenden Titel nicht geben, oder mich sonst nicht nach Hosgebranch in Geberden erzeigen sollte, mir es gnädigst zu gut halten, als der ich nicht zu Hof gewesen, sondern immer im Kloster gesteckt bin, und von mir anders nicht zeugen kann, denn daß ich in dem, was von mir bisher mit einfältigem Her¬ zen gelehrt »nd geschrieben worden, allein Gottes Ehr und der Christglänbigen Nutz und Seligkeit, damit dieselben rechtschaffen und rein unterrichtet würden, angesehen und gesucht habe." Hierauf machte er einen Unterschied unter seinen Büchern. Einige seien solche, darinnen er vom Glauben und christlichen Werken recht und christlich, nach selbsteigenem Zeugniß seiner Widersacher, gelchret; die könne er nicht widerrufen. In den andern greife er das Pabstthnm und der Papisten Lehre an, die mit ihrer falschen Lehre und bösem Exempel die Christenheit an Leib und Seele verwüstet, der Christglänbigen Gewissen aufs allergrenlichste und jämmerlichste ver¬ strickt, beschwert und gemartert hätten. Auch diese Bücher könne er nicht widerrufen, weil er dadurch ihre Tyrannei und Bosheit stärken würde. „O! welch ein großer Schanddcckcl allerlei Schalkheit und Tyrannei, lieber Gott, würde ich alsdann wer¬ den!" rief er aus. Die dritte Art seiner Bücher gehe wider einige Privatpersonen, die sich unterstanden, römische Tyrannei zu vertheidigen und die gottselige Lehre, so er gelchret, zu fälschen und zu unterdrücken, darinnen er sich auch wohl zuweilen heftiger erwiesen, als es ihm seines Amtes gezieme; dieselbigen könne er aber auch nicht widerrufen, damit er nicht Ursach gebe, forthin allerlei gottlos Wesen zu ver¬ theidigen und neue Greuel und Wüthen anzurichten. „Doch weil ich ein Mensch bin", fuhr er fort, „und nicht Gott, kann ich meinen Büchlein anders nicht helfen, noch sie vertheidigen, denn mein Herr und Heiland seiner Lehre gethan hat, welcher sprach: „Habe ich übel geredet, so beweise cs, daß es böse sei." Hat nun der Herr, welcher wußte, daß er nicht irren konnte, sich nicht geweigert, Zeugniß wider seine Lehre zu hören, auch von einem geringen, schnöden Knecht, wie viel mehr ich, der Erd und Asch ist, und leichtlich irren kann, soll begehren und warten, ob Jemand Zeugniß wider meine Lehre geben wolle. Darum bitt ich durch die Barmherzigkeit Gottes, Ew. kaiserliche Majestät, kur- und fürstliche Gnaden, oder wer es thun kann, er sei hoben oder niederen Standes, wolle Zeugniß geben, mich mit propheti¬ schen und apostolischen Schriften überweisen, daß ich geirret habe; so ich deß über¬ zeuget werde, will ich ganz willig und bereit sein, allen Irrthum zu widerrufen, und der Erste sein, der meine Büchlein ins Feuer werfen will. Ans diesem, halt ich, erscheine klärlich und öffentlich, daß ich genugsam bedacht und erwogen habe die Noth und Gefahr, das Wesen und die Zwietracht, so durch Verursachung meiner Lehre soll erwecket sein, davon ich gestern hart und stark bin erinnert worden. Mir zwar ist es wahrlich die allergrößte Lust und Freude, zu sehen, daß um Gottes Worts willen Zwietracht und Uneinigkeit entsteht, denn dies ist Gottes Worts Art, Lauf und Glück." Dieses und noch mehr Anderes sprach Luther deutsch, nicht schreiend, sondern stttig und überaus bescheiden, aber mit großer Freudigkeit. Aber man wußte, daß