77 er nur Stock und Hut und ging nach FladdeS Hütte, aus der ihm schon von ferne ein kräftiges: „Wer nur den liiben Gort läßt walten" entgegen tönte, das ihn dann gleich wieder muthig und ergeben machte. So gings mehrere Jahre. Da ging eben der Schnee wieder vom Lande weg, nur der Schnee auf Simons Haupt blieb wieder liegen und wollte es abermals mit den weißen Blüten der Bäume um die Wette thun; mit den grünen Blättern aber sein Herz, das noch so frisch war, wie in jungen Tagen. Nur dem Gesicht und der übrigen Gestalt sah man diesmal den Winter mehr an als je. Da sang er eines Abends in seinem Stüblein: „Meiner Augen heller Schein und der Sinne Kraft entweichet; dies soll mir Erinnrung sein, daß ich bald mein Ziel errei¬ chet. Bleibe meines Alters Stab, treuer Gott, bis in das Grab! — Hebe, trag und lege mich, wenn die Kräfte ganz mir schwinden; naht die letzte Stunde sich, o, dann hilf mir überwinden. Bleibe meines Al¬ ters Stab, treuer Gott, bis in das Grab!" — „Ein schönes Lied," sagte der Pfarrer, der es vor der Hütte ganz mit angehört hatte, zum Fenster hinein; — „ein schönes Lied, Meister Simon! Haltet euch nur noch recht lange an diesem Stabe, so kann euch das Alter noch lange nichts anhaben!" — „Wie Gott will, Herr Pfarrer! Aber ich merke recht, daß der Tag beginnt sich zu neigen und die Nacht vor der Thür ist!" — „Aber auf diese Nacht folgt auch wie¬ der ein Morgen, lieber Simon, das wißt ihr so gut als ich, und wir harren ja alle darauf. Nun gute Nacht für heute! Morgen früh wei¬ ter, wenn ich vom Feldspaziergang komme. Gute Nacht!" — Und der Morgen kam und der Pfarrer auch; aber in der Hütte wars stille, und die Vögel pickten ans Fenster um ihr Futter, und der Pfarrer klopfte dran um seinen guten Morgen — aber in der Hütte wars stille, recht stille. Und wie der Pfarrer die Stube aufmachte, da lag Simon, wie wenn er noch betete, mit gefalteten Händen aus seinem Strvhbette und war — todt! Und die Vögel schlugen an die Fenster, und der Pfarrer weinte helle Thränen; und nach einer Weile, da flogen die Vögel auf und sangen laut ein Halleluja, und der Pfarrer knieete nieder und be¬ tete leise den Segen über den lieben Todten, daß sein frommer Geist in dieser Nacht heimgegangen war zum lieben himmlischen Vater nach oben. 127. Der Herr beschirmt dich wider alle Fährlichkeit. Drei Knaben, von denen der eine zehn, der andre elf und der dritte zwölf Jahr alt war, weideten ihre Geisten hinter den Gär¬ ten des Dorfes. Sie schürten ein Fetter an unter einem alten, l)oX)en Kirschbaume, der in der Hecke stand und seine größten. Aeste über _ ein kleines Backhaus ausstreckte. Denn es war ein kalter, windiger Herbsttag, und sie wollten sich die Kartoffeln braten, welche sie vom Hause mitgebracht hatten. Der älteste von. den dreien nahm die Bibel und las daraus die biblische Geschichte vor, welche der Lehrer heute erzählt hatte, unb die beiden andern schürten unterdes das Feuer nach und legten die Kartoffeln in die heiße ^schc. Da kam plötzlich ein gewaltiger Windstoß und warf den