94 Landgemeinden) als Vereinigten Landtag nach Berlin. Aber die Ab¬ geordneten sollten nur über Anleihen und Steuerbewillignngen entscheiden dürfen, bei der Gesetzgebung aber nur beratend mitwirken. Die Unzufriedenheit eines Teiles der Abgeordneten hiermit (liberale Partei) führte zur Auflösung des Landtages. Indessen wurde das Verlangen nach einer freiheitlichen Ver¬ fassung, nach Preßfreiheit, Vereinsrecht und Versammlungsfreiheit, nach Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen immer lauter erhoben. Es kam in Berlin zu erregten Volksversammlungen und zu blutigen Zusammenstößen mit dem Militär (18. und 19. März 1848), - so daß der König endlich eine neue Einberufung des Landtages anordnete. Nach Herstellung der Ruhe gab Friedrich Wilhelm dem Lande eine vorläufige Verfassung. Am 31. Januar 1850 aber wurde die gegenwärtige Verfassung als preußisches Staatsgrundgesetz verkündet. 3. Die preußische Verfassung, a) Inhalt der Verfassung. Die Königswürde ist im Mannesstamme des Hauses Hohenzollern erblich; sie geht stets auf den erstgeborenen, mit 18 Jahren volljährigen Prinzen über. Jeder Regent hat die Versassnng vor dem Landtage zu beschwören und sie zu beobachten. Die Person des Königs ist unverletzlich, d. h. der König kann nicht gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Der König ist auch un¬ verantwortlich; für Regiernngshandlungen (Erlasse, Anordnungen) trügt der mitnnterzeichnete Minister die Verantwortung. Rechte des Königs. Der König kann Gesetze nur in Gemeinschaft mit dem Landtage geben; aber er verkündet die Gesetze und gibt Ausführungs¬ verordnungen dazu. Er ernennt und entläßt die Minister, beruft, schließt und vertagt den Landtag. Ferner kann er Auszeichnungen (Titel und Orden) verleihen, Strafen mildern und Begnadigungen erteilen. Endlich führt er den Oberbefehl über das Heer und beschließt über Krieg und Frieden. Die gesetzgebenden Körperschaften. Der Landtag besteht aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus. Das Herrenhaus setzt sich zusammen ans den volljährigen königlichen Prinzen, den bis 1806 reichsunmittelbaren Standesherren und den vom König ernannten Mitgliedern des Adels, ferner ans Vertretern der Großindustrie (Fabrikbesitzer), der Geistlichkeit, der preußischen Universitäten und der großen Städte (etwa 270 Mitglieder). Das Abgeordnetenhaus wird ans den vom Volke ans 5 Jahre gewählten Ver¬ tretern gebildet. Jeder unbescholtene 24 Jahr alte Preuße ist als Urwähler wahlberechtigt. — Nach dem Steuerbetrage wählen die Urwähler in 3 Klassen ihre Wahlmänner durch offene Angabe des Namens. Die Wahlmänner wählen ebenfalls öffentlich die Abgeordneten (443 Mitglieder; indirekte öffentliche Wahl, Dreiklaffen-Wahlsystem). Rechte des Landtages. Zum Erlaß neuer oder zur Aufhebung alter Gesetze und zur Erhebung von Steuern ist die Zustimmung beider Häuser des Landtages erforderlich; dagegen kann der König die Beschlüsse des Land¬ tages verwerfen. — Die Sitzungen beider Häuser sind öffentlich; die Mit- glieder dürfen bezüglich ihrer Meinungsäußerungen und Abstimmung nicht zur Rechenschaft gezogen werden.