93 etwas unternehmen willst, verschweige es, damit du nicht verlacht werdest, wenn die Unternehmung mißglückt." Sein Wahlspruch hieß: „Thue alles zur rechten Zeit." Bias, der sünfte Weise, that nnter anderen folgende AuSjprüche: „Durch Schnelligkeit wird die Wohlthat verdoppelt." „Nur der ist un¬ glücklich, der kein Unglück zu ertragen vermag." — Einst trugen seine Mit¬ bürger bei Herannahung des Feindes ihre besten Habseligkeiten in geheime Verstecke, und er wurde gefragt, warum er eS nicht auch so mache. Da sagte er: „WaS ich besitze, trage ich stets bei mir." Er meinte nämlich seine Kenntnisse. Kleobulus, der sechste Weise, gab folgende Lehren: „Thue wohl, sowohl Freunden, als Feinden-, dem Freunde, daß du ihn fester bindest, dem Feinde, daß er dein Freund werde." „Sei im Glücke nicht über¬ müthig, im Unglücke nicht kleinmütyig!" „Der Mann muß Glück und Unglück männlich tragen." Periander, der siebente Weise, hatte sich zum Denkspruche erwählt: „Ueberlege wohl, ehe du handelst; und was du dir fest vorgenommen hast, das bringe zur Ausführung!" Nach Rauschnik. 99. Sokrates, der weiseste allerGriechen (geb.470v. Chr.), äußerte über die Wünsche der Menschen: „Wir müssen die Gottheit um nichts an¬ deres bitten, als daß sie uns gewähren möge, was uns nützlich sei, da unser- Wünsche gewöhnlich zum Verderben für uns ausschlagen; denn die Zu¬ kunft ist den Sterblichen mit einem dichten Schleier verhüllt, und deshalb wünschen wir nur zu oft das Schädliche. Der eine wünscht Reichthum, der doch schon so vielen Menschen verderblich geworden ist, der andere Ehren¬ stellen, durch die so mancher zu Grunde ging. Höre denn aus, Sterblicher, thöricht nach dem zu trachten, was Ursache zu künftigen Uebeln ist. Ueber- lasss dem Willen der Gottheit, die auf eine leichte Art Gutes zu erzeugen pflegt; überlaß es ihr, das für dich Passende zu wählen." Rauschnik. 100. Aussprüche einiger deutschen Musterschriststeller. Die Menschenliebe bietet dem Leidenden schnell und froh die rettende Hand; die Freundschaft muß mit ihm zu leiden wissen. Wenn du mit deinen Gefälligkeiten wartest, bis dich ein Freund an¬ spricht, so erniedrigst du die Gefälligkeit zum Almosen und deinen Freund zum Bettler. Je weniger jemand ist, d e st o mehr Stolz wird er haben, und desto geneigter wird er sein, an anderen wohl Fehler, gute Eigenschaften aber nich t zu bemerken. — Christian Ewald v. Kleist. Ungeduld und Kleinmuth machen, daß wir unsere Leiden mehr fühlen, und uns selbst weniger im Stande finden, sie abzuwenden oder zu besiegen. Im Unglücke erscheint die Tugend in ihrem hellsten Glanze. Man könnte sagen, daß sie Aehnliches mit den würzreichen Pflanzen habe, die man drückt, um ihren wohlriechenden Balsam zu gewinnen. — -Friedrich Gottlieb Klopstock. Edles Ehrgefühl muß uns den Müßiggang verächtlich und die Befrie¬ digung unseres Bedürfnisses durch eigne Arbeit zum Vergnügen machen. Willst du genügsam werden, so bedenke, wie viel mehr du hast, als du bedarfst, und wie viel unglücklicher du sein könntest, als du wirklich bist. —- Christoph Martin Wieland.