425 Gräfin Boß an dem Kranken- und Schmerzenslager ihrer gesiebten Fürstin. Ängstlich lauschten sie ans jeden Atemzug. Am andern Morgen ging's weiter, und nach drei Tagen war Memel erreicht, nachdem die letzte Strecke des Weges in einem Fischerkahn über das knrische Haff glücklich zurückgelegt worden war. Nach mehreren Wochen hatte Luise die Krankheit überstanden. Aber noch eine andre schwere Prüfung stand der Königin bevor. Das preußische Heer war in den Schlachten bei Preußisch-Eylau und Friedland besiegt worden, und Friedrich Wilhelm III. sah sich ge¬ zwungen, mit Napoleon Frieden zu schließen. Bor dem Friedens¬ schlüsse hatte Luise auf den dringlichen Wunsch ihres Gemahls eine Unterredung mit dem Sieger. Der König hoffte, daß Napoleon, be¬ einflußt durch das gewinnende Wesen der Königin, sich zu milderen Friedensbedingungen werde bereit finden lassen. Sehr viel lag ihm daran, Magdeburg dem preußischen Staate zu erhalten. Der edlen Luise wurde es schwer, sich zu dieser Unterredung zu entschließen. Sie verachtete den ehr- und ruhmsüchtigen Eroberer. Mit Thränen im Auge sagte sie zu Hufeland: „Es ist das schmerzhafteste Opfer, das ich meinem Votke bringe, und nur die Hoffnung, diesem nützlich zu sein, kann mich dazu veranlassen." Und in ihr Tagebuch schrieb sie: „Welche Überwindung es mir kostet, das weiß mein Gott; denn wenn ich gleich den Mann (Napo¬ leon) nicht hasse, so sehe ich ihn doch als den an, der den König und sein Land unglücklich gemacht hat. Seine Talente bewnndre ich; aber seinen Charakter, der offenbar hinterlistig und falsch ist, kann ich nicht lieben. Höflich und artig gegen ihn zu sein, wird mir schwer werden. Doch das Schwere wird einmal von mir gefordert. Opfer zu bringen, bin ich gewohnt." Bei der Unterredung fragte Napoleon hochmütig die Königin: „Wie konnte Preußen es wagen, mit mir Krieg anzufangen?" „Sire, dem Ruhme Friedrichs des Großen war es erlaubt, uns über unsere Kräfte zu täuschen, wenn anders wir uns getäuscht haben," antwortete Luise. Als Napoleon ihr bei Tische freundlich eine Rose überreichte, sagte sie lächelnd: „Ich nehme sie an, aber nicht ohne Magdeburg." Mit finsterm Blick und barschem Ton erwiderte der Kaiser: „Ich muß Eurer Majestät bemerken, daß ich etz bin, der das Geschenk über¬ reicht, und daß Sie es sind, die es empfangen." Die Unterredung zwischen Luise und Napoleon hatte nicht den