72 Marcus Curtlus. terziehen, und verlangte nur, daß man dem Urtheile folgende Fassung gebe: „Epammondas wurde von den Thebanern mit dem Tode bestraft, weil er sie bei Leuktra zwang, die Lacedämo- nier zu schlagen, welche, bevor er Feldherr war, kein Böotier im Treffen anzusehen wagte; weil er durch ein einziges Treffen nicht nur Theben vom Untergange rettete, sondern auch ganz Grie¬ chenland frei machte, und weil er den Oberbefehl nicht eher nie¬ derlegte, als bis die Thebaner Sparta aufs Aeußerste gebracht hatten." Diese Worte machten einen solchen Eindruck, daß er einmüthig freigesprochen wurde. Im Jahre 363 drang er bis tu die Mitte der Stadt Sparta vor, wurde aber zurückgeschlagen und wandte sich dann nach Ar¬ kadien. Er traf die Hauptmacht der Feinde bei Mantinea, griff sie unvermuthet an und durchbrach in keilförmiger Schlachtord¬ nung ihre Linie. Da streckte den Helden ein Wurfspieß nieder. Seine Freunde beklagten ihn, daß er ohne Kinder sterbe; denn er war nie verheirathet. Er aber antwortete : „Beruhigt euch; ich hinterlasse zwei unsterbliche Töchter, die Schlachten bei Leuk¬ tra und Mantinea." Noch vernahm er die Siegesbotschaft; dann zog er die abgebrochene Spitze des Wurfgeschosses aus der Brust und verschied mit den Worten: „Ich habe genug gelebt; denn ich sterbe unbesiegt!" Marcus Lurtius. (362 v. Chr.) Krrrze Zeit nach Vertreibung der Gallier brachen allerlei Unglücksfälle über Rom herein. Eine böse Seuche raffte viele Hunderte weg, ein Erdbeben zerstörte einen Theil der neu auf¬ gebauten Stadt, und mitten auf dem Markte öffnete sich eine ungeheure Kluft von unermeßlicher Tiefe, welche trotz aller an¬ gewandten Mühe nicht wieder ausgefüllt werden konnte. Die geängstigten Römer fragten ihre Augur en (Wahrsagepriester) um Rath, und erhielten die Antwort, der Schlund werde sich