76 wurde der preußische Staat um 3 schöne Provinzen, Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen, vergrößert. In Deutschland hatte es jetzt unbestritten die Führung. An Stelle des deutschen Bundes trat jetzt der Norddeutsche Bund, dem alle deutschen Staaten nördlich vom Main angehörten. An der Spitze stand Wilhelm I., König von Preußen. Die Einigung Deutschlands wurde durch das Zollparlameut vorbereitet, in dem Vertreter Nord- und Süddeutschlands gemeinsam über Zollfrageu berieten. Die Bündnisverträge zwischen Preußen und Süddeutschlaud bestimmten, daß im Kriegsfalle der König von Preußen den Oberbefehl auch über die süddeutschen Truppen übernehmen sollte. 5. Die Vollendung der deutschen Einheit. (Der deutsch- französische Krieg 1870—1871.) a) Frankreich und Preußen. Kein Volk sah mit soviel Neid auf die überraschenden Waffenerfolge Preußens als gerade das französische. Es hatte sich bisher eingebildet, das kriegerischste Volk der Welt zu sein, und nun sah es seinen Waffenruhni durch den preußischen überstrahlt. Das konnte die französische Eitelkeit nicht ertragen, sie forderte „Rache für Sadowa". Kaiser Napoleon mußte mit dieser er¬ regten Volksstimmung rechnen, die den Rhein als die natürliche Grenze Frankreichs forderte. Deshalb suchte er mit Einverständnis Preußens deutsche Landgebiete aus dem linken Rheinufer zu erwerben. Aber König Wilhelm und Bismarck wiesen Napoleons Ansinnen scharf zurück. Mit ihrer Ein¬ willigung sollte Frankreich niemals einen Fuß breit deutschen Landes be¬ kommen. Als Napoleon kein dentsches Land erhalten konnte, versuchte er Luxemburg und Belgien zu erwerben; aber wiederum wußte Preußen dies zu verhindern. So erlitt Napoleon eine Niederlage nach der anderen; sein Ansehen in Frankreich und in Europa schwand. Nur durch einen glücklichen Krieg mit Preußen konnte er seinen „wackeligen Thron" befestigen. Aber er wußte auch, daß er durch einen unglücklichen Krieg seine Krone verlieren werde. Deshalb schente er vor einem Kriege zurück. Da wurde er wider Willen durch die Kriegspartei und das französische Volk dazu gedrängt. b) Der Kriegsvorwand. Die Spanier hatten ihre Königin Jsabella verjagt; sie trugen nun ihre Krone dem katholischen Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen an, der mit dem preußischen Königshause nur entfernt, mit Napoleon dagegen näher verwandt war. Prinz Leopold er¬ klärte sich zur Annahme bereit. Da aber brach ein Sturm des Unwillens in Frankreich aus. Grammont, der französische Minister des Äußeren, er¬ klärte, Frankreich könne eine solche Machtvergrößerung Preußens nicht dulden. Er schickte den französischen Botschafter Benedetti mit dem Auftrage nach Ems, König Wilhelm solle dem Prinzen Leopold die Annahme der Krone verbieten. Dies Verlangen wies der preußische König zurück. Da verzichtete der Vater des Prinzen Leopold freiwillig auf die spanische Krone, um einen Krieg zu verhüten. Mit diesem Erfolg hätten die Franzosen zufrieden fein können; aber sie verlangten eine persönliche Demütigung König Wilhelms. Dieser sollte in einem Entschuldigungsschreiben an Napoleon sein Bedauern über den Vorgang ausdrücken und die Versicherung hinzufügen, daß er auch