noch keine Güter vertheilt worden waren. Unter solchen Umständen schien dem Tiberius die Ausführung seines Gesetzes gefährdet, wenn ihm nicht auch für das folgende Jahr das Tribunal übertragen wurde. Er machte daher dem Volke glänzende Zusagen und ging dasselbe — freilich gegen alles Herkommen — um Verlängerung seiner Würde an. Die Wahl fiel unglücklicher Weise in die Erntezeit, in welcher das Volk, da die Landbe¬ wohner mit Arbeiten auf dem Felde beschäftigt waren, in geringerer Zahl fich einfand, als sonst. Dennoch hatten schon zwei Tribus zu Gunsten des Tiberius gestimmt, als die Gegenpartei einen solchen Tumult erregte, daß man das Wahlgeschäft auf den nächsten Tag verlegen mußte. Diesen Vor¬ fall nahm Tiberius als böses Vorzeichen. Er hüllte sich in Trauerkleider, ging mit seinem einzigen Sohn auf dem Forum umher und bat die Bür¬ ger, für die Sicherheit seines Lebens zu sorgen. Eine große Menge schaarte sich um ihn und bewachte während der Nacht sein Haus. Am andern Morgen besetzten große Haufen Volkes das Kapitol; der Senat versammelte sich in dem nahegelegenen Tempel der Treue. Aber¬ mals entstanden Streitigkeiten — da erfährt Tiberius von Freunden, daß ihm die Senatoren nach dem Leben trachten. Er will zu dem Volke re¬ den: allein Worte können bei diesem Getümmel nicht verstanden werden, er muß zu den Augen sprechen und streckt die Hand nach dem Kopfe aus, um den Anwesenden seine Lebensgefahr anzudeuten. Diese Bewegung aber legen seine Feinde so aus, als habe er die Krone gefordert, und eilen mit der Verleumdung in den Senat. Da sprang der Oberpriester Scipio Nasika auf und verlangte von dem Konsul, er solle Gewalt gebrauchen. Der Konsul Mucius Skävola aber weigerte sich, Bürgerblut zu vergie¬ ßen. Darauf rief Nasika: „Der Konsul verlaßt das Vaterland! Auf, mir nach, wer es retten will!" Mit diesen Worten verließ er den Senat, viele Senatoren folgten ihm und stürmten dem Kapitole zu. Das Volk machte den Senatoren ehrerbietig Platz. Diese aber zerbrachen die Bänke und schlugen mit Stücken derselben auf des Gracchus Anhänger los. Das Volk ergriff die Flucht, auch Tiberius floh, stürzte aber über einige vor ihm lie¬ gende Leichen und wurde von seinem eigenen Amtsgenossen, Satures ns, niedergehauen. Mit Tiberius fielen noch 300 Leute seines Anhangs; ihre Leichen wurden mit der des Tribunen durch die Straße geschleppt und in die Tiber geworfen (133 v. Chr.). b. Bald aber merkte das Volk, welcher Freund ihm in Tiberius entrissen worden war. Es warf seinen ganzen Haß auf den Urheber des Blutbades, auf Nasika, so daß der Senat für gerathen hielt, den Ober¬ priester als Gesandten nach Asien zu schicken, woselbst er bald seine Tage beschloß. Schlimmer noch erging es Scipio Asrikanus dem Jünge¬ ren, dem Schwager des ermordeten Tribunen. Weil er vor Numantia den Tod des Gracchus mit dem homerischen Vers: „So mag's Jedem ergeh'n, der solcherlei Thaten verübt hat!" gebilligt hatte, so zog er sich den Haß des Volkes zu und ward, als er nach der Zerstörung Numantia's (133) nach Rom zurückgekehrt war, eines Morgens todt in seinem Bette gefunden (129). Um der inneren Streitigkeiten Meister zu werden, sandte der Senat die Häupter der Volkspartci unter ehrenvollen Aufträgen ans der Stadt. H 5*