Schüler Hefte
als Leitfaden bei dem Unterrichte und zur Wiederholung
nach dem Unterrichte in der Volksschule.
Auf Veranlassung
eines Lehrervereins im Fürstenthum Halberstadt
bearbeitet
v o u
C. H. Winter,
Lehrer in Dcershcim bei Halberstndt.
Erstes Heft.
I. Bibelkunde.
II. Denkwürdigkeiten aus der Geschichte der christlichen
Kirche.
Leipzig,
A. Forst ne r'sche Buchhandlung.
(Arthur Felix.)
Vorwort.
Eine zwiefache Lehrcrersahrung hat die Abfassung dieser Hefte ver-
anlaßt. Zuvörderst folgende: Selbst der vorzüglichste Vortrag des Lehrers
prägt sich dem Gedächtnisse der Schüler nicht immer, nicht ganz, nicht
nachhaltig ein. Die Einen behalten Nebensächliches, Andere nur einzelne
Stücke des Wesentlichen, und oftmals auch das nur auf kurze Zeit. Soll
der Unterricht wahren nachhaltigen Nutzen schaffen, so muß der Schüler
eiucn Leitfaden in der Hand haben, der ihm das vom Lehrer Durchgenom-
mcnc, Erklärte, ausführlich Besprochene in gedrängter Kürze in den Haupt-
punkten wiederholt. Daran hat er alsdann eine Handhabe, sowohl sich an
den gesammten Inhalt des in der Klasse Durchgenommcnen zu erinnern, als
auch die Hauptsachen desselben dem Gedächtnisse einzuprägen. So ist eine
Grundlage gewonnen, auf welcher der Unterricht von Stunde zu Stunde
bis zum Ziele der Klasse hin fortgebaut werden kann; und der Lehrer weiß
jederzeit, was und wieviel er von seinen Schülern im Laufe des Unter-
richts voraussetzen und fordern darf. Die vorhandenen, zum Theil so treff-
lichen Lehrbücher geben — in dieser Beziehung — bald zu viel, bald zu
wenig. Die vorliegenden Hefte beabsichtgcn nun, in der für diesen Zweck
geeigneten Form ein Inbegriff oder eine Zusammenstellung von alledem zu
sein, was der Schüler (einer Volksschule) nach vorhergegangenem Unterrichte
seinem Gedächtnisse anzuvertrauen hat. Sie wünschen daher, dem münd-
lichen Unterrichte zum Grunde gelegt zu werden und so in vollem Sinne
als Leitfaden zu dienen; nicht minder aber fordern sie, daß der Lehrer
mündlich sie erkläre, erweitere, belebe. Sie sind der Stamm, das Holz des'
Baumes, das der mündliche Unterricht mit Blättern, Blüthen und Früchten
überklcidend schmücken soll. Die etwaigen ausführlicheren Abschnitte der
Lehrbücher treten an den geeigneten Stellen ergänzend und erweiternd ein.
Zweitens. Man hat häufig den Grundsatz aufgestellt, daß man na-
mentlich die sogenannten gemeinnützigen Kenntnisse nicht in bestimmt abgc-
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Schüler-Hefte
als Leitfaden bei dem Unterrichte und zur Wiederholung
nach dem Unterrichte in der Volksschule.
Auf Veranlassung
eines Lehrervereins im Fürstenthum Halberstadt
bearbeitet
von
C. H. Winter,
Lehrer in Deersbeim bei Halberstadt.
Erstes Heft.
I. Bibelkunde.
II. Denkwürdigkeiten aus der Geschichte der
christlichen Kirche.
Leipzig,
A. Förftner'sche Buchhandlung.
(Arthur Felix.)
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Inhalt.
I. Bibelkunde .................
II. Denkwürdigkeiten aus der Geschichte der christlichen Kirche .
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ßtbcl bedeutet Buch, d. i. das Buch aller Bücher, das wichtigste
Buch, weil es die göttlicheu Offeubaruugen euthält.
Die Bibel heißt auch 1) heilige Schrift (auch blos Schrift)
wegen ihres göttlichen Ursprungs — von Gott dem Heiligen: „von
Gott eingegeben" (2. Tim. 3, 16); wegen ihres heiligen Inhalts
— enthält die göttlichen Offenbarungen: „sie ist's, die von mir zeuget"
(Joh. 5, 39), und wegen ihres heiligen Zwecks — führt zur Hei-
ligung : „ihr habt das ewige Leben darinnen" (Joh. 5, 39) — „denn
alle Schrift ist nütze zur Lehre" u. s. w. (2. Tim. 3, 16—17); 2)
Gottcs ìVort, weil Gott in der Bibel den Menschen sein Wesen
und seinen Willen offenbaret, zu ihnen redet.
Die Bibel besieht ans zwei Haupttheilen: 1) aus dem alten
Testamente und 2) aus dem neuen Testamente. Testament be-
deutet 1) Bund: A. T. also alter oder erster Bund — in alten Zei-
ten zwischen Gott und dem Volke Israel durch Moses geschlossen, und
ursprünglich und zum größten Theil in der hebräischen Sprache ge-
schrieben; N. T. — neuer oder letzter Bund — in spätern Zeiten zwi-
schen Gott und den Menschen durch den Mittler -Jesus Christus ge-
schlossen (Hebr. 1 , 1—2), und ursprünglich griechisch geschrieben;
2) Vermächtniß: im A. T. der heilige Wille Gottes im Gesetz;
im N. T. der gnädige Wille Gottes im Evangelio. Daher wird der
Inhalt der h. Schrift unterschieden als Gefetzt d. i. Lehre von dem,
was Gott von uns fordert, und Evangelium, d. i. Lehre von
dem, was Er in Christo uns schenkt (Joh. 1, 17); und so versteht
man denn auch unter Gesetz (Gesetz und die Propheten) über-
haupt das A. T. und unter Evangelio (d.i. große Freudenbotschaft,
daß der Heiland geboren, Luc. 2, 10—11) überhaupt das N. T.
Beide Testamente stehen in dem innigsten Zusammenhange und
machen Ein Ganzes aus. Das A. T. enthält die Vorbereitung
4
auf das N. T. — ist „ein festes prophetisches Wort" und „der Zucht-
meister auf Christus"; das N. T. bringt die Erfüllung — ist „der
Tag und der Morgenstern" (Matth. 5, 17. 2. Petri 1, 19—21).
Die Bücher der h. Schrift, welche nur Gottes Wort enthalten,
weil die heiligen Männer Gottes sie geschrieben haben, „getrieben von
dem heiligen Geiste" (2.Petri 1, 21), nennt man kanonische öiidicv*,
zum Unterschiede von den -Apokryphen. Kanon heißt Regel und
Richtschnur, und kanonische Bücher sind also solche Bücher, welche, da
sie die göttlichen Offenbarungen ohne allen Irrthum enthalten, die
Richtschnur unsers Glaubens und Lebens sein sollen. Das A. T. ent-
hält 39 und das N. T. 27 kanonische Bücher. Die opokrpphischcir
Sucher, d. i. verborgene Bücher, heißen so, weil sie, da sie nicht
von Gott eingegeben sind und daher auch nicht festsetzen können, wie
man glauben und leben soll, beim öffentlichen Gottesdienste nicht vor-
gelesen wurden und deßhalb mit einem Vorhänge bedeckt und für das
Volk verborgen blieben. Es sind, wie Luther sagt, „Bücher, so der
heiligen Schrift nicht gleich gehalten und doch nützlich und gut zu lesen
sind." Wir zählen 14 apokryphische Bücher. Sie sind ursprünglich
in griechischer Sprache geschriebn.
Die Bibel, wie wir sie jetzt haben, ist von Luther in die deutsche
Sprache übersetzt worden. Er fing damit auf der Wartburg (1521)
an, und 153-1 wurde die Bibel in deutscher Sprache zum ersten Male
in Wittenberg gedruckt. — Die Eintheilnng in Kapitel und Verse, wie
auch die Ueberschriften über den Kapiteln, sowie die Unterschriften
unter den apostolischen Büchern sind spätern Ursprungs und ge-
hören eigentlich nicht zur Bibel.
Mit Rücksicht auf ihren Inhalt werden die Bücher der
h. Schrift eingetheilt in: Gcschichts - oder historische Sucher,
Lehrbücher und prophetische Sucher. Die Geschichtsbücher
enthalten die vergangenen Dinge des Reiches Gottes; die Lehr-
bücher Lehren des Glaubens und des Lebens, und die prophe-
tischen Bücher Weissagungen, d. i. bestimmte Vorherverkündigungen
zukünftiger Dinge.
I. Das alte Testament.
l. Die Heschichltzbücher.
Das A. T. enthält deren folgende 17: Fünf Bücher
Mosis, das Buch Jos na, das Buch der Richter, das
Buch Ruth, zwei Bücher Samuelis, zwei Bücher der
5
Könige, zwei Bücher der Chronika, das Buch Esra,
das Buch Nehemia und das Buch Esther. — Wir finden
in diesen Büchern besonders die Geschichte des Volkes Israel auf's
genaueste ausgezeichnet, weil Gott in ihm das große Erlösungswerk
vorbereitet und weil seine Schicksale Gottes Führungen und Offen-
barungen am herrlichsten ersehen lassen.
Die fünf Sucher Mosis umfassen einen Zeitraum von 2500
Jahren, von Erschaffung der Welt bis auf Mosis Tod. Die ein-
zelnen Bücher führen in manchen Bibeln noch besondere Namen,
welche sich auf ihren Inhalt beziehen, so heißt das erste Buch
Mosis Genesis ^ d. h. Entstehung, Ursprung, weil darin die Ent-
stehung der Welt erzählt wird; das zweite Exodus, d. h. Auszug,
weil es den Auszug der Kinder Israel aus Aegypten erzählt; das
dritte Lcviticus, d. i. Priesterbuch, weil darin besonders Gesetze
für die Priester ldie aus dem Stamme Levi sein mußten) und den
Gottesdienst enthalten sind; das vierte Numeri, d. h. Zahlen,
weil es mehrere Volkszählungen berichtet; das fünfte Deuteron
nomium, d. h. Gesetzeswiederholung, weil es die Gesetze des zweiten
Buches wiederholt und einschärft.
Das erste Such Mosis enthält die älteste Geschichte des Men-
schengeschlechts und die frühesten Offenbarungen Gottes und somit
den Anfang der Geschichte des Reiches Gottes. Der Inhalt dieses
Buches ist kurz folgender: Die Schöpfung, das Paradies, der
Sündenfall, Kain und Abel, die Sündfluth zur Zeit des Noah, der
Thurmbau zu Babel, die Geschichte der drei Erzväter (Stammväter,
Patriarchen) Abraham (um 2000 v. Chr.), Isaak und Jakob,
die Geschichte der l2 Söhne Jakobs (Nuben, Simeon, Levi, Juda,
Jsaschar, Sebulon, Dan, Naphthali, Gad, Ässer, Joseph, Benjamin),
ihre Einwanderung nach Aegypten bis zu Josephs Tode. — Josephs
Söhne heißen Ephraim und Manasse.
Der Inhalt des zweiten Suchcs Mosis ist: Der Kinder Is-
rael Dienstbarkeit und Drangsale in Aegypten, Moses Geburt und
Flucht, Moses Berufung, die 10 ägyptischen Plagen, Einsetzung des
Passahfestes (Osterlammes), Auszug des Volkes Israel aus Aegypten,
Durchzug durch's rothe Meer, Zug in der Wüste, der Bund zwischen
Gott und Israel, die Gesetzgebung auf Siuai, Murren des Volkes
(Wachteln, Manna, Wasser aus dem Felsen), Sieg über die Amale-
kiter, Abgötterei mit dem goldenen Kalbe. — Die Eltern Mosis (der
um's Jahr 1500 lebte) waren Amram und Jochebed, aus dem Stamme
Levi, seine Geschwister Mirjam und Aaron, seine Söhne Gerson und
Elieser. — In diesem Buche finden wir auch die Beschreibung der
Stiftshütte und des spätern Tempels. Dieser bestand aus 3 Ab-
6
Heilungen: der Vorhof, das Heilige und das Allerheiligste. Im Vor-
hvfe stand der Brandopferaltar und das große kupferne Waschbecken;
im Heiligen der Schaubrottisch, der goldene Leuchter mit 7 Armen und
der Rauchaltar; im Allerheiligsten, der von dem Heiligen durch einen
kostbaren Vorhang getrennt war, die Bnndeslade, in welcher die Ge-
fetztafeln und die Schriften Mosis lagen, darüber der Gnadenstuhl,
l Deckel) mit den beiden Cherubim. Nur einmal im Jahre, am großen
Versöhnungstage, durfte der Hohepriester in das Allerheiligste treten
und dort die heiligen Gebräuche verrichten. — Außer dem wöchentlichen
Sabbath, der Freitag Abends 6 Uhr begann und bis Sonnabend
Abends 6 Uhr dauerte und eigentlich nur ein Tag der Ruhe sein sollte,
feierten die Juden : i ) d a s P a s s a h oder O st e r f e st oder das Fest
der süßen Brote, zur Erinnerung an den Auszug ans Aegypten
(Osterlamm am 15. Nisan) ; 2) d a s P f i n g st f e st, zur Erinnerung
an die Gesetzgebung ans Sinai, auch zugleich das Fest der Erstlings-
ernte und FJt der Wochen genannt, weil es 7 volle Wochen (50 Tage)
nach dem Osterfeste gefeiert wurde; 3) das Laub Hütten fest zum
Andenken an das Wohnen in Zelten und Laubhütten in der Wüste und
zugleich das Fest der Obst- und Weinernte; 4) den großen Ver-
söhnungstag, als das höchste Fest im Jahre und als den eigent-
lichen Fast- und Bußtag, au dem der Hohepriester das Sühnopfer für
die Sünden des Volks im Allerheiligsten brachte; 5) das Neujahr-
fest im September; 6) die Neumonden oder die ersten Tage jedes
Monats, der bei ihnen stets mit dem Erscheinen des neuen Mondes
anfing; 7) das Purim- oder Ham aus fest, zur Erinnerung an
das Unglück, welches Haman über das Volk Israel bringen wollte;
8) das Fest der Tempelweihe, zum Andenken an die Wiedereiu-
weihung des unter dem syrischen Könige Antiochus Epiphanes durch
Götzendienst entehrten Tempels zu Jerusalem; 9) das Sabbath-
jahr, d. h. jedes siebente Jahr, in welchem das Land nicht bestellt
wurde, sondern ausruhte, um neue Kräfte zu sammeln ; 10) d a s H all-
oder Jubel-oder Erlaßjahr, d. i. jedes 50. Jahr, in welchem
alle Schulden erlassen, alle Knechte frei wurden und die verkauften
Aecker uuentgeldlich zurück in die Hände ihrer frühern Besitzer, die sie
aus Noth verkauft hatten, kamen.
Ous dritte Luch Mosis enthält vornehmlich die Gesetze für
die Priester und den jüdischen Gottesdienst. Die Priester waren ans
dem Stamme Levi und der Hohepriester jedesmal aus der Familie des
Aaron. Dieser war der erste Hohepriester und sein Sohn Eleasar der
zweite. Der Hohepriester zeichnete sich durch eine höchst prachtvolle
Kleidung (Brustschild, Licht und Recht genannt, mit t 2 Feldern) aus.
Das vierte Such Mosis giebt die Volkszahl an und erzählt,
7
wie das Volk vom Sinai weiter zieht, wie Aaron und Mirjam wider
Moses murren, worauf Mirjam aussätzig wird; wie 13 Kundschafter
nach Kanaan gesandt werden (Iosua und Kalebt, das murrende Volk
von den Amalekitern geschlagen und ein Sabbathschänder gesteinigt
wird; wie die aufrührerische Rotte Korah untergeht, Aarons Hoheprie-
sterthum durch den blühenden Maudelstab bestätigt und den Leviten
der Zehnte von Gott bestimmt wird. Weiter enthält dieses Buch:
Mirjams und Aarons Tod, die eherne Schlange, Bileam und Balack,
die Stämme Rüben, Gad und der halbe Stamm Manasse erhalten
Gilead, das Land jenseits des Jordans. Die Kinder Israel sind bis
an die Grenze Kanaans gekommen.
Das fünfte Luch L.tafis enthält eine Wiederholung, Er-
weiterung und Einschärfung der Gesetze; außerdem in einem Anhange
Mosis Lobgesang, letzte Reden und Tod sauf dem Berge Rebo, 120
Jahre alt).
Das Luch Iosua enthält die Ge'chichte des Volkes Israel
während der Zeit, in welcher es unter Josna's (Mosis Diener und
Nachfolger) Leitung stand, der das Land Kanaan eroberte und unter
die 12 Stämme vertheilte. Der Stamm Levi erhielt keinen besondern
Landstrich, sondern wurde in 48 Städte unter alle Stämme vertheilt.
Dafür erhielten die Stämme Ephraim und Manasse (Josephs Söhne)
jeder einen besondern Laudestheil. — Kundschafter nach Jericho (Ra-
Hab), Durchzug durch den Jordan, Eroberung und Zerstörung von
Jericho lFeldgeschrei und Blasen mit Posaunen), Achans Diebstahl,
Eroberung der Stadt Ai durch List, so wie List, durch welche dieGibeo-
niter mit Israel einen Bund schließen, Josua's Sieg wider die Amo-
riter (Sonne), Josuas letzte Vermahnung und Abschied („ich und mein
Hans wollen dem Herrn dienen"), Iosua stirbt (110 Jahr alt), auch
Eleasar, und die aus Aegypten mitgenommenen Gebeine Josephs wer-
den zu Sichern begraben. — 31 Könige wurden durch Gottes wunder-
bare Führung von seinem Volke überwunden und auf seinen Befehl
die gottlosen heidnischen Völker ausgerottet.
Das Luch der Richter erzählt, wie das Volk Israel in Zeiten
der Noth und Drangsale durch die Heldenthaten kluger und tapferer
Männer (Richter) errettet wurde. Sie heißen: Athniel, Ehud,
Sam gar, Debora h (eine Richterin), Barak (Sissera, Jael s Na-
gels», Gideon, Thola,Jair, Jephta, E bzan, Elou, Abdon,
Simsou, Eli und Samuel.
Das Luch Ruth erzählt die Geschichte der frommen, aber armen
Ruth, einer Moabitin, der Naemi Schwiegertochter, die die Frau des
reichen Boas und somit die Stammmutter des Königs David (Obed,
Jsai, David) und unsers Heilandes wurde.
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Die nun folgenden 4 Bücher Samuelis und der Könige bilden ein
zusammenhängendes Geschichtswerk und erzählen die Geschichte des Vol-
kes Israel vom Richter Samuel bis zum Untergang des jüdischen Staates.
Die zwei Löcher Samuelis erzählen die Geschichte des jü-
dischen Volkes in den letzten Lebensjahren des Hohenpriesters und Rich-
ters Eli und unter der Regierung Samuels; sodann die Einführung
des Königthums und die Geschichte der ersten beiden Könige Saul
(von 1095—1055) und David (1055—1015). — Die wichtigsten
Erzählungen sind: Samuels Geburt und Hannas Lobgesang, Elis
Verwerfung und Samuels Berufung, Sauls Erwählung und Salbung
zum König, Sauls Mißtrauen gegen David und seine Verwerfung
wegen seines Ungehorsams im Kriege gegen die Amalekiter (Agag).
David, der Sohn Jsais aus Bethlehem, ans dem Stamme Inda, wird
von Samuel zum Könige gesalbt, überwindet im Kriege gegen die
Philister den Goliath, wird Jonathans Freund und Sauls Schwieger-
sohn (Michal); von Saul gehaßt und verfolgt übt er zweifache Groß-
mnth gegen ihn in der Wüste Engedie (Höhle, Zipfel des Rocks;
Spieß, Wasserbecher). Saul geht zu einer Zauberin in Endor, wird
von den Philistern besiegt und tödtet sich selbst. — David wird nun
König über den Stamm Inda, während Jsboseth, Sauls Sohn, die
übrigen Stämme 7 Jahre lang regiert. Nach Jsbvseths Tode wird
David über alle Stämme König, zieht von Hebron ans und nimmt,
nachdem er die Burg Zion erobert hat, seinen Sitz in Jerusalem, wo-
hin er auch die Bnndeslade bringt und göttliche Verheißungen erhält
(Messias, Tempelban, 2. Buch 7. Cap.). Gegen Mephiboseth, Jo-
nathans Sohn, handelt er edel; versündigt sich aber schwer an Urias,
dessen Weib Bathseba er heirathet (der Prophet Nathan). Sein Sohn
Absalom empört sich gegen ihn, wird geschlagen und von Joab ge-
tödtet. David wird nun wieder ins Königreich eingesetzt, siegt über
die Philister und wird seines Uebermuths wegen gestraft.
Die zwei Liichcr der Könige setzen die Geschichte fort: Sa-
lomo, ein Sohn Davids und der Bathseba, von Nathan erzogen,
wird nach seines Vaters Tode König (1015—975) und bauet einen
prachtvollen Tempel in Jerusalem. Obgleich durch seine Weisheit
berühmt (2 Frauen, die Königin von Arabien), verfällt er in seinem
Alter, durch seine Weiber verführt, noch in Abgötterei. Nach Salo-
mos Tode 975 zerfällt das Reich in zwei Theile: 1) das Reich Inda,
das ans den beiden Stämmen Juda und Benjamin bestand und Sa-
lomos Sohn Rehabeam zum König wählt; 2) das Reich Israel,
aus 10 Stämmen bestehend, unter Jerobeam. Rehabeam regiert zu
Jerusalem, Jerobeam zu Sichem. — Die Bücher der Könige verfolgen
nun besonders die Geschichte des Reichs Israel und erzählen nur ge-
9
legentlich und am Schluffe etwas von dem Reiche Juda. 19' ab-
göttische Könige regierten nach einander über Israel, über welche,
ihrer Missethaten wegen, der Zorn Gottes kam und sie vom Throne
stürzte. Zu den schlechtesten gehören König Ahab und Königin
Isebel, die den Dienst des Götzen Baal einführten (um 900). Um diese
Zeit trat der Prophet Elias ans Thisbe in Napchthali (Joh. 7, 52)
voll heiligen Eifers auf. Er wird am Bache Crith von den Raben
ernährt, erweckt zu Zarpat oder Saropta den Sohn einer Wittwe
(Mehl im Kad, Oel im Krug), opfert, schlachtet die Baalspfasfen
13'/2 Jahre kein Regen), flieht vor Ahab und Isebel, vom Engel ge-
speist, in die Wüste, wo er mit dem Herrn spricht (7000), salbt den
Elisa zum Propheten, straft den Ahab wegen der Ungerechtigkeit gegen
Naboth (Weinberg) und kündigt ihm seine und seiner Familie Schick-
sal an. Ahab stirbt nach einer Schlacht gegen die Syrer. — Das
zweite Buch der Könige setzt die Geschichte der Könige von Juda
und Israel bis zur Zerstörung beider Reiche fort. Eingeflochten ist
die Geschichte der Propheten Elias nnd Elisa. — Das Reich Israel
wird unter seinem letzten Könige Hosea 722 durch den assyrischen Kö-
nig Salmanasser zerstört und das Volk in die assyrische Gefangen-
schaft geführt.
Die zwei Liicher derChronika id.i. Jahrbücher) wiederholen
und ergänzen meist die Bücher der Könige. Sie enthalten außer einem
Geschlechtsregister der 12 Stämme, die Geschichte des Reiches Juda,
welche auch schon in dem 2. Buche der Könige vorkommt. Der letzte
König dieses Reiches war Zedekia, der, nachdem sein ganzes Reich von
Nebnkadnezar, dem Könige von Babylon, zerstört war, 588 in die
babylonische Gefangenschaft geführt wurde. Zu dieser Zeit lebte der
Prophet Jesaias (um 722). Nachdem die Juden 70 Jahre in der
Gefangenschaft gelebt hatten, erlaubte ihnen Kores (Cyrus), der König
von Persien, 536 in ihr Land zurückzukehren und den Tempel wieder
aufzubauen. Den ersten Haufen, der nach Kanaan ausbrach, führte
Serubabel, der Statthalter des Königs, der Hohepriester Josua u. A.
an; den zweiten der Priester und Schriftgelehrte Esra, und bald dar-
auf kam Nehemia, der Mundschenk des persischen Königs, und
stellte die bürgerliche Ordnung wieder her. Dies erzählen die Liicher
Esra und Nchemia.
Das Luch Esther hat den Namen von der Jüdin Esther,
welche Gemahlin des Königs Ahasverus von Persien wurde und mit
Hülse ihres Pflegevaters Mardachai den Anschlag des Haman, eines
Günstlings des Königs, nach welchem alle Juden im persischen Lande
getödtet werden sollten, vereitelte. Es wird zum Andenken hieran das
Purimsest gefeiert.
10
2. Die Lehrbücher
des A. T. sind folgende 5: das Buch Hiob, der Psalter, die
Sprüche, der Prediger und das Hohelied Salomonis.
Das Such Hiob erzählt die Geschichte Hiobs, eines frommen
Mannes im Lande Uz in Arabien, der Alles verlor, die größten Leiden
erduldete, aber doch in diesen schweren Prüfungen an Gott festhielt und
in gläubiger Ergebung ausharrte („Der Herr hats gegeben, der Herr
hats genommen, der Name des Herrn sei gelobet!").
Oie Psalmen oder der Malier sind eine Sammlung von
150 heiligen Gesängen, die zum Theil beim öffentlichen Gottesdienste
gesungen wurden. Die meisten Psalmen (72) hat David verfaßt;
andere Assaph, ein Levit und Freund Davids; andere Heman und
Ethan, Salomo, die Kinder Korah und Moses (Pf. 90). Sie sind
theils Lobgesänge, theils Danklieder, theils Gebete der Demuth um
Vergebung und Gnade und um Rettung ans Gefahr und Noth, theils
beziehen sie sich auf Schicksale des israelitischen Volkes, einige enthalten
auch prophetische Weissagungen ans Christum (2, 8, 16, 22, 68, 110)
und viele Lehren, Tröstungen und Ermahnungen. Der Bußpsalme
giebt es 7 (6, 32, 38, 51, 102, 130, 143). — Die Ueberschriften
deuten wahrscheinlich oft auf die Melodien, nach welchen diese Lieder
gesungen werden sollen. Das Wort „Sela" ist eine musikalische Be-
zeichnung und bedeutet eine Pause oder Wiederholung, oder auch ein
Nachspiel oder Zwischenspiel; so wie die Namen „Githith, Jeduthun,
Saitenspiel" n. s. w. Instrumente bezeichnen, deren Töne den Gesang
des Psalmisten begleiten sollen.
Die Sprüche Salomonis geben in kurzen, kräftigen Worten
Lehren der Weisheit, Tugend und Frömmigkeit.
Der Prediger Salomonis lehrt die Vergänglichkeit und Eitel-
keit alles Irdischen.
Das Hohelied Salomonis schildert in Bildern die innige
Verbindung Christi mit seiner Gemeine, wie auch im N. T. diese Ver-
einigung unter dem Bilde des Bräutigams und der Braut ausgedrückt
ist (Matth. 25, 1 — 13).
3. Die prophetischen Auch er bes ¿1. T.
Die Propheten waren gotterleuchtete Männer, welche zu ver-
schiedenen Zeiten unter dein jüdischen Volke lehrend, warnend, verhei-
ßend, tröstend und weissagend anstraten. Die meisten Propheten leb-
k
11
ten vor der assyrischen und babylonischen Gesangenschast, also von
800 an; während der babyl. Gefangenschaft Daniel und Ezechiel;
nach der Gefangenschaft Haggai, Sacharja und zuletzt Maleachi, der
letzte Prophet (400 v. Chr.). — Nach Umfang und Wichtigkeit ihrer
Schriften theilt man die Propheten in 4 große «Jesais, Jeremias,
Hesekiel und Daniel) und in 12 kleine (Hosea bis Maleachi). Dem
Jeremias sind noch „die Klagelieder" beigefügt.
Oie npolrrvphischcn Bücher zeigen den Zustand des jüdischen
Volks in den Zeiten zwischen den letzten Propheten des A. T. und der
Erscheinung Jesu Christi. Sie sind also ein wichtiger Beitrag zur
Geschichte des Reiches Gottes. — DiebeidenBücher der M a k-
kabäer sind besonders beachtenswerth. Sie erzählen, wie die Juden
nach der babyl. Gefangenschaft (170 v. Chr.) von den syrischen Kö-
nigen, besonders von Antiochus Epiphanes, zur Abgötterei gezwungen
werden sollten, aber durch die heldenmüthige Familie der Makkabäer,
die 5 Sohne des Priesters Mattathias, freigekämpft wurden.
II. Das neue Testament.
1. Die -Geschichtsbücher
des N. T. sind die vier Evangelien und die Apostelgeschichte. —
Evangelium heißt eine frohe Botschaft, nämlich die, daß der Hei-
land erschienen ist; darum heißt auch jedes der 4 ersten Geschichts-
bücher des N. T. so, weil diese Bücher die Lebensbeschreibung Jesu,
also die erfreulichste aller Botschaften und Nachrichten von dem Leben
des Messias, des Sohnes Gottes auf Erden, und der Vollendung des
Werkes der Erlösung enthalten. Das 5. Geschichtsbuch ist die Apostel-
geschichte, eine Erzählung von der Gründung und Ausbreitung des
Christenthums durch die Apostel. Apostel, d. h. Gesandte, werden
die Jünger Jesu und die ersten Boten des Evangelii genannt, weil
Jesus sie ausgesandt hatte, sein Evangelium zu predigen und das von
ihm gestiftete Gottesreich zu verbreiten.
Matthäus, der Apostel, war ein Zolleinnehmer zu Kapernaum,
ehe er Jesu Jünger wurde und führte früher den Namen Levi. Er
schrieb sein Evangelium zunächst für die Inden-Christen und sucht diese
zu überzeugen, daß Jesus Christus der verheißene Messias sei; daher
er sich sehr häufig auf Stellen des A. T., die nun in Christo erfüllt
seien, beruft. Er berichtet ausführlich die Reden (z. B. die Bergpre-
digt, Cap. 5—7) und Wunderthaten des Herrn. Auch hat er uns
die vielen herrlichen Gleichnißreden des Heilandes über das Himmel-
12
reich aufbewahrt fz. B. Cap. 13, 18, 20, 22, 25). Matthäus soll
in Aethiopien, im Mohrenlande, das Evangelium gepredigt und dort
seinen Tod gefunden haben, indem er am Altare rücklings erstochen
wurde.
Marcus, ein Schüler des Apostels Petrus und später der Be-
gleiter des Paulus, war der Sohn einer frommen Frau zu Jerusalem,
Namens Maria, in deren Hause die ersten Christen sich zu versammeln
pflegten (Apg. 12, 12» und ein Neffe des Barnabas (Col. 4, IO).
Als Jude hieß er Johannes (Apg. 12, 12). Wahrscheinlich schrieb
er sein Evangelium zunächst für die Heidenchristen zu Rom, für welche
er einen Bericht über das Wirken und über das öffentliche Leben des
Herrn ganz besonders nöthig hielt, und darum auch weniger Reden
giebt. — Marcus soll ebenfalls den Märtyrertod erduldet haben, in-
dem er in Alexandrien in Aegypten das Evangelium gepredigt hat
und dort auf den Straßen geschleift wurde.
Lucas, von Geburt ein Heide, seinem Stande nach ein Arzt
(Col. 4, 14) und Begleiter des Apostels Paulus, den er auch in seiner
Gefangenschaft zu Rom nicht verließ (Philem. 24), stellt seinem Freunde
Theophilns, an den er sein Evangelium richtet (Cap. 1, 3), den Herrn
besonders als den Heiland der Sünder, als den Tröster und Retter
der Elenden dar (Cap. 5, 7, 10, 15, 19, die Gleichnisse vom verlor-
nen Sohn, verlornen Schaf, verlornen Groschen), wovon der Heiland
selbst in den Worten Zeugniß giebt: „des Menschen Sohn ist gekom-
men, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist (19, 10). —
Lucas soll im 84. Lebensjahre an einem Oelbanme erhenkt sein.
Johannes, ein Apostel, war der Sohn des Zebedäus, eines
Fischers am See Tiberias, und der Salome (Matth. 27, 56), und ein
Bruder des Apostels Jacobus des Aeltern (beide vom Herrn „Don-
nerskinder" genannt, Marc. 3, 17). Er war aus Bethsaida gebürtig
und anfangs, wie sein Vater, Fischer (Matth. 4, 21.) Er wurde mit
seinem Bruder zugleich als ein noch sehr junger Mann zur Nachfolge
Jesu berufen (Joh. 1, 37). Seine Geistes- und Herzens-Anlagen
machten ihn bald zum Lieblingsjünger Jesu. Mit Petrus und Jaco-
bus begleitete er seinen Herrn bei den wichtigsten Ereignissen seines
Lebens, zu denen die übrigen Jünger nicht hinzugezogen wurden
(Luc. 8, 51. Matth. 17, 1; 26, 37). Dafür war aber auch Johannes
seinem Herrn und Meister mit ganzer Seele zugethan, den er, als alle
andern Jünger flohen, in das Haus des Hohepriesters folgte (Marc.
14, 51. Joh. 18, 15), und den er selbst am Kreuze nicht verließ. Ster-
bend vertraute ihm der Herr seine Mutter an (Joh. 19, 27), wes-
halb er denn auch bis zu deren Tode in Jerusalem blieb. Sodann
verließ auch er Palästina und ging nach Ephesus in Klein-Asien, von
13
wo aus er viele Jahre für die daselbst von Paulus gestifteten Gemein-
den Sorge trug. Bei den grausamen Christenverfolgungen unter der
Regierung des Kaisers Domitian (89—96) wurde auch Johannes
von Ephesus als Gefangener nach Rom geschleppt. Später wurde
er aus die wüste Insel Patmos, unweit Ephesus, verwiesen, wo er die
Offenbarung des Herrn empfing und niederschrieb (Off. 1, 9). Als
er nach Domitians Tode seine Freiheit wieder erhielt, kehrte er nach
Ephesus zurück, woselbst er in einein hohen Alter eines natürlichen
Todes gestorben sein soll. — Johannes legt in seinem Evangelio vor-
züglich das Zeugniß nieder, daß Jesus sei Christ, der Sohn Gottes
(Joh. 20, 31). Bon den herrlichen Reden des Herrn hat dieser Evan-
gelist mehr als die übrigen aufbewahrt und auch vorzüglich diejenigen
seiner Thaten berichtet, aus welchen seine Göttlichkeit hervorleuchtet.
Auf bildlichen Darstellungen in den Kirchen erkennt man den
Matthäus an dem beigegebenen Engel, Mareus an dem Löwen, Lu-
cas an dem Stier und Johannes an dem Adler.
Die Apostelgeschichte des Lucas, eine Fortsetzung seines
Evangelii, erzählt die Gründung der christlichen Kirche und ihre erste
Ausbreitung, besonders durch Petrus (Matth. 16, l S) und durch
Paulus, nach dem Worte des Herrn, Apg. 1, 8. Die Gleichnisse
des Herrn vom Senfkorn und vom Sauerteig weissagen das äußer-
liche Wachsthum und die innerliche Heiligung der Christenheit (Matth.
13, 31—33). —
In den Geschichtsbüchern des N. T. kommt der Name Hero-
des öfter vor. Her ödes der Große, der Sohn und Nach-
folger des Antipas (oder Antipater), regierte über Judäa, als der Hei-
land geboren wurde (Matth. 2, 1—20). Nach seinem Tode wurde
das jüdische Reich unter 3 seiner Söhne getheilt: 1) Herode s
Archelaus bekam Judäa, Samaria und Jdumäa (Matth. 2, 22);
2) Her ödes Antipas erhielt Galiläa und einen Theil von Peräa
(Luc. 3, 1; 13, 31; 23, 7. Matth. 14, 1—14: Johannes der Täu-
fer) ; 3) Herodes Philippus erhielt mehrere Landstriche in Peräa
«Luc. 3, 1). Alle diese Fürsten (Vierfürsten) waren den Römern
unterworfen und mußten ihnen Zins geben. Archelaus ward ab-
gesetzt und sein Land römische Provinz und, von einem Landpfleger ver-
waltet, unter den römischen Statthalter von Syrien gestellt. Der in
der Geschichte unseres Herrn vorkommende Landpfleger Pontius
Pilatus war der Zahl nach der fünfte. Auch Herodes Antipas
ward abgesetzt. — Später regierte Herodes Agrippal., ein Enkel
des Herodes I. über das ganze jüdische Land (41—44), Apg. 12,1.23.
Mit seinem Sohne Herodes Agrippa II., der über die Länder des
Philippus herrschte und 90 n. Chr. in Rom starb, erlosch die Familie
14
der Herodianer. Die in der Apg. 24, 24; 25, 13 und 23; 26 er-
wähnten Berenice und Drusilla waren seine Schwestern
2. Die Lehrbücher
des N. T. sind Briefe oder Episteln, welche die Apostel an die
von ihnen gestifteten Christengemeinden oder an einzelne Personen ge-
schrieben haben. 13 dieser Briefe (Römer bis Philemon) sind aus-
drücklich als vom Apostel Paulus geschrieben bezeichnet, und vielleicht
ist auch noch der Brief an die Hebräer von ihm. Die Briese der
übrigen Apostel sind nicht an einzelne, bestimmte Gemeinden gerichret.
Sie heißen daher katholische, d. i. allgemeine Briefe.
Die christliche Zeitrechnung beginnt mit dem Jahre 1, in welchem
der Heiland geboren wurde. 30 — 33 verwaltete er sein Erlösungs-
amt. Im Jahre 33 ward er gekreuzigt, stand er wieder ans und fuhr
gen Himmel. Ueber die Jünger ward der heilige Geist ausgegossen.
36 erleidet Stephanus im Beisein des Saulus den Märtyrertod.
Saulus wird auf seiner Verfolgungsreise von Jerusalem nach Damas-
kus zum Christenthume bekehrt (Paulus, Apg. 9). Er war ein
Jude aus dem Stamme Benjamin, gebürtig aus der Stadt Tarsus in
Cilicien, die das Bürgerrecht hatte, war ein Schüler des berühmten
Gelehrten Gamaliel zu Jerusalem, war selbst ein gelehrter Jude und
bis zu seiner Bekehrung ein eifriger Anhänger der Pharisäer und Ver-
folger der Christen. Anfangs sogleich nach seiner Bekehrung reiste er
von Damaskus nach Jerusalem, Cäsarien und nach seiner Vaterstadt
Tarsus, wo er eine Zeit lang blieb.
45—47. Erste Missionsrcisc des Paulus mit Barnabas
und Johannes Markus über Cypern, (Clymas) nach Kleinasien (Apg.
13-14).
50 mit Barnabas und Titus nach Jerusalem zurückgekehrt, setzen
die Apostel fest, daß die Heiden Christen werden könnten, ohne erst Ju-
den geworden zu sein.
51 — 54. Zweite Missionsrcisc des Paulus durch Klein-
asien (Timotheus in Lystra, Lucas in Troas) nach Philippi (Kerker-
meister), Thessalomch, Athen (Altar: Dem unbekannten Gott) und Co-
rinth. Hier bleibt er anderthalb Jahre (52—54) und schreibt 52
bald nach einander (2. Thess. 2, 2; 3, 17) den 1. und 2. üries an
die Dhcstalonichcr, wodurch er ihren Glauben stärkt, zur Heiligung
ermahnt und über die Wiederkunft Christi belehrt. — Dann kehrt
Paulus über Ephesus nach Jerusalem zurück.
55 — 57. Dritte Missionsrcisc des Paulus in Kleinasien
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durch die Landschaft Galatien nach Ephesus, wo er über 2 Jahre
bleibt. Da jüdische Irrlehrer die von ihm gestiftete Christengemeinde
in Galatien zur Beschneidung und Beobachtung des mosaischen Ge-
setzes nöthigen wollten und auch sein apostolisches Ansehen herunter-
setzten, so schreibt Paulus 56 den Gries an Sic Galater, worin er
mit Kraft sein von Christo selbst empfangenes Apostelamt vertheidigt
und lehrt, daß man allein durch den Glauben an Jesum Christum selig
werden könne lCap. 5, 6).
Um dieselbe Zeit kamen zu Paulus nach Ephesus -Abgesandte aus
Corinth, die ihm einen Brief der von ihm selbst dort gestifteten Ge-
meinde überbrachten, in welchem er über Mehreres befragt wurde.
Dies veranlaßte ihn, denk. Gries an die Lorinthcr (nicht, wie
die Unterschrift angiebt, von Philippi, sondern von Ephesus aus) zu
schreiben. Er mißbilligt darin zuerst die in der Gemeinde entstandenen
Spaltungen, da sich Einige nach Paulus (Paulisch), Andere nach Apol-
los (Apollisch!, Andere nach Kephas oder Petrus (Kephisch , Andere
nach Christus (Christisch) nannten; eifert dann gegen die ärgerlichen
Sitten Einzelner und gegen das Prozesseführen vor heidnischen Ge-
richten; beantwortet verschiedene, von der Gemeinde zu Corinth an
ihn geschehene Anfragen, namentlich über die Ehelosigkeit und über das
Essen des Fleisches von heidnischen Götzenopfern; tadelt streng die
Mißbräuche beim öffentlichen Gottesdienste, besonders beim Abend-
mahle ; redet über die Geistesgaben; belehrt über die Auferstehung der
Todten; bittet um Einsammlung einer Steuer für die armen Brüder
in Jerusalem und schließt mit Grüßen, Ermahnungen und Segens-
Wünschen.
Nach Absendung dieses Briefes schickte Paulus den Titus nach
Corinth, um nähere Nachrichten über den Zustand der dortigen Ge-
nieinde einzuziehen. Unterdessen brach in Ephesus ein Aufruhr durch
den Goldschmied Demetrius aus, wodurch Paulus veranlasst wurde,
Ephesus zu verlassen und nach Macedonien zu reisen, wo Titus wieder
zu ihm kam und ihn benachrichtigte, daß sein Brief zwar bei vielen Corin-
thern diene und Besserung bewirkt habe, und daß man sich nach seiner
Ankunft sehne; daß aber auch noch viele Andere heftig gegen ihn erbittert
seien, ihn verdächtigten und ihn gar nicht als Apostel gelten lassen
wollten. Er schrieb daher sogleich — noch von Macedonien aus,
bevor er selbst nach Corinth ging — den 2. Gries an die Co-
rinther, in welchem er sich gegen die schändlichen Verleumdungen
jener falschen Lehrer mit Demuth, aber auch mit Entschiedenheit ver-
theidigt und rechtfertigt und zu christlicher Liebe und christlichem Wan-
del ermahnt.
Paulus setzte nun seine Reise nach Griechenland fort und kam
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auch nach Corinth. Von hier schrieb und überschickte er durch die
Phoebe, eine christliche und vornehme Frau, die nach Rom reifete,
seinen Gries an die Römer. Die Gemeinde zu Rom (nicht von
Paulus gestiftet, denn er war selbst noch nicht dort gewesen, als er
diesen Brief im I. 57 schrieb) war eine sehr ansehnliche Gemeinde und
bestand aus Inden- und Heidenchristen. Paulus setzt in seinem Briefe
das Wesen und die Grundlehre des Christenthums, d.i. die Lehre von
der Rechtfertigung des Sünders vor Gott durch den Glauben, aus-
einander. Am Schlüsse giebt er noch Ermahnungen zu einem christ-
lichen Verhalten und mancherlei Grüße.
58 Rückreise des Paulus über Troas (Eutychus lebendig ge-
macht), Milet (wo er von den Aeltesten von Ephesus Abschied nimmt)
und Cäsarea (wo ihm Agabns Leiden weissagt. Apg. 20—21) nach
Jerusalem.
59 Paulus in Jerusalem im Tempel von den Römern gefangen
genommen, vertheidigt sich in Cäsarea vor den römischen Landpflegern
Felix und Festns und vor dem König Herodes Agrippa II. (Apg.
21 — 26).
61 Im Herbst zu Schisse nach Rom in die Gefangenschaft.
Schifsbruch bei Melite (Malta. — Otter).
62— 64 in römischer Gefangenschaft (Apg. 27 — 28). Von
Rom aus schrieb er die 4 Briese an die Epheser, Kolosser, den Phile-
mon und an die Philipper.
Der Gries an die Epheser. Die Gemeinde zu Ephesus,
welche zum größten Theile aus Heidenchristen bestand, war durch Pau-
lus, unter vielem Widerstände, gestiftet worden. Er schrieb an sie aus
seiner Gefangenschaft zu Rom und übersandte den Brief durch Tychi-
kus. Er enthält theils Belehrungen über den hohen Werth des
Christenthums, in welchem Juden und Heiden vereinigt sind wie
Glieder Eines Leibes, dessen Haupt Christus ist; theils Ermahnungen
in der Gnade zu beharren und zu Gottes Preise zu wachsen. (Die
Wafseurüstung des Christen 6, 10—17).
Der Gries an die Colosscr. Die Gemeinde zu Colossä in
Phrygien in Kleinasien, die nicht von Paulus selbst, sondern von sei-
nem Freunde Epaphras gestiftet war, bestand vorzüglich aus Hei-
denchristen, die in Gefahr standen, durch Jrrlehrer verführt zu werden;
darum warnt Paulus in seinem Briefe, den er gleichfalls durch den
Tychikus aus der Gefangenschaft sendet, vor diesen falschen Lehrern und
predigt, Christus sei Alles in Allem, in ihm lägen verborgen alle
Schätze der Weisheit und der Erkenntniß; wer mit ihm, dem Herrn
und Haupte aller Fürstenthümer und Obrigkeiten in Verbindung bleibt,
der bedarf zu seiner Seligkeit keiner andern Mittel.
Der Srief an den Philcmon. Philemon war ein angesehe-
ner Mann zu Colossä, den Paulus bekehrt hatte und in dessen Hause
die Christenversammlungen gehalten wurden. Diesem nun war sein
Sclave Onesimus wegen Veruntreuung entlausen und nach Rom
geflohen, wo er von Paulus bekehrt wurde. Als dieser nun den Ty-
chikus nach Collossä schickte, sandte er auch den Onesimus mit einem
Briefe an seinen Herrn zurück, worin er um gute Ausnahme und Ver-
zeihung für ihn bittet.
Der Srief an die Phitipper. Philippi war eine angesehene
Stadt in Macedonien, in der Paulus eine christliche Gemeinde gestif-
tet hatte, welche sich durch Anhänglichkeit und reiche Unterstützungen,
die sie ihm gewährte, auszeichnete. Sie hatte ihm durch Epaphro-
ditus ein Geschenk an Geld nach Rom geschickt, und diesem giebt er
nun den Brief mit, in welchem er für ihre Liebe dankt und sie gegen
äußerliche Gefahren (vor pharisäischen Judenchristen > und gegen in-
nerliche Gefahren (vor Uneinigkeit und Stolz aus Liebeswerke) warnt.
Nachdem Paulus aus der Gefangenschaft befreit war, setzte er
seine Bekehrungsreisen fort und kam zunächst nach der großen Insel
Creta ljetzt Candia) bei Kleinasien, wo er eine christliche Gemeinde
gründete. Dann läßt er seinen Gehülfen und Reisegefährten Titus
in Creta zurück, um überall den Gemeinden Aeltesten zu geben und ihre
Einrichtungen zu überwachen. Paulus selbst reist weiter und schreibt
später swahrscheinlich von Ephesus aus) den Srief an den Titus,
in welchem er ihn bevollmächtigt und beauftragt, das angefangene
Werk fortzusetzen, tüchtige Gemeindevorsteher zu bestellen, den Irr-
lehren zu steuern und in der Gemeinde auf rechtschaffenen Wandel zu
halten.
Als Paulus wegen eines Volksaufstandes aus Ephesus fliehen
mußte, ließ er seinen Schüler und Reisegefährten Timotheus da-
selbst zurück, die Gemeinde völlig einzurichten und schrieb von Mace-
donien aus an ihn, das ist der 1 . Sriefandcn Timotheus. Jetztführte
Paulus (66) seinen frühern Entschluß aus, nach Spanien zu gehen
<Röm. 15, 24. 28). Hier gefangen genommen und abermals nach
Rom geführt, hatte er den Wunsch, den Timotheus bald bei sich zu
haben, da er seinen nahen Märtyrertod voraus sah. Das war die
Veranlassung zum 2. Sriefe an den Timotheus. Im Jahre 67
ward Paulus unter der Regierung des Kaisers Nero in Rom ent-
hauptet.
Ob der Srief an die Hebräer, d.i. an die Judenchristen, von
Paulus sei, ist ungewiß. Sein Hauptinhalt ist: das Christenthum ist
riel herrlicher als das Judenthum; dies zeigt sich l) an Christi Person,
der höher ist, denn die Engel und Moses, 2) an Christi Hohenpriesteramte.
Winter, Schüler-Hefte, l. »2
18
Wie 2 Briefe -es Petrus. Der Verfasser, Petrus der
Apostel, war der Sohn des Jonas, eines Fischers zu Bethsaida am
See Genezareth in Galiläa. Er hieß eigentlich Simon und erhielt
wegen seiner festen Treue vom Herrn den Namen Kephas oder
Petrus, d. i. Fels, Felsenmann (Joh. 1, 42; Matth. 16, 18).
Jesus berief ihn mit seinem Bruder Andreas zugleich zum Apostel-
amte (Matth. 4, 18—20). Er gehörte zu den drei vertrautesten
Jüngern des Herrn und war einer der thätigsten Apostel, der sich nach
dem Tode Jesu noch eine Zeitlang zu Jerusalem aufhielt, woselbst er
die Angelegenheiten der Christengemeinde leitete und seine gesegnete
Predigt am Pfingstfeste (Apg. 2, 14) hielt. Dann unternahm er in
Begleitung des Silas und Markus mehrere Missionsreisen, auf wel-
chen er von Babylon aus seinen ersten Brief und später von Rom ans
den zweiten schrieb. Hier erlitt er in der Christenversolgung unter
Nero im Jahre 67 wie Paulus den Märtyrertod. Nero ließ ihn ge-
fangen nehmen und mit dem Kopfe unterwärts kreuzigen.
In seinem ersten Briefe, der ein Umlaufsschreiben an verschiedene
Christengemeinden in Kleinasien ist, befestigt er sie in der köstlichen
Hoffnung der Christen und ermahnt zum Fleiß in der Heiligung un-
term Leiden, wie zur Heiligung des Lebens in den verschiedenen Stän-
den (die christliche Haustafel 2, 11 bis 5, 9). — Im 2. Briefe warnt
er vor Jrrlehrern in Leben und Lehre, namentlich vor solchen, welche
der Wiederkunft des Herrn zum Gericht spotten.
Wie 3 Briefe des Johannes sind von dem Apostel und Evan-
gelisten Johannes geschrieben und wahrscheinlich von Ephesus aus an
mehrere Gemeinden in Asien gerichtet. Dieselben schließen sich an
sein Evangelium an, und sie sind die spätesten Schriften dieses Apostels
und des N. T. überhaupt. In dem ersten Briefe erinnert er an die
Hauptwohlthaten des Christenthums, das Licht und Erkenntniß bringt,
Sittenreinheit fordert und Vergebung der Sünden verheißt. — Die
beiden andern Briefe sind freundschaftliche Zuschriften voll herrlicher
Ermahnungen.
Wer Brief des Äacobus. Es giebt 2 Apostel, welche den
Namen Jacobus führen, nämlich 1) Jacobus, mit dem Zunamen
der Aeltere, Sohn des Zebedäus und der Salome und ein Bruder
des Johannes (Matth. 4, 21). Er starb schon früh (im Jahre 44)
durch Herodes Antipas 1. den Märtyrertod. 2) Jacobus der
Jüngere war ein Sohn des Alphäus. Außer diesen genannten wird
noch ein Jacobus erwähnt, der ein Sohn des Kleophas und der Maria,
der Mutterschwester Jesu, war. Seiner nahen Verwandtschaft mit
dem Herrn wegen heißt er auch „des Herrn Bruder". Dieser
Jacobus ist der Verfasser des Briefes. Er war ein sehr frommer
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Mann und stand deßhalb bei den Aposteln und Christen in großem
Ansehen. Er hielt sich fast immer in Jerusalem auf, wo er Bischof
oder Vorsteher der Gemeinde war (Apg. 15, 13; Gal. 1, 19), viel
Volk bekehrte und (um 60) den Märtyrertod starb, indem er von der
Zinne des Tempels, von welcher herab er statt seine Lehre zu wider-
rufen eine Predigt vom Kommen Christi zum Gericht hielt, hinabge-
stürzt wurde.
Der Lriefdes Judas. Wie beim Jacobus, so sind auch hier
zwei Apostel mit dem Namen Judas zu unterscheiden, nämlich 1) Ju-
dasThaddäus oder L e b b ä u s (der Sohn eines sonst unbekannten
Jacobusj und 2) Judas Jscharioth, der Verräther. Außer diesen
wird in der Bibel noch ein Judas erwähnt, der Bruder des Jacobus,
der den Brief schrieb. Dieser Judas ist der Verfasser des Brieses
des Judas.
Jacobus tadelt in seinem Briese den todten Glauben und ver-
langt einen durch gute Werke lebendigen Glauben. — Judas warnt
besonders vor solchen gottlosen Leuten, welche Gottes Gnade auf
Muthwillen ziehen und Gott und Jesum Christum verleugnen. —
Die Überschriften und Unterschriften in den Briefen rühren nicht
von den Aposteln her.
3. Das prophetische Rach
des N. T. ist die Offenbarung Johannis, d. i. die Offenbarung,
die der Apostel Johannes von Christo auf der Insel Patmos empfing
(1, 9). Sie enthält eine hohe prophetische Schilderung von den Sie-
gen des Reiches Christi (des neuen Jerusalems) über das Judenthum
(das alte Jerusalem) und über das Heidenthum (Babylon).
Das Wort Gottes schließt mit dem Segenswunsche: „Die
Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit euch allen.
Amen
Die üöiüjen Bpo stet.
Die 12 Apostel heißen: Simon, genannt Petrus, und An-
dreas sein Bruder; Jacobus, Zebedäi Sohn, und Johannes
sein Bruder; Philippus und Bartholomäus, Thomas und
M atth äus der Zöllner; Jacobus Alphäi Sohn, Lebbäus mit
dem Zunamen Thaddäus; Simon von Cana und Judas
Jscharioth (Matth. 10, 2—4; Apg. 1, 13).
2*
20
Andreas, der Bruder des Petrus, aus Bethsaida, soll in Scy-
thien das Evangelium gepredigt haben und später in der Stadt Patras
in Griechenland an einem schrägen Kreuze (dem sog. Andreaskreuze)
gekreuzigt sein. — Jacobus, Zebedäi Sohn, auch Jacobus der Aeltere
genannt, soll in Spanien die Lehre des Herrn verbreitet haben. Er
wurde in Jerusalem im Jahre 44 enthauptet (Apg. 12, 2). — Phi-
lippus aus Bethsaida (Joh. l, 43) soll in Hieropolis in Kleinasien,
wo er gegen die Anbetung eines Schlangengötzenbildes eiferte, gekreu-
zigt sein. Er darf nicht mit dem Almosenpfleger Philippus (Apg. 6 u. 8)
verwechselt werden. — Gartholomäus, d. h. Sohn des Ptolomäus
(wahrscheinlich der von Johannes 1, 45—51 genannte Nathanael),
soll in Arabien und dann mit Philippus in Kleinasien gepredigt haben
und dort in Albanopolis gekreuzigt sein. — Thomas, der da heißet
Zwilling (Joh. 20, 24—29) soll erst in Persien gepredigt haben
und dann in Indien erstochen sein. — Leblmus — so genannt, weil
er aus dem Städtchen Lebba stammte — mit dem Zunamen Thad-
däus, heißt bei Lueas Judas Jacobi, wird daher der Drei-
namige genannt; er soll in Syrien und Mesopotamien das Evan-
gelium gepredigt haben und dort, an ein Kreuz geheftet, mit Pfeilen
todtgeschossen oder mit einer Keule erschlagen sein. — Simon non
La na, auch Zelotes genannt, d. i. der Eiferer, weil er gegen die
Feinde des Gesetzes mit Wort und That eiferte, soll ein Bruder des
Lebbäus gewesen sein, mit demselben in Syrien und Mesopotamien das
Evangelium gepredigt und dort den Märtyrertod erlitten haben, indem
er durchgesägt wurde. — Judas Jfcharioth, d. i. Mann aus Ca-
rioth, erhängte sich aus Verzweiflung über seinen Verrath l Matth.
27, 5; Apg. 1, 18); an seine Stelle wählten die Apostel durchs Loos
den Matthias (Apg. l, 26). Derselbe soll in Kolchis durch eine
Lanze oder durchs Beil den Märtyrertod gefunden haben.
Zur Zeit Christi theilten sich die Gelehrten unter den Juden in
2 Partheien oder Sekten: 1) die Pharisäer (d.h. Abgesonderte,; sie
waren in der Beobachtung der äußern Religionsgebräuche sehr streng;
legten großen Werth aus die mündlichen Ueberlieferungen der Väter
(Satzungen); ihre Sittenlehre war sehr verderbt und ihr Wandel
nichts als Heuchelei und Scheinheiligkeit, weshalb der Herr sie oft
und hart tadelt und vor ihnen warnt (Matth. 23); 2) die Saddueäcr
waren den Pharisäern entgegengesetzt, indem sie alle Satzungen ver-
warfen und sich nur an das Gesetz Mosis hielten, dabei leugneten sie
die Auferstehung der Todten, Engel und Gehter (Matth. 22, 23;
Apg. 23, 8.). Außerdem gab es noch eine dritte Sekte: die LIsäcr,
21
welche sich durch ein zurückgezogenes, mäßiges und arbeitsames Leben
auszeichneten. Sie lebten am todten Meere. Johannes der
T äufer soll ein Essäer gewesen sein.
1. Das Land, in welchem der Heiland geboren wurde, lebte,
lehrte und litt, heißt das gelobte Land — dem Abraham für seine
Nachkommen von Gott gelobt, d. h. versprochen; Ganaan — von
den früheren Bewohnern, den Cananitern (Canaan war der vierte
Sohn Hams. 1.Mose 10, 6; 11, 31; 12, 1—7); das Land Is-
rael — von Jacob, der auch Israel hieß; Judäa, das jüdische
Land — von dem Stamme Inda, in dessen Gebiet sich die Inden nach
der babylonischen Gefangenschaft besonders festsetzten; Palästina —
wahrscheinlich von den angrenzenden Philistern; das Land der
Hebräer — von den Inden, die auch Hebräer hießen, d. i. über
den Flnß gekommen; das heilige Land — für uns Christen, denn
unser Herr und Heiland, der heilige Christ, wandelte dort.
2. Die Grenzen zu Jesu Zeiten waren: gegen Abend das
mittelländische Meer, gegen Mitternacht der Libanon und Syrien,
gegen Morgen das wüste Arabien, durch das Gebirge Gilead getrennt,
gegen Mittag das steinige Arabien. — Bei einer Ausdehnung von
etwa 34 Meilen von N. nach S. und ungleicher Ausdehnung von O.
nach W. hatte das Land einen Flächenranm von ungefähr 500 Ol M.
3. Das Klima ist sehr warm, jedoch durch Seewinde oft ab-
gekühlt; der Boden, obgleich sehr gebirgig, war in seinen vielen frucht-
baren Ebenen und Thälern von den alten Hebräern sehr gut ange-
bauet, so daß er zu Davids Zeiten über 5 Millionen Menschen er-
nähren konnte. Er brachte besonders hervor Weizen, Gerste, Wein,
Feigen, Obst und Oliven.
4. Die Gebirge sind: im N. der Libanon (10,000 F.Cedern);
im O. der Hermon (auch Sion), das Gebirge Basan, d. G. Gi-
lead und A b a r i m (mit Nebo — Mosis Tod); im W. d. G. Ka r-
mel (der Berg Christi — Bergpredigt, d. B. Tabor — Verklärung),
Ephraim (d. B. Garizim — Tempel der Samariter), Juda (der
Oelberg bei Jerusalem, d. B. Quarantania — Versuchung).
5. Gewässer: Das mittelländische Meer, welches im
W. die Grenze bildet, heißt in der Bibel oft blos das Meer oder
das große Meer. Der Hauptfluß ist der Jordan, der aus drei
Quellflüssen, welche vom Libanon kommen, gebildet wird, das Land in
seiner ganzen Länge von N. nach S. durchfließt und in das todte Meer
mündet <Bethabara-Uebersahrtsstellen). Alle übrigen Flüsse heißen
in der Bibel Bäche und sind unbedeutend; davon westlich in den Jor-
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dan: der Krith (Elia und Raben I.Bch. d. Könige 17, 1—7), nördl.
von Jericho; der Bach Eli sä (Elisa macht das Wasser gesund. 2.
Kön. 2, 18—22), südl. von Jericho; der Kid ron (Joh. 18, 1), der
bei Jerusalem entspringt und ins todte Meer fließt —; östlich in den
Jordan: der Jabok (Jakob zieht mit seiner Familie, als er aus
Mesopotamien kommt, über die Furth Jabok. 1. Mos. 32, 22); ins
mittelländ. Meer: der Belns (Phönicier, Glas), Kison <Elia
schlachtet die Propheten Baals, l. Kön. 18, 40), Soreck (Delila
wohnte an ihm. Richt. 16, 4), der in der Gegend Jerusalems Eskol
hieß (von wo die Kundschafter eine große Weintraube mitnahmen. 4.
Mos. 13, 24). — Die 3 Seen des Landes werden durch den Jordan
verbunden: der Merom, der See Tiberias (Genezareth, gali-
läische Meer), das todte Meer (Salzmeer — Sodom und Gomorrha.
1. Mos. 19, 24—26).
6. Die Einthcilung des Landes war zu Jostras Zeiten die
in 12 Stämme, nach den 12 Familienzweigen Jakobs, Nach Sa-
lomos Tode theilte es sich in die beiden Königreiche Juda und Israel.
Zur Zeit Jesu war es in 4 Provinzen getheilt. I. diesseit des
Jordans: 1) Galiläa. Die Galiläer wurden von den übrigen
Juden verachtet (Joh. l, 46. 7, 52). Um sie zu schmähen, wurden
die ersten Christen Galiläer, auch Nazarener genannt. Städte: Dan
(die nördlichste Stadt Palästina's. Kälberdienst Jerobeams, 1. Kön. 12,
28—30), Kedes (eine der 6 Freistädte, Josua 20, 7), Thisbe
(Geburtsort des Elia, 1. Kön. 17, 1, und des Tobias, Tob. 1, 1),
Kapernaum am See Genezareth (seine Sadt, Matth. 9, 1. —
Hauptmann, Matth. 8, 5), Kana (Hochzeit, Joh. 2, 1 —11. — Na-
thanael's Wohnort), Nazareth (Wohnort der Mutter Jesu und des
Josephs), Na in (Jüngling, Luc. 7, 11—17), Endor (Saul und die
Zauberin, 1. Sam. 28), Tiberias (am See gl. Namens, von He-
rodes Antipas angelegt und dem römischen Kaiser Tiberius zu Ehren
genannt), B e t h s a i d a (Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus, Phi-
lippus). 2) Sumaria. Zwischen Juden und Samaritern herrschte
große Erbitterung und Feindschaft, die besonders darin ihren Grund
hatte, daß Serubabel den Samaritern nicht erlauben wollte, am Wie-
deraufbau des Tempels Theil zu nehmen, weil sie sich, durch Ver-
mischung mit den eingewanderten Heiden, nicht rein gehalten hatten.
Sie bauten nun einen eignen Tempel auf dem Berge G arizim (Esr.
4. Joh. 4, 9. 20). Städte: Samaria (einst Hauptstadt des Reiches
Israel), Si chem (Garizim), Sich ar (Jakobs-Brunnen, Joh 4,5.12),
Silo (wo seit Josua bis Samuel die Stiftshütte war. Hier vertheilte
Josua das Land), Bethel (Himmelsleiter, 1. Mos. 28. — Kälber-
dienst Jerobeams, 1. Kön. 12, 29), Jesreel (Naboth's Weinberg
23
I. fön. 21. Ahab, Jsebel, Joram, Jehu), Aenon (wo Johannes
taufte), Dothan (wo Joseph verkauft wurde, 1. Mos. 37, 17). 3)
Judäa. Städte: Jerus alem (früher Salem, die Hauptstadt des
ganzen jüdischen Landes, von mehreren Thälern umgeben: Hinnom
mit dem Töpferacker Hakeldama und früher gebraucht zum Dienst
des ammouitischen Götzen Moloch, Josaphat oder Kidronthal;
auch von 3 Seiten von hohen Bergen eingeschlossen: Zion mit der
Burg Davids, M o r i j a mit dem Tempel, der O e l b e r g mit dem Gar-
ten Gethsemane; durch 3 Mauern mit 164 hohen Thürmen befestigt),
Emmaus «Marc. 16. Luc. 24), Bethphage und Bethanien
(Matth. 21. Joh. I I), Rama (wo Samuel geboren, wohnte und be-
graben ist (1. Sam. 25, 1), Jericho (Herodes der Große residirte
und starb hier), Gibeon (wo Salomo opferte und betete— Bund
mit Israel. — Sonne stehe stille zu Gibeon. Josna 10, 12. 1. Kon.
3, 5. 9), Gibea, auch Gibeath (wo Eleasar, Aarons Sohn, be-
graben und Saul geboren ist und residirt Hat), Lydda (wo Petrus
den Aeneas heilte, Apg. 9, 32—34), Joppe (Petrus weckt die Tabea
auf, Apg. 9, 36—43; hat beim Gerber Simon ein Gesicht, Apg.10),
Arimathia «Wohnort des Josephs, Matth, 27, 57), Berseba (an
der südwestl. Grenze — von Dan nach Berseba; hier wohnten Abra-
ham und Israeli, Bethlehem (Geburtsort Christi, Davids-Stadt,
und zum Unterschiede von einem Bethlehem im Stamme Sebulou,
Bethlehem Juda oder B. Ephrata, d. i. die Auserwählte), Hebron
(sonst Kiriath Arba, wo Abraham wohnte im Hain Mamre und ist
mit Sarah, Isaak, Jakob, Rebecka und Lea auch hier begraben), Z iph
(wohin David floh), Cäsarea Palästina «Petrus taufte hier den
Cornelius, Apg. 10; Paulus vor Felix, Festus und Herodes Agrippa
II. , Apg. 24—26; Wohnort des Almosenpflegers Philippus, Apg. 8),
Gath (Goliath, 1. Sam. 17, 23), Gaza (Simson). II. jenseit
des Jordans lag 4) pcräa, welches im A. T. theils Gilead,
theils Basän hieß. Slädte: Machärus (ein Bergschloß in der
Nähe des Berges Nebo, wo Johannes d. T. enthauptet wurde), Be-
th abara am Jordan (Uebergaugsort, wo Johannes taufte), Ga-
dara und Gergasa (Heerde Säue, Matth. 8, 28. Marc. 5,1.
Luc.8,26), Bethsaida Julias (Speisungder 5000,Marc. 6,45).
7. Grcmvölker Palästinas waren die Ammoniter und
Moabiter (von den Sohueu Lots, Ammi und Moab, abstammend);
die Edomiter oder Jdumäer (von Esau oder Edom abstam-
mend); die Amalekiter (wahrscheinlich von Amalek, einem Sohne
Ads, eines Urenkels des Ham, abstammend); die Midianiter,
(von Midian, einem Sohne Abrahams mit der Ketura — 1. Mos.
25, 2 — abstammend), bei der Berkaufung Josephs auch Jsmaeli-
24
ter genannt (weil sie sich mit den Nachkommen Jsmaels, des Sohnes
Abrahams mit der Hagar, mögen vermischt haben); die Philister,
(welche einen schmalen Küstenstrich nach Aegypten zu bewohnten, mit
den Städten: Gaza, Askalon, Asdod, Gath, Ekron); die Phönizier
(die ein schmales Küstenland, mehr nördlich nach Syrien zu bewohnten,
mit den Städten: Tyrus und Sidon).
Denkwürdigkeiten ans dtr Geschickte der
Nachdem vor Zeiten Gott manchmal und auf mancherlei Weise
geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in
diesen Tagen zu uns geredet durch seinen Sohn Jesum Christum und
durch ihn sein Reich auf Erden gestiftet. Die 12 Jünger Christi setzten
das von ihm angefangene Werk fort. Zehn Tage nach seiner Himmel-
fahrt, als am jüdischen Pfingstfeste, empfingen sie den h. Geist, traten
dann auf und verkündigten Jesum Christuin den gekreuzigten Herrn
und Heiland (Petrus) und bei 3000 Menschen ließen sich taufen und
wurden gläubig. Das Pfingstsest ist somit das Stiftungsfest der
christl. Kirche.
Zuerst beschränkte sich die christliche Gemeinde nur auf Jerusa-
lern, aber nach der Steinigung des Stephanus, des ersten Mär-
tyrers, breitete sie sich weiter aus. Schwere Verfolgungen hatten die
ersten Christen von den Juden und Heiden, namentlich unrer den rö-
mischen Kaisern Nero (64 n. Chr.), Decius (249) und Diocle-
tian und seinem Mitregenten G alerius (gegen 300) zu erdulden,
und alle Apostel, mit Ausnahme des Johannes, wie auch Tausende
von Christen nach ihnen, starben den Märtyrertod. Erst als der Kaiser
Constantin d. Gr. (306—337) sich selbst zur christlichen Lehre be-
kannte und sie für die öffentliche Religion seines Reiches erklärte, hat-
ten die Christen Schutz. Die weitere Ausbreitung des Christenthums
im Morgenlande wurde zwar durch schnelle und grausame Einführung
der Lehre Muhameds (vom I. 622 an; Hedschra, Koran, Islam,
Moslemen) gehindert, dagegen fand es im westlichen Europa immer
mehr Eingang und kam auch im 8. Jahrhundert in unser deutsches
II
25
Vaterland (Winfried oder Bonifacius f 7 55 — Karl d. Große ums
Jahr 800).
Schon früh entstanden unter den Christen Partheien und Miß-
bräuche, und nach und nach wurde die reine Christuslehre durch Irr-
thümer und fremde Zusätze immermehr entstellt, sowie auch der Got-
tesdienst sich immer mehr von seiner ursprünglichen Würde durch über-
flüssige Pracht und viele äußere gedankenlose Gebräuche entfernte.
Namentlich war es die Herrschsucht der Geistlichkeit, hauptsächlich des
Bischofs zu Rom, die der Religion höchst verderblich wurde, denn die-
ser maßte sich nicht nur unter dem Titel Pa bst einen Vorrang vor
allen übrigen Geistlichen und selbst die Herrschaft über Kaiser und
Könige an, sondern wollte auch über die Gewissen gebieten und in
Glaubenssachen unbedingt und unwidersprechlich entscheiden. Daher
trennte sich schon im 9. Jahrhundert die christliche Kirche in eine mor-
genländische oder griechische und in eine abendländische oder rö-
mische, welche erstere den Pabst nicht als Oberhaupt anerkennen
wollte und deren Glieder sich unter einem eigenen Patriarchen zu Con-
stantinopel vereinigten. Noch jetzt ist diese Kirche die herrschende in
Rußland und Griechenland; dagegen die Christen im westlichen und
nördlichen Europa sich zu oer römischen Kirche hielten. Zu der steigen-
den Macht dieser und ihres Oberhauptes, des Pabstes, haben auch die
Kreuzzüge «Peter von Amiens 1095, Gottfried von Bouillon l 099),
die beinahe 200 Jahre dauerten und über 6 Mill. Christen opferten,
beigetragen ; doch für das wahre Christenthum wurde Nichts gewonnen
und selbst das h. Land blieb in den Händen der Muhamedaner.
Allein auch in der Nacht dieser Zeiten erlosch die Wahrheit
nie ganz, und es gab noch Christen, welche die Mißbräuche uud Greuel
ihrer Kirche beklagten und ihre Stimme laut gegen das Verderben er-
hoben «Peter Waldus in Frankreich 1160; Johann Wiel es
in England 1360; Johann Huß sfl 1415] und Hieronymus
von Prag sfl 1416] in Böhmen). So wurde die Kirchenverbesserung
«Reformation) vorbereitet, die, nachdem im l 5. Jahrhundert die
Buchdruckerkunst erfunden war und dadurch neues geistiges Leben er-
wachte, im 16. Jahrh, erfolgte. Martin Luther wurde nach Gottes
weiser Absicht das Werkzeug dieser Verbesserung. Sein Vater war
ein armer, gottesfürchtiger Bergmann, Hans Luther, gebürtig aus
Möra bei Schmalkalden; seine Mutter Margarethe geb. Linde-
mann aus Eisenach. Auf einer Reise zum Jahrmärkte wurde ihnen
in Eisleben den >0. Nov. 1483 dieser Sohn geboren, der am fol-
genden Tage, als am Martinstage, in der Taufe den Namen Mar-
tin bekam. Zuerst besuchte er die Schule in Mansfeld, wohin
seine Eltern gezogen waren; dann brachte ihn sein Vater, da er sah,
26
daß der kleine Martin fleißig lernte, auf die lateinische Schule nach
Magdeburg und, weil er sich dort wegen Armuth zu kümmerlich be-
helfen mußte, ein Jahr später nach Eisenach, woselbst seine Mutter
Verwandte hatte iFrau Cotta). Schon in seinem 18. Jahre <1501)
konnte er auf die Universität nach Erfurt gehen. Nach dem Willen
seines Vaters sollte er die Rechte studiren, allein sein tief religiöses
Gemüth zog ihn zur Gottesgelahrtheit (Alexis Tod) und bestimmte
ihn, dort ins Augustinerkloster zu gehen (I 505). Hier studirte Luther,
bei den ihm in der Probezeit aufgetragenen niedrigen und gemeinen
Beschäftigungen, nicht nur die heilige Schrift und die Schriften der
Kirchenlehrer mit dem größten Eifer, sondern that es auch in den stren-
gen klösterlichen Uebungen Allen zuvor. Durch den Vorgesetzten sei-
nes Ordens, Dr. Staupitz, wurde er jedoch von diesen Anforderun-
gen befreit und kam auf seine Empfehlung beim Kurfürsten von Sach-
sen, Friedrich d. Weisen, als Lehrer an die Universität Witten-
berg (1508), wo er auch bald zum Prediger gewählt wurde. Eine Reise
nach Rom, die er in Angelegenheit und im Aufträge seines Klosters
(1510) machen mußte, gab ihm Gelegenheit, die Unsittlichkeit und Ver-
derbtheit der katholischen Geistlichkeit und des päbstlichen Hofes kennen
zu lernen. Nach seiner Rückkehr (1512) wurde er Doctor der h.
Schrift. Der schreckliche Mißbrauch, der mit dem Ablaß getrieben
wurde (Tetzel: Buße und Beichte überflüssig), zwang ihn endlich,
auch seine Stimme dagegen zu erheben (Anschlag von 95 Sätzen —
Thesen — an die Schloßkirche zu Wittenberg den 31. Oct. 1517).
Damit war denn der entscheidende Schritt zur Reformation gethan.
Vom Pabste (Leo X.) nach Rom berufen, um gestraft zu werden, geht
Luther nach dem Willen seines Kurfürsten nicht dahin, sondern hat mit
dem Kardinal Caj et an in Augsburg (1518) ein Gespräch, das,
wie eine spätere Unterredung mit dem päbstlichen Gesandten Carl
von Miltitz zu Altenburg (1519) und seine öffentliche Disputa-
tion mit dem Doctor Eck zu Leipzig, Luthern nicht bestimmen
konnte zu widerrufen, da er sich immer aus die heilige Schrift berief.
Der Pabst that ihn nun in den Bann und ließ seine Schriften in
Rom öffentlich verbrennen, worauf dann Luther (am 10. Decbr. 1520)
den Bannbries und andere päbstliche Verordnungen öffentlich vor dem
Elsterthore in Wittenberg verbrannte. Vom Pabste beim deutschen
Kaiser C ar l V. verklagt, mußte Luther auf dem Reichstage zu W o r m s
erscheinen (18. April 1521. „Hier steh' ich, ich kann nicht anders;
Gott helfe mir! Amen". —). Da er auch hier nicht widerrief, so that
ihn der Kaiser in die Ach t. Auf Veranstaltung seines kurfürstlichen
Freundes wurde er nun auf seiner Rückreise von Worms heimlich auf
die Wartburg bei Eisenach gebracht, wo er in stiller Verborgenheit
27
(Junker Jörg) ein Jahr lang lebte (Anfang der Bibelübersetzung).
Unruhen in Wittenberg (Karlstadt. Bilderstürmer) veranlaßten ihn,
die Wartburg zu verlassen, um in Wittenberg wieder Ruhe und Ord-
nung herzustellen. Unermüdet fuhr Luther in dem angefangenen
Werke der Kirchenverbesserung fort (deutsches Gesangbuch 1525; Ka-
techismus 1529). Nachdem er (1524) aus dem Orden der Augusti-
ner-Mönche getreten, heirathete er eine ehemalige Nonne, Catharina
von Bora (1525). Aus dem Reichstage zu Sp eier (1529) wurde
von den katholischen Reichsständen der Beschluß gefaßt: „es solle der
Reformation überall Einhalt geschehen, die Lehre Luthers nicht weiter
gepredigt und die Acht an ihm und seinen Anhängern vollzogen wer-
den." Dagegen protestirten die evangelischen Fürsten und bekamen nun
den Namen Protestanten, den wir auch noch führen, weil wir in
Neligionssachen keines Menschen Ansehen und Befehl achten, sondern
uns nur an die h. Schrift halten. Aufgebracht über diese Protestation
schrieb der Kaiser einen neuen Reichstag ans nach Aug sburg (1530).
Hier übergaben nun die protestantischen Fürsten nnd Städte (25.
Juni), um sich gegen den Vorwurf der Ketzerei zu verwahren, ein von
Luthers gelehrtem Freunde Mel anchthon verfaßtes und von Luther
gebilligtes Glaubensbekenntniß, gewöhnlich Augsburgische Con-
fessio n genannt, zu welchem sich noch bis auf den heutigen Tag die
ganze evangelisch-lutherische Kirche bekennt (Luther in Coburg:
„Eine feste Burg ist unser Gott"). Darauf nahmen nun die meisten
Länder in Deutschland die Reformation an und erhielten (1532) vom
Kaiser im Nürnberger Rellgionsfrieden (beschränkte) Reli-
gionsfreiheit.
Luther starb den 18. Februar 1546 zu Eisleben, wohin er
aus Bitten der Grafen von Mansfeld gekommen war, um ihnen bei
einigen Familien-Streitigkeiten mit seinem Rathe beizustehen; sein
Leichnam wurde aber in der Schloßkirche zu Wittenberg beigesetzt,
wo auch Melanchthon 1560 begraben ist.
Gleich nach Luthers Tode brach ein Religionskrieg in Deutsch-
land aus, der aber für die Protestanten durch den Frieden zu Augs-
burg (25. Sept. 1555) sehr glücklich beendigt wurde, indem sie nun
volle Sicherheit und Freiheit und gleiche Rechte mit den Katholiken zu-
gesichert erhielten. Zwar brach (1618) abermals um der Religion
willen der blutige 30jährige Krieg ans, aber der westphälische Friede
zu Osnabrück und Münster (1648) gab der Reformation vollen
rechtlichen Bestand (Gustav Adolph fiel bei Lützen 6. Novbr. 1632).
Fast um dieselbe Zeit, als Luther in Sachsen anfing, sich öffent-
lich gegen die Mißbräuche in der Kirche zu erklären, that dies auch
Ulrich Zwingli in der Schweiz (Samson) und nach ihm Johann
WWW
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28
Calvin. Ihre Anhänger bildeten eine besondere Parthei (die Re-
formirten), die sich von den Anhängern Luthers (beit Luthera-
nern) namentlich in der Feier des h. Abendmahls trennten und erst in
neuerer Zeit, zunächst in Preußen durch die Bemühungen des Königs
Friedrich Wilhelm III., mit den Lutheranern zu einer gemeinsamen
Kirche, welche die evangelische heißt, vereinigt haben (Union).
Unglaublich schnell breitete sich von Deutschland und der Schweiz
über ganz Europa die reinere Lehre aus. Auch nach Schottland
und England hinüber hatte das neue Licht seine Strahlen gewor-
fen, und es bildete sich dort eine, wenn auch nicht mit dem Geiste der
Protestanten überein kommende, doch verbesserte Kirche, die bischöf-
liche oder Episkopalkirche genannt. In Frankreich sicherte
den Reformirten (Hugenotte n), die anfänglich blutige Verfolgungen
zu erdulden hatten (Bartholomäus-Nacht, Pariser Bluthochzeit,
24—25. Aug. 1572), Heinrich IV. durch das Edict von Nan-
tes 1598 freie Religionsübung.
Das Streben, die kirchlichen Verbesserungen fortzuführen, hat
hier und da Trennungen und Sekten hervorgerufen. Die wichtigsten
derselben sind:
1) die W i e d e r t ä u f e r oder M e n n o n i t e n l Menno Simonis
ch 1561), vornehmlich in Holland und Preußen, welche lehren, daß
die Kindertanfe in der Schrift nicht geboten sei (und die in ihrer Kind-
heit Getauften, wenn sie zu ihnen übertreten, nochmals taufen; daher
Wiedertäufer), daß Christus den Eid untersagt habe (daher keinen
Eid schwören) und daß die Wiedervergeltung allein Gott gebühre (da-
her sind Rache, Krieg u. s. w. unerlaubt; sie nehmen deshalb auch
keine Kriegsdienste).
2) Die H e r r e n h u t e r, auch Brüdergemeinde genannt, sind
im Anfange des vorigen Jahrhunderts von dem Grasen von Z i n-
zendorf gestiftet worden. Viele böhmische und mährische Brüder
hatten nämlich, der vielen Verfolgungen wegen, ihr Vaterland ver-
lassen und waren nach Deutschland gezogen; einige Familien fanden
aus dem Gute des Grafen Schutz und ließen sich in seiner Nähe bei
dem Hutberge (1722) nieder (das Städtchen Herrenhut — „das
unter des Herrn Hut stehen möge"). Sie verdienen ihrer Glaubens-
stärke und Sittenreinheit wegen vorzügliche Achtung.
3) Die Quäker (Zitterer) in England durch Fox 1649 gestif-
tet, und fetzt am ansgebreitesten in Nordamerika, haben keine besonde-
ren Lehrer, sondern Jeder kann in ihren Versammlungen reden, wenn
er meint, daß der h. Geist ihn zu reden treibt. Sie haben keinen Ge-
sang, keinen Altar und keine Sacramente. Ihre Sittenlehre ist streng;
sie untersagt ihnen den Eid, die Kriegsdienste und sämmtliche Lustbar-
29
leiten. Sie nennen Jeden, selbst den König, Du. Ihrer einfachen
Lebensart, ihres Fleißes und ihrer Redlichkeit wegen werden sie ge-
achtet. Verbrecher sind bei ihnen höchst selten. —
Auf daß des Herrn Wort in Erfüllung gehe und „Ein Hirt und
Eine Heerde werde"; auf daß „vom Ansgang der Sonne bis zum
Niedergang sein Name herrlich werde unter den Heiden", haben sich
überall in der Christenheit Gesellschaften und Vereine iMissions-
v ere ine) gebildet, welche Lehrer, Glaubensboten (Missionare) zu
den nichtchristlichen Völkern aussenden, um vor ihnen von ihrem Hei-
lande zu zeugen. Zwar ist die Zahl der Bekehrten verhaltnißmäßig
noch nicht groß, aber das Licht des Evangeliums dringt immer weiter mit
seinen segnenden Strahlen in die Nacht des Unglaubens und an denen,
die den Herrn gefunden, werden auch die Früchte des Heils fühlbar.
Auch andere Vereine haben sich in der evangelischen Kirche gebil-
det, bei denen die Hülfe finden können, welche der kirchlichen Mittel
entbehren und in Gefahr sind, unserer evangelischen Kirche wieder ver-
loren zu gehen. Sie nennen sich nach dem königlichen Glaubenshel--
den Gustav Adolph G u st a v - A b o l p h s - V e r e i n e und ermuntern sich
zu ihrem h. Werke mit den Worten des Apostel Paulus: „Lasset uns
Gutes thun an Jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genos-
sen" (Gal. 6, 10).
Das Wort Gottes kann aber nicht besser gepredigt werden, als
durch das Buch aller Bücher selbst. Darum erachten es denn auch
namentlich alle evangelischen Vereine für ihre heiligste Pflicht, die h.
Schrift zu verbreiten (Bibelgesellschaften), damit die Menschen
immer mehr errettet werden von der Obrigkeit der Finsterniß und ver-
setzet in das Reich des Sohnes Gottes!
Die wichtigsten Unterscheidungslehrcn der verschiedenen
christlichen Kirchen.
I. Die römisch-katholische Rirche.
1) Es wird gelehrt: Der Pabst ist das sichtbare, von Gott
selbst verordnete Oberhaupt der Kirche und Statthalter Christi auf
Erdeu; die Priester stehen über der Gemeinde.
II. Die evangelische Rieche
lehrt: Christus ist das Haupt der Gemeinde, die Bekenner seiner
Lehre sind Brüder und haben als solche gleiche Rechte; die Geistlichen
find nur Diener und Mithelfer.
30
2) I. behauptet, daß Christus uud die Apostel Vieles gelehrt hätten,
was nicht aufgeschrieben worden sei, sondern sich durch den h. Geist von
einem Bischof zu Rom ans den andern fortgepflanzt habe. Dieses
ungeschriebene Wort nennt sie „Tradition", d. h. Ueberlieferung,
und beweiset ans ihr alle ihre Lehren und Gebräuche, welche in der h.
Schrift nicht enthalten sind, oder auch gegen dieselben stimmen. Die
Entscheidung des Pabstes und der Kirchenversammlungen hält sie dar-
nach für eben so heilig, untrüglich und zum Glauben und Leben noth-
wendig, als die h. Schrift. Die Laien, d. i. die Nichtgeistlichen sol-
len daher auch nicht in der Schrift forschen und deshalb erschwert und
verbietet sie das Lesen derselben.
II. verwirft die Tradition und erkennt keine andere Erkenntniß-
quelle des Glaubens und keine andere Richtschnur des Lebens an als
die h. Schrift. Sie macht allen ihren Gliedern das fleißige Lesen der
Bibel und das Forschen darin zur Pflicht.
3) I. Es wird gelehrt, daß der Mensch sich durch gute Werke
Gnade und ewiges Leben verdienen könne und rechnet zu guten
Werken: Klosterleben, Klostergelübde, Fasten, Kasteien, Processionen,
Wallfahrten, Almosen geben, Messe hören, Abbeten gewisser Gebete
(Vaterunser, Ave Maria, Rosenkranz).
II. lehrt dagegen, daß der Mensch gerecht und selig werde ans
Gnaden, um Christus willen, ohne Verdienst der Werke, allein
durch den Glauben an Jesum.
(Gute Werke muß allerdings der Christ thun, aber nur das
ist ein gutes Werk, was aus dem Glauben kommt und nur der kann ein
gutes Werk thun, der wiedergeboren ist durch den heiligen Geist.)
4) I. lehrt, daß einzelne Christen, die sie Heilige nennt, einen
Ueberflnß an guten Werken gethan hätten, von welchen und dem über-
slüssigen Verdienste Christi andere Menschen nehmen und ihren Mangel
damit ausfüllen könnten. Dieser Schatz guter Werke sei der Kirche,
d. h. ihrem Oberhaupte, dem Pabste, zur beliebigen Vertheilung über-
lassen worden, sowohl zur Deckung eines Theils der Schulbrechnnng
des Sünders, als auch zur Deckung der ganzen Rechnung tvollstän-
diger Ablaß).
II. lehrt, daß kein Mensch so viel Gutes thut, als von ihm gefor-
dert werde, er daher nicht Ueberflnß an guten Werken habe, sondern
stets ausrufen müsse: „Herr, gehe nicht in das Gericht mit deinem
Knecht, vor Dir ist kein Lebendiger gerecht."
5) I. Es wird gelehrt, daß die Heiligen, besonders Maria, die
Mutter des Herrn, als Fürsprecher bei Gott anzurufen sei und ist auch
der Meinung, daß die Bilder und Reliquien der letzteren verehrt
werden dürfen. Sie macht aber einen bestimmten Unterschied zwischen
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Anbetung Gottes und der Verehrung der Heiligen. Diese sollen nur
angerufen werden als Vermittler zwischen Gott und Menschen, näm-
lich durch ihr an Gott im Namen Christi gerichtetes Gebet.
II. verwirft ganz die Lehre der Anrufung der Mutter Maria und
der Heiligen, da sie lehrt, daß nur ein Fürsprecher ist beim Vater,
Jesus Christus, der gerecht und die völlige Versöhnung ist für die Sün-
den der ganzen Welt.
6) I. zählt sieben Sacra mente: das Abendmahl, die Taufe,
die Firmelung oder Firmung, die Priesterweihe, die letzte Oelung, die
Buße oder Beichte (Ohrenbeichte), die Ehe (Ehelosigkeit der Priester:
Cölibat). — Bei dem Abendmahle oder der Messe gestattet sie den
Kelch nur den Priestern und lehrt eine Verwandlung des Brotes und
Weines durch die von dem Priester gesprochenen Einsetzungsworte
«Consecration) in den Leib und das Blut Jesu Christi; betrachtet es
daher bei jeder Feier als ein erneuetes Opfer, welches durch den Leib
und das Blut Christi im buchstäblichen Sinne dargebracht wird (Meß-
opfer) und lehrt die geweihte Hostie anbeten und bei ihrer Vorzeigung
(Monstranz) auf die Knie fallen.
II. lehrt: ein Sacrament ist eine von Gott verordnete, heilige
Religionshandlung, bei der uns unter äußerlichen, sichtbaren Zeichen,
unsichtbare und himmlische Gnadengüter verheißen und mitgetheilt
werden. Hiernach kann die evang. Kirche nur 2 Sacramente anneh-
men, die T a u f e und das heilige Abendmahl, denn nur diese beiden
Religionshandlungen sind von Gott geboten, haben ein äußeres
sichtbares Zeichen und die Verheißung der ewigen Selig-
keit. — Sie lehrt, daß beim Abendmahl aus eine geheimnißvolle, sa-
cramentliche Art in, mit und unter dem gesegneten Brot und Wein der
wahre Leib und das wahre Blut Christi ausgetheilt werde. Das
nach der Abendmahlshandlung Uebrigbleibende ist nur Brot und Wein.
7) I. lehrt ein Fegefeuer, d. i. einen Mittelzustand zwischen
Himmel und Hölle, in welchem die Seelen der Verstorbenen durch Feuer
geläutert werden. Durch Fürbitte der Gläubigen, besonders aber
durch Messen, können die im Fegefeuer besindlichen Seelen befreit werden
II. verwirft die Lehre vom Fegefeuer und vom traurigen Mittel-
zustand und lehrt nach der Schrift, daß es nur Himmel und Hölle
giebt, und daß in einen von beiden die Seele sogleich versetzt werde bei
ihrer Trennung vom Leibe, wohin dann auch am Tage der Auferstehung
der Leib kommt. Die Seligkeit, sowie die Verdammniß ist ewig.
Fürbitten für die Verstorbenen sind unnütz, denn die im Himmel be-
dürfen ihrer nicht und in Betreff der Verdammten sagt Luther: „das
müsse ein armer Teufel sein, der sich eine Seele abbeten ließe."
8) I. Es wird gelehrt, daß alle und jede Sünde dem Beichtvater
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gesagt werden müsse (Ohrenbeichte), wenn man Vergebung erlangen
wolle, und daß keiner Vergebung erhalte, der auch nur einen Fehler
mit Vorsatz verschweige.
II. lehrt, daß es nicht nöthig sei, jede Missethat und Sünde aus-
zuzählen, indem dies die h. Schrift nicht fordere ; daß dies auch nicht
möglich sei (Ps. 19, 13) und daß endlich die Gewissen dadurch un-
nöthiger Weise beschwert werden.
9) I. hält bei der Gottesverehrung viel auf sinnliche Mittel zur
.Beförderung der Andacht — Weihwasser, Kerzen, Oele, Räucherung,
Bilderwerke; bedient sich noch znm Theil der lateinischen Sprache; die
Messe ist die Hauptsache und die Predigt Nebensache; sie giebt ihre
Kirche für die allein seligmachende aus.
II. lehrt, man müsse Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten;
bedient sich überall beim Gottesdienst der Muttersprache und macht die
Erbauung durch das Wort zur Hauptsache; sie glaubt, Jeder könne
durch die Gnade Gottes in Christo zur Seligkeit gelangen und ver-
pflichtet zu einem guten Vernehmen mit andern Glaubensgenossen in
Geduld und Liebe.
Daö christliche Kirchenjahr.
Sämmtliche Sonn- und Festtage eines Jahres machen ein Kir-
chenjahr aus. Es fängt mit dem ersten Adventssonntage, der der
vierte Sonntag vor dem Weihnachtsfeste ist, an und endigt mit dem
letzten Trinitatissonntage.
In den ersten Jahren nach Christi Himmelfahrt feierten die Chri-
sten noch mit den Juden deren Feste und den siebenten Tag der Woche,
den Sonnabend als den gewöhnlichen Feiertag, d. i. Ruhetag,
Sabbath (I. Mos. 2, 2—3). Später wurde der erste Tag in der
Woche, der Sonntag zur Gottesverehrung gewählt, weil an einem
Sonntage Christus auferstanden („Tag des Herrn." Off. Joh. 1, 10)
und der h. Geist über die Apostel ausgegossen war.
Die Feier der christlichen Feste ist noch spätern Ursprungs. Sie
liegen sämmtlich in der ersten Hälfte des Kirchenjahres, welche die fest-
lich e Hälfte heißt; in ihr erneuert die christliche Kirche das Gedächt-
niß der Hauptthatsachen unseres Heils; in der festlosen hält sie sich
mehr das Leben des Glaubens vor.
Für jeden Sonn- und Festtag hat die Kirche 2 Abschnitte der h.
Schrift, aus den Eva ngelien und Episteln festgesetzt (Perikopen).
Man theilt die christlichen Feste: 1) in b e w e g l i ch e, d. h. solche,
33
die nicht alle Jahre auf einen und denselben Monatstag, nicht auf das-
selbe Datum, obgleich immer aus denselben Wochentag fallen; 2) in
unbewegliche, d. h. solche, welche alle Jahre auf denselben Monats-
tag, aber nicht auf denselben Wochentag fallen.
Die festliche Hälfte des Kirchenjahres zerfällt in drei große Fest-
kreise : der Weihnachts-, O st e r - und Pfing st kreis, von denen
jeder eine Zeit der Vor- und Nachfeier hat. Die 3 Feste, welche
diesen Kreisen ihre Namen geben, sind die Haupt- oder hohen
Feste der christlichen Kirche und werden als solche 2 Tage hindurch
gefeiert.
I. Der Meihnachtskreis.
Er beginnt l) mit der Adventszeit, welche die 4 letzten Sonn-
tage vor Weihnachten umfaßt und von denen der erste entweder der
letzte Sonntag im November oder der erste im December ist und als
Fest des neuen Kirchenjahres gefeiert wird. Advent heißt Zukunft,
Ankunft, und betrachten wir an den 4 Adventssonntagen die vierfache
Zukunft des Herrn: in die Welt, über Jerusalem, beim Gericht und
in unsere Herzen und bereiten uns hierdurch vor auf 2) das Christ-
oder Weihnachtsfest, das Fest der Geburt Christi (ist ein unbe-
wegliches Fest, denn es fällt stets auf den 25. December). Der zweite
Weihnachtstag heißt auch Stephanstag, zum Andenken an den
ersten christl. Märtyrer Stephanns, doch tritt jetzt bei der Feier
dieses Tages Stephanus ganz zurück.
Wenn Weihnachten nicht auf Sonnabend oder Sonntag fällt, so
ist, ehe das Kalenderjahr sich endet, noch ein Sonntag, welcher Sonn-
tag nach dem Ch ri st tage heißt.
Acht Tage nach dem Weihnachtsfeste, am ersten Januar, wird
3) das Fest der Beschneidung Christi (zugleich das bür-
gerliche Neujahrsfest) gefeiert. Es erinnert an die Aufnahme
des Herrn in den Bund mit Israel, wobei er den Namen Jesus er-
hielt. — Dann folgt
4) das Epiphaniasfest oder Fest der Erscheinung
Christi am 6. Januar, zum Andenken der Erscheinung der Weisen
(denn Epiphanias heißt Erscheinung, Offenbarung) ; daher auch F e st
der heiligen 3 Könige (Gold, Weihrauch, Myrrhen — Kaspar,
Melchior, Balthasar). — Liegt zwischen dem Neujahrstage und Epi-
phanias ein Sonntag, so heißt dieser: Sonntag nach Neujahr.
Die nun folgenden Sonntage heißen
5) Epiphaniassonntage, an denen wir die Herrlichkeit der
Erscheinung des Sohnes Gottes feiern. Ihrer sind bald mehr bald
Winter, Schüler-Hefte, l. 3
34
weniger (höchstens 6), je nachdem Ostern später oder früher fällt. Zwi-
schen diese Zeit fällt das Fest Mariä Reinigung oder das Fest
der Darstellung Christi im Tempel, auch Lichtmesse ge-
nannt (von der Weihung der Wachslichter), das nur die katholische
Kirche begeht — am 2. Febr. ■
Eine Vorbereitung auf den folgenden Festkreis sollten die Sonn-
tage Septuagesima, Sexagesima und Quinquagesima
sein, d. i. — in runder Zahl — der 70., 60., 50. Tag vor Ostern;
letzterer heißt auch E st o mihi, von dem Eingangsgesange bei den
Gottesdiensten der alten Kirche Pf. 31,3: „Sei mir" (lateinisch: Esto
mihi), auch Sonntag vor den Fasten.
II. Der Dsterllrei8
beginnt 1) mit der Passions- (Leidens-) oder Fastenzeit, in der
wir das Gedächtniß des heiligen Leidens und Sterbens unseres Herrn
Jesu Christi begehen (und in welcher der Katholik fasten, d.h. sich der
Fleischspeisen — zur Erinnerung an die 40tägigen Fasten Christi in
der Wüste — enthalten soll). Der Dienstag nach Quinquagesima
heißt Fastnacht, weil Nachts 12 Uhr die Fasten eintrat; der Mitt-
woch : Aschermittwoch, weil den Büßenden, zum Zeichen der Trauer
über ihre Sünden, Asche auf das Haupt gestreut wurde.
Die Fastenzeit umfaßt 6 Sonntage, welche lateinische Namen
führen, und zwar die 5 ersten von den Anfangsworten der bibl. Stel-
len, womit man in diesen Tagen den Gottesdienst anfing. Sie heißen:
a) Jnvocavit — Ps. 91, 15: „Er rufet mich an."
b) Reminiscere — Ps. 25, 6: „Gedenke Herr an Deine
Barmherzigkeit."
e) Oculi — Ps. 25, 15: „Meine Augen sehen stets auf
den Herrn."
ä) Lätare — Sacharja 2, 10 (Jes. 66, 10): „Freue dich
und sei fröhlich, du Tochter Zion." — Es heißt dieser
Sonntag auch Mit fasten, weil er in der Mitte der
Fasten liegt.
e) Judica — Ps. 43, 1: „Richte mich, Gott."
f) Palma rum, d. i. der Sonntag der Palmen, zur Erin-
nerung an den Einzug des Herrn in Jerusalem. —
Dieser Sonntag führt uns in die Char- (theuer: wegen der gro-
ßen Gnade und Liebe, welche Gott in dieser Woche den Menschen
durch den Tod seines Sohnes erwiesen hat), stille- (wegen der Unter-
lassung aller geräuschvollen, die Andacht störenden Oefsentlichkeiten, als
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Gesang, Musik, Tanz, Schauspiel) oder Marterwoche (wegen der
Martern, die in ihr der Herr erduldete), in welcher
2) der G r ü n e D o n n e r st a g zur Erinnerung an die Einsetzung
des h. Abendmahls gefeiert wird und wahrscheinlich von dem Ein-
gaugsgesange Ps. 23,2: „Er weidet mich auf grüner Aue" seinen
Namen hat. — Auf ihn folgt
3) der Charfreitag, d. h. theurer, heiliger Freitag (auch viel-
leicht von dem altdeutschen Worte „Charen", d. i. leiden, büßen) als
Gedächtnißtag des Todes und Begräbnisses Jesu. Er heißt auch der
stille Freitag, weil früher an diesem Tage (auch hie und da noch)
der Gesang weder von Musik, noch von der Orgel begleitet wurde.
sJn den evangelischen Kirchen Preußens sind an diesem Tage der Al-
tar, die Kanzel und der Taufstein schwarz bedeckt, welches auch am
Bußtage und am Todtenfeste geschieht.)) — Drei Tage nach der Kreu-
zigung und Grablegung Christi folgt
4) das Osterfest zum Andenken an die Auferstehung des
Herrn. Es ist das zweite hohe Fest im Kirchenjahre und ein beweg-
liches. Es wird jedesmal am ersten Sonntage nach dem ersten Voll-
monde im Frühlinge gefeiert, also immer zwischen dem 21. März und
dem 25.April. — Der Name „Ostern" ist wahrscheinlich von „Osten"
(Morgen) oder von „auferstehen" (durch Zusammenziehen) entstanden.
— Die Zeit nach Ostern bis zur Himmelfahrtsfeier hieß die alte Kirche
die 40 Tage der Freude; wie auch die 6 Sonntagein derselben
derartige Namen haben und zwar, außer dem fünften, von den Schrift-
stellen, die zu Ansang des Gottesdienstes gesungen wurden:
a) Quasimodogeniti — 1. Petr. 2, 2: „Als die jetzt
gebornen Kindlein." Dieser Sonntag heißt auch der
weiße Sonntag, vielleicht von der Erscheinung der
Engel am Grabe Jesu, die in weißen Kleidern sich zeig-
ten; so wie auch von der Sitte, daß die am Ostertage
Getauften die ihnen bei der Taufe angezogenen weißen
Kleider die ganze Woche hindurch bis zu diesem Sonntage
trugen, an welchem sie dieselben ablegten.
b) Misericordias Domini — Ps. 89, 2: „Ich will
singen von der Gnade des Herrn."
e) Jubilate — Ps. 66, 1: „Jauchzet Gott alle Lande." —
sAm Mittwoch darauf wird in Preußen der jährliche all-
gemeine Buß - undBettag gefeiert),
ck) Cantate — Ps.96,1 : „Singet dem Herrn ein neues Lied."
e) Rogate — Matth. 7, 7: „Bittet, so wird euch gegeben."
Dieser Sonntag wird auch Gebetssonntag genannt,
weil, wie das Evang. Joh. 16, 23—30 uns anweist, das
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Gebet, als besondere Glaubeuspflicht an diesem Sonntage
betrachtet werden soll. — Donnerstag nach Rogate, am
40. Tage nach Ostern, fällt
5) das Himmelsahrtsfest — ein bewegliches Fest — zum
Andenken an die Erhebung Jesu in den Himmel.
III. Der MngstKrei5
beginnt mit den zehn Tagen des Wartens, in welche noch der 6. Sonntag
f) Exaudi fällt — Ps. 27,7: „Herr, höre meine Stimme." —
Nach denselben folgt das Pfingstfest — ein bewegliches Fest
— eigentlich Pentekosie, d. h. der Fünfzigste, weil dieses Fest am
50. Tage nach Ostern fällt, der Tag des Danks für die Ausgießung
des h. Geistes und die Gründung der ersten christl. Gemeinde zu Jeru-
salem, daher das eigentliche Stiftungsfest der christl. Kirche.
Am Sonntage nach Pfingsten ist das Fest Trinitatis, d. i.
der heiligen Dreieinigkeit, an welchem die christliche Kirche eine Nach-
und Gesammtfeier der drei Hauplfeste hält und sich zu der Grundlehre
vom dreieinigen Gott bekennt.
Alle hierauf folgenden Sonntage des Kirchenjahres bis zum ersten
Advent haben den Namen: Sonntage nach Trinitatis, deren
es 22 bis 27 giebt, je nachdem Ostern früh oder später gefeiert wird.
Während dieser Zeit werden in manchen Ländern folgende Feste
gefeiert:
») das Jo Hann issest, den 24. Juni, zur Erinnerung an
Johannes den Täufer;
d) das Michaelissest, den 20. September, an welchem
Tage man die Lehre von den Engeln betrachtet;
e) das Erntefest oder Erntedankfest, ein Dankfest für
den eingesammelten Erntesegen;
(I) das Kirchweihfest (Kirchmesse, Kirmse), zum An-
denken der Stiftung oder Einweihung der Gotteshäuser;
e) das Reformationsfest, zur Erinnerung an die, den
31. October 1517 begonnene, Kirchenverbesserung;
f) das Todtenfest (bte Todtenfeier), zum Andenken an
die Verstorbenen sin Preußen am letzten Trinitatissonn-
tage, also am letzten Sonntage des Kirchenjahresj gefeiert.
An den Bußtagen bekennen wir vor Gott dem Herrn unsere
und unseres Landes Sünde, bitten um Vergebung unserer Schuld und
geloben, uns von unserm sündlichen Wesen bekehren zu lassen.
Druck von Z. B. Hirsch seid in Leipzig.
grenzten Unterrichtsstunden gesondert, sondern untermischt und gelegentlich
lehren solle; ja man hat die an sich so gerechte Forderung von einem ge-
genseitigen Durchdringen des gesummten Unterrichtes vielfach so gemißdeu--
tct und gemißbraucht, daß man in Einer Unterrichtsstunde, die man etwa
Weltkundc nannte, zugleich Geschichtliches, Geographisches, Naturhistorisches,
Astronomisches, Physikalisches, Technologisches u. s. f. in gar keinem oder
nur in losem Zusammenhange bunt durcheinander lehrte und besprach. Das
aber bringt nur eine heillose Verwirrung oder höchstens eine zusammen-
hangslose Notizenkcnntniß zu Wege. Soll ein geordnetes, klares Wissen in
den Schülern erreicht werden, so ist geregelter Fortgang jedes einzelnen Un-
terrichtsgegenstandcs durchaus erforderlich. Damit sind kürzere Hinweisun-
gen auf Ergänzendes ans anderen Stunden nicht ausgeschlossen, sie werden
vielmehr höchst zweckmäßig sein. — Aus diesen Gründen sind in den vor-
liegenden Heften die einzelnen Unterrichtsgcgenftände vollständig gesondert
bearbeitet; doch fehlt es auch schon in ihnen nicht an einzelnen Hinweisun-
gen auf verwandte Unterrichtsgcgenstände.
Schließlich sei noch erwähnt, daß bei der Ausarbeitung dieser Hefte
der Gedanke mit als Maßstab zum Grunde gelegen hat, daß jeder der
hier behandelten Gegenstände in einem Kursus von Einem Jahre vollendet
werde. Auch wird eine sorgfältige Durchsicht der Hefte ergeben, daß bei
Abfassung derselben gute Vorarbeiten mit dankbarem Fleiße sind benutzt
worden.
C. H. Winter.
Das Unternehmen ist auf eine noch unbestimmte Zahl von
Heften berechnet, da nach und nach alle Lehrgegcnstande der Volks-
schule darin Aufnahme finden sollen.
Die Verlagshandlung.
In demselben Verlage ist erschienen:
Winter, C. H., Stenographische Fibel. Ein Uebungsbuch zur
Erlernung der Stolze'schen Stenographie. Zum Gebrauch in
Schulen. Erster Theil: Stenographie der deutschen Wörter.
Mit einem Vorwort von W. Stolze. Broch. 12 '/2 Ngr.
------------Zweiter Theil: Stenographie der Fremdwörter
und der Eigennamen. Broch. 12 */2 Ngr.
------------Kurze Anweisung zur Erlernung der Stolze'schen
Stenographie nach der „Stenographischen Fibel" für Schulen
und zum Selbstunterricht. Broch. 10 Ngr.
Müller, Dr. Karl, Der Pflanzenstaat oder Entwarf einer Ent-
wickelungsgeschichte des Pflanzenreiches. Eine allgemeine Botanik
für Laien und Naturforscher. Mit Abbildungen in Tondruck
und vielen in den Tcrt eingedruckten Holzschnitten meist nach
Originalzeichnungen. 8. Brochirt. 22/3 Thlr. — Elegant
gebunden 3 Thlr.
Was dem Verfasser trotz der schwierigen Aufgabe so meisterhaft
gelungen ist. einen ohnfehlbar rein wissenschaftlichen Stoff mit dem geistigen
Interesse aller Gebildeten zu verbinden und denselben in plastischer Dar-
stellnngsweise anziehend und lehrreich zu schildern, das drückt sich am
Schlagendsten in folgenden Worten eines Kritikers aus: „Man braucht,
sagt er, und das ist eben das Gelungene an diesem Werke, nicht Botaniker
zu sein, um es zu verstehen, aber man wünscht eS zu werden."
Der erste Theil ist eine ausführliche Geschichte der Pflanzenwelt
in ihrer Verbindung mit der Entwickelung unseres Planeten; der zweite
Theil behandelt die ganze Formenwclt des Pflanzenftaatcs und ist mithin
das, was man bisher vorzugsweise als „reine Botanik" bezeichnete; der
dritte Theil stellt das Leben im Pffanzenftaate dar und wird damit zu einer ?
Physiologie der Pflanzenwelt. Das Ganze aber ist nur der Ausdruck einer
einzigen großen Idee: der Entwickelungsgeschichte des PflanzcnstaatcS. Durch
sie ist das Ganze zu einer organischen Einheit wirksam verbunden.
Druck von Z B. Hirschfeld in Leipzig.