III. Die deutsche Reformation. (Karl Hase.) Das Erbe des vorigen Zeitraums war die allgemein anerkannte Nothwendigkeit einer Reformation. Ihre Vollziehung durch die ge¬ setzmäßigen Organe der Kirche war nach ihrer Vereitlung auf dem großen Concile schwer zu hoffen. Gleichzeitig in Sachsen und unter den Eidgenossen ging sie vom Volke aus, nicht durch wissenschaftliche Aufklärung, obwohl mit derselben verbündet, noch als Kampf wider das Papstthum, obwohl durch seine Anmaßungen gefördert wie durch seinen Verfall, aber zunächst aus der Angst frommer Herzen, daß durch die Mißbräuche des Ablasses und der Werkheiligkeit die wahre Buße und Seligkeit verloren gehe. Erst als die Hierarchie der Re¬ formation entgegentrat, spaltete sich die Kirche im unabwendbaren Drange der Verhältnisse, und das vorher untergeordnete Princip des Protestantismus gründete als eigenthümliche Entwickelung ves Chri¬ stenthums eine selbstständige Kirche, in Helvetien unter republikani¬ schen Parteikämpfen, im innern Deutschland, unter gelehrten Strei¬ tigkeiten, feierlichen Reichshandluugen, Volksbewegungen und Söld¬ nerkriegen. Beide protestirende Parteien erwiesen ihr Recht durch die heilige Schrift, die Reformirten im Vorwalten eines kräftigen Ver¬ standes, die Lutheraner mit vorwaltendem Gefühle, beide mit gegen¬ seitiger Verkennung, in ihrem Grundcharakter beide deutsch, doch die helvetische Kirche, wie in Grenzlanden geschieht, mit früher Einmi¬ schung des Französischen. Die Reformation begann ihren Lauf um die Welt. Fremdartige politische Interessen traten bald störend bald fördernd hinzu, aber das kirchliche Interesse stand im Vordergründe, der Katholicismus erstarkte wieder durch den Gegensatz, und das Abendland theilte sich in zwei Massen, welche noch einmal im Ge- Histor. Lesebuch III. 4