62 III. Die Zeit der bedrängten Kirche. der Natur, dafür aber mit einer dreifachen starken Mauer befestigt. Und die Juden, wie uneins »»tereinandcr, ver¬ einigten sich doch aste im angestrengtesten Kampfe gegen die Belagerer. Fünf Monate mußte Titus ausharren, bis er zum Ziele kam. Aber wie sah es derweilen in der armen, unglücklichen Stadt aus! Es gab drei Par¬ teien darin, die sich selbst bekämpften und untereinander wie wilde Bestien zerfleischten. Und bald entstand bei der Ueberfüllnng mit Menschen eine gräßliche Hnngersnoth. Man aß Heu, Schuhe, das Leder von Schilden rc. Wer noch ordentliche Nahrung hatte, war ihrer nicht sicher; die hungrigen Soldaten liefen suchend in die Häuser und raubten sie weg. Alle natürliche Liebe in den Familien selber weicht; Eltern reißen den Kindern, Kinder den Eltern die Speise vom Munde weg; ja eine Frau kocht ihr eigenes Kind, verzehrt die Hälfte und beut die andere Hälfte deil suchenden Räubern dar. Hunger und Schwert würgten fürchterlich in der elenden Stadt. Es sollen gegen 600,000 Leichen über die Stadtmauer geworfen worden sein. Andere Todte wurden in leere Häuser auf¬ geschichtet; andere blieben frei auf der Straße liegen. Die Haufen unbeerdigter Leichname hauchte» pestilenzialische Dünste aus, welche zu allem Jammer noch eine Seuche erzeugten. Bon der Hungerqual getrieben flohen viele Jude» in's römische Lager hinaus; da schnitten die röm. Soldaten einigen Tausenden den Bauch auf und durch¬ wühlten ihre Eingeweide, denn es hatte sich das Gerücht verbreitet, sie hätten Gold verschluckt, um es auf diese Weise zu retten. Solchem Gräuel that endlich Titus durch ein Machtgebot Einhalt, auch ließ er den Ausgehungerten Speise geben. Diejenigen aber, welche bei Ausfällen ge¬ fangen wurden, ließ er zum abschreckenden Beispiele für die Hartnäckigen auf einer Anhöhe nebeneinander kreuzigen, einmal an Einem Tage 500. JosephuS sagt: „Keine Stadt bat je soviel erlitten, —• es war aber auch kein lasterhafteres Geschlecht auf Erden als dieses." Titus bot den Belagerten mehrmals Gnade an, wenn