274 Graf. Die Nelke soll man nicht verschmähn, Sie ist des Gärtners Wonne: Bald muß sie in dem Lichte stehn, Bald schützt er sie vor Sonne; Doch was den Grafen glücklich macht, Es ist nicht ausgesuchte Pracht: Es ist ein stilles Blümchen. Veilchen. Ich steh' verborgen und gebückt Und mag nicht gerne sprechen, Doch will ich, weil stch's eben schickt, Mein tiefes Schweigen brechen. Wenn ich es bin, du guter Mann, Wie schmerzt mich's, daß ich hinauf nicht kann Dir alle Gerüche senden. Graf. Das gute Veilchen schätz' ich sehr: Es ist so gar bescheiden Und duftet so schön; doch brauch' ich mehr In meinem herben Leiden. Ich will es euch nur eingestehn: Auf diesen dürren Felsenhöhn Jst's Liebchen nicht zu finden. Doch wandelt unten, an dem Bach, Das treuste Weib der Erde Und seufzet leise manches Ach, Bis ich erlöset werde. Wenn fle ein blaues Blümchen bricht Und immer sagt: Vergißmeinnicht!' So fühl' ich's in der Ferne. Ja, in der Ferne fühlt sich die Macht, Wenn zwei sich redlich lieben; Drum bin ich in des Kerkers Nacht Auch noch lebendig geblieben. Und wenn mir fast das Herze bricht, So ruf ich nur: Wergiß mein nicht!' Da komm' ich wieder ins Leben. 148. Oor Fischer. Von Goeìhe. Werke. Stuttgart und Tübingen 1840. I, 149. — Herder Volkslieder. Leipzig 1779. II, 3. Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, Ein Fischer saß daran, Sah nach dem Angel ruhevoll, Kühl bis ans Herz hinan. Und wie er sitzt, und wie er. lauscht, Theilt sich die Flut empor; Aus dem bewegten Wasser rauscht Ein feuchtes Weib hervor. Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm: 'Was lockst du meine Brut Mit Menschenwitz und Menschenlist Hinauf in Todesglut? Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist So wohlig auf dem Grund, Du stiegst herunter, wie du bist, Und würdest erst gesund. 'Labt sich die liebe Sonne nicht, Der Mond sich nicht im Meer? Kehrt wellenathmend ihr Gesicht Nicht doppelt schöner her? Lockt dich der tiefe Himmel nicht, Das feuchtverklärte Blau? Lockt dich dein eigen Angesicht Nicht her in ew'gen Thau?' Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, Netzt' ihm den nackten Fuß; Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll Wie bei der Liebsten Gruß. Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm; Da war's um ihn-geschehn: Halb zog sie ihn, halb sank er hin Und ward nicht mehr gesehn.