Mutter. Ich sah gestern, dag sich der Rudel» hinter mein Bett versteckte, und auS seiner Tasche ge¬ bratene Erdäpfel aß. — Er gab auch seinen Geschwi¬ stern; und auch die aßen's verstohlen. — Rudi, diese Erdapfel stnd nicht unser, sonst hätte sie der Junge auf den Tisch geworfen, und hätte seinen Geschwistern laut gerufen — ach! er hatte auch mir einen zugebracht, wie cr's tausendmal machte. — ES ging mir allemal ans Herz. wann er mit etwas in den Händen zu mir sprang,- und so herzlich zu mir sagte: Großmutter, iß auch! O Rudi, wenn dieser Herzensjunge ein Dieb werden sollte! O Rudi, wie dieser Gedanke »nir seit gestern so schwer auf dem Herzen liegt! Wo er ist — bring mir ihn, ich will mit ihm reden. Rudi. O ich Elender! (er lauft geschwind, sucht den Rudeli, und bringt ihn der Mutter an's Bett. — Die Mutter setzt sich mühselig und zum letztenmale auf, kehrt sich gegen den Knaben, nimuit ihn in ihre Arme, drückt ihn an ihr Herz, senkt das schwache ster¬ bende Haupt hinab auf den Knaben; — der Kleine weint laut: „Großmutter, was willst du? Du stirbst doch nicht? „Ach stirb doch nicht, Großmutter!" so sagte der Kleine — sie antwortete gebrochen: „Ja, Rudeli, ick sterbe gewiß bald." „Jesus! ach mein Gott! stirb doch nicht, Gro߬ mutter!" (Sie muß sich wieder legen.) Der Knabe und sein Vater zerflossen fast in Thrä¬ nen. Sie erholte sich aber bald wieder, und sagte: "es „ist mir schon wieder besser, da ich jetzt liege." Rudeli. Du stirbst doch jetzt nicht mehr, Gro߬ mutter? Mutter. Thue nicht so, du Lieber! Ich sterbe ja gern, und ich werde ja dann zu einem lieben Vater kommen, bei dem es mir wohl sein wird — bald, bald, Rudeli, werde ick zu ihm kommen. Rudeli. O wenn du stirbst, ich will mit dir sterben. Mutter. Nein, Rudeli, du wirst nicht mit mir sterben, du wirst, will's Gott, noch lange leben und brav werden, und wann einst dein Vater alt und schwach seyn wird, seine Hülse und sein Trost seyn — Gelt, Rudeli, du willst ihm dann gern thun, was du kannst,