104 müthigkeit der Wittwe, versicherte sie seiner Gnade und ließ ihr gleich ¡¿0,000 Piaster (etwa 22,000 Thäler) auszahlen. Weiter gab er Befehl, den rechtmäßigen Eigenthümer ausfindig zu machen, und wenn er sich nicht finden sollte, das Kästchen mit den Juwelen zu verkaufen und den Ertrag der Mittlre und ihren sechs Kindern zukommen zu lassen. 55. Der freundliche und redliche Hirte. Ein Hirte saß einst gegen Abend an der Land- strasse, und blies ans seiner Flöte ein Abendlied. Seine Heerde weidete um ihn her. Da kam ein Handwerks-- bursche die Strasse daher, blickte den andächtigen Hirten gleichgültig an und ging vorbei, ohne ihn zu grüßen. — Nach einer kleinen Stunde wollte der Hirte seine Heerde zur Stadt treiben; er stand auf und ging lang¬ sam auf der Strasse fort, während der Hund die Heerde trieb. Auf einmal sah er etwas Glänzendes auf der Strasse liegen; er hob es auf. Es war eine große Brieftasche. Ein Schlüssel hing daran; er schloß da¬ mit die Tasche auf, um zu sehen, was darin wäre. Da fand er unter andern Briefen auch einen Wechsel¬ brief auf 200 Rthlr. Auch fand sich ein Papier darin, woraus der Hirt ersähe, daß die Brieftasche einein Sei- denwebergelellen, Namens Franz Wildrose, gehöre. Der Hirte dachte sogleich, der Handwerksbursche, der vor einer Stunde vor ihm vorübergegangen fei, müsse diese Brieftasche verloren haben. Er war also bereit, fie deinselben wiederzugeben. Schon halte er die Heerde zusammengetrieben, und seinen Hund dabei ge¬ stellt, und eben wollte er sich auf den Weg machen, um dem Handwerksburschen nachzukaufen. Doch in dem Augenblicke kam er selbst zurück, suchte ängstlich auf der Straße, und da er den Hirten sabe, rief er ihm zu: Habt ihr nicht eine Brieftasche gefunden, guter Freund? Der Hirte. „Wie ist euer Name?" Der Handwerksbursche. „Franz Wildrose." „Ja, ich habe sie gefunden," sprach der redliche