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Neues
Abeze- und Lesebuch
mit
vielen schönen Bildern
von
Joachim Heinrich Campe.
Dritte Auflage.
Mit 2» sauber illuminirtcn Kupfer».
Braunschweig,
in der Schulbuchhandlung.
1830.
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Biblioiiiekîür
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Javaf
Vorrede.
rOor beinahe dreißig Jahren wurde ich von
einem Verleger aufgefodert, ein sogenanntes
Abezebuch zu schreiben; und ich gab mich nicht
ungern dazu her, weil ich einige auf die Er-
leichterung des Lesenlernens abzweckende Vor-
theile bemerkt zu haben glaubte, welche da-
mahls für neu gelten konnten. Das Büch-
lein erschien unter folgendem Titel: Neue
Methode (Berfahrungßart) Kinder auf eine
leichte und angenehme Weise lesen zu
lehren. Altona 1776. Die starke Aufla-
ge desselben wurde schnell vergriffen; und der
Verleger wünschte eine zweite zu veranstalten.
Allein da meine erste Vaterliebe zu diesem
4
44 4++«■*+**
Merkchen sich unterdeß merklich abgekühlt
hatte, so entgingen mir nunmehr die Man-
gel und Fehler nicht, womit es behaftet war,
und die, wenn es zu meiner eigenen Zufrie-
denheit sich von neuen öffentlich zeigen sollte,
vorher erst getilget werden mußten. Hiezu
fehlte es mir nun aber damahls gerade an
Zeit; die neue Ausgabe mußte folglich ver-
schoben werden; und — wie es denn so zu
gehen pflegt, wenn man einmahl erst ins
Aufschieben gekommen ist — sie wurde von
Jahr zu Jahr so lange zurückgeschoben, bis
nunmehr endlich beinahe ein ganzes Men-
schenaltcr darüber abgelaufen ist.
Als ich endlich vor einigen Jahren, auf
Zureden der Meinigen, mich dieses verwaise-
ten und beinahe vergessenen Kindes meines
Schriftstellerthums wieder anzunehmen bereit
war, fand es sich, daß im ganzen weiten
Deutfchlsüde kein Abdruck davon mehr auf-
getrieben werden konnte. Nur einzelne Stück-
chen oder Fetzen davon fanden sich in verschie-
denen neueren Fibelwerken und Kinderschrif-
ten wieder, deren Verfasser mir die Ehre er-
wiesen hatten, sie als Erzeugnisse eigener Er-
findungskraft darzubieten. Eine seltene Er-
scheinung , die mich beinahe hatte verleiten
können zu glauben, daß das Büchlein, trotz
seinen Unvollkommenheiten und Fehlern, doch
einigen Beifall gefunden haben müsse, weil
es so ganz verschlungen war, daß es aus der
Reihe der Dinge, wenigstens aus der Reihe
der Ladenhüter, sich dergestalt verloren hatte,
daß von seinem ehemahligen Dasein auch keine
Spur mehr gefunden werden konnte. Meine
Vaterliebe zu demselben wurde dadurch von
neuen aufgeregt. Nachdem in allen Büchcr-
lagern vergebens nachgeforscht war, ob das
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«H44*M>+++*+|»
verlorne Söhnchen sich nicht irgendwo ver-
krochen habe, schritt man endlich zu dem letz-
ten traurigen Nothmittel, welches bekümmerte
Vater anzuwenden pflegen, um Nachrichten
über verschollene Kinder einzuziehen, d. i. man
ließ durch den Hamburgischen unparteiischen
Brieswechsler oder Correspondenten mit seinen
dreißigtausend Stimmen einen Aus- und Auf-
ruf durch das ganze, damahls, ach! noch hei-
lige, Römische Reich ergehen, des Inhalts,
daß, wofern irgend jemand wisse oder zu er-
forschen vermöge, wo das abhanden gekom-
mene Kindlein stecke, er dasselbe aus Men-
schenliebe und gegen die Gebühr dem gebeug-
ten Vater todt oder lebendig, wie es gefun-
den würde, zuschicken möchte. Dieser Ver-
such blieb nicht ohne allen Erfolg. Statt Ei-
nes Abdrucks, den ich nur zu haben wünsch-
te, wurden mir sogar zwei, der eine aus dem
7
4 4+4 4+♦+fr***
südlichsten, der andere aus dem nördlichsten
Winkel Deutschlands zugeschickt; aber beide
verstümmelt, beide unvollständig. Dem -einen
fehlte das Titelblatt und etwas mehr; aus
dem andern waren ganze Stücke weggerissen;
Schmutzflecke von allen Farben obenein. So
hatten grausame Kinderhände meinem armen
Söhnlein mitgespielt!
Jetzt entstand die doppelte Frage: i. ob
es thunlich sei, und 2. ob es der Mühe loh-
ne , das todesverblichene Merkchen wieder ins
Leben zurückzurufen? Die erste glaubte ich
selbst, nach angestellter Untersuchung und bei
vorausgesetzter wesentlicher Umbildung, mit
ja! beantworten zu müssen; über die andere
entschieden meine Freunde, und zwar, viel-
leichtzu gütig, gleichfalls auf bejahende Weise.
Es wäre doch Schade, meinten sie, wenn die
noch immer wohlbehaltenen, eines langern
« 8
Daseins würdigen, wesentlichen Bestandtheile
des kleinen Todten mit dem ihnen beigefüg-
ten minder gediegenen und minder haltbaren
Beigemengsel zugleich vermodern sollten! Wie
leicht laßt in solchen Fallen das schwache Va-
terherz sich beschwatzen! Ich fand an Ende
selbst, daß die Freunde wol Recht haben
möchten — die richtenden Götter zu Jena,
Halle u. s. f. mögen der menschlichen Schwach-
heit, die wir ja Alle an uns tragen, lang-
müthig verzeihen, wenn sie in diesem Urtheile
ein wenig Selbstgefälligkeit wittern sollten!
Die Wiederbelebung wurde beschlossen.
Das Erste und Vorzüglichste, was ich
auszumerzen und zu verwerfen fand, war die
Lehrart, nach welcher ich das Büchlein zu ge-
brauchen ehemals gerathen hatte; nicht,als wenn
ich diese jetzt geradezu für unanwendbar oder
unwirksam erkannt hatte — mehr als Ein ehe-
9
Mahls damit angestellter Versuch hatte mw
das Gegentheil erwiesen — sondern weil ich
jetzt fand, daß ste nicht einfach genug wäre,
und auf Seiten des Lehrers höhere Lehrgaben
und mehr gute Laune und Kinderliebe vor-
aussetze, als den Meisten von denen, welche
sich zum Unterrichtgeben anstellen lassen, ei-
gen ;u sein pflegt. Eine neue Lehrart aber,
die man zum öffentlichen Gebrauche zu em-
pfehlen wagt, muß schlicht und ungekünstelt,
muß leicht für die Anwendung, muß bloß
auf gewöhnliche Kräfte und auf gemeinen gu-
ten Willen, nicht aufungemeine Köpfe und auf
seltene Gemüther, berechnet sein. Diese noth-
wendige Eigenschaft fehlte der meinigen; des-
wegen erklärte ich sie nunmehr für verwerflich.
Es verhalt sich übrigens mit den Lchr-
arten, besonders mit denen, die beim Lesen-
lehren befolgt werden, 'wie mit den Versa s-
1 o
sungcn der Staaten. Das Meiste kömmt
dabei auf diejenigen an, welche die eine
oder die andere anwenden, ausüben und
vollziehen sollen. Es ist zwar deswegen noch
lange nicht wahr, was Pope sagt: „Laßt
Narren über die beste Verfassung streiten;
die beste ist die, welche am besten vollzogen
wird;" allein es ist doch auch auf der an-
dern Seite gar nicht zu laugnen, sondern durch
vielfältige Erfahrungen völlig erwiesen, daß
es bei den Lehrarten, wie bei den Staatsver-
fassungen, bei weiten mehr auf die Weis-
heit und den guten Sinn und Willen des
Ausübers und Vollstreckers, als auf den Grad
der innern Vollkommenheit der Lehr- und Re-
gierungsvorschriften ankömmt. Glücklich das
Land, und glücklich die Schule, wo beides —
dort eine vollkommene Verfassung, hier eine
vollkommene Lehrvorschrift — mit seltener
Kraft und seltenem guten Willen auf Sei-
ten der Herrscher und der Lehrer zusammen-
treffen !
Aber so wie es gewisse allgemeine Grund-
sätze gibt, die bei allen Verfassungen, sie mö-
gen übrigens sein und heißen wie sie wollen,
zum Grunde liegen und befolgt werden müs-
sen, wenn die Verwaltung gelingen und den
Namen einer guten verdienen sott: so gibt
es auch für das Geschäft des LesenlehrenS,
wenn es für den Lehrer selbst, wie für die
Lernenden, erleichtert und minder unange-
nehm gemacht werden soll, gewisse allge-
meine Vorschriften und Verfah-
rungsarten, die bei jeder Lehrart, die
man wählen mag, — sie sei übrigens welche
sie wolle — angewandt werden können und,
wenn wir vernünftig dabei verfahren wollen,
angewandt werden müssen. Dergleichen all-
gemeine Grundsätze und Regeln hatte ich nun
vor dreißig Jahren schon aufgesucht, und in
der Vorrede zu meinem alten Abezebuche ent-
wickelt und empfohlen; und diese, nebst den
meisten Uebungsstücken zum Lesen, die id;
dem Büchlein einverleibte, sind das unver-
sehrt gebliebene Gute, welches ich ohne Selbst-
gefälligkeit, wie ich hoffe, als solches noch
heute anerkennen darf und wirklich anerkenne.
Dieses gebliebene und hoffentlich noch ferner-
bleibende Wahre und Gute, welches bei al-
len Lehrarten angewandt werden kann, will
ich nun aus dem wiederaufgefundenen, ver-
schollen gewesenen Abezebuche herausheben,
und es, durch einige neuere Bemerkungen
berichtiget und bereichert, hier kurz und deut-
lich auseinandersetzen und bei diesem meinen
neuen Lesebüchlein zum Grunde legen. Die-
sem neuen Büchlein will ich übrigens, was
i o
bei dem alten nicht der Fall war, eine solche
Einrichtung zu geben suchen, daß es für je-
den Lehrer bei jeder von ihm selbst belieb-
ten Lehrart, sie sei die alte langst verrufene,
oder eine der beliebtesten neuern (wofern er
nur in jenen allgemeinen Grundsätzen mit
mir übereinstimmt) mit Nutzen gebraucht
werden kann. Es wird mir indeß erlaubt
sein, diejenige Lehrart, welche mir unter al-
len die vortheilhafteste zu sein dünkt, gleich-
falls darzulegen; doch ohne diejenigen, welche
dieses Büchlein beim Lesenlehreu gebrauchen
wollen, durch seine Einrichtung zu zwingen
sie anzunehmen. Das Recht der eigenen
Wahl soll jedem Lehrer, der seines Namens
nur einigermaßen würdig ist, nicht verküm-
mert werden; wenigstens durch mich nicht!
So viel ich weiß, waren die dem alten
Abezebuche einverleibten zwei und zwanzig
14
Fabeln das, was an diesem Kinderbuche am
meisten und am allgemeinsten gefiel, unge-
achtet einige derselben, nach meinem eigenen
Urtheile, der Mangel einer, nach Inhalt und
Ausdruck, vollkommenen Paßlichkeit für das
kindische Alter drückte. Auch habe ich im-
mer gefunden, daß die Kinder, bis zu vier-
jährigen hinab, in diese Fabeln, trotz jenem
eingestandenen Fehler einiger derselben, ohne
Ausnahme ganz vernarrt waren, und sie im-
mer, selbst dann noch, wenn sie dieselben
schon auswendig wußten, mit jedesmahl er-
neuerter sichtbarer Freude darüber, von neuen
wieder vorlesen hörten oder selbst lasen; so-
gar diejenigen nicht ausgenommen, die ent-
weder dem Inhalte oder der Einkleidung nach
über ihren kindischen Gesichtskreis ein 'wenig
hinausgingen. Da nun auch meine fünf,
vier- bis zehnjährigen Enkel und Enkelinnen,
i 5
«■H H< »»♦»!■
deren befugtes Urtheil ich darüber einzuholen
nicht verabsäumte — ein von mir, wenn ich
nicht irre, erfundenes Geheimmittel, welches
ich in ähnlichen Fällen bei allen meinen Kin-
derschriften oft und zwar immer mit großem
Erfolge angewandt habe, und welches ich hie-
mit aus Menschenliebe unentgeldlich bekannt
mache — sich mit Hand und Mund gegen
das Weglassen jener Fabeln auf das Nach-
drücklichste verwahrten: so glaubte ich, was
auch immer mein ehrliches Schulmeisterge--
wisten dagegen einzureden haben mochte, der
öffentlichen Meinung und dem einstimmigen
Urtheile der genannten sachkundigen kleinen
Richter für dasmahl nachgeben zu müssen.
Die Beibehaltung jener Fabeln wurde dem-
nach beschlossen. Um indeß dem besagten
Gewissen doch auch sein Recht widerfahren
zu lassen, strich ich diejenigen, deren Sitten-
i 6
lehre für das kindische Alter noch nicht ge-
hörte, weg, und dichtete andere dafür, in
welchen dieser Fehler vermieden wurde; schni-
tzelte und glättete auch hier und da an den
beibehaltenen, auf daß sie tadelloser würden.
Uebrigens verdienen diese kleinen Stücke
wol mit einiger Nachsicht beurtheilt zu wer-
den; weil es in der That keine ganz leichte
Aufgabe war: zwei und zwanzig, und bei die-
ser neuen Ausgabe drei und zwanzig, Fabeln
zu dichten, die i. dem Kinderalter so viel
möglich angemessen wären; in welchen 2. je-
desmahl zwei Thiere oder Wesen auftraten,
deren Namen einerlei Anfangsbuchstaben hät-
ten , und die 3. dadurch ein vollständiges,
und zwar doppeltes Abeze, von a bis z, bil-
deten. Sollte irgend einer der Kunstrichter,
welche diese dichterischen Kleinigkeiten zu beur--
theilen würdigen wollen, sich zur Strenge
^ 7
4 (•++!>
geneigt fühlen, so ersuche ich denselben, ein-
mahl scherzweise den Versuch zu machen, ob
es ihm leicht fallen werde, jene Aufgabe nach
allen ihren Foderungen besser zu lösen, als es
mir gelungen sein mag; und ich werde im
bejahenden Falle ihm willig und mit schul-
diger Ergebung das Recht zugestehen, über
diese anspruchlosen kleinen Dinger ohne Scho-
nung den Stab zu brechen.
Als diese Kleinigkeiten vor dreißig Jah-
ren zum erstenmahle erschienen, machte ein
Beurtheiler in den Göttingschen gelehr-
ten Anzeigen die Entdeckung: daß man
in und an ihnen die Hand meines damahli-
gen Nachbars, Hrn. Claudius in Wanos-
beck, nicht verkennen könne. Diese Bemer-
kung gereichte mir zur Ehre; allein da doch
einmahl einem Jeden das Seinige gebührt;
und da ich Keinen für etwas, das von mir
L
herrührt, verantwortlich machen darf und mag:
so muß ich jene Entdeckung denn doch hier für ir-
rig erklären; undHr. Claudius, der glücklicher
Weise noch am Leben ist, wird erfodcrlichen Falls
gern bezeugen, daß man ihn svwol mit der Erfin-
dung, als auch mit der Ausarbeitung oder Aus-
stattung dieser Fabeln nicht bemüht habe.
Zur Zeit, da mein altes Abezebuch. er-
schien , war man noch ziemlich allgemein ge-.
wohnt, dergleichen Büchern die fünf Haupt-
stücke aus Luthers kleinem Fragebuche (Ka-
techismus) oder doch wenigstens irgend einen,
andern kleinen Inbegriff der Gotteslehre,
nebst Gebetöformeln, angehängt zu sehen; undc
ein großer Theil von denen, welche Abezebücheri
für ihre Kinder gebrauchen, verlangte damahls'
noch, daß diese Gewohnheit beibehalten würde.
Das war nun aber schon damahls, wie jetzt,>
meiner Ueberzeugung ganz zuwider. Denn
I *
4 "M-'s**
sollte, wie dis damahls wirklich beabsichtiget
und verlangt wurde, ein solcher Unterricht
zur Uebung im Lesen, und zwar zu ei-
ner Zeit schon gebraucht werden, da die Kin-
der noch keine vollkommene Fertigkeit darin
erworben haben: so konnte, meiner Meinung
nach ' schwerlich etwas Zweckwidrigeres und
Schädlicheres erdacht werden. Man wollte
das Lesenlernen dadurch befördern, zugleich
aber auch Kenntniß der kristlichen Gotteö-
lehre und gottselige Gesinnungen einstoßen;
und — verleidete den armen Kindern da-
durch beides, das Lesenlcrnen, wie die Got-
teSlehre. Einer solchen Gewohnheit konnte
ich nun natürlich schon damahls mich un-
möglich fügen. Da es indeß ein Mittel
gab, das gemeine Vorurthnl zu beschwichti-
gen , ohne ihm nachzugeben: so schien es
klug und vernünftig zugleich zu sein, das-
selbe anzuwenden. Dieses Mittel bestand in
dem den damahligen, wie dem jetzigen Abeze-
buche angehängten Versuche einer leichten
Entwickelung der ersten und einfachsten
Begriffe ans der Gottes - Seelen- und
Sitten- oder Tugendlehre, in Gesprä-
chen zwischen einer Mutter und ihrer
sechsjährigen Tochter. Ich fügte aber
diesen Gesprächen folgende Warnung bei, die
ich hier wiederholen und von neuen aufs
nachdrücklichste einschärfen muß:
„Diese Gespräche stnd unmittelbar
nicht für die Kinder, sondern für
ihre Lehrer und Lehrerinnen da.
Diese mögen, wenn der Weg, den
ich darin einschlage, ihren Beifall
hat, ähnliche Gespräche mit ihren
Zöglingen anstellen, ohne stch da-
bei des Buchs zn bedienen, oder
s I
sich an Zeit und Orr zu binden.
Ich kann nur zugeben (wenn an-
ders mein Rath etwas gilt), daß
diese Gespräche von einer im Lesen
wohlgeübten erwachsenen Person
den Kindern langsam, deutlich und
eindringlich vorgelesen werden, und
daß man sie die K.iuder selbst nur
dann erst lesen lasse, wann diese
schon eine vollkommene Fertigkeit
im Lesen erlangt haben. Wer
nun, diesen Vorbehalt unbeachtet,
einen andern Gebrauch davon
macht, sie etwa zu Leseübungen
mißbraucht, 511 einer Zeit, da die
Kinder noch nicht fertig lesen kön-
nen, der verantworte auch die Zer-
störung des Nutzens, der bei ei-
nem bessern Gebrauche für die
2 2
jungen Kinderseelen daraus erwach-
sen könnte, und den Schaden, den
er durch seine Uebereilung den sitt-
lichen Anlagen der Kinder zufü-
gen wird."
Braunschweig,
den 2c,sien des Sommermondeö
lijoß, ,
Der Verfasser.
I.
Allgemeine
Grundsätze und Regeln
zum leichten und angenehmen
L e s e n l e r n e n.
©er allererste und unerläßlichste unter die-
sen Grundsätzen ist unstreitig der:
daß man die Kinder, wie mit
jedem andern Unterrichte aus
Büchern, so auch mit dem Le-
se n l e r n e n, nicht übereilen müsse.
Uebereilung aber scheint es mir aus mehr
als Einem wichtigen Grunde zu sein, wenn
man sowol vor ihrem sechsten Jahre dazu
•M* 4 4++***>•*
schreitet, als auch wenn man zu schnell da-
bei ;u Werke geht. Nicht, als wenn ich die
Möglichkeit bezweifelte, ihnen eine noth-
dürftige Fertigkeit im Lesen schon früher bei-
zubringen, sondern weil ich dieses nicht für
nützlich, weil ich es vielmehr für schad-
l i ch halte.
Ueber das zu schnelle Fortschreiten von
Einer Leseübung zur andern, ohne daß dem
Kinde die nöthige Zeit gegönnt wird, bei je-
dem noch schwankenden Schritte, den es thut,
erst festen Fuß zu fassen, sind alle vernünf-
tige Menschen einverstanden. Ich bleibe da-,
her bei dem gar zu frühen Anfangen des
Lefenlernens stehen. Und hier muß ich zuvör-
derst fragen: wozu es den Kindern doch wol
immer nützen soll, vor dem genannten Alter
lesen zu können? Etwa schon so frühzeitig
als möglich ihren kleinen Verstand und ihr
zartes Gemüth dadurch zu bilden? Aber
dazu sind alle Bücher in der Welt, sofern
sie von ganz jungen Kindern selbst gelesen
werden sollen, unter allen untauglichen Mit-
♦Wt+tl'UH'
fein gerade das alleruntauglichste. Die von
der Natur für dieses zarte Alter bestimmte,
einzig gedeihliche Geistesnahrung ist die an-
schauende Erkenntniß, d. i. diejenige, wel-
che man unmittelbar durch die Sinne, durch
die äußern sowol als durch die innern, nicht
erst mittelbarer Weise durch Zeichen, B.
durch Buchstaben, erlangt. Die Erlernung
und die oft wiederholte Vorstellung
der Zeichen schwachen und lähmen in jun-
gen Seelen den Trieb zur klaren und leben-
digen Vorstellung der Sachen; sind
wenigstens ein langweiliger und ermüdender
Umweg zu diesen; verhalten sich zu diesen
gerade so, wie das nahrungslose, bloß hin-
haltende, bloß beschwichtigende Lutschbeutel-
chen zu der vollen Mutterbrust. Nur in
diese, nicht in jenes, hat die weise Natur,
die dem Säuglinge gebührende, allein gedeih-
liche Nahrung gelegt. Mütter, werft den
trieglichen Lutschbeutel weg, und reicht dem
schmachtenden Kinde die segenreiche Brust!
Erzieher, schiebt die Vorstellungen durch
26
4 •***•**■ ++H4*
Zeichen, folglich auch daß Lesenlernen, so
lange auf die Seite, biß der herrliche Natur-
trieb zur unmittelbaren oder anschauenden
Sachkenntniß so vielfältig und so lange durch
Uebungen aller Art genährt, entwickelt und
verstärkt worden ist, daß eine abwechselnde
Beschäftigung mit Zeichen und das Einneh-
men der minder nahrhaften Zeichenkenntnisse,
der wohlgenährten jungen Seele weiter nicht
mehr schaden können. Laßt sie bis dahin in
anschauender Erkenntniß schwelgen, so viel
sie will; je mehr je besser! Reizt sie dazu,
helft ihr dabei, so viel ihr könnt. Wie ihr
das anzufangen habt i
Das Meiste wird die Natu-.' selbst dabei
thun, wenn ihr sie und die Kinder nur ge-
wahren laßt. Die Natur gibt dem Kinde
den zu seiner geistigen Entfaltung ihn, nö- ■
thigen Wahrnehmetrieb, und zwingt es, die-
sen Trieb zu befriedigen. Das Kind befrie-
diget ihn, indem es Alles, was in sei-
nem Deschauungs - und Wirkkreise liegt,
durchs Beschauen, Betasten, Beriechen, Be-
/
2 7
4 4* 4 •»■•*■ **•!•+♦*
kosten, Behvren, und durä) allerlei Versuche
und Veränderungen, die es damit vornimmt,
sich so lange an- und zueignet, bis seine
kleine rastlose Vorstellungskraft Besitz davon
genommen hat. Ohne Noth müßt ihr es
in dieser, ihm von der Natur angewiesenen
Berufsarbeit nicht stören. Dis ist das Er-
ste, was ihr dabei thun könnt, und, wenn
ihr verständig zu Werke gehen wollt, da-
bei thun müßt — das weise Gar-
nich t s t h u n, das Heilsame Gewahren-
lassen!
Aber ganz und immer sollt ihr denn
doch auch nicht müßig dabei bleiben; ihr
sollt vielmehr der schwachen Kinderscele dabei
Zu Hülfe kommen, zu seiner Zeit, versteht
sich, und im gehörigen Maße, meine ich.
Ihr sollt sie, besonders wenn sie träges Schla-
ges ist oder laß zu werden beginnt, durch
Vorhaltung neuer Gegenstände aus dem, euch
und das Kind zunächst umgebenden Haus- Na-
tur-Kunst-undHandwerkskreise, durö) eure ei-
gene lebhafte Veschaftigung'mit denselben, und
> 28
•I++* *+*
durch die Aeußerung eures eigenen Vekgnä«
gens darüber, stittsä-weigend zum Wahrnehmen,
zum Beschauen, Betasten, Beriechen u. s. w.
vornehmlich aber zur eigenen Beschäftigung
mit diesen Dingen und zu allerlei mit den-
selben vorzunehmenden Versuchen reizen.
Iemehr ihr dabei das Auffodern, das Gebie-
ten und besonders das Tadeln vermeiden
könnt, desto besser! Keine Geschäftigkeit
macht uns mehr Vergnügen und keine ge-
lingt uns besser, als die freiwillige, die selbst-
gewählte. Also nur dann, wann ihr merkt,
daß das Kind nicht weiß, wozu es greifen,
was es wahrnehmen und worauf es achten
soll, ist cs Zeit zum Eingreifen; nur dann
mögt ihr es durch euer Beispiel, durch eure
Theilnahme, anregen, auf Gegenstände zu
achten, die seiner Wahrnehmung entgangen
waren. Hütet euch aber dabei, es mit eurer
überschwenglichen Kenntniß zu überschütten;
laßt sie euch von dem Kinde abfragen, und
theilt ihm nicht mehr davon mit, als soviel
es jedesmahl davon einzunehmen verlangt.
Alles Uebrige würde unnütze Verschwendung
sein, würde dem Kinde nur Langweile, euch
selbst nur einen trocknen Gaumen verursachen.
So werdet ihr das natürliche und gesunde
Wachsthum der Kinderscele befördern, und,
ohne daß vom Lesenlernen die Rede dabei ist,
das künftige Lesenlernen für sie zugleich un-
fd>abitrf> machen und erleichtern. Ihr wer-
det nämlich seinen Wahrnehmetrieb dadurch
nähren, anfeuern, starken ; und ist dieser ein-
mahl in Thätigkeit gesetzt, ist die Befriedi-
gung desselben dem Kinde einmahl zum Be-
dürfnis; geworden: so wird ihm alles Lernen,
folglich auch das Lesenlernen, leicht und an-
genehm werden.
Ist euch aber dieser, aus der Natur der
Kinderseele und aus den sichersten Erfahrun-
gen geschöpfte Grund noch nicht hinreichend,
nm dem gar zu frühen Lesen lernen zu entsa-
gen; so muß ich ferner fragen: wo doch wol
die Bücher sein mögen, die sowol dem In-
halte, als auch der Einkleidung nach, der
Fassungskraft und der Sprache junger Kiri-
3 o
44+-1++
der, vor Erreichung ihres sechsten Lebensjah-
res, so ganz angemessen waren, daß sie Al-
les — nicht dieses oder jenes abgerissene
Stückchen— sondern Alles darin verstehen,
begreifen und sich zueignen könnten? Ich
meines Orts muß gestehen, ein solches Kin-
derbuch noch nie gesehen zu haben; und ich
bin weit davon entfernt, irgend eins der
meinigen, bis zu dem ersten Bändchen mei-
ner Kinderbibliothek, ja bis zu diesem
Abezebuche hinab, für ein solches ausgeben
zu wollen. Brauche ich aber den großen
Schaden erst zu beschreiben, der ganz unfehl-
bar dadurch bewirkt werden muß, wenn man
die Kinder etwas lesen laßt, das sie entwe-
der gar nicht, oder, was noch viel schlimmer
ist, nur zum Theil oder gar nur verkehrt zu
fassen vermögen? Gehört denn wirklich so
sehr viel Verstand dazu, zu begreifen, daß
daß der gerade Weg sei, den jungen Seelen
viele, in der Folge sehr schädliche Borurtheile
zuzuführen ihr Anschauungsvormögen oder
ihren Verstand nach und nach unfehlbar ein-
/ 31
•*44 S++ +++ i-M*
zu schläfern/ und sie, gemeiniglich für ihr gan-
zes Leben, zu gewöhnen,' sich in taufend Fal-
len mit halber, schwankender und schwebender
Kenntniß, ohne bestimmte, scharfe und feste
Umrisse, und mit einem hohlen, völlig un-
fruchtbaren Wortschalle zu begnügen?
Verschiedene andere Gründe, welche mich
von der Schädlichkeit des gar zu frühen Lc-
senlernens überzeugt haben, — worunter auch
der ist, daß die Sprechwerkzeuge der Kinder
vor dem sechsten Jahre selten schon so geübt
und ausgebildet sind, daß ihnen die deut-
liche Aussprache mancher Silbe nicht noch
sehr schwer fallen sollte, übergehe ich hier,
weil ich diejenigen unter meinen etwanigen
Lesern, welchen die dargelegten noch kein Ge-
nüge gethan haben, auf eine in meiner
Sammlung einiger E r z i e h u n g s -
schriften Th. II. S. 225 u. folg, enthal-
tene Abhandlung über das schädliche
Früh- u n d V i e l w i s se n d e r K i n d e r,
und auf einen damit verwandten Aufsatz:
über die große Schädlichkeit einer
♦♦♦■Ht+tH+K
allzufrühen Ausbildung der Kin-
der, im fünften Bunde der Allgemeinen
Revision des gef a m m ten Erzie-
hungswesens verweisen kann, wo ich
diese Materie in ein helleres Licht gestellt
habe, als mir hier zu thun der Raum er-
laubt.
Die Vesorgniß: daß Kinder, die man
erst im sechsten Jahre lesen lernen laßt, auf
ihrer künftigen Lernbahn immer um ein oder
zwei Jahr zurückbleiben würden, darf euch,
ihr Eltern, am wenigsten abhalten, meinen
Rath zu befolgen. Denn dadurch, daß ihr
eure Kinder erst reif zum Lesenlernen werden
lasset, und alsdann auf eine vernünftige
Weise, wozu ihr hier Anleitung finden sollt,
zu Werke geht, werdet ihr den Vortheil er-
langen , daß sie in zwei, höchstens drei Mo-
naten eben so fertig imb wahrscheinlich besser
werden lesen können, als andere, welche frü-
her dazu angehalten wurden, bei einem min-
der vernünftigen Verfahren ihrer Lehrer, es
in eben so vielen darauf verschwendeten Iah-
33
ren zu erlernen im Stande waren. Auch
werden eure, bis dahin nur mit anschauender
Erkenntniß genährten Kinder zu Allem, was
sie nachher lernen sollen, eine muntere, von
Trägheit, Widerwillen und Ekel freie, nur
durch klare Beschauungen und bestimmte Be-
griffe , nicht durch hohle Worthüllen zu be-
friedigende. Seele bringen, wodurch sie im
Stande sein werden, diejenigen, welche durch
zu frühes Lernen zur Schläfrigkeit, Schlaff-
heit und Unachtsamkeit verwohnt wurden,
nicht nur bald wieder einzuholen, sondern
auch bei jedem künftigen Wettlaufe in jedem
Lernfache sie immer weit hinter sich zurück-
zulassen. Die Natur der menschlichen Seele
und eine allgemeine Erfahrung können euch
Bürgschaft dafür leisten.
Haben aber alle diese Gründe euch noch
nicht völlig überzeugt, und glaubt ihr, ihnen
zu Trotz, dennoch für das Lesenlernen eurer
Kinder schon früher etwas thun zu müssen:
s.o will ich euch ein gutes Mittel verrathen,
wodurch ihr das eigentliche Geschäft des Le-
34
*4+++++*>*M*|i
senlernens, ohne alle Arbeit und Mühe für
euch und eure Kinder, durch eine leicht aus-
zuübende Spielerei dergestalt vorbereiten und
erleichtern könnt, daß, wenn jenes Geschäft
endlich in Ernst angefangen werden soll, ihr
selbst und eure Kinder euch über die ausneh-
mende Leichtigkeit, mit der es von Statten
gehen wird, verwundern werdet. Ihr seht,
wie nachgiebig und gefällig ich bin! Schließt
daraus, daß ich da, wo ich es nicht bin,
Gründe haben müsse, auf meinem Kopfe zu
bestehen. Das Mittel ist folgendes:
Setzt euch dann und wann, etwa in der Eu-
lenflucht, oder wann sonst irgend ein Viertel-
stündchen vorfallt, worin ihr weder für euch selbst,
noch für eure Kinder etwas Gescheuteres oder
Nöthigeres vorzunehmen wißt, unter eure Klei-
nen hin, gleich Einem, der von des Tages
Last und Hitze sich erholen und ausruhen will.
Den Kleinen weiset entweder irgend eine Be-
schäftigung, die gerade nicht ernsthaft sein
muß, an, oder laßt sie selbst eine wählen,
welche sie wollen. Sind sie damit im Gange,
so fangt für euch in eurem Winkel an, ohne
auf eure Kinder zu achten, euch erholungs-
weise einer kindischen Spielerei mit Buchsta-
ben und Silben zu überlassen. Sprecht z. B.
zu euch selbst, und zwar ohne die Kinder an-
zusehn (am besten ists, ihr kehrt ihnen da-
bei den Rücken zu, um ernsthaft bleiben zu
können), anfangs halb laut und kaum ver-
nehmlich, in der Folge immer lauter und
eifriger, endlich wie Einer, der für Geld da-
zu gedungen ist, oder der sein liebstes Lieb-
lingsspiel verfolgt, mit leidenschaftlicher Leb-
haftigkeit, etwa so: a-b, ab, e-b, eb, i-b, ib,
o-b, ob, u-b, ub, u. s. w.; dann einmahl
zur Abwechslung: b-a, ba, b-e, be, b-i, bi,
b-o, bo, b-u, bu, u. s. w. Dann einmahl
wieder i-ch, ich, h-a, ha, b-e, be, habe, g-r-o,
gro, ß-e, ße, große, f-r-eu, freu, d-e, de,
freude, l-u, lu, st-i-g, stig, lustig! l-u, lu,
st-i-g, stig, lustig, lustig ! u. s. w. Ehe eine
Minute verflossen ist, werden Aller Augen
auf euch geheftet, Aller Ohren gespitzt sein,
Aller Mäuler sich zum Lachen verziehen. Ihr
36
«*+’»++**}'**>
aber nehmt keine Bemerkung davon, sondern
fahrt um so viel eifriger fort: a-b, ab, e-b,
eb, u. s. w. Man wird euch fragen: was
machst du, Vater? Was soll das, Mutter?
Aber ihr laßt euch dadurch nicht unterbre-
chen; sprecht bloß, wie Einer, der große Eile
hat: ich spiele! und fahrt unaufhaltsam fort:
b-a, ba, b-e, be, u. st w. Seid ihr, unglück-
licher Weise, nicht so gelehrt, das schwere a-b,
ab, und b-a, ba, auswendig zu wissen, so
werdet ihr es in diesem Buche finden, und
ihr dürft es dann nur ablesen. Aber aus-
wendig geht's doch viel besser; bringt den
Kindern auch eine größere Meinung von eu-
rer Gelehrsamkeit bei. Wenn ihr eure Sache
nur einigermaßen gut, besonders recht ernst-
haft und hübsch eifrig treibt: so werden die
Kinder, ihr könnt euch darauf verlassen, in
gar kurzer Zeit anfangen, euer anziehendes
Beispiel nachzuahmen (versteht sich, ohne daß
ihr sie dazu auffvdert) und Eins nach dem
Andern auch a-b, ab und b-a, ba, spielen
wollen, und es zu spielen wirklich anfangen.
37
•I *•*••• *+-M« >•♦+«•
Setzt ihr diese Kinderei dann nur einige we-
nige Tage hinter einander fort, so werden
sie euch endlich die Ohren so voll a-b aben
und b-a baen, daß ihr wünschen möchtet, sie
mit diesem köstlichen Unterhaltungsmittcl gar
nicht bekannt gemacht zu haben. Aber hal-
tet euch gut; ertragt das kleine Ungemach;
schiebt von nun an das a-b, ab und'das b-a,
ba, auf die Seite, und spielt forthin nur
mit Silben, die einen Sinn haben, z. B.
a-p, ap, f-e-l, fel, b-u-t, but, t-e-r, ter,
b-r-o-t, brot. Mit der Zusammensetzung der
Silben zu ganzen Wörtern braucht ihr nach
einigen Tagen euch nicht mehr zu bemühen;
ihr dürft sie mit großer Sicherheit den Kin-
dern selbst überlassen, die nicht ermangeln
werden, sie unbefohlner Weise aus eigenem
Belieben vorzunehmen.
In unglaublich kurzer Zeit werdet ihr
es auf diesem Wege dahin bringen, daß ihr
fernerhin nur durch Buchstaben, und ohne
diese zu Silben und Wörtern zusammenzu-
ziehen, zu den Kindern reden und euch mit
38
ihnen unterhalten könnt. Wollt ihr z. B.
sagen: Karl, komm zu mirl so zahlt
ihr ihm bloß die Buchstaben zu, aus welchen
diese Worte bestehen: k a r l, k o m zu
mir; und Karl wird es verstehen. In
kurzen wird Karl auf eben dieselbe Weise zu
euch sprechen. So werden eure Kinder buch-
stabeln (buchstabiren) und lesen lernen, ohne
noch einen Buchstaben gesehen oder unter-
scheiden gelernt zu haben. Sie werden aus
dem Kopse lesen. Sollen sie demnächst aus
Büchern lesen lernen, so wird dazu weiter
nichts erfodert, als daß ihr ihnen die Figu-
ren der Buchstaben zeigt, und sie von einan-
der unterscheiden lehrt. Ein kinderleichtes
Geschäft!
Ich habe übrigens dieses Mittclchen nicht
selbst erfunden; ich lernte es einst von mei-
nem erfindungsreichen Amtsgenossen Base-
dow. Jedem das Seinige! Ich muß aber
bitten, es nicht eher anzuwenden, als bis
ihr diesen Abschnitt ganz zu Ende gelesen
habt. Es gibt nämlich einen Vortheil dabei,
den ihr hier bald beschrieben finden werdet,
und um den es denn doch Schade sein wür-
de, wenn er durch eure Eilfertigkeit für euch
verloren ginge.
Der zweite allgemeine Grundsatz, welcher
gleichfalls für jede Verfahrungsart beim Le-
senlehren gilt, und sich in sechs allgemeine
Regeln zur Erleichterung des Lesenlernens
auflösen laßt, ist folgender:
man v e r h e i m l i 6) e d e n L e s e s ch ü -
lern anfangs die Haupt schwie-
r i g k e i t e n des L e s e n l e r n e n s , u nd
lasse dieselben erst nach und
nach, langsam u n d nur in dem-
j e n i g e n Maße h e r v o r t r e t e n,
in lvelchem eine nach der an-
dern glücklich ü b e r w u n d e n sein
w ird.
Das bekannte Gleichniß von dem Bündel
Ruthen, die, zusammengenommen, nicht zer-
brochen werden können, getrennt aber und
vereinzelt leicht zerknickt werden, überhebt
mich der Mühe, meine Leser von der Wahr-
4o
heit und Weisheit dieses Grundsatzes, der bei
Allem, was die Kinder lernen sollen, von
gleicher Wichtigkeit ist, erst durch Grunde,
aus der Natur der menschlichen Seele ge-
schöpft , zu überzeugen. Zeder kennt die-
ses Gleichniß; und Jeder weiß, daß es die
Sache darstellt, wie sie ist. Ich darf daher
den hier dargelegten Grundsatz für erwiesen
halten.
Ich bemerke aber, nach genauer Unter-
suchung , vornehmlich fünf Hauptschwierig-
keiten des Lesenlernens, und zwar lauter
solche, die von willkürlichen Einrichtungen
herrühren, die daher auch (für den Anfänger
wenigstens) wieder aus dem Wege geräumt
werden können. Ich will sie anzeigen, und
auf jede derselben sogleich unmittelbar die
Regel folgen lassen, wodurch ihr abgeholfen
werden soll.
Das Erste, was das Lesenlerncn erschwert,
ist die von unsern Vorfahren —. Gott weiß
warum — beliebte ungleichförmige Benen-
nung der mitlautenden Buchstaben. Man
hat nämlich einige derselben höchst willkür-
licher Weise so benannt, daß man ihrem ei-
gentlichen und natürlichen Namen den Selbst-
laut e anhängte; z. R. b (be), d (de), g (ge),
p (pe) u. s. w.; andere hingegen so, daß ihr
Name mit diesem Selbstlaute anfangt, z. B.
f (ef), l (el), m (em), n (en) u. s. w.; wie-
derum andere so, daß man ihrer natürlichen
Benennung ein st nachschleppen laßt, wie h
(ha), k (ka), und wiederum andere auf eine
noch abweichendere und so wunderliche Äeise,
daß man den eigentlichen Laut, den sie be-
zeichnen sotten, kaum noch durchs Gehör
darin bemerken kann, wie j (jod), q (ku), v
(vau), x (ix), v (ipsilon), z (zet).
Diese unregelmäßige Benennung der Mit-
lauter macht unstreitig eine große Schwierig-
keit beim Lesenlernen aus. Durch die Ein-
führung derselben hat man gegen die allge-
meinste Regel gesündigt, welche die mensch-
liche Vernunft, wie in der Sprache über-
haupt, so auch beim Lesen, zu befolgen durch
ein Naturgesetz gezwungen wird — gegen die
Regel der Ähnlichkeit oder Glei6)förmigkeit
Nichts wird uns leichter zu
fassen, zu lernen und nachzuahmen, als was
uns nach dieser Regel vorgelegt oder vorge-
sagt wird; nichts hingegen schwerer, als was
man uns auf eine sie verletzende Art zeigt
oder bekannt macht. Dieser Regel, auf
welche jede vernünftige Sprache gebaut ist,
haben wir es allein zu verdanken, daß unsere
Kinder so erstaunlich geschwind sprechen ler-
nen; denn gerade die jüngsten Kinderseelen
sind es, welche sie am meisten und am ge-
nauesten befolgen, und zu befolgen sich gar
nicht erwehren können. Dis zeigt sich vor-
nehmlich zu der Zeit, da sie anfangen spre-
chen zu lernen, und dabei alle Augenblicke
in die Nothwendigkeit gerathen, sich selbst
Wörter zu bilden, weil die gewöhnlichen ih-
nen noch nicht bekannt sind. Da wird jeder
Beobachter mit mir, und zwar oft mit Er-
staunen bemerkt haben, wie genau dergleichen
selbstgebildete Wörter nach der Aehnlichkeit
anderer Wörter von ihnen geformt zu werden
43
★4+4+*
Pflegen. Und nun gerade dieser, alles Lernen
so sehr erleichternden, der kindischen Vernunft
bei allen ihren Schlüssen so sehr geläufigen,
von der Natur selbst ihr vorgeschriebenen und
-eingeprägten Aehnlichkeitsregel zu Trotz, hat
man den Mitlautern so ungleichförmige Be-
nennungen gegeben! Man setze sich einen
Augenblick an die Stelle des Kindes, um zu
fühlen, wie betroffen es sein müsse, wenn es
z. B. die Silbe be aussprechen und lesen ge-
lernt hat, und nun zu den Silben {je, fe,
je, je, nach vorhergegangener Angabe der
einzelnen Buchstaben, fortschreiten soll! Dort
sagte man ihm be, e — be! also erst den Na-
men des Mitlauters b, dann den Selbstlau-
ter e, vor, und lehrte es, beide zu der Silbe
be zusammenzuziehen, indem das zweite e da-
bei verschluckt werden müsse. Jetzt sagt man
ihm nun ha e, es e, jod e, zet e vor; und
die Aehnlichkeitsregel will, dasi das Kind in
den daraus zu bildenden Silben wiederum
(wie bei be) den ganzen Namen der Mitlau-
ter mit dem daran gehängten Selbstlauter
44
++ -Mr •* Mr*
zusammenziehen, folglich entweder ha-e, ef-e,
jod-e, zet-e, oder mit Verschluckung des Selbst-
lauts e, ha, es, jod, Jet, aussprechen soll;
ihr aber gebietet ihm, ganz willkürlicher
Weise, he, fe, je, ze auszusprechen! Muß
das nicht dem Kinde sehr wunderlich und selt-
sam vorkommen? -Und da die erleichternde
Aehnlichkeitsregel es hier verlaßt, muß es,
ihm nicht viel Zeit und Mühe kosten, sich
an diese regellosen Willkürlichkeiten zu ge-
wöhnen ?
Folgende Vorschrift wird dieser Schwie-
rigkeit schon größtentheils, nur noch nicht
ganz, abhelfen:
Bis dahin, daß das Kind schon
eine gute Fertigkeit im Lesen
erlangt haben wird, gebe man
allen Mitlautern (denn bei den
Selbstlautern findet eine solche willkürliche
Abänderung nicht Statt) lauter ein-
förmige Namen; und da die grö-
ßere Zahl der Mitlauter, nach
der q e'w ähnlichen Benennung,
' " 45
mít finem e Ñm Ende ausgespro-
chen wird: so nehme man diese
zur Regel an, und andere danach
die davon abweichenden Namen
der übrigen ab. Es heiße also
f — nicht ef, sondern — fe,
h — nicht ha, sondern — he.
j — nicht jod. sondern — je.
k — nicht ka. sondern — ke.
l — nicht el. sondern — K
IN — nicht cm. sondern — me.
N — nicht cn. sondern — ne,
<1 — nicht ku. sondern — kwe.
r — nicht er. sondern — re.
s - nicht es. sondern — ft.
x — nicht ix. sondern — ire.
z — nicht zet. sondern — ze.
^ch setze hiebei freilich zweierlei voraus,
wovon ich allerdings nicht weiß, ob die Be-
werkstelligung desselben euch möglich sein wer-
de, oder nicht; nämlich i. daß ihr diese
neuen Benennungen der Buchstaben euch selbst
so geläufig machen könnt und wollt, als euch
46
bis dahin die alten Namen derselben wa-
ren ; wozu, wie ich nicht laugnen will,
einige Geschmeidigkeit der Sprechwerkzeu-
ge und einige Gelehrigkeit gehört; und
2. dasi ihr Mittel und Wege wißt, zu
verhüten, daß die alten Benennungen der
Buchstaben schon früher von den Kindern
aufgefangen werden, als ihr dazu schreiten
könnt, ihnen die neuen bekannt und geläu-
fig zu machen. Doch diese letzte Bedingung
ist glücklicher Weise keine von denen, ohne
welche es nicht geht. Wißt ihr das,
was dadurch bedungen wird, möglich zu ma-
chen, desto besser; wißt ihr es aber nicht,
wie ich allerdings besorgen muß, nun so ist
die Schwierigkeit, die alten Benennungen
durch die neuen aus den Köpfen der Kinder
wieder zu verdrängen, so unubersteigllch ge-
rade nicht. Sie halt nur anfangs ein wenig
auf; aber sie kann überwunden werden, so-
bald ihr selbst euch nur erst daran gewöhnt
habt. DaS ist nun aber eure Sache.
Allein die Erleichterung, welche durch
47
diese Umnamung der Mitlauter bezweckt wird,
kann, wie ich schon angedeutet habe, dadurch
doch nur zum Theil, nicht ganz, bewerkstelli-
get werden, wofern ihr euch nicht entschlie-
ßen tmlts, dabei noch um einen Schritt wei-
ter zu gehen. Es entsteht nämlich zuvörderst
dadurch, daß den neuen, nunmehr gleichförmi-
gen Benennungen der Mitlauter einerlei Selbst-
laut, nämliche, angehängt wird, ein neuer An-
stoß. Denn wie nun? wenn mit dem f, welche-
das Kind unter dem Namen fe auszusprechen
gelernt hat, ein anderer Selbstlaut, etwa a,
verbunden werden und so mit diesem zu der
Silbe fa zusammenschmelzen soll? Kann Pas
Kind, nachdem es diese beiden Buchstaben
erst einzeln als fe und a ausgesprochen hat,
sie nun anders als durch fest zusammenzie-
hen ? So auch wenn es die Silbe stf lesen
soll, und nun erst das einzelne a und dann
das einzelne fe angegeben hat, kann es um-
hin, sie, zusammengenommen, als afe aus-
zusprechen? Vergebens würdet ihr ihm sa-
gen: du mußt in der Zusammenfügung das
4B
*44 44-*-**S»+fr«»
End-e des fc weg lassen; das Kind würde oder
könnte doch wenigstens antworten: warum
laßt man mich denn erst ein e mit angeben,
wenn es in der Silbe nicht gehört werden
soll? ,,Das kömmt mir gerade so vvr, sagt
ein alter Fibellehrer, der zu Anfang des vo-
rigen Jahrhunderts lebte, *) als wenn mir
Einer zutrinkt, und dann das Glas selbst
ausleert!" Dieser kühne und vorurtheilsreie
Verbesserer wollte daher die Mitlauter gar
nicht benannt, und daß Lesenlernen dem zu-
folge nicht mit einzelnen Buchstaben, son-
dern gleich mit Silben angefangen wissen.
Und wie kann und soll denn nun diese
neue Schwierigkeit aus dem Wege geräumt
werden? Dadurch, daß ihr folgende zweite
Regel zu beobachten euch gleichfalls entschließt:
*) Siehe I. B. Zeidlet'S n c» v e r b e sser t e r vo l l-
f o ni menet Schlüssel z»r L e s e k i> n st. Braun«
schweig 1701. Ich habe von diesem, für jene Zeiten
merkwürdigen Fibelbnche in der Sammlung mei-
ner Er; i eh u 110 ö schri fcen, 1. £!,. S. 13s n folg.
Leipzig 1778/ eine ausführliche Nachricht gegeben.
'Sprecht bcn Selbstlaut e, wel-
6) e r den B e n e n n u n g c n der Mit-
läufer angehängt ist, nicht als
- ein wirkliches, noch weniger als
ein gedehntes c, sondern so kurz,
abgestoßen und dumpf aus, daß
es kaum noch hörbar bleibt, etwa
so, wie ihr diesen Selbstlaut in den Wör-
tern T a u fe, R a u fe, bringe, mel-
d e n. st w. anzugeben gewohnt seid.
Kennern der Hebräischen Sprache kann ich
meine Meinung noch deutlicher machen, in-
dem ich sage: daß man die Mitlauter bloß
durch Hülfe eines Schema (:) aussprechen
möge. Diejenigen aber, welche dieses Sche-
ma nicht kennen, wol aber Französisch gelernt
haben, brauche ich nur auf das stumme 6
der Franzosen in âge, façade, bouche
u. s. w. zu verweisen. Durch diese Aus-
sprache der Mitlauter, vermittelst eines ab-
gekniffenen e am Ende, wird es dem Kinde
leicht gemacht, jeden Selbstlaut, es sei von
vorn oder von hinten, damit zu verbinden,
4
5 o
weil es nun durch kein Zwischen- oder End-e
daran gehindert wird.
Allein auch hiedurch sind die Schwierig-
keiten, welche durch die alte Benennungsart
der Mitlauter verursacht werden, noch nicht
alle gehoben. Es tritt jetzt noch eine der
größten hervor, welche daraus erwachst, daß
unsere Vorfahren für gewisse Laute keine be-
sondere Zeichen gewählt, sondern sie dadurch
zu bezeichnen beliebt haben, daß sie zwei oder
gar drei, andern Lauten zur Bezeichnung die-
nende Buchstaben zusammensetzten, ohne die-
ser Zusammensetzung einen besondern, dem
dadurch auszudruckenden Laute angemessenen '
Namen zu geben. Diese höchst unbequemen,
das Lesenlernen gar sehr erschwerenden, zu-
sammengesetzten Zeichen sind:
ae, oe, ue, ei, ou, au, du, ch, sch, cf,
ß, st, h, (das ai lasse ich geflissentlich
weg, weil es in so sehr wenigen Deut-
schen Wörtern vorkömmt, daß es beim Le-
senlernen füglich auf die Seite geschoben
werden kann und muß).
5 i
Wer sollte vermuthen, daß die Buchsta-
ben a und e, wenn sie zusammengezogen
werden, wie a lauten, c und h wie che;
und nun vollends s, c, h, wie sehe? u. s. w.
Dieser großen Schwierigkeit wird dadurch ab-
geholfen , daß wir uns (beim Lesen-
lehren , versteht sich) folgender Zeichen
für diese Laute bedienen, und die-
sen Zeichen die beigefügten beque-
meren Benennungen geben. Man
erlaube mir aber aus Gründen, welche wei-
ter unten angegeben werden sollen, von hier
an, statt der Deutschen, die Lateinischen
Buchstaben 5« gebrauchen. Also:
ä für a q mit der Benennung a,
ö — o e — ö,
ü — n e — ü,
m — e i — ei,
€U — e U , — eu,
au — a u — au,
au — a 6 U —- au,
5 2
eil: für c h. mit der Benennung che,
Lek —leli-------------— sche,
kk — c k--------------— keke,
(das ß bleibt anfangs füglich weg, und
wird in der Folge durch ss bezeichnet
v. * und durch ße ausgesprochen^
K für s-d mit der Benennung jte,
z — tz--------------— ze.
Das z ist ja nichts anders, als t s zusam-
mengezogen ; wozu denn noch ein tz, welches
tts vorstellen würde? Allein wenn man die-
sem Buchstaben auch sechs oder mehr t's vor-
setzen wollte, so würde man ihn doch nicht >
anders als wie das einfache z aussprechen
können. Soll aber das z getrennt und zwi-
schen zwei Silben vertheilt werden, wie in
Klötze; nun, da lasse man das Zeichen z
ganz weg, und schreibe für die Leseschü-
ler bis auf weiter ts, zl B. Klöt-se.
Auf diese Weise bezeichnet und benannt,
werden di» Silben, worin diese Laute vor-
.
>-
kommen, dem Kinde nicht mehr Schwierig-
keit machen, als jede andere.
Aber auch so haben wir die Schwierig-
keiten , die eine willkürliche und widersinnige
Bezeichnung und Benennung der Laute hcr-
beigef hrt hat, um das Lesenlernen immer
mehr und mehr zu erschweren, noch nicht alle
beseitiget. Es scheint, daß unsere Vorfahren
allen ihren Scharfsinn darauf verwandt ha-
ben, die an sich einfache und leichte Lesekunst
recht verwickelt und dadurch so schwer als
Möglich zu machen. Laßt uns den unsrigen
dazu anwenden, sie wieder zu ihrer ursprüng-
lichen Einfachheit und Leichtheit zurückzu-
führen.
Eine neue Schwierigkeit, welche jetzt her-
vorspringt , verdanken wir der überflüssigen
und widersinnigen Einführung zweier, ja
dreier Zeichen für einen und ebendenselben
Laut. Man hat, der Himmel weiß warum,
in das Deutsche Abeee das Lateinische c und
dgs Griechische y gemischt, deren wir doch
offenbar nicht bedürfen, weil wir echtdeutsche
54
Buchstaben 7. und i besitzen, welche ebendiesel-
ben Laute bezeichnen, die durch jene bezeichnet
werden sollen. Ja, nicht zufrieden die Zahl
der Zeichen dadurch unnützer Weise vermehrt
zu haben, hat man beiden noch obenein eine
doppelte Bestimmung angewiesen, da sie bei
den Römern und Griechen doch nur Eine
hatten. Bei Jenen nämlich vertrat das 6
die Stelle unsers k, bei Diesen das y die
Stelle unsers ü. Wir hingegen bezeichnen
durch jenes bald den Laut ze, (wovon wir
auch die Benennung hergenommen haben),
bald den Laut k, so oft nämlich ein a, 0,
oder n darauf folgt, oder ein a, e, i, o,'
oder u davor steht; bei diesem hingegen sind
wir von dem Klange ü, den es bei den Grie-
chen hatte, ganz abgewichen, um es bald wie
j, bald wie j zu gebrauchen. Noch nicht ge-
nug! Für den Laut ze haben wir sogar noch
ein drittes Zeichen, wenigstens für fremde
oder fremdartige Wörter, nämlich das Latei-
nische t vor in und io, wo es wie ein ze
ausgesprochen wird, aufgenommen. Auf
4*1+ «++ +«•+*•*•*
gleiche Weise haben wir für den kaut fc,
zu dessen Bezeichnung unser f allein doch
vollkommen hinreichend war, ebenfalls drei
verschiedene Bezeichnungen, nämlich außer
dem f noch das Griechische ph und das La-
teinische v anzunehmen beliebt, ungeachtet
dieses letzte bei den Römern nicht den Laut
fe, sondern die Laute u und w bezeichnete.
Wie sehr hat man durch diese unnütze Ver-
vielfältigung der Zeichen den armen Kindern
das Lesenlernen erschwert, besonders wenn
Man unverständig genug ist, sie mit allen
diesen überflüssigen Zeichen gleich an-
fangs und auf ei n m a h l zu überschütten !
Um nun auch diese, in der That nicht
geringe Schwierigkeit aus dem Wege zu räu-
men , stoße man a u s demjenigen
Adeze, woran unsere Kinder lesen
lernen sollen, a l l e 'd i e se unnützen,
Nur v e r w i r r e n d e n Bezeichnungsar-
ten — das c, y, tia, tio, v und ph —
so lange gänzlich aus, bis sie nach
dem für sie bestimmten v e r e i n fa 6) -
5 6
te n Ab eze es schon zu einer gewis-
sen Fertigkeit im Lesen gebracht
haben, und lasse dann auch diese
U e b e r f l ü s s i g k e i t e n, aber nicht auf
einmahl, sondern nach und nach,
für ihre Bemerkung sichtbar wer-
den. Vis dahin genüge ihnen unser z (je)/
i, j (je), k (ke) und f (fe), womit wir alle,
durch jene fremden Buchstaben zu bezeichnen-
de Laute, vollkommen angeben können.
Aber auch damit sind wir noch nicht am
Ende. Eine neue seltsame Willkürlichkeit,
wodurch das Lesenlernen gleichfalls ausneh-
mend erschwert wird, ist das Eir^schie-
b e n u n d das A n h a n g e n verschie-
dener B u ch st a b e n in u n b a n sehr
viele Silben, worin unb woran sie
beim Aussprechen derselben doch
gar nicht gehört werden, sondern
nur andeuten sollen, ob die Silbe
entweder gedehnt oder geschärft,
lang oder kurz auszusprechen sei.
Statt zu diesem Zwecke ein einziges kleines
57
Dehnungszeichen zu wählen, dieses über die-
jenigen Selbstlauter zu setzen, welche gedehnt
werden sollen, und dabei zur Regel anzuneh-
men, daß alle mit diesem Zeichen nicht ver-
sehene Selbstlauter km; abzustoßen waren,
hat man für gut gefunden, i. in einigen
Silben, um sie als gedehnte zu bezeichnen,
den Sclbstlautcr zu verdoppeln, z. V. in
Aal, Saal, Heer u. s. w., 2. in ande-
re, und zwar in gleicher Absicht, ein h ein-
zuschieben, B. in mehr, sehr, Zahl
u. st w., Z. wiederum andern ein c anzu-
hängen, z. B. die, hie, mie (in Miene)
oder ihnen dieses Dehnungs-e einzuschieben,
wie z. B. in viel, Gier, hielt u. st w.;
ünd endlich 4. in andern Silben, welche kurz
abgestoßen werden sollen, den Mitlauter zu
verdoppeln, z. B. in Herr, M a n n,
G r i m m u. st w. Wer sieht nicht ein, daß
dieser Zweck durch ein einziges Dehnungs-
zeichen eben so gut und zwar auf kürzerem
Wege erreicht werden könnte? Noch möchte
diese wunderliche Bezcichnungsart der Langen
58
und Kürzen hingehen, wenn man es nur bei
Einem von jenen drei willkürlichen Deh-
nungszeichen hatte wollen bewenden lassen;
wenn man auf die Bezeichnung der Kürzen
(die sich ja von selbst ankündigen würden,
sobald zur Regel angenommen wäre, daß je-
der, nicht mit dem Dehnungszeichen verse-
hene Selbstlauter geschärft auszusprechen wä-
re,) Verzicht gethan hatte; und vornehmlich,
wenn man folgerecht dabei hatte zu Werke
gehen wollen. Allein ist es nicht auffallend,
wie sehr man dieses Letzte dabei verabsäumt
hat? Den Silben hier, zier, Bier has
man z. B. das dehnende e einflicken zu müs-
sen geglaubt; in den Silben mir, dir,
wir, worin das i doch eben so sehr gedehnt
werden soll, hat man es weggelassen; in
ihr ein h dafür gesetzt; welche regellose Will-
kürlichkeit! In Saal hat man die Ver-
doppelung des Selbstlauters, in Mahl,
Stahl und Wahl hingegen, welche doch
gerade eben so ausgesprochen werden sollen,
das h zum Dehnungszeichen gewählt; in
59
44t HK« ■*.**+*«•
Maß, fraß, vergaß aber, hat man we-
der das Verdoppeln des a, noch das Ein-
schieben des h für nöthig erachtet, ungeach-
tet das a hier eben so gedehnt, als dort,
ausgesprochen werden soll, und ungeachtet
man das ß in andern Silben zur Schärfung
des ihm vorangehenden Selbstlauts zu ge-
brauchen beliebt hat, wie z. B. in Haß,
Baß, laß und goß. Welche Folgewi-
drigkeit!
Aber, sagt ihr, wir gebrauchen jene Be-
zeichnungsarten nicht bloß, um die Langen
und Kürzen anzugeben, sondern auch vor-
nehmlich dazu, gleichklingende Silben und
Wörter auf den ersten Blick unterscheiden zu
lehren; z. B. Meer von mehr, Mann
von m a n (on), H e e r von hehr (erhaben)
und von her in Herkommen; oft auch
bloß dazu, um ihre Abstammung anzudeu-
ten, z. 23. fraß von fressen, vergaß
von vergessen, laß von lassen. Ich
antworte: desto schlimmer! Seht ihr denn
nicht, wie sehr der Verstand dcö jungen Lese-
6o
schulers dadurch vollends verwirrt werden
muß, daß ihr einerlei Bezeichnungsarten
bald zum Andeuten der Längen und Kürzen,
bald hingegen zur Unterscheidung gleichklin-
gender Wörter, bald wieder bloß zur Angabe
der Abstammung gebraucht? Und wie kann
das Kind denn nun wissen, welcher von die-
sen Zwecken dadurch in jedem bestimmten
Falle erreicht werden soll? Woran kann eö,
bei dieser eurer vielseitigen und schwankenden
Bezeichnungsart, merken, daß es das a in
Baß und laß geschärft, und hingegen das-
selbe a mit derselben Nachbarschaft in fraß
und vergaß gedehnt aussprechen soll? Fer-
ner: was geht den Leseschüler die Abstam-
mung der Wörter an? Was hat das rich-
tige Aussprechen und Lesen eines Worts mit
der Unterscheidung desselben von gleichklin-
genden Wörtern gemein ? Und endlich: wie
unterscheiden wir denn wol im Reden, wo
eure übervorsschtlichen Unterscheidungszeichen
doch nun einmahl nicht Staat finden, die
gleichklingenden Wörter, z. B. Mann und
61
man, Meer und mehr, das und daß,
sein und seyn u. s. w. ? Wodurch anders,
als durch den Zusammenhang, worin sie je-
desmahl vorkommen! Warum sollte denn eben
dieses Mittel nicht auch hinreichen, sie beim
Lesen, ohne eure Unterscheidungszeichen, eben
so gut zu unterscheiden? Wie viel leichter
würde das Lesenlernen, wie viel einfacher, in
sich selbst zusammenhangender und Vernunft
mäßiger würde unsere sogenannte Rechtschrei-
bung sein, wenn man jenen ganzen Plunder
überflüssiger Buchstaben und mit sich selbst
streitender Unterscheidungen endlich einmahl
auf die Seite würfe, und zu der eben so
vernünftigen, als einfachen Schreibung sich
bequemte, bei der keine andere und nicht
mehr Buchstaben gebraucht würden, als in
den Silben und Wörtern, sobald sie ausge-
sprochen werden, jedesmahl wirklich tönen,
wirklich angegeben und gehört werden sollen!
Aber fangt nur nicht gleich Feuer! Es ist
keinesweges darauf angesehn, euch noch ein-
mahl mit vergeblichen Vorschlagen zur Ver-
6 2
•a •1*4 4+ +
besser»ng eurer Schreibung, die ihr Recht-
schreibung zu nennen beliebt, beschwerlich zu
fallen. Ich habe lange genug unter euch
gelebt, und bin selbst lange genug Mensch
gewesen, um an euch und mirgelerni zu ha-
ben , daß die Menschen, besonders — wenn
ihr es nicht übel nehmen wollt — die Deut-
schen Menschen, ihr und ich, an keiner Sache
mehr, als an gewohnten Kleinigkeiten kleben,
und daß sie eher von allem Andern, als von
diesen, abgebracht werden können. Ihr sollt
also eure liebe Rechtschreibung behalten; von
mir wenigstens soll auf meine alten Tage
kein Versuch mehr, sie euch aus den Han-
den zu winden, angestellt werden. Ich möch-
te, wenn cs sein könnte, in Frieden von euch
scheiden. Der einzige Wunsch, den ich
— und zwar nicht für mich, sondern für
eure armen Kleinen ■— mir hier noch erlau-
be, ist bloß der: daß ihr uns vergönnen möget,
zur großen Erleichterung des Lesenlernens
aus denjenigen Silben u«t>
Wörtern, a n welchen d i e K i n -
63
+ bbb+b*
ber le sen lernen sollen, alle e nt -
b e h r l i d) e Buchstaben, d. i., alle
diejenigen, w e l ch e bei d e r Aus-
sprache der Silben u n d W o r t e r
nicht wirklich mit gehört wer-
den sollen, so lange w eg z u l a sse n,
bis die Kinder die ersten Schwie-
rigkeiten glücklich überwunden
haben, und schon 5 u einiger F e r-
tigkeit im Lesen gelangt sein
werden; u n d da fi es uns dem zu -
folge erlaubt sein m ô g e, für ste,
und zwar nur in den ersten Uebnngö»
stücken
nicht Mann, sondern Man,
— die, — di,
— Saal, — Sal,
— Hahn, — Han,
— fraß, — fraê-,
-— daß, — das,
— hier, •— hir,
schreiben und drucken
lassen, und statt aller eurer
64
H *♦■•«■*<*•*-+**+* 4»
Dehnungs - und Verkürzungs-
zeichen nur das einzige bekann-
te Zeichen der Dehnung (-) über
diejenigen Selbstlauter zu se-
tzen, welche bei der Aussprache
gedehnt werden sollen; mit der
Abrede, daß alle Silben, deren
Selbstlauter mit diesem De h -
n u n g s z e i ch c n nicht versehen sind,
k u r z a b g e st o ß e n und nicht gezo-
gen oder gedehnt werden müs-
sen, z. 33. der Hän und han (in han-
deln), der Sal und sal (in Salbe), der
Manbrief und der Man u. s. w.
In der Vorausetzung nun, daß man
diese, so viel ich sehen kann, nicht unzie-
mende Bitte, jedoch nur unter der Bedin-
gung genehmigen werde, daß die Kinder an
Ende denn doch auch nach der gewöhnlichen,
euch so sehr ans Herz gewachsenen Recht-
schreibung, so gut als wir, lesen und schrei-
ben lernen sollen,- habe ich die ersten Ue-
bungsstücke in diesem Abezebuche nach dieser
65
ganz einfachen Schreibungsart setzen und
drucken lassen, und dafür gesorgt, daß die
aus der gewöhnlichen Rechtschreibung entste-
henden Schwierigkeiten nur erst dann her-
vortreten müssen, wann die Kinder die we-
sentlichen Schwierigkeiten schon überwunden
haben, und selbst dann nicht auf einmahl,
sondern einzeln und in gehörigen Zwischen-
räumen. Aber ich höre einen Einwurf.
,,Es ist keine vernünftige Lehrart, sagt
man, die Kinder etwas lernen zu las-
sen , daS sie in der Folge wieder vergessen
sollen."
Und darin hat man vollkommen Recht; —
vorausgesetzt, daß von Begriffen oder Sa-
chen die Rede ist. Hier aber ist ja nur
von der Bezeichnung der Begriffe die
Rede; und das macht doch wol einen merk-
lichen Unterschied! Kein Mensch, so viel ich
weiß, wird es tadeln, wenn man junge Kin-
der Jedem, dem sie Achtung und Liebe be-
zeigen wollen, selbst die höchsten Standesper-
sonen nicht ausgenommen, die Hand schüt-
CG
44H +
teln, und guten Tag! sagen laßt; und
doch soll diese Begrüßungsart zu seiner Zeit
auch abgestellt werden, und in tiefe Bücklin-
ge, in gehorsamer oder Unterthan i-
gec Diener u. st st übergehn. Auch ist
es wol noch Keinem eingefallen, es Uns zum
Erziehungsfehler anzurechnen, daß wir kleine
Kinder, wenn sie gehen lernen sollen, erst
anfallen Vieren kriechen lassen, damit sie
nur erst sich selbst fortbewegen und ihre jun-
gen Nerven und Muskeln anstrengen lernen.
Und doch soll dieses Kriechen auf Händen
und Füßen auch nicht immer fortgesetzt wer-
den; die Kinder sollen nur das Gehen daran
lernen, und sie sotten es sich wieder abge-
wöhnen, sobald sie aufrecht stehen und einen
Fuß nach dem andern vorwärts setzen kön-
nen. — Man mache die Anwendung; und
man wird finden, das; es sich gerade eben so
mit der von mir zum leichtern Lefenler-
nen enfpfohlnen Vereinfachung der Schrift
verhalte.
Zu dieser so nöthigen Vereinfachung ge-
67
«14+444
hört nun endlich auch noch dieses: daß
man die K i n d e r anfangs nur mit
Einem, und zwar dem kleinen,
Abeze bekannt mache, und sie mit
jedem andern, b e s v n d e r s mit d e m
großen, so lange verschone, bis sie
an jenen» s6) on n oth d ü rft ig lesen
gelernt haben. Ist es nicht im höchsten
Grade unvernünftig und einer guten Lehr-
art, die in allen Dingen immer Schritt vor
Schritt gehen muß, schnurgerade entgegen,
den armen Kleinen zuzumuthen, gleich von
Anfang an, zweierlei, dreierlei, ja viererlei
Vezeichnungsarten (das kleine und große,
Deutsche und Lateinische Abeze) zugleich zu
lernen? Heißt das nicht, die Arbeit muth-
williger und ganz unnöthiger Weise für sie
vervierfachen, und sie dadurch, der daraus
nothwendig entstehenden Verwirrungen we-
gen, zehnlnahl schwerer n»achen? Und ihr
wundert euch noch, daß es mit dem Lesenlex-
nen der Kinder, bei allen den Verkehrtheiten,
deren ihr euch dabei schuldig macht, und die
68
,ch zu eurer Ueberzeugung, wie ich hoffe,
hier nun der Reihe nach auseinandergesetzt
habe, so langsam und so schwer von Statten
zu gehen pflegt? Ich meines Orts habe mich
umgekehrt oft darüber wundern müssen,
daß es nicht noch langsamer, nicht noch
schwerer dabei hergeht, indem man die schwa-
chen jungen Seelen mit so vielfachen un-
geheuern Schwierigkeiten überschüttet, daß
ein Erwachsener dadurch abgeschreckt werden
könnte.
Warum ich gerathen finde, mit dem
kleinen Lateinischen Abeze, und nicht mit
dem Deutschen, das Lesenlernen anzufan-
gen, davon wird man die Gründe im fol-
genden Abschnitte finden.
II.
Meine Verfahningsart
beim
L e s e n l e h r e n.
^ch nenne die hier zu beschreibende Lehr-
art die weinige; nicht, als wenn ich mir
die ganze Erfindung derselben zueignen woll-
te, — einige ihrer Theile sind lange vor
mir, andere von Andern mit mir zugleich
oder nach mir bemerkt und angewandt wor-
den — sondern weil ich sie für die beste
halte; weil ich sie deswegen zu der mei-
nt g e n gemacht habe, und weil ich mir
denn doch auch nicht verheelen kann, Einiges
aus eigenen Mitteln hinzugefügt zu haben.
Wie viel oder wie wenig dieses sei, verdient
nicht hier angegeben zu werden. Männer,
die in diesem ersten kindischen Lernfache, und
in dem dazu gehörigen Bücherwesen sich ein
wenig umgesehen haben, werden es, ohne
meine Angabe, von selbst zu bestimmen wissen.
Die wesentlichen Punkte dieser Lehrart
bestehen:
i. in genauer Befolgung der im vor-
stehenden Abschnitte entwickelten allgemeinen
Grundsätze und Regeln , wonach dieses Fie-
belbuch eingerichtet ist. Ich habe schon ge-
sagt, daß, wer dasselbe gebrauchen will, in
jenen Grundsätzen und Regeln mit mir
übereinstimmen muß. Alles Uebrige bleibt
seiner Willkür überlassen.
2. Darin, dasi ich zweierlei Uebungen,
deren eine der andern die Hand bietet und
sie erleichtert, mit einander verbinden und
zugleich anfangen lasse; ich meine die
Uebung im Lesen und die im Schreibon.
Die eine, ohne die andere getrieben, ist noch
einmahl so schwer und unangenehm, als jede
7 1
tu ihrer Verbindung mit der andern. Bei-
de gehören ja auch, ihrer Abzweckung nach
zu einander; denn durch die Kunst des Le-
sens erhalten wir ein Mittel uns die Gedan-
ken anderer Menschen zuzueignen; durch die
des Schreibens werden wir in den Stand
gesetzt, ihnen die unsrigen mitzutheilen.
Beide sollten daher schon um deßwillen nie
von einander getrennt, sondern zu glei-
cher Zeit erlernt werden; weit der Mensch
in eben dem Maße zum Geben angeführt
werden muß, in welchem er zum Nehmen
geschickt gemacht wird. Die Erleichterung
des Lesenlernens aber, die das gleichzeitige
Schreiben lernen bewirkt, wird Jeder, der es
nur versuchen will, über seine Erwartung
groß und wunderbar finden. Man braucht
sich dabei kaum einmahl auf die Erlernung
der einzelnen Buchstaben besonders einzulas-
sen, oder sich mit der Art, wie sie zu Silben
zusammengefügt werden, nur im mindesten
aufzuhalten. Das Alles gibt sich beim
Schreibenlernen beiläufig und von selbst.
7 2
Was der Lehrer dabei zu thun hat, beschrankt
sich bloß auf das Vorschreiben einzelner klei-
ner Wörter, auf das Benennen der dazu ge-
brauchten Buchstaben, auf das Zusammen-
fasten derselben zu Silben und Wörtern,
und auf das Vorzeigen desselben Worts,
welches jedesmahl geschrieben wurde, im
Buche, damit das Kind nun auch sehe, wie
es sich gedruckt ausnimmt. Wie leicht ist
diese Arbeit für den Lehrer sowol, als auch
für den Schüler, verglichen mit derjenigen,
die beide bestehen müssen, wenn, ohne Schrei-
ben , erst das Abeze, dann das Zusammen-
setzen der Buchstaben zu. Silben (das Buch-
stabeln), aus Büchern gelernt werden müssen!
In diesem letzten Falle, dem gewöhnlichen,
verhalt sich das Kind nur leidcntlich dabei,
es laßt in sich hineingießen; im ersten ist es,
indem eö zugleich schreiben lernt, selbstthätig.
Wer weiß aber nicht, daß Alles, was wir
unter beständiger Selbstthätigkeit lernen, uns
unendlich leichter wird, als dasjenige, was
wir uns nur vorsagen lassen?
•f 4+ •*•»+ +*(•+«•!•
Ich bemerke hiebei nur noch dieses. Es
konnte an sich gleichgültig scheinen, ob man
das Kind den Anfang des Schreibenlernens
entweder mit Feoer und Tinte auf dem Pa-
pier, oder mit einem Stifte auf der Schie-
fertafel, oder mit zugespitzter Kreide auf einer
schwarzen hölzernen Tafel machen läßt; allein
ich habe meine guten Gründe, das Letzte vor-
zuziehen, und als das Veste zu empfehlen.
Denn i. laßt man das Schreibenlerncn
durch Hülfe der Feder anfangen , so muß
man entweder auf die gehörige Haltung der
Feder dringen, oder das Kind verwöhnt sich
dabei für immer. Das macht aber Aufhalt,
führt von der Hauptsache ab, und gibt An-
laß zu oft wiederholten unangenehmen Ver-
besserungen. Dis Alles muß aber so viel
möglich vermieden werden, wenn man das
Kind nicht unlustig machen will. 2. Das
Schreiben auf der Schiefertafel erfodert theils
einen schwerfälligeren Druck der Hand, wo-
durch diese gleichfalls verwöhnt wird, theils
fällt das so Geschriebene, der kritzlichen Züge
74
wegen, nicht stark genug ins Auge. 3. Ge-
währt das Schreiben mit Kreide auf einer
großen hölzernen Tafel, mehr Raum und
Gelegenheit zu freien und großen Schriftzü-
gen, als jedes andere Schreibemittel; und
4, kann das Geschriebene, wenn es entweder
ganz oder zum Theil verunglückt ist, leichter
und schneller ausgelöscht und ersetzt werden,
als auf jede andere Weise. Das Mißlun-
gene wird durch den Ueberstrich des feuchten
Schwamm's augenblicklich getilgt; das Ge-
lungene bleibt zur Freude des Kindes in
großen, stark in die Augen fallenden Zügen
stehen. Beides ist dem Kinde angenehm,
und vermehrt seine Schreibelust. Die
schwarze hölzerne Tafel, die ohnehin in kei-
ner Lehrstube fehlen darf, und das Schreiben
darauf mit Kreide sind daher unter allen
Schreibemitteln, zu diesem Behuf, das
beste.
3. Darin, daß ich das Lateinische Abeze
dem Deutschen, zum gleichzeitigen Schreiben-
und Lesenlernen, bei weiten vorziehe. Denn
75
erstens ist jenes einfacher und zur Nachbil-
dung leichter, als das Deutsche, sowol ge-
schrieben ,. als gedruckt. Zweitens gewahrt
cs dem Schreibeschüler, mehr als die Deut-
sche Schrift, Gelegenheit zu freien und
großen Zügen, wodurch die Hand des Kindes
zu größerer Dreistigkeit und Leichtigkeit im
Ziehen gewöhnt wird. Und drittens —
worauf es hier vornehmlich ankömmt —
weicht die geschriebene Lateinische Schrift
von der gedruckten bei weiten weniger ab,
als die geschriebenen Deutschen von den
gedruckten Deutschen Schriftzügen. Da nun
ohnehin jedes Kind, welches lesen und schrei-
ben lernt, beiderlei Schrift, die Lateinische,
wie die Deutsche, nothwendig lernen muß *),
und es daher an sich völlig gleichgültig ist,
•) Weil, wo nicht sonst, doch in öffentlichen Verordn,»,-
gen, Gesetzen, landesherrlichen «efehlen, gerichtlichen
Bescheiden und Nechtsschristen fremde Wörter mit ka-
teinischerSchrift geschrieben noch immer häufig, obgleich
immer zweckwidriger Weise, vorzukommen pflegen.
7 6
4444*HHI*+4H»
mit welcher von beiden der Anfang gemacht
wird: so ist es ja wol vernünftig, die Latei-
nische der Deutschen vorzuziehen. Gegen-
wärtiges Abezebuch ist, dieser Ueberzeugung
gemäß, danach eingerichtet worden. Das
Deutsche Abeze tritt erst dann ein, wann die
Kinder an dem Lateinischen vorher schon
nothdürftig lesen gelernt haben. Daß es
alsdann eine Kleinigkeit sei, von der Latei-
nischen zur Deutschen Schrift, im Lesen wie
im Schreiben überzugehen, weiß Jedermann.
4. Endlich und vornehmlich darin, daß
,ch alle oben dargelegte willkürliche Schwie-
rigkeiten des Lesenlernens, die, zugleich ge-
zeigt, das Kind nur erschrecken, drücken und
entmuthigen würden, ihm anfangs ganz verber-
ge, und in der Folge nur erst einzeln, nach und
nach, und in gehörigen Zwischenräumen her-
vortreten lasse; wodurch jede derselben leicht
und beinahe unmerklich überwunden wird.
Wenn es irgend einen, ohne Ausnahme
allgemeinen Grundsatz, anwendbar bei
jeder 'Art des Unterrichts gibt, so ist es ja
77
der der genauen Abstufung und des
behutsamen Fortschreite ns vom
Leichteren zum Schwereren, von
dem, was vorbereiten soll, zu dem,
was dadtlrch 'vorbereitet wird.
Mer diesen ersten, allgemeinsten und uner-
läßlichsten Grundsatz alles Unterrichts nicht
anerkennt, sich nicht entschließen kann, ihn
strenge zu befolgen; der werfe, bitte ich, die-
ses Büchlein nur gleich auf die Seite! Für
ihn ist es nicht geschrieben. Ihm wird das
gemeinste und schlechteste alte Fibclbuch, für
einige Groschen oder Pfennige gekauft, die
nämlichen, wo nicht gar noch bessere Dien-
ste leisten, als dieses.
Dis sind die wesentlichen Eigenthümlich-
keiten und Einrichtungen dieses Abezebuchs
alle. Von ihnen kann und darf ich denen,
welche Gebrauch von dem Büchlein machen
wollen, auch nicht Eine erlassen. Alles
Uebrige betrifft nur Nebensachen, wobei Je-
der, ohne großen Schaden, wie ohne großen
Vortheil, so oder so verfahren kann und
i ,
78
't++4++-M*l*+*l»
mag. Will Jemand ganz nach alter Weise,
erst die Buchstaben, dann das Vuchstabeln
(Buchstabiren) und endlich erst das Zusam-
menlesen lehren; immerhin! Er folge darin
seiner Ueberzeugung, und thue, was ihm in
Hinsicht auf seine eigenen und seiner Schü-
ler geistigen Mittel und Bedürfnisse das an-
gemessenste zu sein scheint. Will Jemand
anfangs nicht die einzelnen Buchstaben zei-
gen, und nicht erst buchstabeln, sondern lie-
ber vom Anfange an gleich silbeln (sillabiren),
d. i. ganze Silben angeben lassen, ohne vor-
der die dazu gehörigen Buchstaben einzeln zu
nennen; auch gut! Ich habe nichts dawider;
vorausgesetzt, daß er das zum künftigen
Rechtschreiben unentbehrliche Vuchstabeln hin-
tennach anzustellen und bis zu erlangter
Fertigkeit damit fleißig fortzufahren nicht
verabsäumen will. Möchte ein Dritter lie-
ber gar nicht mit hohlen, nichtssagenden
Silben, sondern, um dem Kinde jedesmahl
zugleich eine Vorstellung darzubieten, gleich
mit ganzen einsilbigen Wörtern anfangen:
79
so habe ich, unter eben angezeigter Bedin-
gung, auch dagegen durchaus nichts zu er-
innern. Die Vernunft, die alle gedanken-
lose Beschäftigungen haßt, ist offenbar auf
seiner Seite; doch laßt sie auch, sollte
ich meinen, allenfalls in Hinsicht auf ver-
nünftige Zwecke, es sich gefallen, daß eine
kurze Zeitlang 'mit bloßen Buchstaben und
nichtsbedeutenden Silben gespielt werde.
Glaubt endlich jemand, einen besondern
Vortheil darin zu finden, die einfachen Sil-
ben , ehe er sie aussprechen lehrt, vorher erst
zu trennen, z. B. Baß in B — aß; so
steht ihm auch das recht wohl zu gönnen,
vorausgesetzt, daß seine Versuche und Erfah-
rungen darüber, ihn dazu berechtigen. Nur
-— ich muß es noch einmahl wiederholen —>
nur daß man bei allen diesen Abweichungen und
verschiedenen Verfahrungsarten die oben ent-
wickelten allgemeinen Grundsätze und wesent-
lich nothwendigen Regeln nicht aus den
Augen setze, sondern standhaft und unablaßig
befolge; wofern man anders sich dieses
c.
8 o
•*■♦+•!-W- VI-«- )•!•*
Buches dabei bedienen will. Denn sonst
bescheide ich mich recht gern, daß ich kein
Gesetzgeber bin, folglich niemand etwas vor-
zuschreiben habe.
36) darf indeß wol ohne Eitelkeit an-
nehmen, daß Einige von denen, die sich die-
ses Abezebuchs zum Unterri6)te bedienen
wollen, zu wissen wüns6)en werden, welche
Verfahrungsart unter den ebenerwahnten ich
selbst vorziehen würde, wenn ick) dem Ge-
schäfte des Lesenlehrens mick) noch einmahl
unterziehen sollte. Ich will daher dieser
vorausgesetzten Neugier Einiger durch folgen-
de Gespräche zwischen mir und einem meiner
Enkel gern befriedigen. Man wird daraus
ersehen, daß ick) abwechselnd bald das Eine,
bald das Andere von demjenigen thue, was
andere Verbesserer des Lesenlehrens sich und
Andern nur allein und ausschließlich erlau-
ben zu dürfen glauben; ein Beweis, daß
mir alle diese unwesentlichen Handgriffe gar
nicht dringend nothwendig, sondern ziemlich
gleichgültig vorkommen. Auch wird jeder,
I
1
*4+444 ++++++
der auf den Nstmen eines geschickten Lehrers
nur die geringsten Ansprüche hat, wol ohne
meine Erinnerung gstnz von selbst begreifen,
daß dsts Beispiel, welches ich hier gebe, stuf
hunderterlei stndere Weisen eben so gut ein-
geleitet, in Nebendingen nnch stnders be-
stimmt und anders fortgef'ihrt werden kön-
ne, ohne dstß dsts Wesentliche darunter leiden
würde; und dstß es folglich gar nicht die
Absicht sei, eine steife und sklstvische Nachah-
mung und Nachbildung dieses Beispiels zu
verlstngen oder nur zu wünschen. Vorher
stber will ich dasjenige einfache Abeze her-
setzen , welches bis dahin, daß jedesmahl ein
anderes folgen wird, nur allein gebraucht
werden muß. Die Absicht aber ist dabei
kein.:weges, daß man sofort damit anfan-
gen soll, die Kinder dieses Abeze der Reihe
nach lernen zu lassen, sondern nur die, daß
man es bei der Hand habe, um den Schü-
lern bei jedem Buchstaben, den man sie
schreiben lehrt, jedesmahl zu zeigen, wie er
sich gedruckt ausnimmt, und um ihn in dem
6
44*4-4+•#•»** K«t»
Abeze jedesmahl aufsinden zu laffen. Hier
ist es; nebst der für den ersten Unterricht
anznnehmenden Benennnng der Buchskaben.
Das erfte Abeze.
a benannt ncrch seiner Aussprache.
I) — das End-e kurz abgestosien.
€h — che.
d — de.
e — nach seiner Aussprache.
£ — st.
L — ge. -
h — he.
1 — nach seiner Aussprache.
«3
44+444-.J.. ..h
k - kè.
1 - là
111 — me.
IL — ne.
O — nach seiner Aussprache.
Ö — — —
P — Pë.
q — kwe.
r — re.
8 — st.
ft - stë.
seft — sch à
t — te.
U — nach seiner Aussprach?.
Ü — — —>
w — wë.
X — kse.
Z zë.
84
cttt benannt nach seiner zusammengezogenen
Aussprache.
äu — — —
€-i — — —
€11 — — —
Lehrer, welche ihren Schülern eine rich-
tige Aussprache beim Lesenlehren zu geben
wünschen, werden, ehe sie anfangen, sich
selbst erst wohl üben müssen, sowol die Buch-
staben überhaupt rein und scharf auszuspre-
chen, als auch besonders die vier Doppcllau-
ter, womit das obige Abeze schließt, durch
die Aussprache deutlich zu unterscheiden.
G e s p r a ch e
zwischen
dem Großvater u n î) Karl.
Großvater. Ich habe einen Gedanken
Karl. Nein!
Großvater. Oder kannst du ihn
Horen ?
Karl. Eben so wenig.
Großvater. Tritt doch naher, und
schaue mir einmahl recht scharf in die Au-
gen; und nun hier gerade über der Nase
an die Stirn! Siebst du da nichts?
Karl. Nicht das Geringste!
im ®
inst du ihn sehen, Karl?
86
WM4+f*W
Großvater. Nun so hatte einmahl
eins deiner Ohren an eben diese Stelle, und
horche mäuschenstill und so scharf als du
kannst! — Horst du den Gedanken?
Karl. Ich glaube, du hast mich zum
Vesten, Großvater!
Großvater. Du meinst also, Gedan-
ken könne man weder sehen, noch hören?
Nicht wahr?
Karl. So meine ich.
Großvater. Nicht zu rasch geurtheilt,
junger Freund! Wie, wenn ich dir nun be-
wiese, daß du schon oft, sehr oft, Gedanken
gehört hast, und alltäglich, ja stündlich wel-
che hörst?
Karl. Ja, wenn man sie mir sagt!
Großvater. Freilich muß man sie dir
erst durch Worte hörbar machen; aber dann
hörst du sie doch wirklich? Sollte man sie
nicht auch sichtbar machen können?
Karl. Ich wüßte nicht, wie?
Großvater. Das konntest du auch bis
auf diesen Augenblick noch nicht wissen.
• 8 7
•Hi'HtmtUi
Aber ich sage dir, cs gibt ein Mittel dazu;
und wenn du es verlangst, so bin ich bereit,
es dir zu lehren.
Karl. Ich wünsche es kennen zu
lernen.
Großvater. Auch hast du Ursache das
zu wünschen. Denn sobald dir dieses Mit-
tel bekannt sein wird, kannst du alle Gedan-
ken, die in deinem Kopfe entstehen, deinen
Freunden auf tausend Meilen weitzuschicken;
und deine Freunde können' dir wieder auf
ebendieselbe Weise bekannt machen, was sie
unterdeß gedacht haben, so wie Alles, was
sie Neues bemerken, was sie wünschen, hof-
fen, befürchten oder von dir verlangen. So
können zwei Menschen, wovon der Eine auf
dieser unserer Seite des Erdballs, der Andere
auf der entgegengesetzten lebt, sich eben so
deutlich unterhalten und einander eben so
gut verstehen, als ständen sie dicht neben
einander. Weißt du, wie dis herrliche Mit-
tel heißt?
Karl. Nein!
aa
•14+ ■Hf+tMH'»
Großvater. Es heißt: schreiben
und lesen. Durch das Schreiben können
wir Alles, was wir denken, vermittelst gewis-
ser Zeichen sichtbar machen, und es so aufs
Papier heften, daß es gar nicht wieder ver-
schwinden kann; durch das Lesen lernen wir
jene Zeichen verstehen, und werden dadurch
in den Stand gesetzt, die Gedanken Anderer
gleichsam vor Augen zu sehen, und sie so
oft, selbst nach vielen Jahren noch, wieder-
zusehen , als wir es verlangen. Hatte ich
nicht Recht, lieber Karl, dieses Mittel ein
herrliches zu nennen?
Karl. Ja! Lehre es mir, lieber Groß-
vater, wenn's nicht zu schwer ist.
Großvater. Zu schwer? Es ist kinder-
leicht, sage ich dir! Du wirst es spielend
lernen; die Erlernung desselben wird dir
Vergnügen machen. Tritt mit mir vor
jene Tafel. (Ec nimmt den Kreidestift,
schreibt das u mit großen und starken Zü-
gen an die Tafel, und sagt:) sieh, dis Ding
nennt man uh. Kannst du es nachmachen?
Karl. Warum sollt: ich nicht? (Er
macht das u nach.)
Großvater. Vrav! Dein u ist so gut
als mein u. Nun weiter! Dis zweite
Zeichen (er schreibt ein 8 hinter das u) be-
zeichnet den Laut, den die Schlangen von
sich geben, indem sie zischen. Deswegen
steht es auch wie eine kleine Schlange aus.
(Er ahmt den Laut einigemal)! nach, indem
er die Spitze der Zunge zwischen seine beiden,
beinahe geschlossenen Zahnreihen steckt, und
die Luft durch die kleinen Oeffnungen zwi-
schen der Zunge und den Zahnen durchsau-
seln laßt. Karl thut ein Gleiches.) Man
nennt dieses Zeichen fc. Kannst du auch
dieses Schlangenzeichen machen?
Karl. Ich will sehen. (Er ahmt das
Zeichen nach; und es gelingt.)
Großvater. Nun kennen wir von den
Gedankenzeichen, die du lernen willst, schon
zwei, das ul) und das je. Laß sie uns
noch einigemal)! an die Tafel schreiben, und
zwar dicht neben einander, erst das u, dann
9°
daS s; erst ich, dann du. Wer wird sie
am geschwindesten, und am besten schreiben?
(Beide schreiben, Einer um den Andern»
Karl immer eifriger.) Potz tausend! Du
machst es beinahe geschwinder und besser als
ich! Das wäre doch ein Schimpf für, mich
alten Knaben, wenn ich mich von dir klei-
nem Menschen wollte übertreffen lassen.
(Gibt sich das Ansehn immer besser und ge-
schwinder schreiben zu wollen; verschreibt sich
aber ein paar mahl, und wird von Karin
übertroffen. Das u und das s werden bei
jedem neuen Schriftzuge immer von neuen
wieder genannt.) I, du Tausendsasa! Laufst
du mir doch wirklich beinahe den Vorzug
ab! Aber warte nur; ich wBde mich, sobald
ich allein bin, so ümge üben, bis ich das
ns doch noch geschwinder und besser machen
kann, als du.
Karl. O ich auch, ich auch! Du
sollst mir doch nicht zuvorkommen.
Großvater. Nun, wir wollen sehen.—
Hier ist ein drittes Zeichen. (Er schreibt das
l
9*
4*44**+**«*#
n, ein wenig vor das us, z. B. so n us.)
Dieses dritte Zeichen nennt man ne. Es
ist das umgekehrte u, oder das u auf den
Kopf gestellt. Kannst du das auch nachma-
chen? Schreibe es hieher vor dein letztes rrs.
So! Abermahls gut getrosten! Laß un^vor
die andern ns, die da noch stehen, auch ein
ne schreiben. — Wie, wenn wir nun die-
ses n und das us zusammenziehen und mit
Einem mahle aussprechen wollten: wie würde
das wol lauten? Nicht wahr, nttß? Sieh,
da haben wir auf einmahl ein ganzes
W oi t, wobei du dir etwas denken kannst —
uns, eine Nuß! Wenn du nun einmahl
das Unglück haben solltest, die Sprache zu
verlieren, wie wenn du etwa von der Maul-
sperre befallen würdest, und du fehntest dich in
diesem Zustande nach einer Nuß; wie wür-
dest du es anfangen, um diesen Wunsch zu
erkennen zu geben?
Karl. Ich würde das Wort nus an
die Tafel schreiben.
Großvater. Nichtig; und Jeder, der
9 2
•M'MIt-frfr frfrfrfr
lesen gelernt hat, würde daraus sogleich
schließen, daß du eine Nuß verlangtest.
Wir wollen doch gleich den Versuch machen.
(Er klingelt, und der Bediente Johann er-
scheint.) Johann, bringe er uns doch ein-
mahl, was hier an der Tafel geschrieben
steht. (Johann liest stillschweigend, geht,
kehrt zurück und überbringt eine Nuß.)
Siehst du , wie sicher das Mittel ist? —
Aber wie sollte ich es nun wol angeben,
wenn ich, unvermögend zu reden, dir den
Gedanken zu erkennen geben wollte, daß du
die Nuß aufessen möchtest? (Karl spitzt die
Ohren) Dazu brauchte ich nur noch ein ein-
ziges ganz kleines Zeichen, dieses nämlich: i.
Das nennt man i. Wenn ich dieses i mit
dem 8 zusammensetze, etwa so — is — so lautet
das ja offenbar iß; und wenn ich das Wort nns
hinzufüge, etwa so — is nus — so kann
man das ja unmöglich anders verstehen, als:
iß die Nuß! Versuche einmahl, ob du nun
auch beide Wörter so hinter einander schreiben
kannst, wie ich sie hier hinschreibe —- isnus !
9.5
4+4’4 44 +{•{•
Karl (schreibend.) O das ist gar keine
Kunst!
Großvater. Sagte ich nicht, daß dar
Schreiben- und Lesenlernen kinderleicht sei?
Aber noch eins! Wenn ich mich nun wun-
derte, daß du die Nuß nicht sofort zu Mun-
de fährst, da ich dir doch die Erlaubniß dazu
gegeben habe: wie wurde ich das anfangen?
Da brauchte ich nur das ebengelernte i noch
einmahl, und zwar für sich allein, davor zu
setzen — so:
i i5 nus.
dann würdest du lesen, wie ?
Karl. Ich würde lesen: i iß Nuß!
Großvater. Welches eben so viel sagen
würde, als: warum greifst du denn nicht
zu? So iß doch die Nuß. — Nun gefüllt
dir's mehr als Eine Nuß zu esien, so will
ich dir ein Mittel sagen, ihrer so viele zu
verdienen, als du nur verlangst. So oft
du die drei Worte
- i is nus
hinter einander an die Tafel schreibst, so oft
94
empfängst bu eine Nuß, wenn es die auch
belieben sollte, sie zwanzig mahl oder auch
öfter zu schreiben.
Kurl. Nun, das sollst du mir nicht
zweimahl sagen! (Er greift eifrig nach der
Kreide. Der Großvater löscht das Geschrie-
, bene weg; und laßt die Wörter i isjius —
nur Einmahl zur Vorschrift stehen. Karl
aber ist nun so munter darüber aus, daß
er in kurzen das Vorgeschriebene zwölf mahl
nachgeschrieben und die ganze Tafel damit
angefüllt hat. Er legt die Kreide mit den
Worten weg: ja nun ist kein Platz mehr
da!)
Großvater. Nun, für heute mag es
damit denn auch genug sein. Morgen kannst
du dir mehr verdienen. Zum Beschluß
schreibe mir nur noch die vier einzelnen Zei-
' chen oder Buchstaben, die wir heute gelernt
haben, an die Tafel, damit wir sie nicht
vergessen. Erst das i!
Karl schreibt i.
Nun das u!
Karl schreibt u.
Nun das ne!
Karl schreibt n.
Und nun noch das sc!
Karl schreibt s.
Herrlich! Nun laß uns geschwind zur Mutter-
laufen , um ihr unsere wichtige Entdeckung
mitzutheilen. Mir wollen doch wundershal-
ber sehen, ob sie auch wol lesen kann. Siche
dir die beiden Wörter is nus noch einmahl
recht an; du sollst sie ihr auf den Lisch
schreiben. Da wird es sich zeigen, was sie
vermag. (Beide gehen hastig ab.)
Karl. Großvater, wollen wir nicht wie-
der schreiben?
Großvater. Gelt, du möchtest dir wie-
der eine Handvoll Nüsse verdienen?
Karl. Auch ohne die Nüsse; das Schrei-
ben selbst macht mir Spaß.
Großvater. (Ihn an die Backe klop-
9Ö
44+-m-n-* vn*
pfend.) Brav, mein guter Karl! Da wirst
du sehr geschwind schreiben und lesen lernen.
Nun es sei! (Sie treten an die Tafel.)
Laß doch erst sehen, ob wir das, was wir
gestern lernten, heute noch schreiben können.
Es waren die Wörter: i is uns. Ich
will den Anfang machen. (Er schreibt
sie.) Nun du! (Karl schreibt sie auch.)
Ja, aber ich habe sie aus dem Kopfe geschrie-
ben; laß sehen, ob du das auch kannst. (Er
streicht das Geschriebene weg.) Jetzt will ich
sie dir bloß vorsagen; also erstens j; nun is;
und nun im«. (Karl schreibt Jedes richtig
hin.) Schön! -— Aber merkst du wol, daß
an diesen Worten doch noch etwas fehlt?
Wenn man zu einem sagen will, daß er
Nüsse essen soll, so spricht man doch nicht
bloß: iß Nuß! sondern man redet ihn wol
erst an, und sagt dann: iß Nüsse! Wie
wollten wir es nun wol anfangen, um die
Worte zu schreiben : K a r l, iß Nüsse!
Aber dazu reichen die vier Zeichen, die wir
gestern gelernt haben, nicht hin; dazu müs-
97
4 4+ ■»•»++-!•►+**
sen wir noch fünf andere Zeichen haben; die
will ich dir erst zeigen. Sieh, erst dieses —
a — das heißt a; versuche einmahl, es nach-
zuschreiben. Gut! Das ist der Laut, den
man hören laßt, wenn man sich gewaltig
wundert; wie wenn man z. B. sagt: ah,
wie viele Nüsse! Nun dieses — r; man
nennt es rr. Das ist der Laut, den beißi-
ge Hunde hören lassen, wenn sie zu erken-
nen geben wollen, daß sie auf dem Punkte
stehen, Einen anzufallen. Schreibe auch
den erst nach. So! a r; das muß ja «p
lauten. Nun dieses — 1; das nennt man
le. Schreibe es hinter das ar. Wenn ich
nun das ar und dieses le zusammenziehe;
wie wird das klingen? Nicht wahr, arl?
Ganz gewiß! Also arl —-
Karl. — arl!
Großvater. Richtig! Nun kömmt
aber ein recht spaßhafter Buchstabe; sieh her!
Erst mache ich einen langen Strich oder
Staken — I —; dann setze ich einen Win-
kelhaken daran, und zwar so daß er
7
9 8
«I •»+**++****♦
mit seiner Spitze den Staken berühren
muß — k. Ei sieh doch, wie das Ding
sich ausnimmt! Das nennt man ein ke.
Nun wollen wir diese vier Zeichen einmahl
zusammensetzen und zusammen aussprechen;
dann sollst du über das, was du hören wirst,
erstaunen. Erst also das Zeichen der Ver-
wunderung a; das lautet? —
Karl sagt ah.
Nun das Zeichen des Hundegnurrens r da-
neben gesetzt; ah re, heißt ?
Karl sagt ar.
Recht! Jetzt hangen wir das 1 daran — ar
l'e, so heißt es, nicht wahr — arl? Aber
nun laß uns wundershalber vor dieses arl
noch das Zeichen k setzen, was wird nun
herauskommen? ke arl— karl. Sieh
da, dein Name! karl heißt eö nun!
Karl. I, das ist neckisch!
Großvater. Geschwind schreibe es nach;
so hast du Knall und Fall deinen Namen
schreiben gelernt!
99
■M1-4++
Karl. Sage mir nur die Dinger vor,
wie sie auf einander folgen müssen.
Großvater. Erst das ke; den langen
Staken mit dem Winkelhaken.
Karl schreibt k.
Nun den Verwunderungsbuchstaben a.
Karl schreibt a.
Jetzt den Hundelaut re.
Karl schreibt r.
Nun endlich noch das lange le daran.
Karl schreibt I.
Da haben wir's! Karl leibhaftig! Ä', du
prächtiger Junge! Nun kannst du ja schon
deinen Namen schreiben! Geschwind, lauf
und hole mir die Mutter her! Die muß das
nothwendig auch sehen. Die wird eine Freu-
de darüber haben! (Karl lauft ab; die Mut-
ter erscheint; liefet das Wort an der Tafel;
schlagt die Hände zusammen; will nicht glau-
ben, daß Karl selbst es geschrieben habe; aber
Karl, feuerroth vor Freude, macht sich gleich
darüber her, um es vor ihren Augen noch
einmahl zu schreiben. Es gelingt ihm. 'Groß-
10©
♦♦♦•»++ +*!■++»
Vater und Mutter schließen ihn in ihre Arme,
und sagen ihm, daß er ihr Goldsöhnchen sei.
Karl ist darüber sv entzückt, daß er es gar
nicht satt kriegen kann, ein karl nach dem
andern hinzuschreiben. Der Großvater un-
terbricht ihn endlich.) Aber, guter Karl,
nun laß uns doch sehen, wie viel Buchsta-
ben wir nun schon schreiben können. Soll
ich sie an die Tafel schreiben, oder willst du
es thun?
Karl. O ich, ich, lieber Großvater!
Großvater. Nun gut; so will ich sie
dir vorsagen. (Er sagt ihm ke, a, re, lc,
i, se, ne, u, se vor; und Karl schreibt:
karl is nns.) Nun lies einmahl, was
du geschrieben hast; ke a r'e le —
Karl — karl!
Großvater, i se —
Karl — iß!
Großvater, ne u je —
Karl — nuß!
Großvater. Aber wir wollten ja heute
schreiben lernen, nicht Karl iß Nuß, son-
1 0 I
dern Karl iß Nüsse; wollen wir das N ü s-
se lieber bis auf diesen Nachmittag verschieben?
Karl. O nein!.Laß es uns jetzt gleich
schreiben!
Großvater. Meinetwegen, wenn du
glaubst, daß es nicht zu viel werden wird.
Karl. Zu viel? O das ist ja gar nichts!
Großvater. Nun wohlan! — Du
kennst doch schon dieses Zeichen — u?
Karl. I, ja! Das ist ja ein u!
Großvater. Richtig! Ueber dieses u
wollen wir nun einmahl zwei kleine Striche oder
Punkte setzen — ü; weißt du; wie es nun
heißt? ü heißt es nun! Mache dieses ü einmahl
nach. So! Nun wollen wir ein 3 daran
hängen — üs; wie wird es jetzt lauten?
Karl — Ü6!
Großvater. Ganz recht; üs heißt es nun.
Jetzt wollen wir das n davor setzen; nüs —
Karl — n ü s!
Großvater. Nun muß ich dir erst noch
ein Zeichen vormachen, welches e genannt
wird; sieh, dieses hier— e. Mache es ein-
*4+*4t+H.+Hi
mahl geschwind nach! — Recht schön! Nun
können wir Nüsse schreiben: nüs (nüs) r>e.
Karl — fei
Großvater — Nüsse! Da haben wir's
ja! Jetzt geschwind einmahl alle drei Wörter
hinter einander! (Er schreibt und liest zugleich.)
ke a re le — karl; i se—is 5 ne it je — nüs;
se e — se — nüsse. Nun dui (Karl schreibt
und liest das Nämliche.) Jetzt wollen wir noch
einmahl alle Buchstaben, die wir gestern und
heute gelernt haben, hinter einander auf die
Tafel schreiben; ich will sie dir vorsagen:
ke a re le i se ne use see (Karl schreibt sie nach:
Karl is misse.) Karl i fi Nüsse! Aber
erst mußt du ja welche haben; hier sind sie!
Karl. Dank, lieber Großvater!
Großvater. Ehe wir nun aufhören,
laß uns doch einmahl versuchen, ob wir diese
Buchstaben hier im Buche (auf das vorstehende
Abeze zeigend) aufsinden und erkennen können.
(Er nennt einen nach dem andern; Karl sucht
und sinder sie. Seine Freude darüber ist groß.)
i o3
Um dieses Buch nicht ohne Noth noch mehr
zu verdicken und zu vertheuern, muß ich es nun
jedem verständigen Lehrer überlassen, aufdiesem
Wege so lange fortzufahren, bis das Kind
alle, im vorstehenden ersten Abeze befindliche
Buchstaben schreiben und, zu Silben ver-
bunden, nothdürftig lesen kann. Weiß der
Lehrer sich dabei so zu nehmen, daß das
Kind die Lust dazu behalt: so werden vier-
zehn Tage, höchstens drei Wochen dazu hin-
reichend sein. Es versteht sich von selbst,
daß man so viel möglich einsilbige, leicht aus-
zufprechende und einen für das Kind ange-
nehmen Inhalt darbietende Wörter dazu
wählt. Auch wird man nicht vergessen, die
jedesmahl gelernten neuen Buchstaben, zu-
gleich aber auch die alten schon gelernten,
immer wieder in dem vorgedruckten Abeze
aufzusuchen. Endlich muß ich noch rathen,
daß man, je mehr Buchstaben hinzukommen, '
immer weniger auf einmahl lernen lasse,
weil sonst leicht Verwirrungen und Ver-
wechslungen vorfallen könnten. Kennt end-
i o4
<44444 + 1. KU.*
lich das Kind alle Buchstaben, und hat es
sie nun schon alle in einer hinreichenden An-
zahl von Wörtern an der Tafel schreiben und
lesen gelernt: dann eröffne man ihm eine neue
Quelle des Vergnügens; ungefähr auf fol-
gende Weise.
Großvater. Mein lieber fleißiger Karl,
ich wünsche dir Glück!
Karl. Wozu?
Großvater. Du bist am Ziele! Du
hast nun schon so viel schreiben und lesen ge-
lernt, daß du, so oft es nöthig ist, deine
Gedanken sichtbar machen, und die Gedanken
anderer Menschen, die sie aufgeschrieben ha-
ben , verstehen oder lesen kannst. Wie viel
Vergnügen wird dir daraus erwachsen! Nun
kannst du mit deinen abwesenden Freunden
auf hundert Meilen weit sprechen, und sie
können mit dir sprechen; versteht sich durch
die Schreibe - und Lesekunst, die du nunmehr
44444+ 441.++*
glücklich gelernt hast. Nun kannst du auch —
höre einmahl, welch ein Glück! so viele al-
lerliebste kleine Geschichten lesen, als du
nur immer willst; und brauchst nicht erst
Andere zu quälen, daß sie dir etwas er-
zählen sollen, wozu sie nicht immer Zeit,
auch nicht immer Lust haben. An Büchern,
die dergleichen hübsche Geschichten enthalten,
soll es dir nicht fehlen. Hier schenke ich
dir das erste. (Er zeigt ihm dieses Abe-
zebuch.)
Karl, (die Bilder erblickend, und hoch-
erfreut.) Ah! Das ist prächtig!
Großvater. Nicht wahr? Weißt du,
was dieses erste Bild hier (auf das Titel-
kupfer zeigend) vorstellt?
Karl. Nein!
Großvater. Da ist auch ein Vater
oder Großvater, der seinen Kindern das Le-
sen und Schreiben gelehrt hat, wie ich dir.
Auch er schenkt ihnen jetzt das erste Buch,
voll niedlicher Geschichten. Sieh wie die
Kinder vor Freude hüpfen und springen!
Wie sie alle ihre Spielsachen weggewor-
fen haben! , Wie sie in die Höhe sprin-
gen, um das schöne Buch aus der Luft
zu fangen, wohin der Vater es scherzweise
emporhalt! Bald wird er die Hand herun-
tersenken ; dann wird des Jubelns kein Ende
sein. — Aber nun laß uns ein anderes
Bild sehen, wobei eine Art von kleiner
Geschichte, eine Fabel sieht; weißt du,
was eine Fabel ist?
Karl. Das ist so eine Geschichte, wor-
in die Thiere reden.
Großvater. Auch wol leblose Dinge,
z. B. Berge, Flüsse, Steine u. s. w. Kurz,
eine Erdichtung, worin man Thiere und
leblose Dinge, reden und handeln läßt, wie
die Menschen. Dergleichen Erdichtungen sol-
len theils zum Vergnügen, theils auch dazu
dienen, nützliche Lehren einzuflößen. Nun,
siehe her!
Karl. Ah!
Großvater. Da siehst du erstens ei-
nen fleißigen Ackermann, welcher pflügt;*
,)
i o 7
neben ihm einen großen Affen, der sich, gleich
e^nem Zierlinge, ausgeputzt hat. Sieh, der
Narr stellt sich, als wenn ec nicht sehen könn-
te, und halt ein Glas vor die Augen. Viel-
leicht kann er auch wirklich nicht recht mehr
sehen; weil er, bei seiner müßigen und faulen
Lebensart, die Augen wenig gebraucht hat,
um scharf, besonders im Freien und in die
Ferne damit zu sehen. — Nun willst du
wissen, was der Geck mit dem ehrlichen
Bauer spricht; und was ihm dieser ant-
wortet?
Karl. O ja, lieber Großvater!
Großvater. Nun, erst will ich dir dar
Gespräch vorlesen; und du sollst mit einsehen
und Acht geben, ob ich auch recht lese. (Er
liest, und zwar so gut, so natürlich, den
Personen und Sachen so angemessen, als es
ihm nur möglich ist; fügt auch hier und da,
wo es Noth thut, etwas zur Erklärung bei.)
Karl. Ei, das ist eine hübsche Fabel!
Großvater. Nun, so lies du sie auch!
(Karl liest; und Großvater verbessert freund-
i o 8
♦H+»++*H+^
lich, wo es nöthig ist, den Ton. (Am Ende
des Stücks spricht er weiter:) Nun, mein lie-
ber Kurl, das Buch ist dein. Sieh, wie
viele schöne Bilder darin stehen; und dev an-
genehmen Geschichten noch viel mehr! Aber
in die Hände und zur eigenen Verwahrung
kann ich es dir nur dann erst geben, wann
wir, du und ich, alle die Geschichten zusam-
men werden durchgelesen haben. Sonst wür-
de eö zu früh abgenützt werden; und das
wäre doch Schade. Am Ende aber ist es dein;
und du kannst eö dann gebrauchen, so oft du
willst. Wünschest du aber jede Fabel und
jede Geschichte, die wir mit einander lesen
werden, schon jetzt mehrmahls für dich selbst
zu lesen: so kann auch dazu Rath werden.
Ich will dir zeigen, wie man mit der Feder
auf Papier schreibt. Dann will ich dir jede
Fabel, die wir gelesen haben, an die Tafel
schreiben, und du kannst sie dir in ein kleines
Buch von der Tafel abschreiben. So hast du
sie immer bei der Hand und kannst sie lesen,
auch Andern torlesen, so oft du willst. Ich
i 09
will dir dabei helfen. (Der Vorschlag gefiel
dem kleinen Karl. Man schritt sogleich zum
Werke. Die erste Fabel wurde erst an die
Tafel; dann, nach einigen Uebungen im
Schreiben mit der Feder, in ein Buch ge-
schrieben.)
Auf diese Weise fahre man mit dem
Lesen und Schreiben der Fabeln fort, wobei
der Lehrer immer vorangeht. Es braucht
wol nicht erst erinnert zu werden, daß man,
bevor zu einer neuen Fabel geschritten wird,
jedesmahl erst eine der vorhergehenden wieder
lesen muß. Wiederholung verdient auch hier,
wie überall, die Mutter des Lernens genannt
zu werden. Auch wird das wiederholte Lesen
schon bekannter Stücke, weil es immer leich-
ter und besser von Statten geht, dem Kinde
Muth und Vertrauen zu sich selbst einflößen;
und das Lesen jedes neuen Stücks wird um so
viel besser gelingen. Mehr als Eine neue Fa-
bel aber muß an Einem Tage nie gelesen werden.
1 1 o
Wenn das Kind bis zur 14ten Fabel
vom Ochs und O b ch s l e i n im Lesen ge-
kommen ist, und alle die vorhergehenden fer-
tig lesen kann: dann ist es Zeit, die bis jetzt
versteckt gebliebenen willkürlichen Schwierig-
keiten, nach und nach, aber ja nur immer Eine,
auf einmahl, hervortreten zu lassen. Ehe
> man z. B. diese i 4tc Fabel ihm vorliefet und
von ihm selbst lesen lasst, mache man ihm
bekannt, dass das ch (che) zuweilen als ein
k (k'e) gebraucht und ausgesprochen wird,
wie z. B. in ochs, öchslein, Churfürst,
ach sei, christ, chor, Wechsel u. s. w.
Man übt dann jedesmahl das Kind dergleichen
Wörter an der Tafel zu. lesen und selbst zu
schreiben.
Bei der folgenden Fabel vom Papa-
gei und dem Pfau und bei Gelegenheit
des darin vorkommenden Mortes Platz sage
man ihm, dass man für gut gefunden habe,
ausserdem 7. (zc) noch ein iz (teze) einzu-
führen , anzuzeigen, dass man den vorherge-
henden Selbstlaut nicht dehnen, sondern kurz
1 1 !
abstoßen solle, wie z. B. in platz, potz,
schätz, latz, matz, putz, putzen,
ba tzen, pla tzen, nü tzen, gla tze,
katze, htze u. s. w. Eben diesen Zweck,
setzt hinzu, wolle man auch dadurch errei-
chen, daß man den auf einen Selbstlauter
folgenden Mitlauter unnöthiger Weise ver-
doppele, z. B. in stall, Herr, mann,
dumm, denn, stumm, knall, schall,
straff, zinn, komm u. st w.
Die sechszehnte Fabel: D e r Q u a ck sa l -
ber und sein Narr, gibt Veranlassung das
Kind bemerken zu lassen, daß man dem q, un-
geachtet es die Stelle des kw vertritt, über-
> flüssiger Weise ein u anzuhängen pflegt,
wie in quak salbet*. Von hier an wird
nun jede, einmahl überwundene Schwierig-
keit als überwunden vorausgesetzt; weil man
dem verständigen Lehrer zutraut, daß er
jede von ihnen, so wie sie zum ersten mahle
hervortritt, so lange an der Tafel durch
Schreiben besiegen lassen wird, bis sie dem
Kinde völlig bekannt und geläufig gewvr-
*+*+++++h+++
den ist; so auch hier das qu durch die
Wörter quäl, quelle, quälen, quekSil-
ber u. st f.
Indem- man zu der nächstfolgenden Fabel
vom Rennthiere und Reitpferde fort-
schreiten will, mache man es abermahls auf
das doppelte n in Nennthier aufmerksam;
und dann eröffne man ihm, daß man auch
umgekehrt, um einen Selbstlaut zu dehnen,
einen andern, an sich unnöthigen andern
Selbstlaut, der gar nicht mit ausgesprochen
werden solle, hinzufüge, z. 33. zu dem i ein
e, und daß man alsdann das Dehnungszei-
chen (-) weglasse, z. B. in tier (Rentier)
die, wie, viel, hier, ziert, gier, hier,
sie, kies, lies, miene, nie, riem,
stiel, ziel. Zuweilen, setzt hinzu, gebrau-
che man auch das h (he) dazu, oder wende
gar beide Buchstaben, das e und das h zu-
gleich, statt des Dehnungszeichens, an; z. B.
mehr, dehnt, führt, geht, seht,
zahn, thier, sieh, wiehrt, zieht. Bei
einigen Wörtern, z. B. bei schon, legt,
i i 3
4 4+•»+++*(.*+*
pferd, dir, wer, hoch, sagt u. s. w.
habe man beliebt, gar kein Dehnungszeichen
anzuwenden. — Diese Unregelmäßigkeiten,
die wir nun einmahl nicht abstellen können,
erfodern viele und lange Uebungen an der
Tafel.
Zn der folgenden Fabel von der Spin-
ne und dem Seiden wurm kömmt zum
ersten mahl das ck (in den Wörtern mücke
und bestricken vor. Man sage also dem
Kinde, daß man sich dieses Zeichens, statt des
kk, zu bedienen pflege, und übe es durch
folgende Wörter: dick, strick, stück,
ba cken, de cke, si cke, fa ekeln,
ga ckern, pa cken, qua cken, queck-
sil ber, we cken, zweck, zwi cken
u. s. w.
Die nächstfolgende Fabel gibt Veranlas-
sung, dem Kinde bekannt zu machen, daß
man auch, um die Selbstlaute a, e, o zu
dehnen, in einigen Wörtern die Zeichen der-
selben doppelt setze, aber sie beim Lesen doch
nur Einmahl, und zwar gedehnt angebe;
8
11 4
Mi»K1 M ►■!»»
r. B. in schaaf, saal, beere, beer, leer,
meer, seele, boot, moor, n. f. w.
Bei der zwanzigsten Fabel: der Uh.u
und die andern Vögel, eröffnet man
dem Kinde, daß man unnöthrger Weise für
den Laut se zwei Zeichen eingeführt habe,
da es doch an Einem genug gewesen wäre,
nämlich außer dem 5 auch noch das v> Zur
Uebung an der Tafel dienen veit, vogel,
vettel, vier, vater, gevalter, vogt,
Valentin, veilchen, verachten, ver-
kaufen u. s. w.
Das den Lateinern unnöthiger Weife
abgeborgte c, so wie die den Griechen ent-
wandten ph und y, lasse ich mit gutem Be-
dachte vor der Hand ganz weg, weil es keine
Deutsche Buchstaben sind, weil wir ihrer
füglich entbehren können, und weil sehr ver-
nünftige und einsichtsvolle Männer schon
lange angefangen haben, sich dieser fremden
Buchstaben gar nicht mehr zu bedienen. Wann
die Kinder erst fertig lesen können, dann mag
man sie mit diesen hochgelehrten, uns aber
i i 5
«•H-’M*-'«*****
ganz überflüssigen Buchstaben auch bekannt
machen. Sie müssen ja an Ende auch
wissen, was für unnütze Zeichen man' uns
aufgebürdet hat.
Indem man das Kind diese willkürli-
chen Schwierigkeiten überwinden laßt, kann
man nach und nach auch anfangen, es zur
Abwechslung im Buchstabeln zu üben. Die
dazu nöthigen Tafeln folgen weiter unten;
anfangs mit Lateinischer, weiter hin mit
Deutscher Schrift.
Mit der 2 2sten Fabel tritt die gewöhn-
liche sogenannte Rechtschreibung meist ganz
ein (nur daß die großen Anfangsbuchstaben
noch fehlen); und die bis dahin getrennten
Silben werden allmählich zu ganzen Wörtern
zusammengerückt.
Am En'de der letzten Fabel macht man
das Kind mit dem großen Lateinischen Abeze
bekannt, welches in den nächstfolgenden bei-
den Lesestücken denn auch schon vorkömmt.
Nach diesen Stücken tritt das kleine
Deutsche Abeze ein, und in gehöriger Ent-
/
i i 6
4 4'M++
fernung von ihm, das große. Ueber jeder
kleinen Erzählung, die von da an zur Ue-
bung im Lesen, und zwar in Deutscher Schrift,
dienen sollen, fteht ihre Zahl. Daran fan-
gen die Kinder an Ziffern kennen zu lernen.
Am Ende der Erzählungen stehen die Ziffern,
sowol die Deutschen, als auch die Römischen,
vollständig. Daselbst wird man auch die
Unterscheidungszeichen und was sonst noch
zum vollkommenen Lesen gehört zum Gebrauch
des Lehrers finden.
>
.: > i i O. ..
Bilder - Abeze
i n
Drei und zwanzig Fabeln
zur ersten
Uebung im Lesen»
i
"*■ •
■ ■ . ' " -J:: : Ir
o? rf A r z
il m $ ' \ n K c ■"$ *jf
V
der ak ker man und der
as fe.
ak ker man.
wasgafst du, as fe, so michan?
as fe.
gelt, sreund, du bift ein batt-
ers man?
ak ker man. >
zu dinen; und wer bift den
du?
as fe.
ein as und fuser her da zu.
I 2 Ä
44+444+*l-M**
ak ker man.
ist eins so lang wis an dre
breit;
habt in der ftat wol fest tag
heut?
affe.
für affen und für feine leut
get jeder tag wi seit tag hin.
ak ker man.
gut gut, das idh ein bau er
bin!
1 2 I
4 »mtm* h»
dër bâr und di binen.
bâr.
bolla, ir binen, brunit der
bâr,
gleieb gebt mir eu ren bo-
ni A ber;
sonft werd iob euek und korb
dazu fer zë ren!
ei ne bi ne.
-yvi a ber, ftrenger ber, wen
wir uns wëren?
bâr.
eueb wë ren, jiing fer cberi?
ir fpâft wol, wi es febeint?
«M*4++ + M*+*V
bi ne.
di unfehuld, her, ift stärker
als ir meint:.
bär.
ift ftärker? ha! ha! ha! des
müs ich lachen.
werd gleich dem ding ein
ende machen.
drob ftrekt er fei ne tat sen
ans,
wil schön beginnen seinen
schmaus;
allein di un schuld wird ge-
rn ehen,
das un tlr jäm mer lieh zer-
fto eben.
ài i ftel und àio e.
àio e.
o, liber bru der, bleib doà
liir !
ià febenk auà meine pup-
pe dir.
àri ftel.
häb dank, du gutes sebwes-
ter àen!
di giok ko ru5t, müs in di
febrile gën.
oblo e. .
aà was wilft in der febu le
ma oben?
1 24
4 + >(•(•*■!»♦
ekri £tel.
da lern ieh lau ter fehö ne
ia c-ken
und werd ein gutes from-
mes kind.
eklo e.
wil mit dir gen, ge sek wind,
ge seh-wind!
der du del sak und di
doi\ ner wol ke.
Iran sekwe fter, sprach der
du del sak
zür don ner wölke, nur ge-
mei nes pak
find gegen uns, wo wir uns
zei gen,
di llö ten, lau ten, har len,
gei gen.
drum maeh ieh miek mit
inen niekt gemein,
und wil hin fort bei mei nen
me lo dein
be glei tet nur fon dir al lein,
und niekt Ion je nen stüm-
pern fein.
don ner wol ke.
fremici du del sak, iek ra te
• niekt ; #
wer siek zu köek ser steigt,
den kals leiekt briekt.
doek weil er iiek den so ge-
wal tig iult,
so seis darum; nur auf ge-
spllt!
drauf kirnten beide an; der
dum me sak
sein du dii dum und du dii
dei,
wi srosek ge quäk und kat-
sen sek rei ;
di wolk ir ra - ra - ra - ra-
rak!
der blizsträl sekos; zeriekmet-
tert lag der du del sak.
i *
"M4-+*M-+frfrfrfrfr
sol sein ge iebik dieb niebt
. be seblei oben,
so hai te dieb zu doi nes
. glei oben.
I 2 8
4+♦<■**
di eu le und der e sei.
eu le.
li! set mir doeht das grobe
tir!
wls feblept und keicht! da
löb ieb mir
doek m^i ne klü gre ärt zu
le ben!
e fei.
möekt kei neu pilf ser ling
drum ge ben!
eule.
möefetft nieht ? das inaebt,
du dummes si,
1 2Y
dein gi o bes hirn em pfand
noefe ni
des e dein inüs feg gangs be-
im gen;
haft niefets gelernt als säkke
tra gen,
und weift nur niefet, wi süs
es tüt,
zu trin ken klei ner so gel
blüt
und liefe mit I rem fleifefe zu
la ben;
haft kein ge hirn, nur e lels-
ga ben!
e fei.
weis wol; mag auefe kein' an-
dre ha ben;
feiten a ber an-eh das ta ges-
liefet,
9
44+-! 4+-M-ti
wis höeb be gab te ewl eben,
niebt;
se jedem frei ins an ge siebt;
werd mir be laebt fon nar-
ren und fon kna ben.
des bin ieb frö; und — ffebö-
nen dank für eure gaben!
—
L—------------——__—-—, ------
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dër suks und das sie der
mätts elien.
suks.
hab ni mein le be lang ge sën
ein Ile der mäus eben, das so
wun der schön,
als du, mein sü ses püpehen,
wä re!
o ko in herab! ich müs dich
nä her sën.
lié der rniins eben.
gewis, her suks, ii tun mir
fer ( il e re.
aeb wens mir ernst, nicht
fallest heit wä re !
I zL
♦•W-+•»•*■-W-****
fuks.
wi ? falfeh heit?
Ile der maus ehen.
ja, di mutter
fprieht:
trau, li bes kind, den sehmeieh-
lern nieht,
di lauter glatte worte sagen;
ir herz ist salfeh, und meint
es niekt.
fuks.
o si mir nur ins angefleht!
ieh bin gewis kein lol eher
bö ie wieht.
kom, libehen, kom!
Ile der maus ehen.
nun dis-
mäl wil iehs wagen;
der mutter wirds ja nimand
wi der sa gen.
da käm si aus der lust her ab
zum fal sehen suks, und fand
ir grab
in fei nem magen.
r 34
•4"4444-M»M4»*
di geis und das gei seisin.
kind, spraek di al te mutter
geis,
aek, li bes kind, ge ni-ekt
aufs eis;
du kon left hals und bei ne
breeken! #
gei fe lein.
wi kdnt ir doek so albern
spre eken?
bin alt ge niig, werd’ fekon
be hut fain iein;
man ift jezL klii ger als for
zei ten.
-it
geis.
nün, nun, là wil niekt mit
dîr ft rei ten.
fo gë den, libes geiselein!
es ging, und fil, und bräek
ein bein.
++4-4 4+ ++*+**
dër ha bieht und dër hân.
ha bieht.
flî, bru der hân, gesehwind,
ge sehwind!
dër jâ ger kômt ; las weib
und kind
iieh dort in moi nem neft
ver ftek ken;
sonft iehift ër eueh — das
got genôt! —
mit 1er ner llin te mau se tôt.
hân.
ei ei, das ift ja zum er-
lehrek ken !
und doeh, i reund ha biëht,
bleib là liîr.
■
i 5 7
ha biekt.
dan we den dei ni gen und
dir!
ieh meint es güt —
hän.
— mit deinem
magen!
hört oftmals kluge lew te
sagen:
der hö len freund li ehes be-
tra gen ,
sei ärger noeh als Ire wüt.
aueh weis ieh nieht wls
füreh ten tut;
den im Ieh nid — merks! —
hat immer guten müt;
ift immer ruhig, zittert ni.
a de, her ha bieht, kikriki!
i 38
44*4*4"f+*+*ii
der jaelithund und der
il tis.
jaelit hund.
ha, tau ben wür ger, hab ieh
diel*?
il tis.
o we ! las ab ! fer ieko ne
mieh!
jaelit hund.
iefi der ner seho nen, al ter
iün der?
und fefion teft selbst der ar-
men täub elien nielit?
il tis.
aefe übe ke4n so ftreng ge-
riefet !
bedenk, iefe habe weib und
kinder.
jaefet hnnd.
di tan ber auefe; doefe würgft
du li!
il tis.
aefe, gnäd ger hund, ià fül-
le ni
wis beissen tût; o wë! au,
au !
jaefet hund.
so sül es jezt und stirb! hau,
i 4 o
der ka ter und das ka
ter àen.
es wär ein mal ein klei ner
ka ter,
der gnur te täglieb fer;
da fpräeh zu im fein alter
i a t er :
kom, söneben, einmal lier!
und als das fön eben zu im
käm,
der fa ter einen maul korb
näm,
und ftekt im näf und maul
hin ein,
auf das er lernte freund lieb
fein,
und gnur te künf tig niekt
so ser.
da ging er ser be trübt ein-
her,
und gnur te ser ner gär nieht
liier.
ein jeder merke sidh di 1er;
sonft körnt des kiei nen ka-
ters fa ter,
und tut Im wi dem kiei nen
ka ter.
'►»»>»»»!»> »M»
der lö we und das lam.
,
lö we.
lam, wer dieft, oder ftirb!
. | • find
lam.
adh, ieb
mieb we ren?
mir gab ja — wi du weift —
di Aval ten de na tür,
niefet waffen, gab mir un-
Mmld nur.
lo we.
an deine unseftuld werd leb
- mieft nieftt keren.
- 143
*.**».4'***4»4'4»
lam
tu was du wilft ; là kans
nieltt wë reu.
' nür lei den kan là from
und ftil,
wen un sefmld inieh niât
Mriit len wik
lö we.
gefällt mir, lam, mit deinem
frommen müi*
wer ftil 1er un feftuld lei des
tüt,
in dessen adern flift für wär
» kein edles blüt.
gë, frommes lam, und blei-
be fer ner gut!
i 5 4
der mops und der mönd.
es wär ein mal ein dik ker
fet ter mops;
der ging, wi mopse gen, auf
al len si ren
bei hellem mönd lekein einft
spa zi ren.
da käm ein gra ben in di
qer; und hops!
sprang euefe der dik ke fet te
mops —
hinüber, meint Ir? — nein!
er sprang zu kurz, und fil
hin ein,
von we gen sei ner lohne ren
mal se.
und als er endlieh der ge far,
da zu er sau fen lë dig wär,
so ftelt er dà reeht mitten
auf die gaffe,
und fängt en à da ein feti ei-
ten an,
das man fein eigen wort da-
für niât hö ren kan.
es fol te a ber di fes segel-
ten —
wen meint Ir wol? — dem
mön de gel ten;
und der hat im doà niàts
ge tän.
ër señalt in a ber bä ren han-
ter!
oks, e fei, sehlin gel! und so
wei ter.
dër mönd — niât wär, dër
sehalt doeh wi der? —
i 4 6
W»>
o nein! sä läehelnd auf den
mops herni der,
und für, als gings in gär
nieht nn,
luftwandelnd fort auf seiner
him mels bän;
und wird feit dem, wi jeder-
man bekant,
doeh im mer mönd, ni oks,
ge nant.
=Ä
+***!•+
das na se hörn und der
fehwar ze kna de.
kna de.
fi, ungeftaltes tir! was haft
du da
für ei ne na se?
na se hörn.
wi? meiiift et-
wa mieh?
kna de.
nun jä;
dieh mein ieh, fehä me clieh!
na se hörn,
war um?
kna be.
ob deiner naie; fi! di ift jâ
wie ein türm.
na se horn.
und dei ne, klei ner sehwar-
zer man?
kom h in diesem baefe ërft
selbst dieh an!
kna be.
mià selbst? die na se, di
mieh zïrt,
ift plat und breit, wi siehs
ge bürt;
man hat lie eingedrükt.
na fe horn.
und dioft
da dur eh ferzirt!
ioh bin, wi dër, dër mieh
ge maebt hat, wol Le,
das ioh ge ftal tet sein und
blei ben sol te.
dër sezt’ an eh dises horn hir
ans die na se mir,
um al len na se wei sen leu-
ten
des spot tes un reeht zu be-
deu ten ;
sprieh, bursehe, wi ge sal
ieh dir?
kna be.
o liber her, ii iind das aller-
sefeôn lie tir!
na se horn.
und du dër gros te gek ; gë,
pakke dieh son hîr!
der oeks und das öeks-
lein.
öeks lein.
ask, wär iek doek erft auek
so gross,
wie du, papa, und hätte sol-
che hör ner!
oeks.
und dan?
öeks lein.
ris iek miek von
der krippe lös,
o
und II f aufs frei e seid und
speiste halm und körner.
oebs.
o bil de dir mein fön, kein
folebes leben ein!
du wiin feheft, traun! wi ieb,
einft wi der kalb zu fein,
den bift du grös, so wird
auf deinen nakken
ein febwe res joeb ge legt;
man spant dieb morgens irü
för deinen pflüg, und fcbreit
in ei nein fort: oebs zi!
das körn, das du ge winft, das
wird zu bröt gebakken;
dieb a ber spei Jet man mit
ftrö und prügeln ab;
und haft du aus ge dint, so
sebenkt man dir ein grab,
1 5 2
zum lön für sau re mit, in
dei nes her ren ma gen.
o freu diesi dei nes glides in
dei nen jun gen ta gen!
der psau und der pa
pa gei.
ein psau und papagei, di
mir den neu lieb
zu markt gebraebt. das päp-
-eben wär nur grau
Fon fé dem, sebleeb t und reebt ;
al lein in grün und blau
und gold gekleidet ging der
psau,
und brìi be te Uà gräu lieh,
platz, làri ër, du gemeines
li!
platz, platz für mei nen
febweif! was willst du hi,
du a del lo ser, un ter tiren,
cli federbufeh und schleppe
zi ren ?
gib acht, bald fürt man mich
in einen goldnen säl,
soll sü ser herrn und fehö ner
da inen, .
und dich? — zum pö bei in
den stall!
indem er noch so sprach, da
kä men
als käu ser lehön di her ren
und di da men,
er forsch ten bei der wert$
und als ft da fernamen,
wi schön und dumm der pfäu,
wi klug das päpehen fei:
da kauf ten fi zwar al le
bei de,
doch zum fer trau ten nur den
grau en pa pa gei,
den bnn ten pfau zur kur-
zen au gen wei de.
seit dessen wönt in ei nem
goldnen säl
das päpehen, und der pfau?
— beim pö bei in dem Kall.
der quak falber und sein
narr.
quak falber.
fprfeit, narr, wer ift allhir
der gröfte tör,
du? jene? oder iek?
narr.
ir get na tiir lieh eu rein nar-
ren för;
doeh jene übertreffen eueli
und mieht.
quak sal ber.
wi das?
i
I
narr.
weil li — di dreimal
blinden blinden!
ineueh, dem dumm ftengaueh,
ferstand und Weisheit linden.
r
i f>ri
das renn thier und das
reit p-ferd.
reit pferd.
die klu gen men sehen aeh-
ten dreh
doeh lan ge nieht so hoek
als mieh.
renn thier.
wer sagt dir das?
reit pferd.
iefe seh es ja;
wie nakt und dürftig laulh
du da!
dieh ziert kein bun ter zäum,
kein silbernes ge biss;
mieh eh ren sie, nieut dieh,
das ift ge wiss.
i 59
renn thier.
o thor, du rühm ft diefe dei-
ner feftan de!
reit pferd.
wie so?
renn thier.
weils an ferftande
und gu tem wil len dir ge-
brieft t,
io legt man dir ge biss und
zü gel an;
mir nieftt, weil man auf mieft
lieft fbfton ferlassen bann.
dieft zwingt man, deine
pflieftten zu erfüllen;
iefe thu e, was ieft soll, aus
frei en wil len.
fprieft, wen fon bei den aeft-
tet man?
l 6 o
die spin ne und der
sei den wurm.
spin ne.
ieh spinne, naehbarin, siel
seiner doek als du!
fei den wurm.
kann sein; du spinnst sehr
gut5 allein wozu?
spin ne.
ieh spinne mir ein netz, und
breit’ es künftlieh aus;
da kommen dann die Hingen
und die mucken,
und lassen sieh da rin be~
ftri cken,
<»4-H ++++M-M«
und ieb hab’ einen könig-
li eben febmaus.
fei den wurm.
die kunft will ieb dir niebt
be nei den!
spinn immerhin so künftlieb
und so fein;
ieb lern te niebt so bei, doeh
lernt ieb nütz lieb lein,
und spann noeb nie zu an-
drer lei den.
geb, geh! ieb kann dieb
niebt beneiden.
das seh wein und das
fefe aas.
sehwein.
komm, wälvze dieh mit mir
in koth!
sehaaf.
ieh danke sehön; es thut
nieht noth.
sehwein.
biß eitel, sehaaf; willß zier-
lieh nur,
und sehen gekräuselt sein;
hase für natur
und ed le frei heit kei nen
sinn.
V
. 63
«■»+«+«
fehaaf.
für koth und pfützen, meinft
du? immerhin!
r» ieh liebe frei heit und natur,
im ko the nieht, auf -wiesen
nur.
sehv/ein.
ei seilt mir doeh, die wol-
len träge rinn *
will klü ger sein als un ser
ei ner!
weis jungfer fehaaf denn,
wer ieh bin?
s fehaaf.
so wie du bist ser kennt dieh
' kei ner.
* 64
M*»+»
der trut liahn und die
tur tel taube.
trut halin.
so hör doeh endlich ein-
mahl aus zu klagen;
dein gatte lebt dafon ja
doeh nieht wieder aus!
tur tel tau be.
aeh! lies ieh nieht den seuf-
zern frei en lauf,
so würde stumme quaal mein
armes herz zernagen.
trut bahn.
ma dam, — sie werden mir
ierzeihn —
1
i
»HW ►>»♦»»
das girren, äehzen, jam-
mern , kla gen
fteht wei sen leu ten gar
nieht sein;
man mus ge fetzt,, mus im-
mer ruhig sein.
tur tel tau he.
aeh, kenn teft du die grosse
mei ner nein —
allein was ist dir denn? ent-
färbft dreh ja!
trat hahn.
ieh möehte rasend wer den!
siehst du da
den keil im blau en rock mit
ro them un ter sut ter ?
fer wünseh te sar be! lut ter!
lut ter! lut ter!
*4*444-++»++*
der u hu und die andern
vö geh
u hu.
grausame, quält mieh län-
ger nieht!
ihr seht, ieh lie ge ja in
ban den.
ein yogel.
gut, das wir dieh, du bö fe-
wieht,
dieh, un fern erb feind, hier
gefesselt fanden!
zur raehe, bru der; beist und
kratzt,
und hört nieht, was der bu-
be fehwatzt!
4 4++++>+*++«•
u hu.
ach, mit leid ist des Hegers
sehönfte zierde;
man sehadet,glaubet mir, sieh
selbft durch raclibegierde.
ein vogel.
zur rache, brüder! beift und
kratzt,
und hört nicht, was der bu-
be seh walzt!
drauf ftiirz ten sie gar wü-
thig auf ihn los,
und hörten nicht des armen
bit te.
der jäger fah’s aus seiner
nahen hüt te,
und plötzlich brannt’ er los;
i 68
und knall und sali war eine
saehe.
in sei nem blu te lag das
heer
der vö gel um den u hu her,
ein op fer ihrer wil den,
ra ehe!
•r
i 6 9
der widehopf und das
Windspiel.
Wiedehopf.
du ! gleicht mir nicht das
bunte wesen da,
das so im seder schmuck ein-
herstolzt und lieh blähet?
Windspiel.
und kömmt nicht auch das
andre thierchen da,
das neben ihm sich krümmt
und drehet,
mir selber- fast an wuchs und
feinen litten nah?
Wiedehopf.
man mus gestehn, die menschen
treibens wirklich weit;
t
170
««««»« »«-»»»»
■'** und werden, gelits so fort, an
Zierlichkeit
noch endlich unser einem
völlig gleichen.
Windspiel.
doch sicherlich von aussen
nur;
am innern werden sie uns
immer weichen;
denn mach werk ist ihr thun,
das xmirige natur!
s
i
<<H 'l'l'l *•>»»»»
der Zaunkönig.
es wollten einst die vögelein
beherrscht von einem könig
sein,
and laden alle gros und klein
zum königlichen wett dag ein;
und alle schwangen lieh em-
pör ; * '
doch allen thats der adler vor.
schon huldigt’ ihm der vögel
' chor;
als plötzlich unter ihm hervor
der allerkleinste vogel llog,
und ihn ums königthum be-
trog.
es hatte nämlich dieser kleine
euch zwischen seine grosen
bei ne, .
von ihm und allen unentdeckt,
bis dahin listig sich versteckt;
und flog gar kecklich jetzt
hervor;
thats sonder müh dem adler vor,
und woll te selbst nun köni g sein,
er wards; allein zu seiner
schände.
denn alle vögel, gros und klein,
verhöhnten ihn im ganzen
lande.
wohin er flog, da flog die
sch mach
dem kleinen könig spottend
nach.
da fühlte seine majestät,
wie schlecht erlogne würde
steht;
und wohnt seitdem, um vor
der spötter necken
geschützt zu sein, in zäunen
und in hecken.
173
Erste Silbentafel
zur
Uebung im Buchstabe! n.
l. Silben, die mit einem Selbst-
lauter anfangen, und mit ei-
nem Mitlauter endigen.
ab eb ib ob ub
ach ech ich och uch
ad ed id od ud
af es if of uf
ag eg og ug
ak ek ik ok uk
al el il ol nl
am em im om um
an en in on Ull
<o i 74
•M-Í ++-M»
ap ep }V °p up
ar êt- IT or ur
as es is OS US .
asch esch i sch osch usch
äst est ist ost ust
at et it ot ut
az ez iz . oz uz
atz elz itz olz utz
äb üb üb
äch öch üch '
aci öd üd
äs öf üf
äg ög üg
äk öl ük
äl öl ül
äm öm üm
än ön ün
äp öp üp
är ör ür • - •
äs ÖS üs
i 7 5
äscli ösch lisch
¿ist äst üst
iit öt üt
¿iz öz üz
ätz ötz ütz
2. Silben, d i e mit einem Mitlau -
fei- anfangen, u n d m i t einem
S e l b st l a u t e r endigen.
ba he bi bo bu
cha che chi cho chu
ela de di do v du
sa fe fi so su
ga ge gi go gu
ha he hi ho hu
ja }G i° r
ka ke ki ko hu
la le li Io lu
ma me mi mo mu
na ne ni no nu
i 7 6
*4+++f+++++►
P'r Pe V\ p? pu
psa pfe pii pfb plu
qua que qui quo quu
ra re ri ro ru
sa se si so SU
scha sehe sclii scho schu
sta ste sti sto stu
ta te ti to tu
wa we wi wo wu
za ze zi zo zu
5. Silben, d i e mit einem Dop-
pellauter anfangen, und mit
einem Mitlauter endigen.
eib eub aub äub
eich euch auch auch
eik euk auk äuk
eil eul aul äul
eim eum aum äuin
ein eun aun äun
i 77
eip eu p au p äup
eir eur aur äur
ens eus aus - aus
eit eut aut aut
eiz eu z auz äuz
4, Silben, d i e mit einem Mitlau -
ter anfangen, , U 11 d mit eine m
Doppellauter endigen.
bei beu bau bau
ch ei cheti thau chau
dei deu dau däu
fei feu fau fäu
pi geu gau gäu
hei heu hau hau
jei jeu j au iäu
kei keu kau käu
lei leu lau lau 4
mei meu man mau
nel neu nau näu
« 7 ii
pei peu pau pau
rei reu rau räu
sei seu sau säu
schei scheu schau schau
stei teu stau stäu
vei veu vau väu
wei weu wau wäu
xei xeu xau xäu
zei zeu zau zäu
5. Si lben, d i e v o r n und hinten
einen M i t l a u t e r und i n der
Mitte einen Selb'stlauter ha-
ben.
b ab beb bib bob bub
bad bed bid bod bud
bas bes bis bof buk
bag beg big bog bug
bak bek bik bok buk
bal bei bil bol bul
i
bam bem bim bom bum
ban ben bin bon bun
bap bep Tdp bop bup
bar ber bir bor bur
bas bes bis bos bus
basch besch bisch bosehbusch
bast best bist bost bust
bav bev biv bov buv
bax box bix box bux
baz bez biz boz buz
balz betz bitz bolz butz
dab deb dib dob dub
fach lech iich loch such
gad ged gid god gud
liat lies hi 1 liof hut
jak kal jek kel jik kil iok kol juk kul
lam lem lim lorn him
man men min mon mun
nap nep nip nop nup
i 8o
++++-M-+ +«. »•
par perr pir por pur
quar quer quir quor quur
rasch resch risch rosch rusch
sat set sit sot sut
stal stel Stil stoi st ul
schaf schef schif schof schuf
tak tek tik tok tuk
wap wep wip wop wup
zar zer zir zor zur
/
Das große Lateinische Abeze.
A B (C) D E
a b (c) (1 e
GH I KL
g h i k 1
N O P Q R S
n o p q r (f) 8
T U V W X Z
t U V W X z.
Wenn die Kinder dieses große Abeze ken-
nen und es schreiben gelernt haben: so wer-
den zur ferneren Uebung die nächstfolgenden
Stücke gelesen. Mit den Uebungen im Le-
sen halten die im Schreiben ferner Schritt.,
B
Leseübungen
i n
Lateinischer Schrift
mit Anwendung
der großen Anfangsbuchstaben.
Lin Mittel auf hundert Meilen weit mit
k.
seinen Freunden zu sprechen.
August und Christel waren im-
mer sehr gute Freunde gewesen.
Einer konnte ohne den Andern
gar nicht leben; so lieb hatten sie
sich!
Dass sie sich einmahl würden
i 8 3
trennen müssen, o daran konnten
sie gar nicht denken, ohne dass ih-
nen die Thränen in die Augen
traten.
Und doch war jetzt die Zeit
gekommen, dass es geschehen sollte.
Antons Vater musste seinen
Wohnort verändern, und mit seiner
Familie nach einer Stadt ziehen, die
■wol hundert Meilen weit entfernt
war.
Alle Anstalten zur Abreise wa-
ren gemacht; die beiden jungen
Freunde zerflossen in Thränen.
Man suchte sie zu trösten.
Ach, sagte August, wenn ich
nur jede Woche einmahl mit ihm
reden könnte, so wollte ich mich
gern zufrieden geben!
Ach, seufzte Christel, wenn
ich nur jede Woche einmahl hören
könnte, dass mein August gesund
sei; so wollte ich getrost abreisen!
Ihr müsst euch, sagte Augusts
Vater, ein Sprachrohr anschaffen,
um in der Ferne mit einander re-
den zu können.
Ach, hat man denn ein solches
Sprachrohr, riefen Beide, wodurch
man hundert Meilen weit sprechen
kann ?
Bis jetzt noch nicht, antwortete
der Vater; aber ihr müsst versuchen,
ob ihr nicht selbst eins von der
Art erfinden könnt.
August und Christel schlu-
gen die Augen nieder, und fingen
von neuen an zu weinen,
Hört, Kinder, sagte darauf der
Vater, es bedarf keiner solchen Er-
findung; es ist schon längst ein si-
cheres Mittel bekannt; wodurch ihr
abwesend ganz vernehmlich mit ein-
ander reden könnt.
Wenn ihr Eust habt, so wollen
wir euch das Mittel lehren.
, 35 .
O thue es, thue es doch! pefen
die beiden Knaben, indem sie sich
schmeichelnd ihm an die Arme
hingen.
Ihr habt von diesem Mittel schon
gehört, fuhr der Vater fort; es ist
die schöne Kunst zu schreiben
und zu lesen*
Sobald ihr diese gelernt habt,
könnt ihr alle eure Gedanken auf
Papier heften, und sie euch einan-
der alle Wochen durch die Post
zuschicken.
Dann wisst ihr eben so gut, als
wenn ihr euch einander gesprochen
hattet, was jeder von euch gedacht
hat und wie er sich befindet.
Sollen wir diese herrliche Kunst
euch lehren?
O ja! O ja! riefen die Knaben,
und die beiden guten Väter schrit-
ten sogleich zum Werke.
Kaum mochten vier Wochen
i 86
darüber verstrichen sein, als die hoch-
erfreuten Knaben sich schon im
Stande sahn, einen kleinen Brief zu
schreiben und einen geschriebenen
Brief nolhdürftig zu lesen.
Und nun wurde der Abschied
ihnen nicht halb so schwer; denn,
sagten sie, wir können ja nun auch
abwesend mit einander reden!
S p r i c hw orte r.
Ä)enn verständige Lehrer die folgenden
Sprichwörter, nicht bloß als einen Lesestoff
gebrauchen, sondern vielmehr sie ^vorher erst
wie ich wünsche, zu Begriffsentwickelungen
durch zweckmäßige Fragen nstcfy Sokratischer
Lehrart benützen: so werden ihre Schüler recht
großen Vortheil daraus ziehen. Sie enthal-
ten nämlich Schatze von Lebensweisheit durch
den schlichten gesunden Menschenverstand aus
lauter Erfahrungen geschöpft; und diese Art von
Weisheit ist unter allen die faßlichste, die
anwendbarste und die sicherste zugleich. Ich
rathe daher, täglich eins oder zwei davon
(mehr würde Ueberladung sein) an die Tafel
zu schreiben, und sich mit den.Kindern in
eine Unterredung darüber einzulassen, um ih-
nen den wahren und vollständigen Sinn ei-
nes jeden abzufragen, und sie selbst bestimmte
■»4+ 4++*+ *<*+«•
Falle in ihrem eigenen Wirk- und Lebenskreise
finden zu lassen, wobei die in dem Sprich-
worts enthaltene Lehre angewandt werden
kann. Jedem Lehrer von mittelmäßigen Fä-
higkeiten und Kenntnissen kann es auch nicht
schwer fallen, kleine beschichten, theils aufzu-
finden, theils zu dichten, wodurch es den
Kindern anschaulich gemacht wird, wie die
Befolgung jener Weisheitsregeln ihre natür-
liche Belohnung, die Nichtbefolgung derselben
ihre natürliche Strafe mit sich führt. Nur
dann erst, wann man diesen höheren Nutzen
daraus gezogen hat, wende man sie zur
Lese- und Schreibeübung an.
Jung gewohnt, alt gethan.
Was Hänschen nicht lernt, wird Hans
nicht wissen.
Morgenstunde hat Gold im Munde.
Müssiggang ist der Laster Anfang.
Den Vogel kennt man an seinen Fe-
dern.
i
4+++.H-++■!•+:«*
Thue nichts 'Roses, so widerfahrt
dir nichts Böse..
Ein Wort, ein Wort; ein Mann, ein
Mann.
Ehrlich wahrt am längsten.
Uebermuth thut niemahls gut.
Vorgethan und nachbedacht
Hat Manchen in gross Leid gebracht.
Eigenlob stinket.
Lugen haben kurze Beine.
Wie die Saat, so die Ernte.
Hochmuth kömmt vor dem Fall.
Friede ernährt, Unfriede verzehrt.
Wer Andern Gruben gräbt, fällt
selbst hinein.
Unrecht Gut gedeiet nicht.
Frisch gewagt ist halb gewonnen.
Aller Anfang ist schwer.
Fliege nicht, ehe dir Federn ge-
wachsen sind.
Das Ei will klüger sein, als die
Henne.
Gleich und gleich gesellt sich gern.
i 9 0
♦•f+m+W'Hv
Hunger ist der beste Koch.
Wer Pech angreift, besudelt sich.
Kurzwelle will verstanden sein.
Borgen macht Sorgen.
Junge Schlemmer, alte Bettler.
Kunst erwirbt Brot und Gunst.
Hüte dich vor der That, der Lügen
wird wol Bath.
Nicht mehr thun, ist die beste Busse.
Einem Narren und einem Trunke-
nen muss man mit einem Fuder
Heu aus dem Wege fahren.
Wer leicht glaubt^ wird leicht be-
trogen.
Was du thust, da gehe frisch daran.
Massigkeit bewahrt vor Krankheit.
Kömmt Zeit, kömmt Bath.
Es ist nicht alles Gold, was glanzt.
Wer einmahl gelogen hat, dem glaubt
man sehen wieder.
Geduld überwindet alles. 4
Nach gethaner Arbeit ist gut ruhn.
Böse Beispiele verderben gute Sitten.
1 9 1
4-HM •»+•►»•«•+*♦
Wie man in den .Wald, ruft, so be-
kömmt man Antwort.
Eine Hand wäscht die andere.
Strecke dich nach der Decke.
Wer viel redet, redet selten viel
Gutes.
Ein gutes Kind ist des Vaters Ehre
und der Mutter Freude.
Eile mit Weile.
Rom ist in Einem Tage nicht gebaut.
Wer Schulden bezahlt, bessert sein
Gut*
Wer hoch steigt, fällt tief.
Treue Hand geht durchs ganze Hand.
An Gottes Segen, ist alles gelegen.
Trunken gestohlen, nüchtern gehan-
gen.
Wodurch jemand sündiget, dadurch
wird er bestraft.
Ein Narr kann mehr fragen, als zehn
Weise beantworten können.
Des Herrn Auge macht die Pferde
fett*
i 9 2
+444-W- *++**♦
XViclitige Rechnung erhält Freund-
schaft.
Wer seihst einen Balken im Auge
hat, muss dem Andern keinen
Splitter ausziehen wollen.
Was du willst, dass dir die Leute
thun sollen, das thue du ihnen
auch.
Einem fliehenden Feinde muss man
goldne Brücken bauen.
Ende gut, alles gut.
Was heute geschehen muss, verschie-
be nicht auf morgen.
Einem jeden das Seinige.
Unglück ist immer zu etwas gut.
Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Nach dem Regen scheint die Sonne.
Die kürzesten Thorheiten sind die
besten.
Alles zu seiner Zeit.
Allmosen geben armet nicht.
Alte Freunde sind die besten.
Neuer Freund, neuer Wein.
i g 3
Besser arm mit Ehren, als reich mit
Schande.
Was bald wird, vergehet bald,
Im Becher ertrinken mehr, als im
Meere.
Ein Sparling in der Hand ist besser,
als ein Storch auf dem Dache.
Erst wage, dann wage.
Ehre, Augen und Gewissen leiden
keinen Scherz.
Man muss das Eisen schmieden, weil’s
warm ist.
Eigener Herd ist Goldes werth.
Faulheit lohnt mit Armuth.
Ein Freund ist des andern Spiegel.
Auf kurzen Entschluss folgt längs
Reue.
Geschehene Dinge sind nicht zu än-
dern.
Wie gewonnen, so zerronnen.
Mit Vielem hält man Haus, mit
Wenigem kömmt man auch
aus.
15
194
*44 '
Wer kegeln will, muss auch auf-
setzen.
Der Krug gehet so lange zu Wasser,
bis er bricht.
Wer alle Mäuler verkleben wollte,
. müsste viel Kleister haben.
Morgen kömmt auch ein Tag.
Wem nicht zu rathen ist, dem ist
nicht zu helfen.
Durch Schweigen verreclet man sich
nicht.
Selbst ist der Mann.
Sich selbst tiberwinden, ist der
schwerste, aber auch der schön-
ste Sieg.
Hundert arme Spieler gegen einen
reichen.
Tugend kennt sich selber nicht.
Viele Köche versalzen den Brei.
Umkehren ist besser, als unrecht
fahren.
Wer sich viel unterwindet,
viel thun.
muss
i 9 5
Unschuld ist der stärkste Panzer.
Untreue schlägt ihren eigenen Herrn.
Unzeitige Wohlthat ist Uebelthat.
Wie die Thaten, so der Lohn.
Das Werk lobt den Meiste?.
Wer wissen will, wer er ist, der
frage seine Nachbaren.
Zu viel ist ungesund.
Besser gutlos, als ehrlos.
Was du anfängst, das vollende.
Bidermanns Erbe liegt in allen Lan-
den.
Was versehet, das lehrt.
Wer da findet, ehe etwas verloren
wird, der stirbt, ehe er krank
wird.
Allzu scharf macht schartig.
Schau in dein Haus, hernach daraus.
Wenn die Kinder mit diesen Sprichwör-
tern , sowol durch die darüber mit ihnen an-
gestellten Unterredungen, als auch durch das.
i 9 6
44+ 4**-+
Lesen und Schreiben derselben, bekannt ge-
worden sind: so kann man verschiedene dersel-
ben zur Unterhaltung in Räthsel verwandeln,
und sie von ihnen auflösen lassen. Z. B.
Welche Thorheiten sind die besten?
Antw. Die kürzesten.
Was muß man einem jeden geben?
Antw. Das Seinige.
Was soll man nicht auf Morgen verschieben?
Antw. Was heute geschehen muß.
Was kömmt oft?
Antw. Unverhofft.
Was macht die Pferde fett?
Antw. Des Herrn Auge»
Wie viel kann ein Narr fragen?
Antw. Mehr, als zehn Weise beant-
worten können.
Wann ist gut ruhn?
Antw. Nach gethaner Arbeit.
Was überwindet alles?
Antw. Geduld.
Wem glaubt man selten wieder?
Antw. Dem, der einmahlgelogen hat.
»97
Was bewahrt vor Krankheit?
Antw. Mäßigkeit.
Wer wird leicht betrogen?
Antw. Wer leicht glaubt.
Wem muß man mit einem Fuder Heu aus
dem Wege fahren?
Antw. Einem Narren und einem
Trunkenen.
Welches ist die beste Buße?
Antw. Nicht mehr thun.
Wer ist der beste Koch?
Antw. Der Hunger.
Was kömmt vor dem Fall?
Antw. Der Hochmuth.
Was stinket, ungeachtet man eS nicht riechen
kann?
Antw. Selbstlob.
Was wahrt am längsten?
Antw. Ehrlichkeit.
Was thut niemahls gut?
Antw. Ucbermuth.
Woran kennt man den Vogel?
Antw. An seinen Federn.
r y8
*+++*H
Welche Freunde sind die besten?
Antw. Die alten.
Was leidet keinen Scherz?
Antw. Die Ehre, das Auge und da-
Gewissen.
Was folgt auf einen kurzen Entschluß?
Antw. Lange Nette.
Welches ist der schwerste und schönste Sieg?
Antw. Der Sieg über sich selbst.
Wer kennt sich selber nicht?
Antw. Die Tugend.
Welches ist der stärkste Panzer?
Antw. Die Unschuld.
Wen muß man fragen, wenn man wissen
will wer man sei?
Antw. Seine Nachbaren.
Wer ist derjenige, welcher findet, ehe etwas
verloren wird, und stirbt, ehe er krank
wird?
I
Das kleine Deutsche Abeze.
Aetzt, da die Kinder das Lesen und Schrei-
ben mit Lateinischer Schrift hinlänglich ge-
übt und sich beides dadurch schon geläufig
gemacht haben, kann man sie nun auch mit
'den Deutschen Buchstaben, und zwar aber-
mahls erst mit den kleineren, bekannt machen.
Auch hier wird die Verbindung des Schrei-
bens mit dem Lesen, wie von Anfang an,
unausgesetzt mit einander verbunden. Nur
Schade, daß unsre Deutsche Schreibeschrift von
der Deutschen Druckschrift so sehr weit ab-
weicht ! Indeß wird ein paarmahliges Abschrei-
ben vorgeschriebener Deutscher Buchstaben,
ein jedesmahliges Vergleichen derselben mit
den nachstehenden gedruckten, besonders aber
das Aufsuchen einzelner, an die Tafel geschrie-
bener Buchstaben in dem gedruckten Verzeich-
nisse, hinreichen, die Kinder auch mit diesen
2 0 0
+++++«•++*■«•*
Buchstabensiguren besannt zu machen. Dann
werden die drei nachfolgenden kleinen, nur
aus dem kleinen Abeze gesetzten Geschichten
mit ihnen gelesen. Auch hier muß ich dem
Lehrer zurufen : e i l e m i t W e i l e!
i. Die Deutschen Selbstlauter,
a e i o u a ö ü.
2. Die Deutschen Doppellauter,
an än ei eu.
3. Die Deutschen eil,fachen Mitlauter,
b (c) d f g h j k
l M N p q r s
(6) t v w x (y) z.
4. Die Deutschen zusammengesetzten
Mitlauter.
ch ff ck ll mm nn ff
sch ß (nicht Eszet, sondern da-
scharfe Se genannt) st tz.
Uebungen im Lesen
nach
dem kleinen Deutschen Abeze.
1. >u
h a n s 6) e n.
Manschen lag im bette und weinte.
was ist dir, lieber? fragte sein vater,
der mit der mutter in eben der kammer
schlief.
Hänschen antwortete schluchzend: ach,
lieber vater, wirst auch diese nacht nicht
sterben ?
will's gott, nicht; sagte der vater;
aber warum fragst du so, liebes Hänschen i
Hänschen, ach! mir ist so bange.
Vater, und warum dgs?
2 0 2
Hänschen, weißt du nicht mehr, daß
ich heute unartig war?
v a t e r. mm ?
Hänschen, da sagtest du, du wärst be-
trübt darüber, das siel mir eben wieder bei;
und da dachte ich: wenn doch Vater nur
nicht stirbt in dieser nacht, daß ichs morgen
wieder gut machen kann! o liebes Väter-
chen, willst auch nicht?
Vater, würde es dir denn wirklich
so leid thun, wenn ich diese nacht stürbe?
Hänschen konnte vor schluchzen nicht ant-
worten.
da hob der gerührte Vater ihn aus sei-
nem bettchen; legte ihn zwischen sich und
die mutter, und Hänschen schlug um beide
seine kleinen arme und weinte sehr.
die guten eltern freueten sich der liebe
und der besserung ihres kindes, und küß-
ten ihm ans beiden seiten die thränen von
den Wangen.
seitdem ist Hänschen niemahls wiedel-
unartig gewesen.
2 O 3
denn immer dachte er daran: wie wür-
de dir zu Muthe sein, wenn dein lieber Va-
ter, oder deine liebe mutter stürben, und
du hattest sie durch Unarten betrübt gemacht?
karl und lieschen.
ts war ein angenehmer srühlingstag; und
karl und lieschen sollten mit ihrem vatec
nach einem schönen garten gehn, der vor dem
thore lag.
indeß der vater sich in der nebenkam-
mer ankleidete, blieben beide kinder in seinem
Zimmer.
karl, der über das ausgehen große
sreude hatte, hüpfte lustig herum, und schlug
unvorsichtiger weise mit seinem stocke eine
kleine niedliche blume ab, die der Vater in
einem topfe gezogen hatte.
o schade! sagte lieschen, und hob das
blümchen von der erde aus.
♦+4 4+4+-M-+V*
sie hatte es noch in der Hand, als -er
Vater ins Zimmer trat.
Was hast dn gemacht, lieschen? fragte
er mit etwas unwilligem gesichte. mir die
hlume abzureißen, von der du wußtest, daß
ich sie so gern erhalten hatte, . um samen
davon zu ziehen!
0 lieber vater, stotterte lieschen, indem
sie ihn bei der Hand faßte; sei doch nicht böse!
böse? antwortete der vater; nein! das
bin ich nicht.
aber da es in dem garten, der nicht
unser ist, dir auch einfallen könnte, blumen
abzureißen; so darf ich dich nicht mitnehmen.
lieschen schlug traurig die äugen nieder,
und schwieg.
da konnte karl sich nicht länger halten;
er trat vor den vater hin, mit thränen im
den äugen, und sagte:
Nicht schwester lieschen, lieber vater, ich
war es, der die blume abschlug, ich muß
also zu Hause bleiben, und lieschen mit dir
gehn.
der vater, der über das gute herz sei-
ner kinder und über die liebe/ die sie gegen
einander hatten, ganz entzückt war, nahm
sie beide in seine arme, küßte sie und sprach:
ihr seid beide meine lieben kinder, und sollt
beide mit. mir gehen.
die blume würde mir lange nicht so viel
freude gemacht haben, als mir die Hoffnung
macht, daß ihr euch immer lieben, und beide
zu guten menschen aufwachsen werdet.
da hüpften sie an seiner seile vergnügt
nach dem garten.
Z.
geschichte des unglücklichen jakobS.
ja!ob war ein muntrer junge; aber er hatte
einen schlimmen fehler.
wenn sein vater oder seine mutter oder
sein lehrer ihm etwas verboten: so vergaß er-
es den Augenblick wieder, und that es doch.
2 G 6
ñuch war er vorwitzig und wollte immer
erst die Ursache wissen, warum ihm dieses
oder jenes verboten würde.
und das kann man kindern doch nicht
immer begreiflich machen.
hört, wie es ihm daher ergangen ist!
er wollte eines tages zur schule gehn, und
es hatte die nacht stark gefroren.
heim weggehn rief ihm der Vater nach:
jakob, geh mir heute noch nicht
aufs eis!
aber jakob ließ dieses verbot zu einem
ohre hineingehen, zum andern wieder hinaus.
er war kaum beim teiche angekommen,
welcher nur erst mit dünnem eise überzogen
war; als er der väterlichen Warnung schon
vergaß, und sich darauf wagte.
der vater hatte ihm nachgesehen, und
da er die gefahr erblickte, worin er war,
rief er ihm ganz erschrocken mit lauter stim-
me ztt: jakob, jakob, herunter!
jakob hörte den Zuruf; aber anstatt
so gleich zu gehorchen, blieb er auf dem knckk-
2 0 7
kenden eise stehen, und rief zurück: i war-
um denn, vater?
der vater wollte ihm die Ursache sagen;
aber plötzlich brach das eis, jakob sank hinein,
und mußte jämmerlich ertrinken.
stellt euch den knmmer seines armen Va-
ters und seiner armen mutter vor!
Zweite Silbentafel,
zur
fortgesetzten abwechselnden Uebung
i m
B u ch st a b e l n.
>. Silben, die mit zweiMitlautern
anfangen, und mit einem Selbst-
lauter endigen.
bla ble bli Mo blu
chra chre chri chro chru
dra dre dri dro bru
blä blö blü
chrä chrö chrü
dra drö drü
fla sie fli flo fitt
fla flö flL
209
♦♦♦•++►-M> i* m*
gNÑ gne gni gno gnw
gna gnö gnü
fía - fíe fit fío flu
fra sto frü
p fa Pf« Pf* pfo psu
prä pt-5 prît
plä pl5 plü
pfa pse Psi Pfo pfw
psä psö Pfä
spa spc spi spo fpit
spä spö fpû
fica sire stri stro ficu
fica strö strü
sch la sch le schli schlo schta
schra sch re schei schro schrir
sch la schlö schlü
schrä schrö schrü
tra tre tri tro tru
trñ tr5 trü
zw a zwe zwi zwo zwu
zwä zwö zwü
2 1 O
*♦+4+++■*.(•-M->
2. Silben, -ie mit zwei Mitlau-
te r n anfangen, und mit einen,
Doppellauter endigen.
blei bleu blau bläu
brei breu brau brau
chrei chreu . chrau chräu
drei dreu brau dräu
flei fleu flau flau
frei freu frau frau
gnei gneu gnau gnau
glei 6 leu glau gläu
frei kleu klau klau
frei kreu krau krau
knei kneu knau knäu
pnei pneu pnau pnau
prei preu prau präu
psei pseu psau psau
spei fpeu spau späu
schrei schreu schrau schrau
schlei schleu schlau schlau
tret treu trau trau
wrei ' wreu wrau wrau
\
*W4W«»|i »H»
3» Silben, die vorn und hinten
Mitlauter und in der Mitte ei-
' nen Doppel lauter haben.
beil beul baul bäul
theil cheul chaul chaul
dein deun baun baun
feil seul faul fäul
feic feur faur säur
fein feun faun saun
.geiz geuz gauz gäuz
heit heut haut haut
jeil jeul jaul jaul
keif keuf kauf kauf
keil keul kaul kaul
leit leut laut laut
leis leus laus läus
meiz meuz mauz mauz
neis neus naus ' naus
neif neuf nauf itiUif
mein meun maun mäun
pein peun paun päun
reis reuS raus räus
L 1 2
♦+++•»+
reit reut raut räut
seil seul saut säul
schein scheun schaun schäun
weil weul waul wäul
zeit zeut -aut zäut
4. Silben, welche vorn einen
Selbstlauter und hinten zwei
Mitlauter haben.
abt ebt ibt obt übt
acht echt icht ocht ucht
akt ekt ikt okt ukt
alt elt ilt vlt ult
amp emp imp omp ump
ant ent int ont unt
arg erg irg vrg urg
asp esp isp osp usp
atsch etsch itsch vtfch utsch
atzt etzt itzt otzt utzt
2 I 3
*44 44+++*+•«•♦
5. Aehnliche Silben, die vorn ei-
nen Doppellauter haben.
eibt eubt aubt äubt
eicht eucht aucht äucht
eist euft aust äuft
eigs eugs augs äugs
eilt eult ault ault
ritt euft . aukt äukt
eimt eumt aumt äumt
eins runs auns äuns
eipt eupt aupt äupt
eirt eurt aurt aurt
eisp eusp ausp ausp
eischt euscht auscht auscht
ritzt eutzt nutzt autzt
6. Silben, die sowol vorn, als
auch hinten zwei Mitlauter und
in der Mitte einen Selbstlauter
oder Doppellauter haben.
bland > blend blind blond blund
grand grend grind grond gründ
2 1 4
-lang kkeng kling klong klung
Mt pselt psilt psolt psult
spant spent spint spont spunt
preicht preucht praücht praucht
schneibt schneubt schnaubt schnaubt
trabt trebt tribt trobt trübt
zweigt zweugt zwaugt zwaugt.
7. Silben, die d u r ch V e r d o p p e l u n g
des Mitlauters verturzt sind.
ball bell bill boll bull
chamm chemm chimm chomm chumm
dann denn dinn donn dünn
fall fell fill soll full
gramm gremm grimm gromm grumm
hatt hett hitt hott hutt
kann kenn kinn könn kunn
larr lecr lirr lvrr lurr
mann wenn mi nn monn munn
narr nerr nirr nocr nurr
patt pett pitt pott putt
quamm quemm qukmm quomm qumm
rall rell rill roll rutt
2 1 5
4**44+
„ 1
scharr scherr schirr schorr schurr
stall stell still stoll stull
wann wenn winn wonn wunn
zatt zett zitt zott zutt.
6. S il b e n, die entweder durch
Verb oppelung des Selbstlauters
oder durch ein ein geschobenes
e oder h gedehnt werden.
aal baal faal gaal haal faal
beer Heer meer scheer leer
bie chie die sie gie hie
krieg lieg sieg stieg viel ziel
thut muth gluth huth na th drath
bahn mahnt stehn gehn stehn '
Huhn hohn söhn thron hehr.
9. Zur Uebung im Lesen schwersil-
biger Wörter.
bra bran brant brants
di din ding dingt dingt-
fra stag fragt fragts sragtst
gjn ging gings gingst
* ♦+•*•!+ ++*+«•♦
mo mog mogl mogts
pin plun plunsch plunscht
rei reif reift reifts
Mü schlür schlürf schlürfst
schnau schnau t schnau tz schnautzt
trum trump trumpf trumpft
psta pflan pflan; pflanzt
tvur wurm wurmt wurmtS
zei kcex zeig krex^rex zeigt zeigts
ki kike ki^eque kikequex kikequexal
kla klakle klakleklix klakleklixkla
mne mnemo mnemono
me meta metaphy metaphystsch
con constan constanti constantino constan-
tinopo constantinopoli constantinopolita
constantinopolitanisch
tlan tlantla tlantlaqua tlantlaquaka
tlantlaquakapat tlantlaquakapatli
Ihun thunder thunderten thundertentrunk
schint tschintschanz- tschintschanze
tschit schitschat schitschatschots tschitschat-
schotskp.
T---
Das große Deutsche Abeze.
A B (L) D E F G
a b (c) d e f q
H I K 2 R
h jundj k l m
N L P Q R
n o p q r
S T U V W
s t u » w
X (N) 3.
x (y) z-
Uebuirgen im Lesen
nach
dem kleinen und großen Deutschen Abeze
zugleich.
I. .
Sofiens Besserung.
(Aofie war die einzige Tochter reicher
Eltern.
Sie hatte den großen Fehler an sich,
daß sie nur sich selbst liebte, und Keinem gern
etwas zu Gefallen that.
Und doch bildete .sie sich ein, daß alle
andere Leute schuldig waren, ihr zu dienen,
so oft sie ihre Dienste nöthig hätte.
2 i g
•«♦♦«■WM*»
Ihre Ettern waren sehr betrübt darüber;
denn sie dachten: unsere Sofie wird nicht gut
und also auch nicht glücklich werden!
Sie reiseten einsmahls über Land, und
ließen Sofien zu Hause.
Da sie wegfahren wollten, sagte der Va-
ter zu den Bedienten und Mägden: so wie
unsere Sofie sich gegen euch betragen wird,
so betraget ihr euch wieder gegen sie.
Die Bedienten merkten sich das.
Vicht lange nachher kam einer von
ihnen! und sagte: liebes Mamsellchen, lei-
hen sie mir doch ihre Scheere; ich will
nur diesen Bogen Papier damit beschneiden.
Geht, antwortete Sofie; ich bin nicht
schuldig, euch meine Scheere zu leihen. Der
Bediente ging,
Bald darauf wollte ein Anderer den
Tisch aus der Stube tragen, und sagte
zu ihr: liebes Mamsellchen, wollen sie
wol so gut sein, und mir die Thür auf-
machen ?
Thut es selbst, antwortete Sofie; ich
2 2 0
«4+4+1-++«•++»
kann darum nicht aufstehen. Der Bediente
that es.
Eine Weile danach kam die Köchinn
und sagte: liebes Mamsellchen, schenken sie
mir doch einen Bogen Papier; ich gebrauche
ihn, um kleine Kuchen darauf zu backen.
Mein Papier, antwortete Sofie, gebrauche
ich selbst; geht zum Krämer und kauft euch
was! Die Köchinn ging.
Nun war es Mittag. Sofie wollte
essen, und klingelte, daß man den Tisch dek-
ken sollte.
Aber es kam keiner. Sie klingelte von
neuen; aber wieder umsonst.
Endlich ging sie unwillig hinaus und
sagte zu dem Bedienten Johann, der ihr be-
gegnete: warum hört ihr denn nicht? Ihr
sollt den Tisch decken!
Johann sah sie von der Seite an, und
antwortete: ich bin nicht schuldig für sie zu
decken, und ging davon.
Sie wandte sich darauf an den andern
Bedienten Andreas, und wiederholte ihren
Befehl; aber Andreas antwortete: decken
Sie selbst, Mamsell, ich habe sonst zu
thun.
Voll Verdruß über diese unerwartete
Begegnung holte sie das Tischgerathe und
legte alles selbst zu rechte. Aber nun war
noch kein Essen da.
Sie rief der Köchinn, welche eben über
den Hof ging, aus dem Fenster zu, daß sie
die Speisen austragen möchte.
Aber die Köchinn antwortete ihr: gehen
Sie zum Garkoch und kaufen sie sich welche.
Wollte Sofie nun nicht hungern, so
mußte Sie sich schon entschließen selbst zu
gehen, um sich etwas Brot und Butter zu
kaufen.
Sie that es, aber da sie an die Haus-
thür kam, konnte sie dieselbe nicht auf-
machen.
Sie befahl den Bedienten, es zu thun;
aber die Bedienten sagten: sie waren es nicht
schuldig, und ließen sie stehen.
Es war ein schöner Nachmittag und
2 2 2
*♦«••++♦ +*«•♦<• I*
alle Leute aus dem Hause waren in den Gar-
ten gegangen und vergnügten sich.
Sie wollte ihnen nachfolgen; allein die
Gartenthür war verschlossen, und auf ihr
Verlangen hinausgelassen zu werden, wurde
ihr geantwortet: sie möchte die Thür selbst
aufmachen!
Weinend ging sie wieder zurück in ihr Zim-
mer und wußte nun vor Hunger und lan-
ger Weile nicht zu bleiben.
Erst eine Stunde danach trat Johann
bei ihr ins Zimmer und bat, sie möchte ihm
doch ein wenig ihren Bleistift leihen.
Sofie holte einen tiefen Seufzer, und
gab ihm, was er verlangte.
Mamfellchen, sagte darauf Johann, in-
dem er sie liebreich ansah, kann ich Ihnen
» wieder worin dienen?
Ach! antwortete sie, und die Thränen
traten ihr dabei in die Augen, mich hungert
so sehr!
Sein Sie ruhig, sagte Johann, ein
Dienst ist des andern werth; und so lief er
»
2 2 3
*♦* +•!•■«■ +**
hin und erzählte den übrigen Hausleuten,
daß Sofie sich gebessert habe.
Den Augenblick waren alle bereit, ihr
wieder zu dienen; die Köchinn machte ge-
schwind einige Speisen warm, und die Be-
dienten trugen sie ihr zu.
Da erkannte Sofie, wie thöricht sie vor-
her gehandelt hatte, und wie nöthig es sei,
selbst gefällig zu sein, weizn man Gefällig-
keiten von Andern erwarten will.
Von der Zeit an war sie immer dienst-
fertig und liebreich gegen Jedermann, und
Jedermann beeiferte sich, ihr wieder zu
dienen. /
Da ihre Eltern zu Hause kamen, be-
merkten sie bald die gute Veränderung die
Mit ihr vorgegangen war, und liebten sie
deswegen noch einmahl so zärtlich.
Das thaten auch Alle, die sie vorher ge-
kannt halten.
2.
W ie der kleine Fritz aus einer gro»
ßen Gefahr gerettet wurde.
Aritz stand vor der Gartenthür am Wege
und band reifes Obst, welches er aufgelesen
hatte, in sein Taschentuch.
Es war ein heißer Sommertag.
Da kam ein Wandrer des Weges, der
vor Mattigkeit und Durst kaum mehr gehen
konnte.
Liebes Kind, sagte er zu Fritzchen, ver-
kaufe mir doch ein paar Birnen, daß ich mir
den Mund., erfrische!
Da, Mann, antwortete der Kleine, in-
dem er ihm sein Bündel hinreichte, nimm
dir, so viel du willst, und behalte nur dein
Geld.
Der Wandrer drückte ihm dankbar die
Hand, und nahm mit Bescheidenheit.
Wie muß ich denn wol gehen, fragte er
2 2 5
*++++•#• 4-***Ml
darauf, um nach dem Steinthore zu kom-
men ?
Ich will dirs zeigen, antwortete Fritz,
und lief vor ihm hin, bis der Fremde dar
Thor sehen konnte.
Gott vergelte dir deine Dienstfertigst,
sagte der dankbare Mann; und ging zur
Stadt.
Am folgenden Tage trat Fritz mit einem
seiner kleinen Freunde in einen Fischerkahn,
der bei der Brücke angebunden war; und bei-
de vergnügten sich damit, das kleine Schiff
hin und her schwanken zu lassen.
Sie machten aber die Bewegung so stark,
daß der Kahn endlich Wasser schöpfte und zu
Grunde ging.
Hülfe! Hülfe! schrien die unglücklichen
Knaben; aber in eben dem Augenblicke waren
sie schon versunken.
Gerade in dem nämlichen Augenblicke
wollte der Fremde, gegen welchen Fritz sich
gestern so gefällig bewiesen hatte, über dir
Brücke gehn.
15
- 2 2 6
♦444*M"W+m
Er erkannte seinen kleinen Wohlthäter an
der Stimme, stürzte sich schnell von der Brücke
hinab ins Wasser, faßte im Herabfallen beide
Knaben bei den Haaren, den einen mit der
rechten, den andern mit der linken Hand,
und wollte so mit beiden ans Ufex schwimmen.
Aber er merkte bald, daß er entweder mit
den Kindern zugleich ertrinken, odereinen
von ihnen 'fahren lassen müßte.
Wen von beiden sollte er nun umkom-
men lassen? Men erretten?
Die Dankbarkeit befahl ihm, seinen Wohl-
thäter vorzuziehen; er ließ also den andern
fahren, und brachte diesen glücklich ans Land.
So hatte Fritz die Erhaltung seines Le-
bens einer kleinen Gefälligkeit zu verdanken,
die er einem Unbekannten erwies.
Z.
Die gute Schwester.
Die kleine Ernestine liebte sehr zärtlich
ihren Bruder Franz, ungeachtet er ihr zu-
weilen etwas unartig begegnete.
. Sie wünschte nichts mehr, als von ihm
wieder geliebt zu sein, und gab sich daher alle
mögliche Mühe, ihm gefällig zu werden.
Seit drei Moüaten hatte sie ihr Taschen-
geld gespart, um etwas dafürzu kaufen, womit
sie ihn an seinem Geburtstage beschenken könnte.
Dieser wargekommen, und Ernestine woll-
te mit den eingekauften Sachen, die sie in
der Schürze hatte, in ihres Vaters Stube
gehen, um sie da so lange zu verbergen, bis
sie alles beisammen hatte.
Was hast du da? rief ihr Franz zu,
da sie bei ihm vorüberging.
Etwas, das du noch nicht wissen musst,
antwortete Ernestine lächelnd, und wollte
vorüber eilen.
Aber ihr Bruder hielt sie beim Arme, und
verlangte durchaus zu sehen, was sie in der
Schürze hatte.
Sie sträubte sich dagegen, streichelte ihm
liebreich die Wangen, und bat ihn mit be-
weglicher Stimme, daß er sie doch möchte ge-
hen lassen.
r
228
*4+4-+++-M*-M>*
Aber der ungestüme Franz riß ihr diL
Schürze mit Gewalt los, und alle ihre schö-
nen Sachen sielen zur Erde.
Traurig ging sie ins Nebenzimmer, setzte
sich in einen Winkel, und weinte bitterlich.
Aher Franz stand ganz erstaunt, und sah
die hingefallenen Sachen an.
Er sah Wachskerzen, Bänder, Blumen,
Spielsachen und Kuchen, und wußte lange
nicht, was alle die schönen Sachen sollten?
Endlich hob er ein Band auf, auf wel-
chem er die Worte las: Glückwunsch für
meinem guten Bruder an seinem
Geburtstage.
Da erkannte er die Absicht seiner Schwe-
ster, und die Ursache, warum sie ihm die Sa-
chen noch nicht hatte zeigen wollen.
Und nun wußte er nicht, wo er vor
Schaam und Reue sein Gesicht verbergen
sollte. .
Endlich lief er zu seiner Schwester, die er
in der wehmüthigsten Stellung antraf.
Kannst du mir vergeben, liebes Schwe-
r 2 9
storchen? rief er weinend aus, indem er sich
ihr um den Hals warf.
Beide blieben darauf eine gute Weite
stumm, und hielten sich einander fest um-
schlungen.
Da küßte ihm Ernestinchen die Thränen
ab, sah ihm freundlich lächelnd ins Gesicht
und sagte: gib dich zufrieden, lieber Franz.
Ich habe erlangt, was ich wünschte.
Ich wollte dir durch die kleinen Sachen
Meine Liebe zu erkennen geben, um dich zu
bewegen, mich wieder zu lieben.
Jetzt sehe ich, daß du mir gut bist, und
nun ist es mir lieb, daß es so gekommen ist.
Sie brachten darauf den ganzen Tag
sehr vergnügt mit einander zu; und von der
Zeit an liebte Franz seine gute Schwester
eben so zärtlich, als er von ihr selbst geliebt
wurde.
2 3o
4*
Zur Warnung für Alle, die es
le se n.
Carolinens Eltern wollten, daß sie sich
mit andern Kindern vergnügen sollte.
Sie stellten also einen kleinen Ball an,
wozu sie ihre jungen Freunde und Freun-
dinnen einladen mußte.
Alle waren recht sehr vergnügt, und es
wurde viel getanzt.
Karo li ne, die sich bei einem Englischen
Tanze erhitzt hatte, schlich sich unbemerkt
aus der Gesellschaft weg, ging in die Küche
und trank um sich abzukühlen, ein Glas voll
kaltes Wasser aus.
Dann stellte sie sich mit unbedecktem Bu-
sen an ein offnes Fenster, wo sie der kalten
Zugluft ausgesetzt war.
Es dauerte nicht lange, so war der
Schweiß zurückgetreten, und sie ging wieder
in den Gesellschaftssaal.
2 3 1
44++4f»+++44+
Anfangs verspürte sie nichts Schlimmes
davon.
Aber da die Gesellschaft weggegangen war,
sing sie an, über Kopfweh und Schmerzen in
der Brust zu klagen.
Man brachte sie zu Bette und hoffte, daß
sie den andern Morgen wieder gesund sein
würde.
Aber nein! das Uebel vermehrte sich von
Tage zu Tage, und man sah nach einiger
Zeit, daß sie die Auszehrung habe.
Alle Arzeneimittel wurden umsonst an-
gewandt.
Karoline mußte unter beständigen
Schmerzen ein halbes Jahr zu Bette liegen,
bis endlich der langstgewünschte Tod ihrem
Leiden ein Ende machte.
Sie pflegte in ihrer Krankheit oft zu sa-
gen: wie geduldig wollte ich meine Schmer-
zen leiden, und wie gern wollte ich sterben,
wenn ich mir meine Krankheit nur nicht
selbst zugezogen hätte!
Kurz vor ihrem Tode bat sie ihre Eltern
2 rr
♦*«•♦*♦ ♦**+**
und Freunde, alle Kinder zu warnen, daß
sie doch ja nicht trinken, oder sich durch Ent-
blößung abkühlen möchten, wenn sie erhitzt
wären!
Laßt euch also, ihr Kinder, Karolinen-
Beispiel zur Warnung dienen!
5.
Das wohlthätige Kind.
Teit vierzehn Tagen pflegte Wilhelm so
oft er sein Frühstück oder sein Vesperbrot ge-
krigt hatte, damit auf den Hof zu gehen.
Wenn er dann zurückkam, bat er sich ge-
meiniglich noch ein Stückchen trocknes Brot
aus, welches man ihn mit großer Eßlust ver-
zehren sich.
Man beschuldigte ihn deswegen der Un-
mäßigkeit , und reichte ihm jedesmahl nur
noch ein kleines Stückchen. Wilhelm be-
gnügte sich damit.
Einmahl war seine Mutter neugierig zu
wissen, warum er doch wol immer mit dem
Butterbrote auf den Hof ginge, und was er
da wol machte?
Sie sah ihm also durchs Fenster nach;
und da bemerkte sie, daß er ganz leise an des
Nachbars Haus schlich/ und an ein kleines
Fenster klopfte.
Dieser Nachbar war ein armer Schuhflik-
ker, der seit vierzehn Tagen krank lag, und
deswegen nichts verdienen konnte.
Aus dem Fenster kuckte bald darauf eins
seiner Kinder hervor, dem Wilhelm, ohne
ein Wort zu sagen, sein Butterbrot zusteckte,
und dann geschwind wieder nach Hause zu-
rücklief.
Freudenthränen liefen über die Wangen
der Mutter, da sie diese unerwartete Entdek-
kung von dem mitleidigen Herzen ihres Soh-
nes machte. -
Sie beschloß bei dieser Gelegenheit zu un-
tersuchen, wie weit ihr lieber Wilhelm es
wol schon im Guten gebracht habe, und stell-
2. 3 4
-GH.».»***»***
tc sich daher, als wenn sie üichts gesehen
hätte.
Wilhelm kam, wie gewöhnlich, wie-
der, und bat sich abermahls noch ein Stück-
chen Brot aus.
„Aber bist du denn unersättlich Wilhelm ?"
fragte ihn die Mutter, indem sie sich zwang,
ein unzufriednes Gesicht zu machen.
„Ich habe dir heute ja ein so großesButter-
krotgegeben, daß du wol satt sein könntest."
Wilhelm. Ich bin wirklich noch hun-
grig, liebe Mutter!
Mutter. Du bist unmäßig; wirst ein
Vielfraß werden.
Wilhelm. Beste Mutter!
Mutter. Ich werde dir nichts mehr
geben; geh!
Wilhelm ging, ohne ein Wort zu sagen,
an den Tisch, um sich ein Buch zu nehmen.
Da konnte sich die Mutter nicht länger
halten vor Freuden; sie riß Wilhelm, der
nicht wußte, wie ihm geschah, in ihre Ar-
me und drückte ihn fest an ihren Busen.
i> 3 5
Mein Gotdsohn! rief sie aus, und benetzte
sein Gesicht mit Thränen.
Mein theurer Wilhelm! ich habe gesehen,
was für einen Gebrauch du von deinem But-
terbrote machtest, und bin entzückt darüber,
einen Sohn zu haben, der das Elend seiner
Mitmenschen fühlen kann, und es zu lindern
sucht.
Aber sage mir, guter Junge, warum hast
du mir ein Geheimniß daraus gemacht?
Wilhelm antwortete: weil du mir oft
gesagt hast, daß man so etwas verborgen thun,
und nicht davon schwatzen müsse.
Du hast Recht, mein Sohn, sagte die
Mutter; aber mir hättest du es immer sagen
können: so würde ich schon lange Anstalt ge-
macht haben, daß du den armen Leuten et-
was mehr, als dein Butterbrot, hattest hin-
bringen können.
Wilhelm erzählte ihr darauf, was er
von der großen Noth der armen Familie wuß-
te; und die Mutter machte ihm zur Beloh-
nung die Freude, daß er alle Tage mit dem
sZ 6
Bedienten hingehen durste, um dem kranken
Schuster und seinen hungrigen Kindern einen
Korb voll Speisen zu bringen.
6.
Das unvorsichtige Kind.
Henriette speisete allein zu Mittage, weil
ihre Eltern ausgegangen waren.
Da sie sich satt gegessen hatte, wollte sie
zum Fenster hinaussehen, und kletterte des-
wegen auf einen Stuhl.
Unvorsichtiger Weise behielt sie die Gabel
in der Hand.
Sie that einen Fehltritt, stürzte vom
Stuhl herab, und siel — o Jammer >. mit
dem rechten Auge gerade in die Gabel.
Der Stich halte den Augapfel getroffen.
Henriette mußte große Schmerzen lei-
den, und konnte mit diesem ausgestochenen
Auge nie wieder sehen.
5
2 S 7
•M«*-MH.++*♦*♦
Deswegen verbieten alle Eltern ihren Kin-
dern , Gabeln, Messer, oder andere scharfe
oder spitzige Sachen in Handen zu haben,
wenn sie aufsteigen, oder spielen wollen; weil
sie besorgen, daß es ihnen eben so, wie der
armen Henriette, gehen könne.
Der kleine Vogelfänger.
9)I"tterk Mutter! schrie Peter, indem er
ganz außer Athem ins Zimmer stürzte, und
einen lebendigen Vogel in der Hand hielt.
O sieh einmahl was ich habe!
Mutter. Einen Vogel? Und wo hast
du den gekrigt?
Peter. Ich fand heute sein Nest in
der Gartenhecke; und da wartete ich bis es
Abend geworden war, und da schlich ich jetzt
eben leise hin, und ehe er es sich versah,
husch! hatte ich ihn bei den Flügeln.
rZ8
«W. *. + **!•*«- +* v
' Mutter. Was war denn in demNesi.
Peter. Seine Jungen, liebe Mutter $
ach! so kleine Vögelchen, die noch gar keine
Federn haben!
Mutter. Und was willst du denn nun
mit dem Vogel machen?
Pcter^ Ich will ihn in ein Bauer
setzen, und ihn dann in der Kinderstube
aufhängen.
Mutter. Und die armen Jungen?
Peter. O die will ich auch gleich holen;
die soll er mir groß füttern.
Mutter. Ich besorge, daß du keine Zeit
mehr haben wirst, sie zu holen.
Peter. Warum nicht, Mutter?
Mutter. Weil du vermuthlich in die-
sem Augenblicke selbst wirst geholt werden.
Peter. Wohin denn?
' Mutter. Zu deinem Vater.
Peter. Wo ist denn Vater?
Mlltter. Der Fürst hat ihn eben ins
Gefängniß setzen lassen, und die Soldaten,
die ihn wegführten, sagten, daß sie gleich wi«^
23y
y 5 ■«•*♦«••++:•++!•
oerkommen würden, um auch dich und dei-
ne Schwester in eben das Gefängniß zu
bringen.
Peter. Was sollen wir denn da?
Mutter. Da sollt ihr in einem kleinen
Loche beständig eingesperrt sitzen, und nie die
Erlaubniß haben, herauszugehen.
Peter. O der böse Fürst! (Er weint)
Mutter. Böse? Er will euch ja nichts
zu Leide thun! Ihr sollt zu essen und zu
trinken haben; nur eingesperrt sollt ihr sein,
und mich, eure Mutter niemahls wieder
sehen. —
Peter weinte bitterlich.
Mutter. Nun, Peter, wie ists? —
Scheint es dir denn so fürchterlich, immer
eingesperrt zu sein, und mich nicht wieder
zu sehen?
Er konnte vor heftigem Weinen kein
Wort sprechen. Die Mutter fuhr fort:
Der Fürst macht es eben so mit eurem
Vater und euch, als du es mit diesem Vo-
gel und seinen Jungen machst. Darfst du
2 4<>
ihn also wol böse nennen, ohne dich selbst
mit anzuklagen?
Peter. (Noch immer weinend) O ich
will ihn ja gleich fliegen lassen!
Er that, indem er dieses sagte, die Hand
auf und der Vogel flog freudig zum offnen
Fenster hinaus.
Höre, Peter, fuhr darauf die Mutter fort,
indem sie ihn auf den Schooß nahm; dis-
mahl habe ich dir zum Besten eine Unwahr-
heit sagen müssen.
Dein Vater ist nicht im Gefängniß, und
du wirst auch nicht hineinkommen.
Ich habe dich nur wollen empfinden las-
sen, wie böse du handeltest, indem du die
armen Thierchen einsperren wolltest.
So wie dir jetzt zu Muthe war, da ich.
dir sagte, daß du gefangen gesetzt werden
solltest, so ists auch den Vögeln, wenn man
sie ihrer Freiheit beraubt.
Denke nur, wie der Alte nach seinem
Weibchen, die Jungen nach ihrer Mutter sich
würden gesehnt haben!
l
«
2 4 I
»fUM'MiM'V»
Und diese -— wie ängstlich sie würde her-
umgeflattert sein, um ihren Gatten und ihre
Kinder zu suchen!
Daran hattest du gewiß nicht gedacht,
sonst würdest du den Vogel nicht gefangen
haben; nicht wahr, l^ber Peter?
Peter. Nein, daran hatte ich wirklich
nicht gedacht.
Mutter. Nun, so denke künftig daran,
Und vergiß nicht, daß die Thiere auch geschaf-
fen sind, sich ihres Lebens zu freuen, und daß
eS grausam sein würde, ihnen ihr kurzes Le-
ben, ohne Noth, verbittern zu wollen.
8.
E i n s i ch e r e s Mittel sich bei allen
Menschen beliebt zu machen.
Die kleine Friederike war oft mürrisch,
zänkisch und unwillig, wenn sie Ändern et-
was zu Gefallen thun sollte.
i6
a42
4*++4*-M‘
Ihr Bruder Franz hingegen war im-
mer freundlich, nachgebend und dienstfertig.
Deswegen wurde Franz von Allen, die
ihn kannten, recht sehr geliebt; mit Friede-
riken aber wollte Keiner etwas zu thun haben.
Wenn sie daher beide in einerGesellschaft
waren, so gab sich Keiner mit ihr ab, indeß
ihr Bruder von Allen mit Liebkosungen über-
häuft wurde.
Das machte ihr nun vielen Kummer;
denn sie wünschte sich auch so geliebt zu se-
hen, und wußte nicht, wie sie es anfangen
sollte.
Endlich glaubte sie, etwas gefunden zu
haben, welches sie gewiß beliebt machen würde.
Sie dachte nämlich, wenn sie nur besser
gekleidet wäre, als ihr Bruder, so würde sie
auch Allen noch besser, als er, gefallen.
Das nächste Mahl also, daß sie wieder
zusammen in Gesellschaft gehen sollten, ließ
sie sich von der Kammerjungfer ihrer Mutter
wie eine Prinzessinn ausputzen.
Ihr Haar wurde nach der neuesten Mo-
243
«♦♦M» »+♦»♦»»
1
de aufgestutzt und mit Federn und Blumen
besteckt.
Sie ließ sich Ohrringe von glänzenden
Steinen einhängen; zog seidene Strümpfe,
gestickte Schuhe und ein Schleppkleid von
kostbarem Zeuge an.
Nachdem sie sich nun lange genug geputzt
und bespiegelt hatte, ging sie mit ihrem Bru-
der, der zwar reinlich, aber gar nicht prächtig'
gekleidet war, nach dem Hause, wohin man
sie eingeladen hatte.
Kaum trat sie in das Zimmer, wo die
übrige Gesellschaft sich schon versammelt hatte,
als wirklich aller Augen eine Zeitlang auf ih-
ren Putz gerichtet waren.
Nun glaubte sie ihre Absicht erreicht zu
haben, und wünschte sich schon Glück dazu.
Jetzt bemerkte sie, daß man anfing die
Köpfe zusammenzustecken, und sich etwas
zuzuflüstern.
Sie zweifelte keinen Augenblick, daß man
von ihr rede, und warf sich nicht wenig in
die Brust.
244
!*•!•» .1+4-(| ,
Sie hatte Recht; man redete wirklich von
ihr, aber nicht um sie zu bewundern, sondern
um sich einander die Bemerkung mitzuthei-
len: daß die u n fr eu n d l i ch e Fr i e d er i-
ke nun auch gar eine eitle, einge-
bildete Närrinn geworden wäre.
Weil man wünschte, daß sie sich dadurch
möchte bessern lassen, so sprach man diese Worte
so laut aus, daß Friederike sie hören mußte.
Sie war außer sich vor Verdruß.
Sonst hatte man doch wol eine und die
andere Frage an sie gethan; aber dismahl
redete kein Mensch mit ihr.
Selbst die Kinder wurden durch ihren
Putz und durch ihr eitles Wesen abgeschreckt,
und ließen sie stehen.
Mit Franz hingegen redete die ganze Ge-
sellschaft freundlich, man nahm ihn auf den
Schooß, küßte und beschenkte ihn, und die an-
dern Kinder hingen an ihm, als wenn er ihr
Bruder gewesen wäre.
Friederike konnte vor Verdruß und Be-
trübniß sich kaum der Thränen enthalten.
2 45
4+-M H-++-!•++*
Nachdem sie wieder zu Hause gekommen
war, riß sie, wie außer ftd>, ihren Kopfputz
ab, warf sich mit dem Gesichte aufs Bett,
und benetzte es mit ihren Thränen.
,,Was ist dir, meine Liebe?" fragte ihre
Hofmeisterinn, welche mit ihr in der Gesell-
schaft gewesen war.
Friederike. O lassen Sie mich; ich bin
unglücklich!
Hofmeisterinn. Du erschreckst mich, Frie-
derikchen! Was ist dir denn begegnet?
Friederike. Haben Sie nicht gesehen,
wie mir heute begegnet worden ist? War wol
ein Einziger in der Gesellschaft, der mich lei-
den mochte?
Hofmeisterinn. Es ist wahr, man hat
dir ziemlich kaltsinnig begegnet, und ich bin
selbst recht betrübt darüber gewesen; aber wor-
an mag das doch wol liegen?
Friederike. Weiß ich es? Hatte ich
nicht Alles gethan, was ich konnte, um heu-
le zu gefallen? War ich nicht unter allen
Kindern am schönsten angezogen?
246
Hofmeisterinn. Das ist wahr; aber ich
besorge, daß gerade das eine Ursache mehr
war, warum sich Keiner heute mit dir abge-
ben wollte.
Friederike. Warum denn?
Hofmeisterinn. Weil man aus deinem
zu großen Putze vermuthete, daß du nun auch
eitel und eingebildet geworden seist.
Friederike. Ja, daß sagten sie auch zu
einander, und nannten mich eine Närrinn;
ich habe es wol gehört. Aber wie soll ichs
denn nun machen? Da ich nicht geputzt war,
liebten mich die Leute nicht, und nun, da
ich mich einmahl geputzt habe, können sie
mich gar nicht ausstehen.
Hofmeisterinn. Daraus folgt, daß es
an dem Putze wol nicht gelegen hat, daß du
bisher so wenig geliebt worden bist.
Friederike. Woran kann's denn aber
sonst liegen?
Hofmeisterinn. Mir dünkt, ich habe
die eigentliche Ursache davon errathen; und
wenn ich wüßte, daß ich dir einen Ge-
24 7
♦4-H»» »+»»»»
fallen damit thäte, so wollte ich sie dir wol
sagen.
Friederike. O thun Sie es doch! Ich
bitte Sie darum.
Hofmeisterinn. Sieh, mein Kind, ich
dachte heute so darüber nach, wie's dein Bruder
Franz doch wol anfangt, daß ihn Alle so gern
leiden mögen; und da setzte ich mir heute vor,
recht genau Achtung auf ihn zu haben, wenn
wir heute in Gesellschaft sein würden.
Das that ich nun, und da sah ich er-
stens , daß er immer freundlich war, und nie
ein verdrießliches Gesicht machte.
Das gefallt den Leuten; wenn man aber
mürrisch aussieht, so glauben sie, daß man
böse sei, und wollen nichts mit einem zu
thun haben.
Ich bemerkte ferner, daß ihn zuweilen ein
anderes Kind aus Kurzweile neckte; und da
gab ich Acht, ob er nicht böse darüber wer-
den würde?
Aber nein! er blieb immer freundlich,
und nahm es für Spaß auf.
Ich sah wol, daß das den Leuten auch
sehr an ihm gefiel.
Endlich beobachtete ich, daß er immer
aufmerksam war, ob ec jemand irgend worin
dienen könnte?
Ließ einer etwas fallen, so war er der
Erste, der zusprang, um es wieder aufzu-
nehmen. ,
Wurde der Bediente verlangt, gleich lief
er, ohne daß man es ihm sagte, hin, ihn zu
rufen.
Kurz er suchte Allen zu dienen, wo und
wie er nur immer konnte.
Da war es mir auf einmahl begreiflich,
warum die Leute ihn so lieb haben; und da
dachte ich bei mir selbst: wenn meine liebe
Friederike eS eben so machte, so würde sie
sich auch von allen Menschen geliebt sehen.
Friederike. Warum haben Sw mir das
nicht schon lange gesagt?
Hofmeisterinn. Wenn ich es auch schon
eher gewußt und dir gesagt hatte, so würdest
du doch nicht so darauf gemerkt haben, als
1
249
jetzt, da du aus Erfahrung weißt, daß alle
andere Mittel sich beliebt zu machen, untaug-
lich sind.
Genua, daß du es nun jetzt weißt; wenn
du willst, so ist es noch immer Zeit, Gebrauch
davon zu machen.
Friederike. Aber werden denn die Leute,
die mich jetzt nicht leiden mögen, mir auch
wol wieder gut werden?
Hofmeisterinn. Ganz gewiß. Versu-
che es nur bei der nächsten Gelegenheit, und
ich stehe für den Erfolg.
Wenn ich dir einen Gefallen damit thue,
so will ich dich immer erinnern, sobald ich
mkrke, daß du es vergessen hast.
Friederike» O meine gute Freundinn!
Hier siel Friederike ihrer Hofmeisterinn
in die Arme, die sie zärtlich küßte.
Am folgenden Morgen bat sie dieselbe,
daß sie ihr doch ja gleich sagen möchte,
wenn sie sich wieder gegen jemand un-
freundlich oder undienstfertig bezeigte.
Die Hofmeisterinn that es; und in kur-
2 5 o
4*4 4++-H-t-kM
zer Zeit war Friederike eben so liebenswürdig,
als ihr Bruder Franz.
Alle Leute bemerkten es; und von der
Zeit an, sah sie sich von jederman geliebt,
und dankte oft mit Thränen ihrer Hofmeiste-
rinn, daß sie ihr so gut gerathen hatte.
den Unterscheidungszeichen.
Sößtnii man verständlich und angenehm le-
scn will, so muß man nicht in einerlei Ton,
und nicht mit einerlei Geschwindigkeit hinter
einander fortlesen; sondern die Stimme nach
dem Inhalte abändern, und nach jedem be-
sondern Satze mehr oder weniger, je nachdem
der Sinn es erfodert, einhalten oder Ruhe-
punkte machen. Diese kleineren oder größer»
Ruhepunkte, so wie die damit zu verbinden-
den Abänderungen der Stimme, werden
durch folgende Unterscheidungszeichen
angedeutet:
Der Beistrich (,), ehemahls Comma
genannt, bedeutet, daß man nur ein wenig
absetzen oder einhalten soll, ehe man das
nächstfolgende Wort hinzuliefet, z. B. Freund-
lichkeit, Fleiß, Folgsamkeit und Artigkeit
machen ein Kind liebenswürdig.
Der Punktstrich (;), ehemahls Se-
mico l o n genannt, zeiget an, daß man ein
wenig länger einhalten soll, weil er am Ende
eines ganzen Satzes steh»; z. B. Es ist nicht
genug, daß Kinder ihre Eltern und Lehrer
lieben; sie müssen ihnen auch folgsam, und
zwar willig folgsam sein.
Der Doppelpunkt (:), ehemahls
Colon genannt, deutet einen noch langern
Nuhepunkt an, und wird gesetzt i) da, wo
Worte eines Andern angeführt werden sol-
len, z. B. Der weise Sirach sagt: Müßig-
gang ist aller Laster An fang. 2) da,
wo in zusammengesetzten Gliederiatzen der Vor-
dersatz aufhört und der Nachsatz anfangt, z. B.
Wenn man seine Pflichten alle treu erfüllt;
wenn man wissentlich kein Unrecht thut, und
Jedem gibt und leistet, was man Jedem zn
geben und zu leisten schuldig ist: so darf man
allen Menschen frei ins Angesicht sehen.
<44-»4»
Der Punkt (.) deutet das Ende eines
ganzen Satzes an, der einen vollen Sinn
enthält, den man also ganz verstehen würde,
auch wenn weiter nichts mehr folgte; z. B.
Die Tugend und die Glückseligkeit verhalten
sich, wie Quelle und Bach.
^Oas Fragezeichen (?) bedeutet, daß
man den vorangehenden Satz frageweise le-
sen soll; z. B. Wie geht's? Was machst du
da? . '
Das Ausrufzeichen (!) zeigt an,
daß man die Stimme etwas erheben soll,
wie Einer, der in irgend einer Gemüthsbe-
wegung redet; z. B. Ich habe meine Eltern
betrübt; wehe mir! Ha! welche Pracht!
Geh, Undankbarer!
Die Klammern () [] ober bte söge»
nannte Parenthese, dienet dazu, einen
Zwischensatz einzuschließen, der nicht eigent-
lich in den Zusammenhang der übrigen Wor-
te gehört, und daher, ohne Verstümme-
lung des Sinns, auch füglich hatte weg-
gelassen werden können; z. B. Ich gab
2 5 4
#«K4»H »■»»*»»
ihm (der Himmel weiß es!) alles, was ich
hatte.
Das Wegwerfungszeichen oder
Häkchen (’) sonst Apostroph genannt,
zeigt an, daß ein oder einige Buchstaben, die
zu einem völlig ausgeschriebenen Worte ge-
hören, weggelassen worden sind und beim
Lesen verschluckt werden sollen; B. Warum
soll ich's sagen? Die sie zu ha'n geruhn.
Der Gedankenstrich (—) soll be-
deuten , daß nicht alles gesagt sei,, was an
der Stelle, wo er steht, hatte gesagt werden
können; und er soll daher den Leser einladen,
einen Augenblick inne zu halten, um das
Ausgelassene durch eigenes Nachdenken zu
ersetzen, z. B. Oder sollte vielleicht -—?
Schreckliche Besorgniß! — Ich schweige.
Das Anführungszeichen („) von
den Buchdruckern Gänsefüßchen genannt,
wird gebraucht, um die Worte eines Andern
von den Seinigen zu unterscheiden; z. B.
In einem seiner Briefe meldete er mir aus-
drücklich: "daß er mich dazu bevollmächtige."
255
Das Abschnittszeichen (§), ehe-
mahls Paragraph genannt, theilt das
Geschriebene und Gedruckte in gewisse klei-
nere Abschnitte, die man zugleich mit fort- '
laufenden Zahlen versieht, um darauf hin-
weisen zu können» z. B. Man sehe § 12»
Es ist oben § z 0 gesagt worden.
Einige
allgemein übliche Schriftkürzungen.
z. B. für zu m Bei spiel,
u. s. w. — und so weiter,
u.s. f. — und s0 ferner.
Eap. — Kapitel.
St. — Sanct, d. i. der, die, oder das
Heilige.
d. i. —— das ist.
d. h. — das heißt.
m
2 5 6
*4+4 4++++++ H
D i e
Ziffern oder Zeichen der Zahlen.
1. Die Arabischen oder gewöhnlichen.
I ♦ 2. 3. 4» 5» 6. CC 9. 1 0.
11. 12. 1 3. 14. 1 5. 1 6. i 7* 1 8.
1 y. 2 0. 21. 22. 23. 24. 25. 2 6,
27» 28. 29. Zo. 40. 5 0. Co. 70.
60. 90. 100. 1000. 10 ,000
100, ,000
2. Die Römischen.
I. II. III. IV. V. VI. VII. vili. IX.
I. 2. Z. 4- 5. 6. 7- 8. 9.
X. XI. XII. XIII XIV. XV. XVI.
10. li. 12. 13. 14. 15. 16.
XVII. XVIII. XIX. XX. XXL XXII.
17. 18. 19. 20. 21. 22.
XXIII. XXIV. XXV. XXVI. XXVII.
23. 24. 2J. 26. 27.
XXVIII XXIX. XXX. XL. L. LX.
28. 29. 30. 40. S0. 60.
LXX. LXXX. XC. C. CC.
70. 80. 90. 100. 200.
D. IVI. _>
SCO. IOCÖ.
Versuch
einer leichten Entwickelung
der
ersten und einfachsten Begriffe
aus der
Gottes- Seelen- und Sitten-
oder
Tugendlehre
in Gesprächen
»wischen
einer Mutter und ihrer sechsjährigen Tochter.
*7
i
: . \> T
i
H
• •
Erstes G espräch.
N!utter. Sage mir, mein liebes Lottchen,
bist dn wol etwas Anders, als deine Puppe?
Lottchen. O ja, Mutter.
Mutter. Was kannst du denn, das die
Puppe nicht auch kann?
Lottchen. I, ich kann ja meine Hand
aufheben, kann gehen und springen; das kann
die Puppe doch nicht.
Mutter. Du kannst dich also bewe-
gen, willst du sagen; aber das kann ja des
kleinen Hermanns Rollwagen auch?
Lottchen. Ja, wenn man ihn zieht,
das glaube ich; aber mich braucht doch kein
Mensch zu ziehen. Sieh nur, wie ich sprin-
gen kann!
Mutter. Du hast Recht, mein Kind;
der Wagen und die Puppe können sich nicht
selbst bewegen, aber das kannst du. Du
kannst stehen, oder gehen, so bald du willst.
Du gebrauchst deine Hände, deine Füße, deine
2 6o
♦44<W4+*t"M’»
Zunge, kurz alle Glieder deines Leibes, wie
es dir gefallt, nicht wahr?
Lottchen. Ja, liebe Mutter; du ja auch.
Mutter. Wie weißt du das?
Lottchen. Wie du doch fragen kannst;
Ich seh es ja.
Mutter. Aber wenn du nun keine Xit;
gen hattest; so wüßtest du es doch nicht?
Lottchen. Ja denn —
Mutter. Alles also, was du weißt, das
weißt du durch deine Augen; wenn du keine
Augen hattest, so wüßtest du gar nichts;
nicht so?
Lottchcn. Nein, so wüßte ich gar nichts.
Mutter. Mache mahl geschwind deine
Augen zu. So! — Nun fasse diesen Tisch
an; ist er hart oder weich?
Lottchen. O der ist hart!
Mutter. Wie weißt du denn das? Du
kannst ja jetzt nicht sehen?
Lottchen. Ja, aber ich fühle es doch.
Mutter. Siehst du, also du kannst
auch etwas durchs Gefühl wissen! Behalte
2 6 x
'HM- 'H* ^
deine Augen noch ein wenig zu. Was halte
ich dir jetzt wol vor?
Lottchcn. Ah! Blumen, Blumen! Ge-
wiß finds Rosen?
'Mutter. Aber wie kannst du nun das
wieder wissen? Die hast du doch weder ge-
sehen, noch gefühlt.
Lottchen. O die hab' ich gleich gerochen!
Mutter. So? — Also weißt du ja
auch etwas durch den Geruch? — Aber
sage mir doch, wer redet denn jetzt mit dir?
Lottchcn. I, das bist du ja, liebe
Mutter!
Mutter. Ich? woher weißt du denn
nun das?
Lottchen. Weil ich dich höre.
Mutter. Wieder etwas Neues! Also
erfährst du einige Dinge auch durch die Oh-
ren? — Das ist doch sonderbar! — Aber
was ist denn das wol, was ich dir jetzt in
den Mund stecke?
Lotlchen. Ah! schönen Dank! Ein Stück
Zucker.
2 6 2
4
Mutter. Und woher weißt du nun das
wieder?
Lottchen. Ich schmecke es ja.
Mutter. Also auch durch den Ge-
schmack kannst du etwas kennen lernen? —
Nuu mache deine Augen nur wieder auf.
Sieh, mein Kind, du kannst dich also nicht
nur selbst bewegen, sondern du kannst auch
sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen.
Wer das alles kann, der ist lebendig. Ist
deine Puppe also wol lebendig?
lottchen. Nein, die kann ja das nicht.
Mutter. Aber die Pferde, die Hunde
nud die Vögel, die sind doch lebendig?
Lottchen. O ja; die Katzen auch.
Mutter. Freilich; denn die können sich
auch selbst bewegen, und können auch sehen,
hören, riechen, schmecken und fühlen. Die
sind also wol eben das, was du bist; unser
Kätzchen und unsere Lotte sind einerlei;
nicht?
Lottchen. O fi! Mutter, nun willst du
mich gar zum Kätzchen machen? '
263
4*4 **+++!•++*
Mutter. Nun was kannst du denn,
das die Katze nicht auch kann?
Lottchen. Kätzchen kann ja nicht sprechen.
Mutter. Ja so; daran hatt' ich nicht
gedacht. — Aber so ist doch wol unser Pa-
pagei eben das, was du bist? Denn der
kann ja sprechen!
Lottchen. Ja, aber wie viel? Nur ein
paar Worte, die man ihm vorgesagt hat.
Mutter. Du kannst also mehr sprechen,
als man dir vorsagt; du kannst reden, was
du willst, kannst ordentlich antworten,
wenn du gefragt wirst, ohne daß dich jemand
gelehrt hat, was du antworten sollst, das
heißt, du kannst vernünftig reden, und
das kann Papchen freilich nicht. — Aber
wie machst du es denn, wenn du redest?
Lottchen. I, da mache ich den Mund
immer auf und zu, und die Zunge geht mir
immer hin und her.
Mutter. Ja, dadurch entsteht der Schall,
der dir aus dem Munde fahrt; aber weißt
du nicht die Worte, die du jetzt mit der Zunge
aus sprechen willst, schpn vorher, ehe du sie
aussprichst i
loitcfyen. O ja ! — Warte mahl ein
Vißchen! — Sieh, jetzt wußte ich, daß
ich sagen wollte: du bist meine liebe
M u t t e r.
Mutter. Nun das beißt, du denkest,
ehe du sprichst. Aber dieses Denken, wie
machst du das wol? Brauchst du dazu deine
Hände, oder deine Füße, oder deine Augen,
oder deine Ohren, oder deine Zunge?
Lottchen. Ich weiß nicht, liebe Mutter.
Mutter. Nicht? — Nun wir wollen
einmahl sehen. Thue deine Augen wieder
zu, stehe ganz still, halte nachher mit deinen
Handen beide Ohren zu, und versuche dann,
ob du wol an deinen lieben Vater denken
.kannst?
Lottchen. Ach ja! Nun kann ich nichts
sehen und hören, und kann mir doch den
Vater vorstellen, als wenn er ordentlich vor
mir stände.
Mutter. Siehst du, mein Kind? Also
2 6 5 -
4«K4*»4+f+m
kannst bu denken, ohne daß du irgend ein
Glied deines Leibes dazu gebrauchst.
Lottcheu. Ja; aber das ist doch recht
sonderbar!
- Mutter. Das ist es auch. Du siehst
daraus, mein liebes Kind, daß das Denken
nicht von deinem Leibe verrichtet wird. Es
muß also wol noch etwas Anders in dir sein,
welches im Stande ist, sich etwas vorzustel-
len oder zu denken, auch wenn du Augen
und Ohren verschlossen hast. Nicht?
Lottchen. Ja, das muß es wol.
Mutter. Nun sieh, mein Kind, das,
was so in uns denkt, und was wir doch nicht
sehen können, das nennen wir die Seele.
Diese Seele ist es eigentlich, welche unsern
Leib bewegt, und durch das Gesicht, durch das
Gehör, durch den Geruch, durch den Geschmack,
und durch das Gefühl erkennet, Alles, was
außer uns ist. —
tottchen. Hast du denn auch eine Seele,
liebe Mutter?
Mutter. Freilich habe ich eine. Wie
a 6 6
44444v +4 t- 444
könnte ich sonst hören und verstehen, was du
mich fragst? Alles dis thut ja die Seele.
Sobald die aus dem Körper hinausgeht, so
kann er sich gar nicht mehr bewegen, so fühlt
er auch nichts mehr, so kann er nichts mehr
verstehen, was man ihm sagt, und kann auch
nicht mekr darauf antworten. Dann ist der
Körper todt. So lange aber Seele und
Leib beisammen sind, leben wir, und werden
Menschen genannt.
Zweites Gespräch.
Mutter. Wo ist denn wol deine Puppe
hergekommen, mein liebes Lottchen?
Lottchen. Die hast du mir ja gekauft;
weißt du nicht mehr, von der dicken Frau,
die so viele schöne Sachen hatte?
Mutter. Aber woher mag denn wol die
Frau sie gekrigt haben?
Lottchen. Sie sagte ja, sie hätte sie
selbst gemacht.
* 2 6 7
Mutter. Mußte sie denn erst von je-
mand gemacht werden? Konnte sie nicht so
von sich selbst entstehen, ohne daß sie jemand
machte?
Lottchen. Von sich selbst? O du spaßst
nur, liebe Mutter!
Mutter. Aber ist denn Alles, was wir
haben, erst gemacht worden? Zum Beispiel,
dein Kleid?
Lottchen. Hat das nicht der Schneider
gemacht?
Mutter. Aber dis ganze große Hau-,
das haben doch wol keine Menschen gemacht?
tottcheu. Wo wollt' es denn sonst herge-
kommen sein? Hast du nicht gesehn da am
Markte, wo wir gestern vorbeigingen? Da
bauten die Menschen ja eben so ein großes Haus.
Mutter. Ja, ganz recht. — Es ent-
steht also nichts von sich selbst; sondern Al-
les wird von Menschen gemacht; nicht liebe
Lotte?
Lottchen. Ja, Mutter.
Mutter. Aber ich weiß doch etwas, das
2 6 8
kein Mensch gemacht hat, und doch recht
wunderschön t(T.
Dortchen. O was ist das? Zeige es mir,
liebes Mütterchen; bitte, bitte!
Mutter. Das will ich gern; komm, wir
wollen dort ans Fenster treten. — Nun
- sieh einmahl da hinaus in den Garten; was
ist da?
Lottchen. Ah! da sind so schöne Blu- ,
men! Und die sind so bunt, so bunt! O al-
lerliebst !
Mutter. Und was ist denn dort wei-
ter hin?
Lottchen. Das sind Baume, die uns
das Obst geben. O sieh mahl, wie da schon
so viele kleine Aepfel an den Zweigen hangen?
Die sollen schmecken, wenn sie erst reif sind!
Mutter. Das sollen sie auch, mein
Kind! — Nun, da siehst du ja etwas, das
die Menschen nicht gemacht haben, und das
doch recht schön ist.
Lottchen. Haben das die Menschen nicht
gemacht.
269
■••et-•»•*•*■++!•++*•
Mutter. Nein, Lotte. Wir Menschen
können wol die Blumen abpflücken, und dar-
an riechen, aber wir können selbst keine ma-
chen. Wenn das Obst auf den Bäumen
reif ist, so können wir's wol abschütteln und
essen, aber machen können wir weder Bäu-
me noch Obst. — Aber sieh! da fangts aus
einmahl an zu regnen, und der Wind be-
wegt die Bäume hin und her; sollten das
auch wol Menschen sein, die den Regen her-
untergießen, und den Wind wehen lassen?
Lottchen. Nein, das glaub ich nicht.
Mutter. Du hast Recht. Denn der Re-
gen fällt ja aus der Luft herunter, und wie
könnten da Menschen sein? Und mit unserm
Munde können wir wol ein wenig blasen,
aber gewiß nicht so einen Wind machen, wie
der da ist, der die großen Bäume schüttelt. —
Siehst du, wie dort die Sonne eben hinter
einer Wolke hervorkömmt?
Göttchen. Ach ja! die liebe Sonne!
Mutter. Und weißt du noch, wie wir
gestern Abend unter den Linden waren, und
270
den schonen Mond, und alle di? lieben klei-
nen Sternchen sahen?
Göttchen. Die da oben am Himmel wa-
ren ? Ach! das war recht niedlich!
Mutter. Nun, kannst du glauben, daß
diese hohe Sonne, und der Mond und die
Sterne, die so weit von uns weg sind, von
Menschen gemacht wurden?
Lottchen. Nein, Mutter, das kann ich
unmöglich glauben.
Mutter. O mein liebes Kind; es ge-
schieht vieles, sehr vieles, ohne daß wir Men-
schen das Geringste dazu thun! Indeß, daß
wir schlafen, scheinen der Mond und die Ster-
ne, ohne daß sie jemand angezündet hat. Ehe
wir noch erwachen, ist schon die Sonne wie-
der da, um einen neuen Tag zu machen. Es
wird Winter und Sommer, es regnet, schneit,
friert und wird wieder warmes Wetter, ohne
daß wir etwas dazu beitragen. Indeß wir
ruhig in unsern Hausern sitzen, wächst dort
das Korn auf dem Felde, und auf den Bau-
men das Obst, das uns nachher so gut schmeckt.
♦4444+444-M--I»
Auch die Thiere werden nicht von uns her-
vorgebracht, und doch geben sie uns Milch,
Eier und Fleisch zu essen; und Wolle zu un-
sern Kleidern. Wir selbst, du mein liebes
Lottchen, und dein Vater und ich, und die
andern Menschen alle, haben uns ja auch nicht
selbst hervorgebracht! Du wirst alle Tage
größer, ohne daß du von jemand langer ge-
macht wirst. — Du siehst also wol, daß vie-
le , viele Dinge geschehen, ohne daß die Men-
schen etwas dabei thun.
Lottchen. Aber wer thut es denn, wenn'S
die Menschen nicht sind?
Mlltter. Es muß wol Einer sein, der
noch viel mehr kann, als die Menschen kön-
nen. Nicht wahr?
Lottchen. Ja, der muß recht viel ma-
chen können.
Mutter. Und muß gewiß auch recht gütig
sein, weil er uns selbst gemacht hat, ohne
daß wir ihn darum bitten konnten, und
weil er uns alle Tage Speise und Kleider
gibt!
272
Lottchcn. Gibt er uns das auch? —
Ich dächte, der Vater gäbe uns zu essen.
Mutter. Das thut ec wol; aber er
kann doch selbst keine Speisen machen. Siebst
du, Lotte, das Brot wird von Mehl, das
Mehl aus Korn gemacht, und das Korn kann
dein Vater nicht hervorbringen, das wachst
dort auf dem Felde. Eben so wenig kann
dein Vater Fleisch und Eier machen. Das
alles muß also wol Einer für uns entstehen
lassen, der selbst kein Mensch ist; und muß
der nicht recht gütig sein, daß er uns so mit
Allem versorget, was wir nöthig haben?
Dortchen, Ach! ja; aber wer ist denn
das, liebe Mutter?
Mutter. Kind, es ist ein unaussprech-
lich gütiges, herrliches und mächtiges Wesen,
welches wir Gott nennen. Der ist es, welcher
uns und alle Thiere, die Sonne, den Mond
und die Sterne, die ganze Erde und Alles
was darauf ist, gemacht hat. Der ist es,
welcher Regen und Sonnenschein gibt, und
wachsen läßt, was wir nöthig haben. —
I 2 7 3
■»•♦♦•♦4+ Mit***
Dieser liebe Gott ist also unser aller Vater,
von dem wir Alle Herkommen, der uns Alle
recht herzlich lieb hat, und dem wir Alles zu
verdanken haben, was uns Freude macht.
Lonchen. Aber meine Puppe hat er mir
doch nicht gegeben? Die hat ja die Madam
gemacht, und du hast sie mir gekauft.
Mutter. Die Frau, mein Kind, hat
sie nur zusammengesetzt; aber Alles was sie
dazu gebrauchte, hat der liebe Gott gemacht.
Sieh nur, das Gesicht der Puppe ist mit
Kreide und Farbe angestrichen; die laßt Gott
in der Erde wachsen. Das Hemde ist von
Leinwand, welches aus Flachs bereitet wird,
und den Flachs bringt Gott auf dem Felde
hervor. Der Rock ist von Baumwolle, und
die hat Gott auf Bäumen wachsen lassen.
Das Kleid ist Seide, und weißt du, wo die
herkömmt?
Lottchen. Nein, Mutter!
Mutter. Dazu hat der liebe Gott klei-
ne Würmer erschaffen, die müssen die Sei-
de aus ibrem Leibe herausspinnen. Ich will
i8
274
*44444-M-+-**(•
ein andermahl dir solche Wärmer zeigen. —
Auch das Geld, welches ich der Frau dafür
gab, daß sie die Puppe so zusammengesetzt hat,
war von Silber gemacht, und das Silber
läßt Gott in großen Bergen wachsen, wo es
denn von Menschen herausgegraben wird. —
Und gewiß hatte ich dir die Puppe nicht ge-
kauft, wenn Gott nicht gemacht hätte, daß
die Eltern ihre Kinder so lieb haben. Denn
wenn ich dich nicht lieb hätte, so schaff-
te ich dir auch nichts an, was dir Freude
machen kann. Siehst du also wol, daß du
auch deine Puppe Gott zu verdanken hast?
Lottchen. O der liebe Gott! — Aber wo
ist er denn? Möchte ihn so gern einmahl sehen!
Mutter. Er ist bei uns, mein Kind,
hier und an allen Orten, aber sehen können
wir ihn nicht. Das macht, er ist ein un-
sichtbares Wesen, welches keinen solchen Leib
hat, als wir haben, den man anschauen und
betasten kann.
Lottchen. Wie weißt du denn aber, daß
er hier ist, wenn man ihn nicht sehen kann?
2^5
Mutter. Höre, mein liebes Kind, du
weißt nun schon, daß wir eine Seele haben;
aber hast du jemahls eine Seele gesehn?
Lottcheu. Nein.
Mutter. Aber glaubst du nicht, daß
meine Seele hier zugegen sei?
Lottcheu. O ja, das glaub' ich.
Mutter. Aber warum glaubst du das?
Lottcheu. O ich habe wol behalten, was
du mir gestern sagtest; — weil du sonst
nicht lebtest, und nicht vernünftig sprechen
könntest.
Mutter. Ganz recht, mein liebes Kind.
Also deswegen, weil meine Seele hier etwas
thut, indem ich die Hand ausstrecke oder
mit dir rede, glaubst du, daß sie hier zuge-
gen sein müsse. Wenn du nun wußtest, daß
der liebe Gott hier, und an allen Orten auch
etwas thut, auch etwas macht, würdest du da
nicht aus eben dem Grunde überzeugt sein,
daß auch er hier und an allen Orten zugegen
sein muß?
Lottcheu. Äa das würde ich. Denn wir
276,
♦44 m+W'H‘»
konnte Einer an einem Orte etlvas thun, wo
er nicht Ware?
Mutter. Du hast Recht, meine Liebe!
So laß uns denn sehen, ob Gott hier um
und neben uns wirklich etwas verrichtet? —
Halte einmahl deine Hand hier an die linke
Seite deiner Vrust; was gibt es da?
Lottchen. Ich weiß nicht, aber es geht im-
mer tick! tack! als wenn eine Uhr drinnware.
Mutter. Ich will dir's sagen. Das
ist dein Herz , welches sich immer hin und
her bewegt, wodurch das Blut, welches auf
der einen Seite dem Herzen zuläuft, auf der
andern wieder fortgeschnellt wird, damit es
immer im Laufen bleibe. Stände das Her;
einen Augenblick still, so würde das Blut
in allen Adern aufhören zu laufen; dann
würde deine Seele in eben dem Augenblicke
diesen Körper verlassen, und er würde todt
sein. Es ist dir also viel daran gelegen,
daß dis Uhrwerk im Gange bleibe. Aber
"wer macht es nun so schlagen? Bist du es
etwa selbst?
277
4 ++4 ♦+ m+M»
lottci;ett. Ich wußte ja nicht einmahl,
daß es so tick! tack! Wacht.
Mutter. Oder bin ichs? oder ist es
irgend ein anderer Mensch?
Lottchen. Es kann ja Keiner dazu
kommen.
Mutter. Du hast ganz Recht. Wenn
ich auch nicht hier wäre, so würde dein Herz
dich fvrtsahren zu schlagen. Ich kann also
die Ursache davon nicht sein; aber wer ist es
denn? -
Lottchen. O ich merk es schon; das wird
gewiß der liebe Gott sein, der das macht.
Mutter. Getroffen, mein Kind! Denn
wer könnt' es sonst auch sein? — Ja, Gott,
der liebe gute Gott ist es, der unsere Herzen
schlagen macht und uns dadurch lebendig er-
hält; kann er also wol fern von uns sein?
Muß er nicht vielmehr hier und an allen
Orten zugegen sein, wo Menschen und an-
dere lebendige Wesen sind? — Freue dich
also liebes Kind, mit mir und andern Men-
schen , daß wir einen so guten, und so mää)-
J
4+4-4-M-+-••*++«i
rigen, .obgleich unsichtbaren Vater haben,
der immer bei uns ist, uns lauter Liebes und
Gutes thut, wenn wir ihn nur auch lieben
und gute Menschen zu werden suchen. Mor-
gen will ich dir noch etwas mehr davon sagen.
Drittes Gespräch. .
§0ttchen. Weißt du noch, Mütterchen,
was du gestern versprochen hast?
Mutter. Was denn, mein Kind?
Lottchen. Du wolltest mir noch etwas
vom lieben Gott erzählen.
Mutter. Das will ich auch. Aber es
ist ein so schöner Morgen; komm, laß uns
in den Garten gehn, da wollen wir vom lie-
ben Gott mit einander reden.
Lottchen. (im Garten.) Ach, wie schön
ist es hier!
Mutter. Sehr schon, mein Kind. Sie-
he, wie der Thau auf den Blättern glänzt,
indem die Sonne daraus scheint! Wie alle
2 79
444 4++-M-»-***
die lieben Pflanzen und Blumen so frisch und
lustig da stehn, als wenn sie sich freuten, ei-
nen neuen Tag erlebt zu haben! Und horch,
wie die Vögelchen singen, als wenn sie Gott
dankten, daß er sie gemacht hat! — Sind
wir nicht recht glücklich, daß wir in einer so
schönen Welt leben?
Lottchen. Ach ja, liebe Mutter!
Mutter. Nun, gutes Kind, du weißt,
wem wir dis Glück zu verdanken haben.
Lottchen. Ja, und ich bin recht froh,
daß ich nun weiß, daß der liebe Gott das
alles macht.
Mutter. Aber was wollen wir diesem
guten Vater dafür wieder thun, daß er uns
so viel Liebes erzeiget?
Lottchen. O ich wollte ihm gern etwas
von meinen Spielsachen abgeben, wenn ihm
das Freude machte?
Mutter. Wolltest du? — Aber du
kannst leicht denken, mein liebes Kind, daß
derjenige, der Sonnen machen, Mond und
Sterne an den Himmel setzen und so viele
''gÖo
Menschen und Thiere erschaffen kann, als er
nur will, nicht nöthig habe, sich von uns erst
Spielsachen schenken zu lassen. Wenn er
daran Vergnügen fände, so könnte er ja eine
ganze Welt voll Puppen machen. Aber er
hat nur Lust an lebendigen Wesen, welchen
er wohlthun kann, und die sich darüber freuen
können.
Lottchen. Ach! so kann ich ihm ja gar
nichts wiedergeben!
Mutter. Das ist auch nicht nöthig,
mein Kind. Denn Alles, was du hast, hat
Gott ja selbst gemacht und dir gegeben. Aber
du kannst doch etwas thun, welches ihm viel
Vergnügen machen würde.
Lottchen. O liebe Mutter, sage mir
doch das! Ich will es gleich thun, gleich
den Augenblick.
Mutter. Du weißt es schon, mein lie-
bes Lottchen; ich will dich nur daran erinnern.
Du bist deinem Freunde, dem kleinen Her-
mann gut, nicht wahr?
Lottchen. Ja recht sehr.
2 8 I
*4444«"M-«"*■*►
Mutter. Du suchst ihm das auch zu-
weilen zu erkennen zu'geben, indem du ihm
etwas von deinen Spielsachen schenkest; nicht,
mein Kind?
Lottchcn. Ja, Mutter, das thue ich.
Mutter. Nun sage mir einmahl, wür-
dest du es wol gern sehen, wenn er dich nicht
wieder lieb hätte? Wenn er dir den Rücken
zukehrte, und nichts mit dir zu thun haben
wollte? Oder macht es dir nicht vielmehr
Freude, wenn dein Freund dich wieder recht
herzlich lieb hat; dir freudig dankt, so oft
du ihm etwas geschenkt hast, und dir auch
Alles zu Gefallen thut, was er nur immer
kann?' Sage, ist dir das nicht angenehm?
Lottchen. O recht sehr!
Mutter. Nun, eben so angenehm
rst es dem lieben Gotte, wenn die Men-
schen, welchen er so viel Gutes thut, ihn
wieder lieb haben, und ihm das rcd)t oft zu
erkennen geben.
Lottchen. Ach! das wollt' ich so gern
tbun, denn ich habe ihn nun recht lieb; aber
2 8 2
ich weiß nur nicht, wie ich es anfangen
soll?
Mutter. Das will ich dir wol sagen.
Lottchcn. Willst du das? — O du
liebe Mutter!
Mutter. Sieh, liebes Kind, Gott, der
selbst so gut ist, kann gar nichts Böses leiden.
Ec will daher, daß die Menschen alle zur
fein sollen. So oft wir nun etwas Böses
thun, so ist ihm das gar sehr zuwider;
so oft wir aber fromm und artig sind, so
freut er sich eben so darüber, als dein Vater
und ich uns freuen, wenn du hübsch artig
bist. Wie mußt du es also wol anfan-
gen, wenn du ihm Freude machen, und
ihm dadurch deine Liebe zu erkennen geben
willst?
Göttchen. Ich muß immer recht fromm
und artig sein; nicht so, liebe Mutter?
Mutter. Ganz recht, mein Kind. Wenn
das Gott dann sehen wird; acht wie wird
ihm das lieb fein, und wie wird er dir dann
noch immer mehr Gutes erweisen!
283
♦4+4+++»» M»»
iottdjcn. Aber ich möcht's ihm auch
gern sagen, daß ich ihn lieb habe.
Mutter. Das sollst du auch,, meine
Tochter; du sollst es ihm alle Tage, und
zwar recht oft sagen.
Lottchen. Aber wie kann ich das?
Mutter. Hast du nicht bemerkt, daß
dein Vater und ich auch oft mit dem lieben
Gott reden, und ihm danken für das viele
Gute, welches er täglich an uns thut?
Lottchen. Ach ja! des Morgens und
des Abends und bei Tische, wenn ihr betet;
nicht wahr, Mutter?
Mutter. Ja, mein Kind; da danken wir
Gott des Morgens, daß er uns einen neuen Tag
erleben läßt; bei Tische, daß er uns Speise
und Getränk bescheret; und des Abends für
alle Güte,, die er den ganzen Tag über uns
erwiesen hat.
Lottchen. Soll ich denn nun nicht auch
mit beten?
Mutter. Ja, nunmehr, da du Gott
schon etwas kennen gelernt hast, und weißt
2 ñch .
«■Hm >>->-» i- «-
wie viel wir ihm zu verdanken haben, sollst
du auch mit ihm reden.
Göttchen. Was muß ich denn aber sa-
gen, Mutter?
Mutter. Liebes Kind, wenn wir zu
Gott reoen, so kömmt es gar nicht auf
die Worte an, die wir gebrauchen. Er
sieht nur auf unser Herz, ob ihn das auch
r-echt lieb hat, und recht dankbar gegen ihn
ist. Wenn du nur so bei dir selber denkst,
und es auch wirklich so meinst: ,,Lieber
Gott.7 ich habe dich recht von Herzen lieb;
ich danke dir, daß du mir so viel Gutes
erzeigest, und ich will auch recht fromm und ar-
tig sein," so ist das Gott lieber, als wenn
du viele Worte machtest, ohne dabei etwas
zu denken, oder zu empfinden.
Lottchen. Aber Horts denn der liebe
Gott .auch wol, wenn ich so zu ihm spreche?
Mutter. Du .brauchst es nicht einmahl
auszusprechen; du darfst es nur denken , so
weiß es Gott schon.
Lotlchcn. O das sagst du wol nur so?
*85
444 444-f+l»
Mutter. Nein, mein Kind, ich sage es im
ganzen Ernst. Gott kennt alle unsere Ge-
danken, denn er ist unserer Seele eben so
nahe, als er es unserm Körper ist.
Lottchen. Aber das ist doch erstaunlich!
Wie kann denn Einer wissen, was ich denke,
wenn ichs ihm nicht sage?
Mutter. Höre, mein Kind, hast du schon
gesehen, wie eine Uhr inwendig beschaffen ist?
Lottchen. £>• ja, die ist voll Räder und
anderer Dinge, und die gehen immer so her-
um, als wenn sie lebendig waren.
Mutter. Nun sage mir einmahl, glaubst
du nicht, daß derjenige, der die Uhr gemacht
hat, genau wisse, was zu jeder Zeit darin
Vorgeht?
Lottchen. 3a, der muß es wol wissen..
Mutter. Hat denn'Gott nicht ur>s
und unsere Seelen auch gemacht? Und sollte
er also nicht wissen, was zu jeder Zeit darin
vorgeht, was unsere- Seele denket, oder
empfindet? So wäre der große Gott ja nicht
einmahl so weise, als der Uhrmacher ist!
286
«!* + ■♦+♦ +4* (•<•<•!<
tottchen. Das ist auch wahr. — O
nun will ich auch recht oft an Gott denken,
und ihm sagen, daß ich ihn lieb habe, da ich
weiß, daß er sogar meine Gedanken versteht!
Mutter. Aber du wirst aus eben dem
Grunde dich nun auch hüten, etwas Böses
zu denken, oder etwas Böses im Verborge-
nen zu thun. Denn wenn auch kein Mensch
es bemerkte, so würde es doch Gott sehen,
und du würdest ihm mißfällig werden. Und
das wolltest du doch nicht?
Lottchen. O nein, liebe Mutter! Ich
will nun immer Gutes denken und immer
artig sein, auch wenn ich ganz allein bin,
damit der liebe Gott sich über mich freuen könne.
Mutter. Umarme mich, mein gutes
Mädchen; und Gott erhalte dich bei diesem
Vorsähe!
Viertes Gespräch.
§0ttchen. Wie muß ich es denn aber
machen, liebe Mutter, um immer recht artig
zu sein?
2 8 7
♦■H-4++ ■*.•<•+*>•>•
Mutter. Du mußt alles das thun,
was dein Vater und ich dir sagen, und alle-
das nicht thun, was wir dir verbieten.
Lottchen. Warum denn, Mutter?
Mutter. Weil es dir gut ist, uns in
allen Dingen zu gehorchen.
Lottchen. Wozu ist mir denn das gut?
Mutter. Wir wollen einmahl sehen. —■
Wenn die Kinder laufen, oder springen, oder
aufklettern, was kann ihnen da leicht wider-
fahren?
Lottchen. Sie können fallen.
Mutter. Und wenn sie nun bei solcher
Gelegenheit fallen, und gerade ein Messer,
oder eine Scheere in Händen haben, was
kann ihnen dann geschehen?
Lottchen. Sie können sich schneiden, oder
stechen.
Mutter. Ist denn das etwas Schlim-
mes, wenn man sich schneidet, oder sticht?
Lottchen. O ja, das thut sehr weh.
Mutter. Ja; und man kann sich auch
die Aggen ausstechen, und dann ist man
2 S 8
blind, und das ist ein großes Unglück.
Warum haben wir dir also wol verboten,
etwas Scharfes oder Spitziges in die Hand zu
nehmen, so oft du laufen, springen, oder ir-
gendwo aufsteigen willst?
Lotlcheu. Daß ich mich damit nicht
schneiden oder stechen möge.
Mutter. Ist es dir also nicht gut, wenn
du uns gehorchest, und diese Dinge, womit
du dir schaden könntest, zur Zeit des Spie-
lens liegen laßt?
Lottchen. Ja, bas ist wahr.
Mutter. Noch eins. Ich hake dir
auch gesagt, du solltest nicht allein auf den
Hof bei den Brunnen gehen; warum habe
ich dir denn das wol verboten?
iottchen. Weil ich hineinfallen und er-
trinken könnte.
Mutter. Siehst du?— So ist es
mit allen andern Dingen, die wir dir verbie-
ten, auch beschaffen. Es sind lauter Dinge,
die dir schädlich sein würden.
* 8g
<*♦«■•» -í««--** ••+■»**
jottchen. Aber zuweilen weiß ich doch
nicht, warum ihr mir etwas verbietet?
Mutter. Das kann wol sein; ein Kind
kann auch nicht immer wissen, was ihm gut
oder schädlich ist. — Aber weißt du dich
jetzt wol auf so etwas zu besinnen?
Lottchcu. O ja! — Der Vater hat mir ver-
boten, den Schieber an dem kleinen bunten
Kästchen aufzuziehen, das er gestern gekauft
hat; und ich möchte doch gern wissen, was
darin ist.
Mutter. Vermuthlich muß dein Vater
doch wol eine gute Ursache gehabt haben;
warum er dir das verboten hat. Es mag
dir vielleicht schädlich fein r zu wissen, was
in dem Kästchen ist?
Lottchen. O das glaube ich doch nicht!
Mutter.. Nicht? Nun, wir wouen es
einmahl versuchen. Ich erlaube dir jetzt im
Namen deines Vaters, den Schieber aufzu-
ziehen.
Lottchen. (Indem sie das Kästchen auf-
macht, springt ein künstliches Mäuschen her-
*9
2 9 0
!■<•+ -M.fr
aus, welches einen Stachel im Munde hat,
der ihr in den Finger fahrt.)
O weh! o weh! — Ach liebe Mutter,
hilf mir!, hilf mir!
Mutter. Da siehst du, mein Kind, daß
dein Vater dir doch nicht umsonst verbot,
das Kästchen aufzumachen. Du hattest Un-
recht, zu vermuthen, daß er es ohne allen
Grund gethan habe, und bist nun dafür be-
straft worden.
t.0ttcheri. Ach! nun will ich auch nie-
mahls wieder thun, was mir verboten ist,
wenn ich auch schon nicht weiß, warum —
Sieh nur, wie es blutet! Aber warum sagt
mir denn der Vater auch nicht immer, war-
um er mir etwas verbietet?
Mutter. Kind, zuweilen hat man keine
Zeit'dazu, zuweilen können Kinder auch die
Ursachen, warum ihnen etwas untersagt wird,
noch nicht verstehen.
Lottchen. Aber bis hätte er mir doch
wol sagen können?
Mutter. Vielleicht wollte er sich die-
2 9
*+•}■♦** +>. H*
sen )lbend, wenn er mehr Zeit hätte, das
Vergnügen machen, dir dieses Kunstwerk
selbst zu zeigen; vielleicht wollte er dich auch
auf die Probe stellen, ob du wol schon ein
recht gehorsames Kind wärest? Die Freude
haben wir ihm nun verdorben.
Lottchen. O das ist doch Schade r
Fünftes Gespräch.
§0ttchen. Liebe Mutter, ich will nun gern
thun, was du und der Vater haben wollt;
aber wenn ich nur allezeit wüßte, was euch
lieb ist!
Mutter. Nun, das will ich dir denn
schon sagen; frage mich nur, so oft du zwei-
felhaft bist.
Lottcheu. Ja, wenn du nun aber nicht
bei mir bist?
Mutter. Dann, mein Kind, ist das
S cherste, daß du dasjenige nicht thust, wo-
von du nicht ganz gewiß weißt, daß es gut ist.
tottchen. Ja, da wollte gestern der
Herrmann mit meiner Puppe spielen, und
da wollte ich sie ihm nicht gebend war das
nicht recht, Mutter?
Mlttter. Nein, ganz und gar nicht.
Die hattest du ihm gleich geben sollen.
Göttchen. Aber wie konnte ich das
wissen? Du hattest mir's ja nicht gesagt!
Mutter. Wol wahr; aber das hattest
du doch wol von selbst wissen können.
Lottchen. Von selbst? Aber wie denn,
Mutter?
Mlttter. Sage mir nur, wenn du et-
was von Herrmanns Spielsachen gebrauchen
willst, siehst du es wol gern, wenn er dir's
nicht leihen will?
Lottchen. Nein!
Mutter. Und freuet^ dich nichtvielmehr,
wenn er dir gleich gibt, warum du ihn
bittest?
Lottchen. Ja, das ist wahr.
Mutter. Nun glaubst du nicht,- dag
-S dem kleinen Herrmann eben so wehe thut,
2 9 3
♦4-M++ H-t «-»»
wenn du ihm etwas abschlägst; und daß er
sich hingegen eben so sehr freuet, wenn du
ihm etwas zu Gefallen thust?
Lottchen. Ja, das glaub ich wol.
Mutter. Nun, siehst du? Da hattest
du dich also nur an seine Stelle setzen
und dich ftlbst fragen sollen: wie wür-
de es mir gefallen, wenn ich Herrmann und
Herrmann Lotte wäre, und ich bäte ihn um
seine Puppe, und er wollte sie mir nicht ge-
ben ? — Dst würdest du gleich gefühlt haben,
daß es nicht gut sei, dasjenige abzuschlagen,
warum er dich bat.
Lottchen. Ach! das ist wahr.; nun will
ich ein andermahl wol wissen, was gut ist.
Ich brauche ja nur zu bedenken, wie würde
dir das gefallen, wenn du an des andern
Stelle wärest?
Mutter. - Ganz recht, mein liebes Mäd-
chen ! Was du willst, das dir dieLeu-
t e th u n so llen, das thue du ihnen
auch. Wenn wir andern Leuten etwas zu
Gefallen thun, so thun sie es uns wieder;
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aber wenn wir selbst nicht dienstfertig sind,
so will uns Keiner wieder dienen. Und glaubst
du wol, daß man sich immer allein helfen
könnte, wenn andere Leute uns ihre Dienste
versagten?
Lottcheii. Nein, das glaube ich nicht.
'!/ Mutter. Du hast Recht. Das Wenig-
ste von dem, was wir nöthig haben, können wir
uns selbst verschaffen. Aber indem der Eine
dem Andern aushilft, mit dem, was er hat,
oder kann, so ist uns Allen geholfen. Erin-
nerst du dich noch an die Geschichte, die ich
dir neulich erzählte, von dem blinden
Manne. —
Lottchen. Ach ja, der den Weg nicht
sehen konnte, und von dem Lahmen, der
nicht gehen konnte.
Mutter. Ganz recht. Wie machten
es diese Unglücklichen, daß sie beide so gut
fortkamen, als wenn der Blinde gesunde Au-
gen und der Lahme gesunde Füße gehabt
hätte?
Lottchen. Der Blinde nahm den Lah-
2 9 5
men auf den Rücken, und der Lahme sagte
ihm, wo er gehen müßte.
Mutter. Der eine liehe also dem an-
dern seine Füße, und der andere ihm wieder
seine Augen, und so war beiden geholfen.
Sechstes Gespräch.
Lottcheri. Ach! liebe Mutter, hast du wol
gehört, daß unsers Nachbars sein kleiner
Fritz gestorben ist?
Mutter. Ich habe es gehört, mein Kind;
wir wollen nachher hingehen und den todten
Leib besehen.
Göttchen. Ich bin schon da gewesen und
habe ihn gesehen. Der arme Junget Er ist
so blaß und kalt, und kann sich gar nicht
mehr rühren! Ich glaube er hört auch nicht
mehr, wenn man ihn ruft.
Mutter. Das macht, daß er nicht mehr
da ist.
toltchen. I, ja doch, Mutter; er lag
2 (j 6
44-H -um.»..-Mi
in einem Kasten, ich hab ihn wirklich ge-
sehen.
Mutter. Seinen gewesenen Leib hast
du gesehen, i!>n selbst aber nicht. Deswegen
ist ja eben der Leib todt, weil er selbst, oder
seine Seele, herausgegangen ist.
Lottchen. Ist denn seine Seele nicht
mit gestorben?
Mutter. Nein, mein Krnd, unsere
Seelen sterben niemahls, die läßt der liebe
Gott immer leben. Unser Leib stirbt nur.
Göttchen. Aber das ist doch sonderbar!
Wie kann denn die Seele noch leben, wenn
der Leib todt.ist?
Mutter. Willst du einmahl etwasAehn-
liches sehen? Komm mit mir in die Kam-
mer , wo wir die Raupen hlngethan haben,
die wir ehegestern mit nach Hause nahmen.
Du weißt doch noch, einer von diesen beiden
Würmern lebte, und der andere war todt?
Lottchen. Ja, und der Todte sah dem
andern gar nicht mehr ähnlich.
Mutter. So wie Fritzchens Leib in
-97
, *4+4'H++M4*
kurzen dem u'nsrigrn auch gar nicht mehr
ähnlich sehen wird.
lottchen. Wird er das?
Mutter. Ja, in einigen Wochen wird
er anfangen zu verfaulen, und von den
Würmern gefressen zu werden; und dann
verliert er seine Gestatt. — Nun sieh,
Lottchen, hier ist die Raupe, welche ehegestern
noch le-bte; was ist sie nun?
lottchen.' Ach! Nun ist sie auch schon
todt! Das ist doch Schade!
Mutter. Beklage sie nicht; du sollst
gleich sehen, daß du keine Ursache dazu hast.—*
Hier ist das Schachtelchen, wo wir die ande-
re Raupe, welche todt war, hineinlegten;
wir wollen doch sehen, was daraus geworden
ist. — Was ist das?
lottchen. Ach ein allerliebster bunter
Schmetterling! O herrlich!
Mutter. Aber, wie mag denn der in
die Schachtel gekommen fein? Wir thaten
ja nur die todte Raupe hinein.
lottchen. O gewiß hast du ihn hinein-
♦44 4« Mit-H»
-etHan, um mir eine unvermuthele Freude
damit zu machen!
Mutter. Nein, mein Kind; du weißt
ja, daß ich seitdem nicht wieder in dieser
Kammer gewesen bin. — Aber sich die
todte Raupe, die noch da liegt, einmahl recht
an ; ist sie noch eben so, wie sie.ehegestern
war?
lottdjcn. Was bedeutet das? Die ist
ja osten, -und inwendig ganz hohl!
Mutter. Es scheint nur noch die äußer-
ste Hülle zu sein. Ww? wenn das Inwendi-
ge von der todten Raupe in diesen schönen
Schmetterling wäre verwandelt worden?
Göttchen. O das kann wol nicht sein!
Mutter. Und doch ist es wirklich so! Du
siehst ja, die todte Raupe ist nicht mehr da^
statt'ihrer flattert hier der lebendige Schmet-
terling, der vorher nicht da war, und den
kein Mensch hineingesetzt hat. Die todte
Raupe muß also nothwendig in einen lelvn-
digen Schmetterling sein verwandelt worden,
Lottchen. Nun das hätt' ich doch mein
299
44+444+*. + «.,> .
Tage nicht geglaubt, wenn ichs nicht mit
meinen eigenen Augen sahe.
Mutter. Nach einiger Zeit wirst du
finden, daß aus der andern Raupe, welche
jetzt todt ist, auch ein lebendiger Schmetter-
ling geworden sein wird.
Lottchen. O das ist allerliebst!
Mutter. Und »sehr lehrreich! Scheint
es dir nun noch unmöglich zu sein, daß
Fritzchens Seele fortlebt, indeß sein Leib todt
ist, und begraben wird?
Lottchcn. Nein, liebe Mutter, nun
glaube ich es. Aber wo ist denn Fritzchens
Seele hingekommen, wenn sie nicht mehr in
seinem Leibe ist?
Mutter. Gott hat sie an einen andern
Ort geführt, wo sie viel Freude haben wird,
wenn Frihchen hier hübsch artig und fromm
gewesen ist.
Lottchen. Aber wenn er nun nicht ar-
tig war?
Mutter. Ja, dann muß der liebe Gott,
so ungern er auch straft, es ihm dort, wo er
3 o o
♦+++-M- ♦»(■»*■*
NUN ist, übel gehen lassen, damit er bes-
ser .werde. Aber Fritzchen war ein guter
Junge, und es wird ihm daher gewiß auch
gut ergehen.
Göttchen. O ich will recht artig sein,
damit es mir auch gut gehe, wenn ich ge-
storben bin!
Verbesserungen.
_____
5gcj der größten Sorgfalt, den Druck die-
ses Äbezebuchs so fehlerlos als möglich zu
liefern, sind dennoch, zum Bedauern des
Verfassers, ein paar Mißgriffe des Sehers
unbemerkt geblieben, die man hier anzeigt.
Seite 80 Z. 12 lies diese statt dieser.
— -------»3 — vorausgesetzte starr
vorausgesetzter.
— 98 — 9 und 1 I lies a statt atz.
In den Fabeln von Seite 119 an sollte, dem
vorangeschickten Grundsätzen zufolge, überall
uur das kleine §, nicht aber auch das lange(s)
gebraucht worden sein. Gleichwol hat sich
das letzte einigemahl emgeschlichen, und die»
ser Fehler ist von den Druckberichtigern, wozu
ich leider selbst gehöre, übersehen worden. Der
Schade ist zum Glück nicht groß; und kann
dadurch leicht gehoben werben, daß man den
Kindern, indem man sie mit dem 8 bekannt
macht, eröffnet, daß diese Figur auch oft in
die Länge gezogen werde, und dann so aus-
Joachim Heinrich Campe
über
C. P h. F u n k e' 6
Naturgeschichte und Technologie
Mit 24 Kupfertafeln.
--------- , -t
Die anerkannten großen Vorzüge dieses
Werks jetzt, da der allgemeine Beifall aber-
mahls eine neue Auflage desselben nöthig
gemacht hat, noch einmahl ausführlich zu
entwickeln, wurde etwas sehr Ueberflüssiges
sein. Man weiß, daß es, trotz dem dadurch
erregten Wetteifer, unter allen, früher und
spater zu gleichen Zwecken geschriebenen Mer-
ken noch immer den ersten Platz behauptet.
Es war das erste, worin der vernünftige Ge-
danke befolgt wurde, daß man die Geschichte
von der Anwendung und Benützung der Na-
tur-Erzeugnisse mit der Beschreibung dersel-
ben verbinden muß, wenn man die Natur-
geschieh te eben so nützlich als unterhaltend
machen will. Es war zugleich das erste, und
ist vielleicht noch jetzt das einzige, worin aus
dem weiten Umfange dieser Wissenschaften
gerade das Anziehendste und Lehrreichste, ge-
rade das, was für alle auf Vrldung An-
sprach machende Menschen zu wissen an-
genehm^ nützlich und nöthig ij7, mit ver-
ständiger Auswahl ausgehoben, in einen leicht-
zu'übersehenden unerkünstelten Zusammenhang
gebracht, und in einer klaren, allgemeinver-
ständlichen und zugleich edlen Schreibart dar-
gelegt worden ist. Es war und ist endlich,
wenigstens meiner Kenntniß nach, das erste
und noch immer das einzige Werk dieser Art,
welches keine andere Hülfsgnellen voraussetzt,
sondern dem Lehrer zusammengedrängt dar-
bietet, was ihm zu wissen nöthig ist, um
einen eben so angenehmen, als fruchtbaren
und vollständigen Unterricht zu ertheilen. Bei
dieser neuen Auflage haben Verfasser und Ver-
lagshandlung vollends gewetteisert, um die-
sem Merke den höchsten Grad der Vollkom-
menheit ;u geben, den es durch sie erreichen
konnte. Besonders hat die letzte weder Mü-
he noch Kosten gescheut, um die mit vier Ta-
feln vermehrte Kupfersammlung in Paris,
durch die vorzüglichsten Meister zeichnen, ste-
chen und ausmahlen zu lassen. Wenn nun
auch gleich hiebei von Kunstkennern noch eins
und das andere zu erinnern übrig geblieben sein
mochte: so ist doch daß Ganze so ungewöhnlich
gut und vollkommen gerathen, daß ich, wie ich
mit Ueberzeugung versichern kann, nunmehr kein
anderes, für den Unterricht in der Naturge-
schichte bestimmtes Werk, weder im Deutschen
noch in einer andern Sprache, kenne, welches
in jeder Hinsicht eine Vergleichung mit die-
sem Aunkeschen auszuhalten im Stande wäre.
Da man mir sagt, daß dieses mein un-
maßgebliches Urtheil für Lehrer, Erzieher und
Eltern, welche noch durch Rath geleitet zu
werden bedürfen, vielleicht einigen Nutzen ha-
ben könne: so habe ich nichts^dawider gehabt,'
daß es mit meiner Unterschrift öffentlich be-
kannt gemacht würde.
Vraunschweig.
I. H. Campe.
>
Ter ausgezeichnete Beifall, welchen dieses
Werk überall gefunden hat, hat schon jetzt
die Fünfte Auflage nöthig gemacht. Diese
ist abermahls mit zwei neuen Kupfertafeln
vermehrt, und wir dürfen mit Wahrheit ver-
sichern, keine Seite blieb ohne sehr wesentliche
Verbesserungen und Zusätze, wodurch diese
5te Auflage, des sparhaften Drucks ungeach-
tet, i 6 Bogen starker geworden ist.
Die drei Bande auf großem Englischen
Druckpapier, mit 24 nach der Natur ausge-
mahlten Kupfertafeln kosten 12 Nthlr.; auf
gewöhnlichem Druckpapier mit schwarzen Ku-
pfern 7 Nthlr. i 2 Ggr., und ohne Kupfer
6 Nthlr. 12 Ggr. Die Kupfer allein,
welche jetzt eine sehr vollständige Erklärung
begleitet, so daß sie nun auch einzeln oder
zu jedem andern Lehrbuche der Naturgeschichte
gebraucht werden können, kosten, auf gro-
ßes Velinpapier gedruckt und ausgemahlt,
5 Nthlr., schwarz 2 Nthlr. 12 Ggr.
Schulbuchhandlung.
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