159 
einmal durch, schrieb sie in's Reine, und überlas alles noch 
einmal den Tag vorher, an welchem sie davon Gebrauch machen 
sollte. Daher waren ihre Hefte immer sauber und rein, urid 
da auch der Inhalt mitNachdenken geschrieben war: so machte 
die Durchsicht derselben Len Lehrern immer mehr Freude als 
Mühe. 
Sie war aber damit nicht zufrieden, die Vortrage ihrer 
Lehrer bloß auf dem Papier zu haben; denn sie sah wohl ein, 
daß man nicht sagen könne, man wisse dies und jenes, wenn 
man es nicht im Kopfe trage, und sich nicht einen deutlichen 
Begriff davon machen könne. Da es ihr nun aber wie allen 
Kindern ging, daß sie das Gehörte oft wieder vergaß, so machte 
sie es sich zum Gesetz, die Ferien und freien Tage, welche sie 
hatte, zur Wiederholung zu benutzen, und ihre Hefte von 
Zeit zu Zeit mit Aufmerksamkeit wieder durchzulefen. Diesen 
Rath hatte ihr einer ihrer Lehrer gegeben, und da sie ihn treuer 
als ihre Mitschülerinnen befolgte, so wußte sie auch immer am 
besten zu antworten, wenn beim Unterricht solche Gegenstände 
in Anregung kamen, die schon früherhin erklärt worden waren. 
Auf diese Art wurde es möglich, daß Lottchen, mit sehr 
guten Kenntnissen versehen, im 16ten Jahre die Schule ver¬ 
lassen konnte. Mit Thränen des Danks schied sie von ihren 
Lehrern, die sie wie ihre Eltern liebte, und von einem Orte, 
an dem sie so viel frohe Stunden verlebt hatte; und mit Schmer¬ 
zen sahen ihre Mitschülerinnen sie aus ihren Umarmungen sich 
losreißen, da sie mit ihnen in Freundlichkeit und Friede gelebt, 
und der Schule eine Ehre und Zierde gewesen war. Lange noch 
gedachte sie ihrer Schulzeit mit Liebe, und lange noch blieb sie 
in dem ehrenvollen Andenken ihrer Lehrer und Gespielinnen! 
2. Das Mädchen als Gehülfinn im elter¬ 
lichen Hause. 
Bertha war 17 Jahr alt, als sie von dem Prediger der 
Kirche, zu welcher sich ihre Eltern hielten, eingesegnet wurde. 
Mit dieser feierlichen Handlung schloß sich zugleich ihre Schul¬ 
zeit, und ihre Eltern freuten sich, eine große, verständige Toch¬ 
ter zu haben, die ihnen nun bei der Erziehung der kleinern Ge-