146 das Wasser die ganze Schlucht aus, und braust in einer düstern Rinne an beiden Seitenwänden. Dann traten wieder schmale, grüne Stellen hervor; das Thal erweiterte sich, indem es sich in mannichfaltigen Krümmungen wand; aber die Felsenwändc standen in erschreckender Höhe und Nähe da, und nur ein schmaler Strei¬ fen des blauen Himmels warf ein dämmerndes Licht in die enge Tiefe, die uns einklemmte. Hier trafen wir eine Wohnung; ein Bauer mit seiner Familie hatte sich in diese einsame Schlucht hin¬ eingedrängt, und aus der Rauch- und Lichtöffnung entdeckte man beide Felsenwändc zugleich. Es ist, als drohte sie, hoch über dem Dache des kleinen Hauses sich zu schließen. Als wir nun in die¬ sem seltsamen Thale den Biegungen folgten, den brausenden Fluß neben uns, von den drohenden Felsen eng umschlossen, ward es immer dunkler. Der Tag ist hier viel kürzer; selbst mitten im Sommer dringt die Sonne nur ein Paar Stunden in die enge Kluft hinein, und bald tappten wir im Finstern. Riesenhafte Fcl- senblöcke hatten sich in dem engen Thale angehäuft, nicht wie ge¬ wöhnlich von oben heruntergestürzt. Die Wände waren unten im Grunde wie zersprengt; große Aushöhlungen hatten sich dadurch gebildet, und die feste Masse hing wie frei schwebend auf beiden Seiten über" uns. Dichtes Gebüsch wucherte verworren zwischen den Felsentrümmcrn, die in wilder Unordnung übereinander gestürzt waren; große, einzelne Bäume umfaßten mit ihren kahlen Wur¬ zeln die rauhen Blöcke, und schauten von der Höhe düster in das vorüberrauschende Wasser. Das Fortkommen ward immer beschwer¬ licher, ja, als die Finsterniß zunahm, sogar gefährlich. «Hier ist die Kirche und die Kanzel,« sagte Ingier, «und hier wollen wir bleiben.« Unser Begleiter hatte uns verlassen; er war bei seinen Verwandten in der einsamen Rauchhütte geblieben, und Ingier hatte die Führung über sich genommen. Es war uns, jung und rüstig, wie wir waren, keineswegs unangenehm, die Nacht auf eine solche Weise zuzubringen. Eine wilde Zusammenhäufung von Fel- senmassen, die einen mannichfaltig sich windenden, engen Raum einschließen, nennt man die Kirche, so wie einen hoch oben hervor¬ springenden, großen Felsenblock die Kanzel, und durch einen beson¬ deren Zufall haben die zusammengehäuften Massen eine Art Wen¬ deltreppe gebildet, die von einer inneren Höhle nach seinem Gipfel führt. Ein schmaler Eingang führt zu der Höhle, und wir be¬ schlossen, Gras und Moos zu sammeln, um uns dort ein nächt-