230 nackten Boden gesetzt. Diese über allen Ausdruck grausenvolle Fluth und Ebbe kehrte an diesem Tage vier Mal zurück. Etliche Böte wurden gleich verschlungen; aus dem königlichen Werste schwemmte diese Sündfluth alles Zimmerholz nebst Masten, Fässern und den sämmtlichen ungeheuern Schiffsvorräthen hinweg. An der vorher erwähnten Barre am Eingänge des Häsens sah man die See schlo߬ weiß brechen, wie im Sturme; ein Anblick, der auch den rohesten Seefahrer bange machte. Das Schloß Regio gerieth in große Ge¬ fahr durch dieses Aufschwellen des Flusses und feuerte Nothsignale. In der Stadt stiegen ungeheure Staubsäulen neben den fallen¬ den Straßen auf. Die Ueberlieferung sagt, daß die Sonne einige Augenblicke davon verdunkelt und daß es so schwarz, wie in der finstern Nacht, geworden sei; ein neues Schreckuiß unter so vielen grausigen Scenen. Sie berichtet ferner, was man hier leicht hinzu denkt, daß beständiges Angstgeschrei überall erschollen sei, und daß jede Brust den Jammer des Todes gefühlt habe, dessen tausendfäl¬ tige Gestalten man vor sich sah. Auf die Scenen der Zerstörung, welche die unglücklichen Einwohner umgaben, folgte eine fürchterliche Pause. Die Staubwolken verschwanden. Gerettete wünschten sich Glück, indem Andere den Verlust ihrer Verwandten betrauerten; Kin¬ der, Gatten, Freunde rangen die Hände; Eltern knieten bei ihren entseelten Kindern nieder. Viele waren der Vernichtung, wie durch ein Wunder, entgangen, krochen aus den Trümmern hervor und fanden sich bei den Lebenden ein. Etliche hielten sich in einer fürch¬ terlichen Höhe an den Sparren und Balken zerrütteter Häuser und flehten um Hülfe. Verstümmelt, blutend und sterbend, füllte eine Menge Unglücklicher die Luft mit Wehklagen, Jammergeschrei und Gebeten. Nach wenigen Minuten folgte ein zweiter Erdstoß. Die we¬ nigen Häuser, welche etwa noch standen, wankten gräßlich hin und her, wie der Mast eines Schiffes im Sturme. Diejenigen, welche sich ihrer Rettung gefreut hatten, schrieen nun wieder zum Himmel um Gnade und suchten so schnell, als möglich, über die Trümmer zu kommen. Als sie an die Kirchen gelangten, fanden sie neuen Anlaß, Gott für ihre wundervolle Erhaltung zu danken, denn sie sahen hier mit Schaudern, daß die Schaaren von Menschen, die hierher geflüchtet waren, unter den herabgestürzten Thürmen, Dächern und Werkstücken dieser großen Gebäude größteutheils ihr Grab ge¬ funden hatten. Nicht lange, so fühlte man einen dritten gewaltigen Stoß. Die Fliehenden konnten sich nicht auf den Beinen halten; sie mußten sich niederlegen, oder niederknieen. Schrecken, Verwirrung, Angst¬ geschrei , Flehen um Hülfe und Rettung, vermehrten abermals das Grausenvolle dieser Scene und die Größe des „Jammers. Das Trauerspiel war noch lange nicht zu Ende, denn auch das