185 und er unbekümmert fortschwelgte, da machte sie sich auf, um ihn in Aegypten zu besuchen. Sobald Antonius dies erfuhr, schrieb er ihr, sie möchte nur bleiben, er habe gerade einen Feld¬ zug in das östliche Asien beschlossen. Octavia gehorchte, und ungeachtet ihr Bruder, der eine Veranlassung zum Krieg mit dem Antonius wünschte, sie auf alle Weise zu bereden suchte, den Schimpf nicht zu erdulden: so blieb sie doch ihrem Gemahl treu, und schrieb ihm sogar unterweges: „wenn du mich nicht sehen willst, so melde mir wenigstens, wohin ich das Geld, die Kleidungsstücke und Waffen schicken soll, die ich für dich mit¬ gebracht habe, und womit ich dich überraschen wollte." Aber Antonius, in dem der Taumel der Vergnügungen jede edle Re¬ gung erstickte, verstieß seine Gemahlinn gänzlich, betrieb die völlige Scheidung von ihr, und ließ sie sogar in Rom aus sei¬ nem Hause werfen. Sie ging mit Thränen im Auge, doch ohne zu klagen, nahm alle ihre Kinder mit sich, und als An¬ tonius und Kleopatra gestorben waren, nahm sie auch deren Kinder zu sich, erzog sie tugenhaft, und alle wurden in der Fol¬ ge berühmte und achtungswerthe Männer und Frauen; denn der Geist einer edlen Mutter ruht segensreich auf Kindern und Kindeskindern, 3. Die entschlossene Frau. Der Römer Brutus, der sich im Jahre 44 vor Christi Geburt mit mehrern andern Römern gegen den herrschsüchtigen Cäsar verschwor, hatte eine sehr muthvolle, entschlossene Frau, die Tochter einesdurch Geistesstärke berühmten Römers, Mato. Sie merkte an der Unruhe ihres Mannes, daß er irgend ein großes Geheimniß in sich tragen müsse; doch wollte sie ihn nicht fragen, obwohl es sie schmerzte, daß er es ihr nicht un¬ gefragt anvertraue, da sie sich immer verschwiegen gezeigt hatte. Eines Tages nimmt sie einen Dolch, stößt ihn sich in die Hüf¬ te, und als ein heftiges Wundsieber sie darauf ergreift, und Brutus voll Betrübniß neben ihrem Lager steht, heißt sie allß Anwesende weggehen, und redet zu ihm: „Brutus, du vergißtt daß ich eine Römerinn, daß ich Kato's Tochter und Brutus Gemahlinn bin! Sieh, ob diejenige, die dies zu ertragen ver-