113 Das war des jungen Eichhörnchens erste Reise durch die Wipfel der Bäume. Bald ward es größer, und dann turnte es den lieben langen Tag in einem fort, kletterte jetzt den glatten Stamm flink hinauf, schwang sich dann auf den Ast und lief schnell wie der Wind auf ihm entlang bis ins dünne Gezweig. Hier schaukelte sich's wie auf dem Schwuugbrette und hops! ging der kühne Satz hinüber zum Nachbarbaume. 2. Jetzt kommen die Knaben richtig wieder und meinen, sie wür¬ den das Eichhörnchen fassen; denn der Baum, auf den es geklettert ist, steht einsam auf einer Lichtung. Sie klimmen von allen Seiten empor und versperren ihm die Flucht. So kann es, denken sie, nir¬ gends hin als nach dem Wipfel; dort muß es sich gefangen geben. Sie wollen ein Tuch darüber werfen, damit es nicht beiße, und wer¬ den schon uneins darum, wem es gehören solle. Das Eichhorn kennt aber den Wald besser als die Knaben und versteht alle Wege auf den Banmzweigen. Es steigt nicht zur Spitze hinauf, sondern an dem schräg hängenden Aste entlang. Jetzt thut's einen weiten Satz in die Tiefe. Beine und Schwanz breitet es aus, so daß sie als Fallschirm dienen, und ohne Schaden kommt es unten am Boden an. Seine Verfolger haben kaum Zeit gehabt umzuschauen, wo es hingeriet, da läuft's schon über den kahlen Plan nach dem Walddickicht. Jetzt hat's die alte Buche erreicht, jetzt schaut's schon vom ersten Aste herab, jetzt vom zweiten. — Glück auf, ihr Kletterer; beeilt euch, wenn ihr es einholen wollt! 3. Im Herbste, wenn die Haselnüsse, Eicheln und Bucheckern reis sind, hat das Eichhorn gute Zeit; es feiert alle Tage Erntefest. An seinen Vorderpfoten hat es zwar keinen Daumen, sondern an der Stelle, wo ein solcher sitzen sollte, nur eine Warze; trotzdem greift's mit ihnen zu wie mit Händen, hält sich am schwanken, dünnen Hasel¬ zweige fest und holt die Nuß aus den Becherchen. Danach sitzt es auf dem Aste, die Ohren wie Hörnchen gespitzt, den Schwanz hoch über den Rücken gekrümmt. So hält es die Nuß mit den Vorder¬ pfoten und spaltet sie mit scharfem Bisse geschickt in zwei Hälften. Findest du Nußschalen im Walde, so kannst du auch bald erkennen, wer der Nußknacker gewesen ist; die Mäuse fressen nur ein Loch hinein, das Eichhorn halbiert sie. Eckzähne hat das Eichhorn nicht, dagegen oben und unten zwei sehr kräftige Schneidezähne, die scharf sind wie Meißel. Mit ihnen zerbeißt es die festen Nußschalen und schält die Schuppen der Tannen- und Fichtenzapfen ab, um die kleinen Samen Carstensen u. Schulz, Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen. 8