Bürget- und
Haiishaitungskunde.
Eine Stoffsammlung für Lehrer und ein Wieder-
holung.~heft für Schüler und Schülerinnen der
/. Sonntags- und Fortbildungsschule. .*.
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Bearbeitet von
Emii Hahn,
Bezirksoberlehrer.
890 )
LUDWIGSHAFEN A.RH.
Verlag von Fr. Baumgartner.
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V O l* vv o r t.
Ueber den Zweck und den Gebrauch vorliegenden Werk-
chens spricht sich der Titel desselben klar und bestimmt aus.
Es will in erster Linie den Lehrern gesichteten Stoff aus der
Bürger- und Haushaltungskunde bieten, wie ihn die neuen Lehr-
pläne für Sonntags- und Fortbildungsschulen fordern. Es will
ferner den Schülern und Schüleiinnen wertvolles Material aus de n
staatsbürgerlichen, dem haus- und landwirtschaftlichen und dem
hygienischen Unterrichte zur häuslichen Beschäftigung und zugleich
Anhaltspunkte für die Wiederholung geben. Bei zweckmäßiger
und verständiger Benützung wird das Werkchen den Lehrern
das Unterrichten und den Schülern das Lernen und Wiederholen
wesentlich erleichtern und so in Schule und Haus ersprießlich wirken.
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134
Stadtbücherei
LaKlwigs^ofen/Rhein
Bürgerkunde.
Erstes Jahr.
Die Familie. Vater und Mutter sind unsere Eltern. Eltern
und Kinder wohnen zusammen und bilden eine Familie. Die
Familie ist eine von Gott gewollte Einrichtung. „Es ist nicht
gut, daß der Mensch allein sei“, sprach Gott. Adam und Eva
bildeten mit ihren Kindern die erste Familie. Auf ihr ruht die
Entwicklung des menschlichen Geschlechtes bis auf den heutigen
Tag. i
Ein gemeinsames Band umschlingt die Glieder einer Familie,
das Band der Liebe. Die Eltern sind sich in Liebe zugetan, sie
lieben ihre Kinder und diese sollen ihre Eltern lieben und ihnen
gehorsam sein. Der Vater, das Haupt der Familie, müht sich in
seinem Berufe ab, damit es den Seinigen wohlergehe. Er sorgt
für Wohnung, Nahrung, Kleidung und die übrigen leiblichen
Bedürfnisse der Familienangehörigen. Die Mutter ist von früh
bis spät mit der Besorgung des Hauswesens beschäftigt und wartet
und pflegt ihre Kinder. Gewissenhafte Eltern sind aber auch auf
das geistige Wohl ihrer Kinder bedacht; sie schicken sie zur
Schule, damit sie der geistigen Güter, welche die Bildung gewährt,
teilhaftig werden.
Die Familie ist gleichsam eine Gemeinde, ein Staat im
Kleinen. Gemeinde und Staat ünden in der Familie ihre besten
Stützen und ohne geordnetes Familienleben ist kein ge-
regeltes Gemeinde- und Staatsleben denkbar. Der kindliche
Gehorsam ist die beste Vorschule des staatsbürgerlichen Gehor-
sams und aus der Liebe zum häuslichen Herde, aus der Liebe
zur Heimat, entspringt die Liebe zum Vaterlande, der Patriotismus.
Die Familie ist ein mächtiger Sporn zum Fleiße und zur
Sparsamkeit, ein Hort der Sittlichkeit und die Pflanzstätte aller
gesellschaftlichen Tugenden. Ein gewissenhafter und sparsamer
Familienvater sorgt auch für das zukünftige Wohl der Seinigen
durch Erwerbung von Eigentum und Vermögen oder durch
Abschluß einer V e r s i c h e r u n g auf sein Leben. Vor Brand-
schaden sucht er sich durch Abschluß einer Brand- und
Mobiliarversicherung zu schützen und gegen etwaige Un-
fälle und Schadenersatzansprüche durch Abschluß einer Unfall-
und Haftpflichtversicherung sicher zu stellen.
Auch die Dienstboten (Magd, Knecht, Geselle) werden
zur Familie gehörig betrachtet. Sie helfen den Eltern bei der
Arbeit und erhalten dafür Bezahlung oder Lohn. Die Herrschaften
oder Arbeitgeber sind verpflichtet, den Dienstboten oder Arbeit-
nehmern den verdienten Lohn pünktlich auszubezahlen, sie zum
Guten anzuhalten und anständig zu behandeln. Dagegen ist es
Pflicht der Dienstboten, die ihnen übertragenen Arbeiten gewissen-
haft auszuführen und die Arbeitgeber vor ¡Schaden zu bewahren.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind gleich wichtige Glieder
der menschlichen Gesellschaft. Mögen dieses beide Teile erkennen
und beherzigen! Arbeitgeber, welche berechtigte Forderungen
der Arbeiter schnöde zurückweisen, handeln ebenso unrecht als
Arbeiter, die mit Trotz und roher Gewalt die Erfüllung ihrer
Forderungen zu erzwingen suchen. Beide sind voneinander
abhängig und müssen lernen für einander zu leben.
Die Gemeinde. Die politischen Gemeinden sind öffentliche
Körperschaften mit dem Rechte der Selbstverwaltung nach Maß-
gabe der bestehenden Gesetze. Der gesetzliche Vertreter der
Gemeinde ist der von den Bürgern auf die Dauer von fünf Jahren
gewählte Gemeinde- bezw. Stadtrat. Er verwaltet alle Ge-
meindeangelegeuheiten vorbehaltlich jener Fälle, für welche ein
Beschluß der Bürgerversammlung notwendig ist, z. B. bei Auf-
nahme eines Anlehens. Das Vollzugsorgan des Gemeinde- oder
Stadtrates ist der Bürgermeister, dem ein oder zwei Adjunkten
zur Seite stehen. Bürgermeister und Adjunkten werden durch
den Gemeinde- oder Stadtrat aus der Reihe seiner Mitglieder
gewählt und verwalten ihr Amt in der Regel als Ehrenamt
unentgeltlich. Größere Gemeinwesen haben das Recht, besoldete
Berufsbürgermeister anzustellen.
Der Gemeinderat führt den Gemeindehaushalt; er hat
für die Erhaltung des Vermögens und für die Erfüllung der
Verbindlichkeiten der Gemeinde zu sorgen. Ihm kommen ins-
besondere die Aufgaben zu, die Straßen und Wege herzustellen
und in gutem Zustande zu erhalten, für Beleuchtung derselben
zu sorgen, gesundes Wasser durch Anlagen von Brunnen oder
Wasserleitungen zu beschaffen, Ordnung und Reinlichkeit aufrecht
zu erhalten, das Abwasser durch Anlage von Straßenrinnen und
unterirdischen Abzugskanälen zu beseitigen und für Unterkunft
und Pflege der Armen, Kranken und Waisen aufzukommen.
Erstellung und Instandhaltung der nötigen Schulhäuser, Anstellung
der Lehrer, Ordnung und Handhabung des Feuerwehr- und
Polizeiwesens, Beschaffung der nötigen Löschgeräte, Anstellung
von Polizeidienern oder Schutzleuten, Feldschützen, Nachtwächtern
u. s. w. sind ebenfalls wichtige Obliegenheiten des Gemeinde-
oder Stadtrates.
Die Führung eines Gemeindehaushaltes verursacht viele und
große Ausgaben. Viele Gemeinden haben außer den Gemeinde-
gebäuden noch Felder, Wir ken oder Wälder als Eigentum.
Die Erträgnisse des Gemeindeeigentums fließen in die Gemeinde-
kasse. Diese wird von dem Ge mein de-Einnehm er unter
Aufsicht des Bürgermeisters verwaltet. In Städten liefern städtische
Betriebe wie Gas- und Wasserwerk ihre Reinerträgnisse an die
Stadtkasse ab. Doch reichen diese Einnahmen oft nicht aus zur
Bestreitung der nötigen Ausgaben. Zur Deckung des Fehlbetrages
müssen dann Verbrauchssteuern und andere ähnliche Abgaben
eingeführt und Gemeindeumlagen erhoben werden. Im
Dezember stellt der Gemeinderat die voraussichtlichen Einnahmen
und Ausgaben für das kommende Jahr fest und bestimmt, welcher
Betrag durch Umlagen von den Bewohnern der Gemeinde auf-
gebracht werden muß.
Die gemeinsamen Beratungen der Gemeinderats- bezw.
Stadtratsmitglieder erfolgen in den Gemeinderats- oder
Stadt ratssitz ungen, welche durch den Bürgermeister oder
dessen Stellvertreter unter Bekanntgabe der Beratungsgegen-
stände angesetzt werden. Der Bürgermeister hat sodann die
gefaßten Beschlüsse zur Ausführung zu bringen. Beschlüsse von
größerer Wichtigkeit bedürfen zuvor noch der Genehmigung des
Bezirksamtes, bezw. der Regierung. Will eine Gemeindevertretung
zur Bestreitung unvermeidlicher Ausgaben oder zur Abtragung
von Schulden ein Anlehen aufnehmen, so hat hiezu die Biirger-
versammlung, zu der jeder Gemeindebürger eingeladen wird,
ihre Zustimmung zu geben.
Um die Bewohner zur Sparsamkeit anzuregen und ihnen
Gelegenheit zur verzinslichen Anlage ihrer Erübrigungen zu
geben, hat man in vielen Gemeinden Sparkassen errichtet.
In anderen wurden zum Zwecke gemeinsamen und vorteilhaften
Ein- bezw. Verkaufs Genossenschaften, wie landwirtschaft-
liche Konsumvereine, Winzervereine u. dgl. gegründet. Auch
bestehen in vielen Gemeinden Wohltätigkeitsvereine, wie
Kinderpflegevereine, Krankenunterstützungskassen, Knaben- und
Mädchenhorte, Suppenanstalten u. a.
Die Bewohner einer Gemeinde gehören in der Regel ver-
schiedenen Religionsgemeinschaften oder Konfessionen an.
Nach dem religiösen Bekenntnisse unterscheidet man Katholiken,
Protestanten, Israeliten und Andersgläubige. Die Katholiken
unterstehen dem katholischen Pfarramte, während die Protestanten
dem protestantischen Pfarramte unterstellt sind. In der Ver-
waltung kirchlicher Angelegenheiten stehen dem
katholischen Pfarrer der Fabrikrat, dem protestantischen dagegen
das Presbyterium zur Beite. Die Kultusangelegenheiten der
Israeliten und Andersgläubigen besorgen die betreffenden Kultus-
vorstände.
Nicht jeder Ortsbewohner hat das Recht, bei der Wahl der
Gemeinderats- oder Stadtratsmitglieder mitzuwirken. Nur die
Gemeindebürger, die das Heimat- oder Bürgerrecht besitzen,
sind hiezu befugt. Das Heimat- oder Bürgerrecht kann
durch Entrichtung des durch den Gemeinderat festgesetzten
Bürgereinzuggeldes oder durch längeren Wohnsitz in der Ge-
meinde erworben werden. Doch steht der Gemeindeverwaltung
auch das Recht zu, Personen, die sich um das Wohl der Gemeinde
verdient gemacht haben, das Bürgerrecht unentgeltlich zu verleihen.
Viele Gemeinden haben Post-, andere Post- und Bahn-
verbindung, die es den Bewohnern ermöglichen, mit den Be-
wohnern anderer Orte in Verkehr zu treten. Städte und größere
Dörfer sind außerdem an das über das ganze Land ausgedehnte
Telegraphen- und Telephonnetz angeschlossen, wodurch
Handel und Verkehr sehr gefördert werden.
Es ist heilige Pflicht eines wackeren Bürgers, die Gemeinde-
verwaltung in der Sorge um das Gemeinde wohl zu unterstützen
und den ihn treffenden Teil der Lasten gerne zu leisten.
Wie heißt unsere Gemeinde? Was wissen wir über die
Entstehung und das Schicksal derselben zu sagen? Wie viele
Einwohner hat dieselbe? Nimmt die Zahl der Bewohner zu oder
ab? Welches ist der Grund der Zu- oder Abnahme? Welcher
Konfession gehören die Bewohner an? Womit beschäftigen sich
diese? Welches sind die hauptsächlichsten Erzeugnisse des
Ackerbaues? Sind Fabriken in der Gemeinde? Was fertigen
diese und wohin setzen sie ihre Erzeugnisse ab? Liegt unsere
Gemeinde an einer Bahnlinie? Nenne die Nachbargemeinden!
Wie liegen diese von unserer Gemeinde aus? Welche derselben
sind größer, welche kleiner als unsere Gemeinde ?
Der Distrikt und der Amtsbezirk. Die den Gemeinden
zunächst Vorgesetzte Behörde ist das Bezirksamt. Alle dem
gleichen Bezirksamte unterstehenden Gemeinden bilden einen
Amtsbezirk. Manche Amtsbezirke bestehen aus einem, andere
aus zwei oder drei Distrikten. Das Bezirksamt ist Distrikts-
verwaltungs- und Distriktspolizeibehörde. Ueber die Angelegen-
heiten des Distrikts berät und beschließt der Distrikts rat
unter dem Vorsitze des Bezirksamtmannes. Dem Distriktsrate
obliegt die Distriktsverwaltung. Die einzelnen Gemeinde-
verwaltungen bestimmen die Distriktsratsmitglieder. Diese werden
durch das Bezirksamt zu den nötigen Distriktsratssitzungen ein-
berufen und beraten und beschließen über die Ausgaben für
Distriktsstraßen, Distriktskrankenhäuser, Distrikts-
waisenhäuser u. dgl. und setzen die zur Bestreitung der
Ausgaben nötigen Distriktsumlagen fest. Diese werden von den
Steuereinnehmern erhoben. Wichtige Beschlüsse des Distriktsrats
bedürfen der Genehmigung der Kreisregierung.
Zu welchem Amtsbezirk und zu welchem Distrikt gehört
unsere Gemeinde? Aus welchen Distrikten besteht unser Amts-
bezirk? Zähle die anderen Gemeinden dieses Amtsbezirkes auf!
Wie liegen diese vom Bezirksamtssitze aus? Welche derselben
haben Bahn-, welche nur Postverbindung? Wieviele Bewohner
zählt unser Amtsbezirk? Womit beschäftigen sich diese? Welche
Bodenarten sind in unserem Amtsbezirke vorherrschend? Nenne
die wichtigsten Erzeugnisse des Ackerbaues! Tn welchen Orten
unseres Amtsbezirkes ist Handel, Gewerbe und Industrie zu
finden? Nenne Distriktsstraßen! Wo ist das Distriktskranken-
und das Distrikts Waisenhaus?
Der Kreis. Sämtliche der gleichen Regierung unterstehen-
den Amtsbezirke bilden einen Kreis. Unser Amtsbezirk gehört
zum Kreise Pfalz.
Suche auf der Pfalzkarte unseren Amtsbezirk auf! Welche
anderen Amtsbezirke begrenzen denselben? In welchem Teile
der Pfalz liegt unser Amtsbezirk? Welche Amtsbezirke liegen
in der Ost-, in der West-, in der Nord- und in der Südpfalz?
Welche Amtsbezirke liegen im mittleren Teile der Pfalz? Welche
Teile der Pfalz sind gebirgig, welche sind eben? Wie heißt das
pfälzische Gebirge und welches sind seine bedeutendsten Er-
hebungen? Wohin münden die in der Pfalz fließenden Gewässer?
Wo entspringen dieselben und nach welcher Himmelsrichtung
fließen sie? Wie heißt die Kreishauptstadt? Gib noch andere
wichtige Städte des Kreises an! Umfahre die Grenze der Pfalz
und gib an, von welchen Ländern diese eingeschlossen ist!
Geschichtliche Entwicklung. Die Pfalz war ursprünglich
von Galliern bewohnt, die vor den auf sie drückenden deutschen
Volksstämmen der Nemeter und Vangionen zurückwichen. Zur
Zeit der Geburt Christi war das Land in der Gewalt der Römer.
Im 5. Jahrhunderte kam es unter die Herrschaft der Alemannen,
welche den Franken unter Chlodwig unterlagen. Später ließen
sich Sachsen und Thüringer und im 16. und 17. Jahrhundert
Hugenotten und Niederländer hier nieder. Kaiser Friedrich
Barbarossa setzte 1155 seinen Bruder Konrad als ersten Pfalz-
grafen ein. Dieser residierte auf dem Schlosse zu Heidelberg.
Konrad vererbte diese Würde auf seinen Schwiegersohn Heinrich
den Schönen. Durch die Vermählung der Erbtochter Heinrichs
mit dem bayerischen Prinzen Otto dem Erlauchten, dem Sohne
Ludwig des Kelheimers, kam die Pfalz an das Haus Wittelsbach
(1225). Durch den Hausvertrag zu Pavia (1329) wurde die Pfalz
von Bayern getrennt und blieb es bis 1777, wo die bayerisch-
wittelsbachische Linie erlosch und Bayern gemäß der Bestimmungen
des Vertrags zu Pavia der pfälzisch-wittelsbachischen Linie zufiel.
Karl Theodor von der Pfalz wurde nun auch Kurfürst von
Bayern, und seitdem sind Pfalz und Bayern wieder vereinigt.
Unsägliches Elend brachte der dreißigjährige Krieg über
die Pfalz. Wiederholt wurde sie von feindlichen Scharen in
schauderhafter Weise verheert. Die Felder lagen verödet, viele
Orte waren zerstört und niedergebrannt. Der wackere Kurfürst
Karl Ludwig von der Pfalz war unermüdlich tätig, den Wohl-
stand seines Landes zu heben und die zerrüttete Ordnung wieder
herzustellen. Kaum hatte sich die Pfalz von den Schrecken des
30jährigen Krieges etwas erholt, fielen die Truppen des eroberungs-
süchtigen Königs Ludwig XIV. von Frankreich unter dem Feld-
herrn Turenne in das pfälzische Gebiet ein, brannten eine Reihe
von Ortschaften nieder, verwüsteten Weinberge und Saatfelder
und mißhandelten die Bewohner aufs gröblichste. Da eilte Fried-
rich Wilhelm, Preußens großer Kurfürst, herbei und trieb die
Franzosen zurück. Bald darauf fand Ludwig XIV. einen neuen
Vorwand in die Pfalz einzufallen. Sein Bruder Philipp von
Orleans war mit der Tochter des pfälzischen Kurfürsten Karl
Ludwig vermählt. Diese hatte vor ihrer Vermählung auf alle
Erbansprüche verzichtet. Nachdem aber ihr einziger Bruder
gestorben war, erhob Ludwig XIV. im Namen seiner Schwägerin
Ansprüche auf einen großen Teil der Pfalz. General Melac fiel
1638 mit einem Haufen französischer Mordbrenner in die Pfalz
ein und brannte Städte und Dörfer nieder. Die Bewohner wurden
beraubt, mißhandelt oder gemordet. Speyer, Frankenthal, Worms,
Mannheim, Heidelberg und noch andere Städte und Dörfer ver-
sanken in Schutt und Asche. Die Gräber der deutschen Kaiser
im Dom zu Speyer wurden durchwühlt und geschändet. Die
herrliche und fruchtbare Pfalz war zur Wüste geworden. Es
bedurfte vieler Jahre und des Fleißes der Bewohner, bis die
Pfalz sich wieder einigermaßen erholt hatte. Doch als zu Ende
des 18. Jahrhunderts in Frankreich die Revolution ausgebrochen
war, schleuderten uns die Franzosen wiederum die Kriegsfakel
ins Land und eroberten das ganze linke Rheinufer. Durch den
Frieden zu Lineville (1801) kam die Pfalz in französischen Besitz,
wurde aber durch den Wiener Kongreß (1814) Bayern wieder
zugesprochen.
Aufgaben und Verwaltung des Kreises. Auch für den
Kreis ist eine Art Volksvertretung aufgestellt, der Landrat,
dessen Mitglieder durch die Distriktsräte des Kreises bestimmt
werden. Die Landratsmitglieder, zu denen auch Vertreter der
Geistlichkeit und des Großgrundbesitzes gehören, treten alljährlich
auf Anordnung des Königs im November in der Kreishauptstadt
zusammen, um mit den Beamten der Kreisregierung über die
Errichtung und Erhaltung der Kreisanstalten für Wohltätig-
keit, wie Kreisirrenanstalt, Kreisarmen- und Kreiskrankenhaus,
über Erhaltung der Kreisschulanstalten (Waldbauschule
und Taubstummenanstalt), sowie über Instandhaltung der zum
Schutze gegen Ueberschwemmung aufgeführten Rheindämme
und über andere Kreisangelegenheiten, deren Regelung zu den
Aufgaben der Kreisverwaltung gehört, zu beraten,^ die
dafür nötigen Ausgaben zu bestimmen und die Höhe der Kreis-
umlagen festzusetzen. Diese werden wie die Distriktsumlagen
mit den Steuern erhoben. Zur Giltigkeit der Beschlüsse des
Landrates ist die Genehmigung des Königs erforderlich. Die
höchste Ver waltungsbehörde des Kreises ist die Regierung,
an deren Spitze der Regierungspräsident steht, Die Regierung
besteht aus der Kammer des Innern (Verwaltung, Schulwesen
und Polizei), der Kammer der Finanzen (Geld- und Rechnungs-
wesen) und einer Abteilung für das Forstwesen. Der Kreis-
regierung sind die Bezirksämter, die Schulinspektionen, die Bau-,
Rent- und Forstämter untergeordnet.
Landwirtschaft, Handel nnd Gewerbe. Die Haardt
trennt die Vorderpfalz von der Westpfalz oder dem Westrich.
Ein Viertel des Flächeninhaltes der Pfalz entfällt auf die Rhein-
ebene und das Weinland der Haardt, der Rest auf das Gebirgs-
land und die Hügellandschaften des Westrich. Die Pfalz hat
fast 3/4 Millionen Bewohner. Der größte Teil derselben beschäftigt
sich mit Landwirtschaft und Viehzucht. Der Boden ist
sehr ergiebig, sodaß allenthalben Getreide, Kartoffeln und Rüben
mit Vorteil gepflanzt werden. An manchen Orten der Rheinebene
eignet sich der Boden zum Anbau von Hopfen, Tabak und
Spargeln. Im Glantal und am Donnersberg zieht man schönes
Rindvieh, ln der Vorderpfalz, im Alsenz- und Glantal gedeiht
vorzügliches Obst. An den östlichen Abhängen der Haardt
wachsen die köstlichen Pfälzer Weine, die weithin verschickt
werden. Die Edelweine von Ruppertsberg, Deidesheim, Forst,
Wachenheim und Dürkheim haben Weltruf. Kastanien-, Mandel-,
Pfirsich- und Aprikosenbäume umsäumen die Wege dieser ge-
segneten Gegend.
Industrie und Handel stehen in den Städten der Pfalz
in hoher Blüte. Ludwigshafen, Kaiserslautern, Pirmasens,
Frankenthal, Zweibrücken, Neustadt und Speyer haben eine Reihe
von Fabriken, deren Erzeugnisse nach dem In- und Auslande
Absatz finden. Auch das Kleingewerbe erfreut sich in der Pfalz
sorgsamer Pflege und verständnisvoller Förderung. Ein über die
ganze Pfalz verzweigtes Eisenbahnnetz hat wesentlich zur
Förderung des Handels beigetragen.
Zweites Jahr.
Der Staat Bayern. Die Vereinigung mehrerer Kreise
unter einem gemeinsamen Oberhaupte bildet einen Staat.
Bayern ist ein Staat, der aus folgenden 8 Kreisen besteht:
Oberbayern, Niederbayern, Pfalz, Oberpfalz, Oberfranken, Mittel-
franken, Unterfranken und Schwaben. Der bayerische Staat ist
ein Königreich oder eine Monarchie. Das Staatsoberhaupt,
der Monarch, hat den Titel „König von Bayern“. Der König
vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie nach
den in der Verfassung festgelegten Bestimmungen aus. An der
Spitze des bayerischen Staates steht gegenwärtig König Otto I.
Da dieser wegen Krankheit zur Leitung der Regierung nicht
fähig ist, führt sein Oheim PrinzregentLuitpold aufgrund der
bayerischen Verfassung die Regierung des Landes unter dem
Titel: „Des Königreichs Bayern Verweser“.
Umfahre auf der Karte die Grenzen Bayerns und gib an,
von welchen Staaten Bayern eingeschlossen wird! Welche
Staaten liegen zwischen dem Hauptlande Bayern und der Pfalz?
Welche Gebirge liegen im Süden, im Osten, im Nordosten, im
Nordwesten Bayerns? Nenne die höchsen Punkte dieser Gebirge!
Welches Gebirge zieht sich zwischen Donau und Main hin?
Welche Kreise durchfließt die Donau? Nenne die südlichen,
dann die nördlichen Nebenflüsse derselben und gib an, wo sie
entspringen! Welche Städte liegen an der Donau, welche an
ihren Nebenflüssen? Beschreibe den Lauf des Mains! Welche
Nebenflüsse nimmt er rechts, welche links auf? Welche Städte
liegen am Main und seinen Nebenflüssen? Nenne die größten
Seen Bayerns! Wie groß ist der Flächenraum, wie groß die
Einwohnerzahl Bayerns? Zu welchen Volksstämmen gehören die
Bewohner? Womit beschäftigen sich die Bewohner?
Geschichtliche Entwickelung. Bayern ist nach Größe
und Bedeutung der zweite Staat des Deutschen Reiches und
besteht aus zwei Teilen: dem Mutterlande Bayern rechts des
Rheines und der Pfalz links des Rheines. Die einstige Bildung
des Bayernstammes erfolgte von Baiaheiin oder Bojohemum (Böhmen)
her. Die aus den Hunnenkämpfen übrig gebliebenen Teile des
Markomannenvolkes siedelten sich unter Aufnahme anderer Ger-
manenstämme als Bajuvaren an der Donau oberhalb der Inn-
mündung an. Zunächst besetzten sie die Ebene bis Regensburg,
sodann das Gebiet des Regens und der unteren Naab und zwischen
460 u. 500 n. Chr. die Landschaften um Ingolstadt. Weiterhin
vollzog sich die Ausdehnung im Westen bis zum unteren Lech, im
Norden bis zum Fichtelgebirge. Die vorhandenen Ueberrest»
anderer Völkerschaften gingen innerhalb des Gebiets der Baju-
varen in deren Volkstum auf. Im Süden und Südwesten
dehnte sich das Gebiet des bajuvarischen Herzogtums über
Tirol, Kärnten, Steiermark und Ober- und Niederoesterreich aus.
Karl der Große bezwang den Bayernherzog Thassilo und machte
Bayern zu einer fränkischen Provinz. Allmählich lösten sich
größere Vasallengebiete vom Herzogtum Bayern ab, hauptsächlich
unter Kaiser Friedrich Barbarossa, der nach hohenstaufischer
Politik auf Verkleinerung der Herzogtümer bedacht war. Durch
ihn wurde der ganze Osten und Süden des bayerischen Gebietes
zu selbständigen Reichslehen erhoben und der erste Wittelsbacher,
Otto L, erhielt von ihm im Jahre 1180 das Herzogtum Bayern
in den ungefähren Grenzen von Ober- und Niederbayern und
Oberpfalz. Die im 13. Jahrhunderte durchgeführte gänzliche
Unabhängigkeit der Bistumgebiete Freising, Passau und Regens-
8
bürg und die Erwerbung der rheinischen Pfalz im Jahre 1225
hatten nur unwesentliche Aenderungen der räumlichen Verhält-
nisse des Herzogtums Bayern im Gefolge. Der Vertrag, den
Ludwig der Bayer mit seinen Neffen im Jahre 1329 zu Pavia
abschloß, führte eine Trennung der Pfalz und der Oberpfalz vom
bayerischen Herzogsgebiete herbei. Im dreißigjährigen Kriege
wurde unter Maximilian I. die Oberpfalz wieder mit Bayern
vereinigt und letzteres zu einem Kurfürstentum erhoben
(1623). Erst das Aussterben der bayerisch-wittelsbachischen
Linie im Jahre 1777 führte zu einer Wiedervereinigung Bayerns
mit der erbenden Pfalz. Die französischen Revolutionskriege
und das Vorgehen Napoleons I. verursachten für Bayern den
Verlust der Pfalz; doch wurden dem Kurfürstentum Bayern aus-
gedehnte fränkische und schwäbische Gebiete hinzugefügt und
dieses im Jahre ISOfi zu einem Königreiche erhoben. Bayerns
Teilnahme an der Erwerbung der Unabhängigkeit der deutschen
Staaten gegenüber dem napoleonischen Frankreich brachte 1814
die Pfalz wieder zu Bayern.
Aufgaben des Staates. Die wichtigste Aufgabe des
Staates ist der Land es schütz. Durch seine bewaffnete Macht
(Militär und Polizei) schützt er die Staatsangehörigen oder Staats-
bürger gegen äußere und innere Feinde und sorgt dafür, daß
niemand in seinen Interessen geschädigt werde. Der Staat ist
ferner der Hüter des Rechtes und gewährt allen Staatsangehörigen
gleichen Rechtsschutz. Die Rechtspflege erfolgt im Namen
des Königs durch rechtskundige Beamte oder Richter. Die
höchste Gerichtsstelle Bayerns ist das oberste Landesgericht in
München. Diesem unterstehen die Oberlandesgerichte der einzelnen
Kreise und diesen wieder die Land- und Amtsgerichte. Haben
Amts- und Landgerichte über Mein und Dein zu urteilen, so
handeln sie als Zivilgerichte. Haben sie über Schuld und Sühne
zu urteilen, dann handeln sie als Strafgerichte, ln Strafsachen
sind beim Amtsgerichte außer den Berufsrichtern noch zwei
Bürger als Schöffen zugezogen. Zur Aburteilung schwerer Ver-
brechen und Vergehen, wie Mord, Raub, Meineid, Landesverrat,
Majestätsverbrechen und Preß vergehen wmrden in jedem Kreise
vierteljährlich Schwurgerichtssitzungen abgehalten, bei denen drei
Berufsrichter und 12 Geschworenen gegenwärtig sein müssen.
Die Geschworenen haben über die Schuld, die Richter über die
Höhe der Strafe zu entscheiden. Gegen Urteile des Amts- und
Landgerichts kann innerhalb einer bestimmten Zeit Berufung
beim nächst höheren Gerichte eingelegt werden. Doch ist dabei1
zu bedenken, daß das Gericht zweiter Instanz in den meisten
Fällen gleich dem Gericht erster Instanz urteilt, die Prozeßkosten
aber wesentlich höher werden.
Dei1 Staat betrachtet es ferner als seine Aufgabe, in jeder
Hinsicht für die Wohlfahrt seiner Bürger zu sorgen. Er leistet
9
namhafte Beihilfe an bedürftige Gemeinden zur Herstellung von
Wasserleitungen und Beschaffung günstiger Wasserverhält-
nisse. Er bietet seinen Bürgern Gelegenheit, sich durch Eintritt
in die staatliche Brand-, Hagel-, Vieh- und Pferdever-
Sicherung vor Schaden zu bewahren. Die Flurbereinigung,
d. i. Regelung der Besitzverhältnisse durch zweckmäßige Einteilung
und Zusammenlegung des Geländes, die Vermessung der Felder
und Wälder, die Abgrenzung der einzelnen Aecker und Wiesen
durch Setzsteine, sowie die Feststellung der Gemarkungsgrenzen
und das Setzen der Gemarksteine gehört ebenfalls zu den
Obliegenheiten des Staates. Durch Erbauung von Eisenbahnen
und Wasserstraßen und Einrichtung von Post-, Tele-
graphen- und Telephonverbindungen sucht der Staat
Handel und Verkehr zu fördern und zur Hebung des Wohl-
standes seiner Bürger beizutragen. Die Förderung der Bildung,
sowie die Sorge für Religion und Schule sind weitere Auf-
gaben des Staates. Für Errichtung und Erhaltung von Gymnasien,
Realschulen, Progymnasien, Lehrerseminarien, gewerblichen und
landwirtschaftlichen Fachschulen, Musik- und Forstschulen, tech-
nischen Hochschulen und Universitäten macht der Staat große
Geldaufwendungen. Aber auch für die ärmsten seiner Bürger,
die Blinden und Schwachsinnigen, sorgt er durch Errichtung und
Unterhaltung besonderer Anstalten, in denen diese untergebracht
und soweit herangebildet werden, als dieses in den einzelnen
Fällen möglich ist.
Einnahmen des Staates. Der Staat besoldet sämtliche
Richter, eine Mensze Lehrer, Verwaltungs- und Verkehrsbeamten
und braucht zur Unterhaltung des Militärs viel Geld. Außerdem
verschlingt die Errichtung und Unterhaltung der staatlichen Ein-
richtungen zur Förderung des Verkehrs und Handels, der Religion
und Bildung große Summen. Woher nimmt nun der Staat die
Mittel zur Bestreitung dieses Aufwandes? Der Staat Bayern
ist Eigentümer ausgedehnter und sehr ergiebiger Waldungen.
Er besitzt Bergwerke, Salinen, Jagden, große und vielbesuchte
Bäder, ein ausgedehntes Weingut in Unterfranken und eine große
Brauerei, das Hofbräuhaus in München. Die Reinerträgnisse aller
dieser Staatsgüter fließen in die Staatskasse. Ferner fallen
der Staatskasse die Erübrig«ngen der Staatsbetriebe, wie
der Eisenbahnen, der Zollverwaltung, sowie der Post- und Tele-
graphenanstalten zu. Doch reichen diese Einnahmen lange nicht
hin, die großen Ausgaben des Staates zu bestreiten. Darum
muß sich der Staat noch andere Einnahmequellen verschaffen,
und das sind die Steuern. Diese werden durch die Steuer-
einnehmer und Rentämter erhoben und der Staatskasse zugeführt.
Man unterscheidet Grund-, Haus-, Einkommen-, Gewerbe-,
Kapitalrenten- und Erbschaftssteuern. Die Grundsteuer wird
vom Grund und Boden erhoben und erträgt in Bayern jährlich
10
etwa 10 Millionen Mark. Die Haussteuer ist für Häuser und
Nebengebäude zu zahlen und bringt der Staatskasse jährlich etwa
8 Millionen Mark ein. Die Gewerbesteuer wird von Gewerbe-
treibenden bestritten und ergibt jährlich 10 Millionen Mark.
Die Einkommensteuer wird von Beamten, Angestellten und
Arbeitern nach der Höhe ihres jährlichen Einkommens oder Ver-
dienstes bezahlt und erträgt jährlich etwa 3 Millionen Mark.
Die Kapitalrentensteuer ist von den Zinsen angelegter Kapitalien
zu entrichten und bringt der Staatskasse jährlich 6 Millionen
Mark ein. An Erbschaftssteuern vereinnahmt die Staatskasse
ebenfalls einen erheblichen Betrag. Doch hat der bayerische
Staat noch andere Einnahmen. Für Gebühren und Stempel -
ab gäbe fließen der Staatskasse jährlich etwa 25 Millionen Mark
zu. Der Malz auf schlag erträgt jährlich 40 Millionen Mark.
Außerdem erhält Bayern aus Reichserträgnissen jährlich
fast 25 Millionen Mark zugewiesen. Und doch reichen diese
hohen Staatseinnahmen oft nicht aus, um die nötigen Ausgaben
begleichen zu können und der Staat ist dann genötigt, Geld als
Aniehen aufzunehmen, ln diesem Falle stellt er über die
empfangenen Beträge Schuldscheine aus. Solche Staatsschuld-
scheine oder Obligationen nennt man auch Wertpapiere. Der
auf ihnen verzeichnete Wert (Nennwert) wird vom Staate jährlich
verzinst und bei der späteren Einlösung voll bezahlt.
Verfassung, Die Ordnung im Staate wird durch Gesetze
geregelt. Das Haupt- und Grundgesetz des bayerischen Staates
ist die Verfassung, welche König Maximilian I. am 26. Mai
1818 erließ. Die Grundbestimmungen derselben sind:
Der Koni g ist bei Ausübung der Regierung an die Bestimmungen
der Verfassung gebunden. Die Krone ist erblich im Mannes-
stamme nach dem Rechte der Erstgeburt. Der König ist das
Oberhaupt des Staates. Er verleiht Titel, Gnaden und Orden.
Seine Person ist heilig und unverletzlich. Er allein kann die
obersten Regierungsbeamten, die Staatsminister, ernennen und
entlassen und den Staatsrat und den Landtag einrufen und
auflösen. Auch kann er nach Einvernehmung des Staatsrates
und mit Zustimmung des Landtages neue Gesetze erlassen und
alte auf heben. Alle Gesetze und königlichen Verordnungen
müssen von den Staatsministern mitunterzeichnet sein. Ist der
König an der Ausübung der Regierung behindert, so wird diese
in seinem Namen von einem Regenten geführt. Dieser hat dann
den Titel: „Des Königreichs Bayern Verweser.“
Der Staatsbürger ist durch den Staat vor Angriffen und
Verfolgung geschützt; er genießt auf Grund der Verfassung
Freiheit und Sicherheit der Person. Der Staat schützt das Ver-
mögen der Staatsbürger, gewährt also Sicherheit des Eigentums.
Alle Staatsangehörigen sind den gleichen Gesetzen unterworfen,
es besteht somit für alle Gleichheit vor dem Gesetze. Jeder
11
Staatsbürger kann nach den Bestimmungen der Verfassung zu
allen staatlichen Stellen und Aemtern gelangen, sofern er die
Voraussetzungen hiezu erfüllt hat. Jedem Bürger ist also die
freie Konkurrenz zu den Staatsämtern gewährleistet. Den Staats-
angehörigen ist ferner in der Verfassung Freiheit des religiösen
Bekenntnisses u. Rede-, Preß- und Versammlungsfreiheit zugesichert.
Für alle den Staatsbürgern gewährten Rechte fordert die
Verfassung von diesen nur die Entrichtung der angeforderten
Steuer, Treue gegen den König und Gehorsam gegen die Obrigkeit.
Die Verwaltung des Königreichs Bayern liegt in den
Händen der Staatsminister, die ihr Amt im Namen des Königs
ausüben. Sie bilden mit den vom König ernannten Staatsräten
die oberste beratende Stelle, den Staatsrat, in welchem der
König den Vorsitz führt. Das Ministerium gliedert sich in das
Ministerium des Königlichen Hauses und des Aeußern, das
Ministerium der Justiz (Gerichtswesen), das Ministerium des
Innern (Verwaltung), das Kultusministerium (Schule und Kirche),
das Finanzministerium (Staatsgelder), das Verkehrsministerium
(Eisenbahn, Post) und das Kriegsministerium (Heerwesen). Dem
Ministerium sind die acht Kreisregierungen untergeordnet.
An der Staatsverwaltung nehmen auch die Staatsbürger
teil durch ihre Vertreter, die sie in den Landtag wählen. Der
Landtag, den der König einberuft, verlängert, vertagt und auf-
löst, besteht aus der Kammer der Reichsräte und der Kammer
der Abgeordneten. Zur Reichsratskammer gehören die voll-
jährigen königlichen Prinzen, die Kronbeamten, die Standesherren,
die zwei Erzbischöfe, ein vom König berufener Bischof, der
Präsident des Oberkonsistoriums und die vom König ernannten
Reichsräte. Die Kammer der Abgeordneten setzt sich aus den
vom Volke auf je 6 Jahre gewählten Landtagsabgeordneten zu-
sammen. Der Landtag muß alle zwei Jahren zur Bewilligung
des Staatbudgets und der Steuern einberufen werden. Zur Ein-
führung oder Abschaffung von Gesetzen und zur Aufnahme von
Staatsanlehen muß er seine Zustimmung geben. Zur Gültigkeit
eines Beschlußes ist die Zustimmung beider Kammern erforder-
lich. Die Landtagsmitglieder haben in den Landtagssitzungen
Redefreiheit und können wegen ihrer Aeußerungen nicht verfolgt
werden. Die Wahl der Landtagsabgeordneten ist eine in-
direkte; wahlberechtigte Staatsbürger wählen zuerst die Wahl-
männer und diese wählen dann den Abgeordneten. Wahlberech-
tigt ist jeder volljährige Staatsbürger, der seit mindestens 6 Monaten
eine direkte Steuer zahlt, den Verfassungseid geleistet hat und in
der Wahlliste seines Bezirks verzeichnet ist. Unter Vormundschaft
stehende, in Konkurs befindliche, eine Armenunterstützung
beziehende und mit Verlust der Ehrenrechte bestrafte Personen
dürfen nicht wählen. Wählbar als Wahlmann ist jeder 25jährige
Staatsbürger, der eine direkte Steuer zahlt, im Urwahlbezirke
12
wohnt und in der Urwablliste verzeichnet ist. Als Abgeordneter
kann jeder 30 Jahre alte Staatsbürger gewählt werden, der eine
direkte Steuer entrichtet. Er bekommt aul die Dauer der Land-
tagsverhandlungen täglich 10 Mark und freie Eisenbahnfahrt.
Die kirchliche Verwaltung erfolgt bei den Katholiken
durch die Erzbistümer München—Freising und Bamberg, denen
die Bistümer Augsburg, Regensburg, Passau, Eichstätt, Würzburg
und Speyer untergeordnet sind, bei den Protestanten durch das
Oberkonsistorium in München und die Konsistorien in Ansbach,
Bayreuth und Speyer. Die israelitischen Kultusgemeinden Bayerns
unterstehen 40 Rabinaten.
Landwirtschaft, Gewerbe, Handel. Ackerbau und
Viehzucht stehen in Bayern in hoher Blüte. Der Ackerbau
erzeugt vorzügliches Getreide, namentlich am Main und in
der unteren Donauebene, sehr guten Hopfen, vornehmlich in
Mittelfranken, auch Tabak um Nürnberg und in der Rhein-
pfalz. Der Obstbau ist in der Pfalz, in den Talgegenden Unter-
frankens und am Bodensee von Bedeutung. Die Pfalz und das
Maintal liefern vorzügliche Weine, ln den Alpengebieten treibt
man namentlich Rindviehzucht, in der Isar- und Donauebene
werden auch Pferde, Schafe und Schweine gezogen. Die Gebirge
Bayerns enthalten Eisen, Graphit, Schiefer, Bausteine, Kalk.
Gips, Schwerspat, Porzellanerde, auch Salz, Stein- und Braun-
kohlen, deren Gewinnung und Verarbeitung vielen Gebirgs-
bewohnern Beschäftigung und Verdienst bringen. Hauptsitze
der industriellen und gewerblichen Tätigkeit sind München.
Nürnberg, Augsburg, Ludwigshafen, Würzburg, Fürth, Kaisers-
lautern, Zweibrücken, Pirmasens, Frankenthal, Bamberg und
Amberg. Maschinen- und Werkzeugfabriken gibt es namentlich
in München, Augsburg, Nürnberg, Ludwigshafen, Kaiserslautern,
Zweibrücken, und Frankegthal. Gewehrfabriken bestehen in
München, Ambe'rgjfund Kronacli. Namhafte Eisenwerke, Gieße-
reien und Walzwerke sind in München, Kaiserslautern, St. Ingbert.
Leupoldsdorf und Lohr im Betriebe. Mechanische Werkzeuge
und Uhren werden vornehmlich in München, Nürnberg, Augsburg
und Fürth hergestellt. Nürnberg liefert Spielwaren und Bleistifte
aller Art. Chemische Produkte und Farben werden hauptsächlich
in Ludwigshafen. Nürnberg und Augsburg erzeugt. In den
Gebirgsorten fertigt man Holzwaren aller Art. Die Holzschnitzerei
ist namentlich in Berchtesgaden und Oberammergau in Schwung.
Die Herstellung und der Versand von Schuhwerk jeglicher Art
wird besonders in Pirmasens betätigt. München, Erlangen, Kulm-
bach und Nürnberg erzeugen und verschicken vorzügliche Biere.
In der Gegend von Kempten werden verschiedene Sorten Käse
hergestellt und in den Handel gebracht.
Der Handelsverkehr durch Ausfuhr inländischer und
Einfuhr ausländischer Erzeugnisse ist in Bayern sehr beträchtlich
13
Ä n,
Die Haupthandelsplätze sind Augsburg, Nürnberg, München,
Ludwigshafen, Fürth, Würzburg, Bamberg, Regensburg, Pirmasens,
Kempten und Lindau. Die hauptsächlichsten Ausfuhrartikel
sind Getreide, Hopfen, Wein, Bier, Spielwaren, Maschinen, Garn-,
Woll- und Samtwaren, Bleistifte, Nadeln, Schuhwaren, chemische
Produkte, Farben u. s. w. Zu den Einfuhrartikeln gehören
Steinkohlen, chemische Rohprodukte, Eisen, Kolonialwaren, Tabak
und Schlachtvieh.
Drittes Jahr.
Das Deutsche Reich besteht aus 26 Bundesstaaten, an
deren Spitze als deutscher Kaiser der König von Preußen steht.
Dabei sind 4 Königreiche: Preußen, Bayern, Württemberg
und Sachsen; ferner 6 Großherzogtümer: Baden, Hessen,
Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg und
Sachsen-Weimar; ferner 5 Herzogtümer: Braunschweig, Anhalt,
Sachsen-Meiningen, Sachsen-Koburg-Gotha und Sachsen-Altenburg;
ferner 7 Fürstentümer: Waldeck, Lippe - Detmold, Lippe-
Schaumburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen,
Reuß ältere Linie und Reuß jüngere Linie; ferner die freien
Städte: Hamburg, Bremen und Lübeck und das Reichsland
Elsaß-Lothringen.
Das Deutsche Reich liegt im Herzen Europas; dies ist
günstig für den Verkehr, aber ungünstig im Kriegsfälle, da die
Verteidigung einer so ausgedehnten Grenze eine starke Kriegs-
macht erfordert. Es umfaßt eine Fläche von 540 000 qkm mit
annähernd 60 Millionen Bewohnern.
Das deutsche Reich senkt sich in drei Stufen von Süden
nach Norden. Die oberste Stufe nimmt das Alpen gebiet mit
seinem Vorlande der schwäbisch-bayerischen Hochebene ein, die
mittlere Stufe bildet die deutsche Mittelgebirgsschwelle
zwischen Rhein und Oder, die niederste Stufe umfaßt das nord-
deutsche Tiefland. Die Alpen sind ein Hochgebirge und
erreichen in der Zugspitze, dem höchsten Berge Deutschlands,
nahezn 3000 m. Mit zunehmender Höhe vermindert sich die
Wärme und das Pflanzenleben geht allmählich zurück. Die
unteren Gehänge sind mit Laub- und Nadelwäldern und großen
Wiesenflächen bedeckt. Die Aelpler leben hier hauptsächlich
von Holzarbeit, Flößerei, Köhlerei und Jagd. Weiter hinauf
schwindet der Baumwuchs und es gibt nur noch Alpenweiden,
die im Sommer von Sennen mit Viehherden bezogen werden.
Die kahlen Bergspitzen decken Schnee und Eis. Vielbesucht
werden die schönen Seen und Bäder am Rande der Alpen.
Nordwärts der Alpen dehnt sich die schwäbisch-bayerische
Hochebene aus; deren Klima ist in der Nähe der Alpen noch
rauh, gegen die Donau zu aber milder und gestattet den Anbau
14
von Getreide und Hopfen. Der rechts des Rheines hinziehende
Schwarzwald ist gleich den auf der linken Seite des Flusses
sich ausdehnenden Vogesen im Süden am massigsten. Diese
Gebirgszüge schließen die fruchtbare und dichtbevölkerte ober-
rheinische Tiefebene ein, die Kastanien und Wallnüsse, treffliche
Weine, feines Obst und Gemüse, Hopfen, Tabak und Getreide
hervorbringt. Auch das Neckar- und Maintal sind durch mildes
Klima und große Fruchtbarkeit ausgezeichnet. Zwischen diesen
Nebenflüssen des Rheines zieht sich der größtenteils mit Laub-
wald bedeckte Odenwald hin. Der nordwestliche Teil des-
selben besteht aus Granit, der östliche aus Sandstein. Dieses
Gebiet hat fruchtbare Täler und Abhänge; selbst auf die obersten
Kuppen steigt hier der Anbau. Rauher und wilder ist der
Böhmerwald, der sich auf der Grenze zwischen Böhmen und
Bayern hinzieht. In seinem südlichen Teile hat er noch Urwald
ähnliche Tannenwälder. Der felsige Boden ist zum Ackerbau
wenig geeignet; Holzarbeit bildet die Hauptbeschäftigung der
Wäldler. In zahlreichen Glashütten und Fabriken wird Quarz
zu Glas, Granit zu Bausteinen und Graphit zu Schmelztiegeln
verarbeitet. An günstigen Stellen pflanzt man Flachs und Hafer.
Ein Ausläufer dieses Gebirges ist der zwischen Regen und Donau
sich hinziehende bayerische Wald. Rauh und unfruchtbar ist das
sich im Nordosten Bayerns erhebende Fichtelgebirge, das im
Ochsenkopf und Schneeberg eine Höhe von 1100 m erreicht.
Die Bevölkerung pflanzt nur Flachs und Kartoffeln und beschäftigt
sich mit Ausbeute der Gesteine (Granit, Porphyr), Waldnutzung
und Weberei. Das Fichtelgebirg ist das Quellgebiet der in die
Elbe fließenden Eger und Saale, der in die Donau mündenden
Naab und des in den Rhein sich ergießenden Maines.
Welche Staaten liegen in Süddeutschland? Was ist über
die Bewässerung derselben zu sagen? Wie sind die einzelnen
Staaten begrenzt? Welches sind die wichtigsten Städte derselben?
Die deutsche Mittelgebirgsschwelle umfaßt zunächst
das zu beiden Seiten des Rheines liegende Schiefergebirge
(zu welchem der waldige Hunsrück, die öde Eifel, das kohlen-
und eisenhaltige hohe Venn, dann der stark bewaldete und an
Mineralquellen reiche Taunus, der unwirtliche Westerwald und
das an Eisen, Kohlen und Industrie reiche Sauerland gehören),
ferner den an Basalt reichen Vogelsberg, den im Mainviereck
sich ausbreitenden Spessart, die nur an den Abhängen bewal-
dete Rhön, das von der Weser durchbrochene Wesergebirge,
den zwischen Werra und Saale sich hinziehenden Thüringer-
wald ider durch den im Süden sich anschließenden Frankenwald
mit dem Fichtelgebirge in Verbindung steht), das vom Fichtel-
gebirge zur Elbe sich erstreckende, an Erzen und Kohlen reiche
Erzgebirge und die zwischen Elbe und Oder liegenden Sudeten
mit dem Riesengebirge, das in der Schneekoppe eine Höhe von
1600 m erreicht. Auch der nördlich vom Thüringerwald gelegene
15
an ¡Silber reiche Harz ist als Teil der Mittelgebirgsschwelle
zu betrachten.
Welche Ströme durchbrechen die Mittelgebirgsschwelle?
Wo entspringen dieselben und wohin münden sie? Welche
Staaten und welche preußischen Provinzen liegen in Mittel-
deutschland? Welches sind die wichtigsten Städte derselben?
Das norddeutsche Tiefland dehnt sich zwischen dem
Nordrande des deutschen Mittelgebirgslandes und der Nord- und
Ostsee aus und ist durch die Eibe in einen westlichen und einen
östlichen Teil geschieden, Westeibien und Ostelbien genannt.
Westeibien hat im Süden sehr fruchtbare Gebiete, so das
Münsterer Land in Westfalen und die Börden von Braunschweig
und Magdeburg. Nördlich davon folgen magere mit Heidekraut
überzogene Strecken, wie die Emser Moore und die Lüneburger
Heide. An der Küste zieht sich fruchtbares Schlammland hin,
Marschen genannt, die durch Deiche vor der andringenden Flut
geschützt werden. Von der flachen Küste wurde schon viel
Land durch die Meeresfluten der Nordsee verschlungen; so
bildeten sich die Zuider-See, der Dollart- und der Jadebusen.
Westeibien hat der Nähe des Meeres wegen Seeklima mit reichen
Niederschlägen, kühlen Sommern und milden Wintern. Ost-
elbien ist von einem nördlichen und einem südlichen Land-
rücken durchzogen, zwischen denen sich eine ausgedehnte Boden-
senkung ausbreitet, die durch Trockenlegung zu fruchtbaren
Gegenden umgewandelt wurde. An der Küste befinden sich
Einschnitte, wie die Danziger und die pommersche Bucht, die
durch die andrängenden Fluten der Ostsee gebildet wurden und
Haffe (seeartige Erweiterungen der Flußmündungen), die durch
schmale Landstreifen, Nehrungen genannt, vom Meer getrennt
werden, wie das kurische, das frische und das pommersche Haff.
Ostelbien hat der Nähe Rußlands wegen Landklima mit geringen
Niederschlägen, heißen Sommern und kalten Wintern.
Welche Staaten und preußischen Provinzen liegen im nord-
deutschen Tiefland? Welches sind die wichtigsten Städte, der-
selben? Welche schiffbaren Ströme vermitteln den Verkehr
zwischen Süd- und Norddeutschland? Welches sind die für den
Seehandel wichtigsten Plätze Deutschlands? Welche Staaten
begrenzen das Deutsche Reich im Osten, Süden, Westen und
Norden?
Geschichtliche Entwickelnng\ Die ältesten Nachrichten
über das Land und Volk der Deutschen haben wir von den
Römern erhalten. Sie nannten Germania das Land vom Rheine
bis zur Weichsel und von der Donau bis zur Nord- und Ostsee.
Das Land links des Rheines bis zu den Vogesen, obwohl von
germanischen Völkerschaften bewohnt, wurde von ihnen zu Gallien
gerechnet. Die Germanen, in alter Zeit aus Hochasien einge-
wandert, sind ein Zweig der großen indo-europäischen Völker-
16
familie. Den Mamen Germanen legten ihnen die Körner bei.
Die Bezeichnung Deutsche ist erst am Ende des 9. Jahrhunderts
aufgekommen. Vorher hatten sie nur Namen für die einzelnen
Völkerschaften. Die wichtigsten derselben waren die Cherusker
an der Weser, die Ratten in Hessen, die Sigambrer an der Ruhr,
die Friesen an der Nordsee, die Semnonen in Brandenburg, die
Longobarden am linken Elbufer, die Vandalen im Riesengebirge,
die Goten an der Weichselmündung und die Kimbern und Teu-
tonen im Norden Deutschlands. Etwa hundert Jahre vor der
Geburt Christi zogen die beiden zuletzt genannten deutschen
Volksstämme südlich zur Donau, überstiegen die Alpen und
drangen im römischen Gebiete vor. Römische Heere bereiteten
ihnen den Untergang. Fünfzig Jahre später zogen deutsche
Kriegsscharen unter dem Heerkönig Ariovist über den Rhein und
rückten in Gallien ein. Der römische Feldherr Julius Cäsar trieb
sie über den Rhein zurück und machte diesen Fluss zur Grenze
zwischen dem römischen Gallien und dem freien Germanien. Zur
Zeit der Geburt Christi drangen die Römer in deutsches Gebiet
ein und brachten die Völker zwischen Rhein und Elbe zur Unter-
werfung. Der junge Cheruskerfürst Hermann besiegte die Römer
im Teutoburger Wald und befreite Deutschland aus der Gewalt
der Römer. Die Kampfeslust der deutschen Männer drängte diese
mehr und mehr zu Angriffskriegen gegen die Römer. Um diese
mit Erfolg führen zu können, traten die zahllosen kleinen ger-
manischen Völkerschaften im dritten Jahrhunderte zu vier großen
Völkerbündnissen zusammen. Es waren dies die Alemannen
am Oberrhein, die Franken am Niederrhein, die Sachsen
zwischen Rhein und Elbe und die Goten im Osten Deutschlands.
Letztere wurden sehr mächtig und breiteten ihre Herrschaft bis
zum Schwarzen Meere aus. Durch ihren Zusammenstoß mit den
Hunnen, einem aus Mittelasien stammenden wilden Nomadenvolke,
kam es gegen das Ende des vierten Jahrhunderts zu der großen
Völkerwanderung. Die Hunnen zogen raubend, plündernd
und mordend die Donau hinauf, zwangen die Völker zum Ver-
lassen ihrer Wohnsitze und zum Aufsuchen neuer Wohnplätze.
Schon waren die Hunnen unter ihrem Könige Attila über den
Rhein vorgedrungen, als sich ihnen die vereinigten römischen
und deutschen Heere auf den katalaunischen Feldern siegreich
entgegenstellten und sie zum Rückzug zwangen. Nach der
Völkerwanderung wurden die Franken der mächtigste deutsche
Volksstamm und eroberten nach und nach ganz Gallien. Der
tüchtige Frankenkönig Karl der Große suchte die verschiedenen
deutschen Völkerschaften zu einem großen Reiche zu vereinigen
und Bildung, Gesittung und Wohlfahrt durch Ausbreitung des
Christentums zu fördern. Er besiegte die Sachsen, die Longo-
barden in Italien, die Araber in Spanien, die Avaren an der Donau,
die Slaven im Osten und die Dänen im Norden Deutschlands
und vereinigte die eroberten Gebiete mit dem Frankenreiche,
17
das nun Deutschland, Frankreich, Italien und ein Stück von
Spanien umfaßte. Als mächtigster Herrscher Europas war er der
Kirche ein starker Schirmherr. Darum setzte ihm im Jahre 800
der Papst in der Peterskirche zu Rom die Kaiserkrone aufs Haupt.
Nach dem Tode dieses großen Herrschers verursachte die Teilung
des Frankenreiches heftige Kämpfe, aus welchen endlich durch
den Vertrag zu Verdun (848) Deutschland als selbständiges Reich
hervorging. Ludwig der Deutsche, ein Nachkommen Karls des
Großen, war der erste deutsche König. In der ersten Hälfte
des 10. Jahrhunderts machten die Ungarn fast alljährlich ver-
heerende Raubzüge nach Deutschland; auch die Slaven an der Elbe
und die Dänen auf Jütland fielen wiederholt in deutsche Gebiete
ein. Dies veranlaßte jene gewaltigen und erfolgreichen Kämpfe,
welche die sächsischen Kaiser Heinrich I. und sein Sohn Otto I.
gegen diese Friedensstörer führten und die eroberten Länder mit
Deutschland vereinigten. Letzterer erwarb 962 Italien und ver-
band mit dem deutschen Königtum die römische Kaiserwürde,
die bis zum Jahre 1806 vereinigt blieben. Das erneute „römische
Reich deutscher Nation'1 nahm einen gewaltigen Aufschwung
unter den sächsischen und fränkischen Kaisern und übte
mächtigen Einfluß aus auf die übrigen europäischen Staaten,
namentlich auf Italien, Ungarn und England. Den Höhepunkt
der alten deutschen Kaisermacht bezeichnete die Regierungszeit
Heinrichs III. (1039 — 1056). Aber der unter dessen Nachfolger
Heinrich IV. anhebende Kampf mit dem Papsttum, der Kampf
mit den Städten Italiens und das Streben der Kaiser nach un-
mittelbarem Besitz in Unter-Italien kosteten viel deutsches Blut.
Auch die Begeisterung der Kaiser für die Sache der Kreuzzüge
und gar ihre Teilnahme an denselben befestigten die Kaisermacht
keineswegs. Darüber wurden wichtige deutsche Aufgaben ver-
nachlässigt, die Macht der Stammesfürsten wuchs und das Band
der Zusammengehörigkeit lockerte sich mehr und mehr. Als
endlich gar das herrliche h o h en s t au f i s c h e Kaiser-
geschlecht in diesem Kampfe untergegangen war, kam der
deutsche Staatsgedanke der Nation allmählich abhanden und es
folgte rasch ein Verfall des Reiches. Kein deutscher Fürst trug
Gelüste nach der Kaiserkrone und fast 20 Jahre lang blieb
Deutschland kaiserlos. Gesetz und Recht wurden verachtet und
die Raubritter bedrohten Stadt und Land. Zwar gelang es dem
im Jahre 1273 zum Kaiser gewählten klugen und tapferen Grafen
Rudolf von Habsburg, Ruhe und Ordnung im Reiche
wiederherzustellen und dem Throne Würde und Ansehen zu
verleihen. Den widerspänstigen Böhmenkönig Ottokar besiegte er
und entriß ihm Oesterreich, Steiermark, Kärnten und Krain,
gab diese Länder seinen Söhnen als erbliches Lehen und wurde
so der Begründer des habsburgisch-oesterreichischen
Herrscherhauses. "Und während im 14. und 15. Jahrhunderte
die deutsche Reichsmacht mehr und mehr an Ansehen verlor,
18
entwickelte sich Oesterreich zu einer neuen europäischen Großmacht.
Zwar hat es im 15. und 16. Jahrhunderte nicht an Versuchen
gefehlt, die Reichseinheit wieder fester zu gestalten; jedoch
wurde außer der Einteilung des Reiches in 10 Kreise und der
Einführung des Reichskammergerichts zu Speyer, später zu Wetzlar,
nichts wesentliches erreicht. Die vielfachen Beziehungen des
habsburgischen Hauses mit Böhmen, Ungarn, Burgund, den
Niederlanden, Spanien und Italien gaben häutig Veranlassung,
Deutschland in Streitigkeiten zu verwickeln, die für dieses nur
geringes Interesse hatten. Und während die große geistige Be-
wegung der Re formation für das innere Leben der Nation
und ihre geistige Weltstellung eine ungeheuere Bedeutung gewann,
teilte sie andererseits das deutsche Volk in eine katholische und
eine protestantische Hälfte, die sich in der schärfsten Weise be-
kämpften. Indem unheilvollen dreißigjährigen Kriege
standen aber nicht bloß religiöse Gegensätze, sondern zuletzt der
schroffe Gegensatz der im 17. Jahrhundert rasch aufblühenden
französischen Großmacht gegen das Haus Habsburg wider
einander im Kampfe. Der westfälische Friede (1648) schuf zwar
erträglichere Verhältnisse zwischen den religiösen Parteien, be-
siegelte aber auch den Vorrang Frankreichs über das Haus Habsburg.
Sehr schlimm waren die Folgen dieses Krieges für Deutschland.
Städte und Dörfer lagen in Trümmern; blühende Landschaften
waren zu Einöden geworden ; weit mehr als die Hälfte der Be-
wohner war durch Schwert, Hunger und Pest umgekommen;
Handel und Gewerbe lagen völlig darnieder. Die Verarmung
des Volkes führte zu einer grauenhaften Verwilderung desselben.
Inbezug auf das Staatswesen hatte der Krieg die nachteiligsten
und durch Jahrhunderte fortwirkenden Folgen. Die kaiserliche
Gewalt wurde tief herabgedrückt, die Fürsten erhielten in ihren
Gebieten die Landeshoheit und die Einheit des Reiches löste sich
in einen lockeren Bund von mehr als dreihundert fast selbstän-
digen Staaten auf. Hierdurch ging Deutschlands vorwiegende
Stellung in Europa verloren und Frankreich erhob sich zum
mächtigsten Staate Europas.
Zwar gelang es einzelnen deutschen Ländern, vornehmlich
Brandenburg-Preußen, sich zu ansehnlicher Macht und Größe
wieder emporzuarbeiten; das Reich als solches aber stand auf
schwachen Füßen. Als 1792 die Kämpfe mit der französischen
Revolution und bald darauf mit Napoleon I. entbrannten,
brach das morsche Gebäude zusammen. Und als Napoleon eine
Anzahl deutscher Staaten unter seinem Protektorate zu dem so-
genannten Rheinbünde vereinigte, legte der letzte deutsche
Kaiser Franz II. im Jahre 1806 die römisch-deutsche Kaiserkrone
nieder und erklärte, daß „das reichsoberhauptliche Amt“ er-
loschen sei.
Nach dem Sturze Napoleons wurde das alte Reich nicht
wieder hergestellt, sondern die deutschen Staaten traten zu
19
einem Bund, „Deutscher Bund“ genannt, zusammen. Ab-
gesandte der Bundesstaaten bildeten den Bundestag, der in
Frankfurt a. M. seinen ständigen Sitz hatte und unter dem Vor-
sitze Oesterreichs die gemeinsamen Angelegenheiten Deutschlands
regeln sollte. Bald aber zeigte es sich, daß der Bundestag den
mit wachsender Stärke auf größere Einheit und auf parlamen-
tarische Rechte gerichteten Wünschen eines großen Teiles der
Nation nicht gerecht zu werden vermochte. Preußen, das bei
seiner Ausdehnung von der Mosel bis zur Memel die Hauptlast
zum Schutze des deutschen Bundes tragen mußte, geriet in die
heftigste Gegnerschaft zu Oesterreich und dem Sondergeiste der
deutschen Mittelstaaten, sobald es versuchte, seine Stellung in
Deutschland zu einer seiner realen Macht einigermaßen ent-
sprechenden zu gestalten. Zwar gelang es Preußen, die deutschen
Staaten, außer Oesterreich, im „Deutschen Zollvereine“
£U einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen, aber die
Anläufe zu einer einheitlichen Ordnung Deutschlands scheiterten
an dem Widerstand Oesterreichs. Eine immer wachsende Partei
in allen deutschen Staaten nährte daher mit zunehmendem Erfolge
den Gedanken der Ausscheidung Oesterreichs aus dem Bunde
und der bundesstaatlichen Verbindung der deutschen Staaten
unter Preußens Führung. Die Verwirklichung dieses Gedankens
und die endliche Neubildung eines deutschen Reiches gelang dem
König Wilhelm von Preußen, dem nachmaligen Kaiser Wilhelm I.
Als im Jahre 1864 die unter dänischer Regierung stehenden
deutschen Herzogtümer Schleswig und Holstein für Deutschland
wieder gewonnen worden waren, entfachte die Frage über die
künftige Stellung und Verwaltung dieser Ländergebiete einen
Krieg zwischen den Bundesstaaten und Preußen. In wenigen
Wochen warf Preußen seine sämtlichen Gegner zu Boden und
Oesterreich mußte aus dem deutschen Staatenverbande ausscheiden
(1866). Diese Siege machten es Preußen möglich, Schleswig-
Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt a. M.
seinem Gebiete anzugliedern, sämtliche nördlich des Maines ge-
legenen Staaten zum „Norddeutschen Bund“ zusammen-
zufügen und sich durch dessen Verfassung die militärische Führung
zu sichern. Die süddeutschen Staaten (Bayern, Württemberg,
Baden und Hessen-Darmstadt) schlossen mit Preußen ein
Schutz- und Trutzbündnis ab und verpflichteten sich,
im Kriegsfälle ihre Heere unter den Oberbefehl des Königs von
Preußen zu stellen. Damit war die ersehnte Einigung Deutsch-
lands hoffnungsvoll angebahnt.
Aber die sich entwickelnde deutsche Einheit erregte den
Neid Frankreichs und führte im Juli 1870 zur Kriegserklärung
des Kaisers Napoleon III gegen Preußen Einmütig erhob sich
die gesamte deutsche Nation gegen den Friedensstörer. Unter
ausgezeichneter militärischer und diplomatischer Führung errang
die heldenmütige deutsche Armee so entscheidende Siege, daß
20
das völlig niedergeworfene Frankreich im Frieden zu Frankfurt
(10. Mai 1871) Elsaß und Deutsch - Lothringen mit Metz an
Deutschland abtreten und eine namhafte Kriegsentschädigung
leisten mußte.
Dieser siegreiche Waffengang des deutschen Heeres rief in
der deutschen Nation das Verlangen wach, wieder zu einem
mächtigen Reiche verbunden zu sein. Bald waren die diesbe-
züglichen diplomatischen und parlamentarischen Verhandlungen
soweit gediehen, daß der Beitritt der süddeutschen Staaten zum
neuen Bunde erfolgen konnte. In Anerkennung der großen Ver-
dienste, welche sich Preußens König Wilhelm um die Wieder-
herstellung der deutschen Einheit erworben hatte, trug ihm
König Ludwig II. von Bayern in Uebereinstimmung mit den
übi'igen deutschen Fürsten die Kaiserkrone an, und .am 18. Januar
1871 wurde zu Versailles in Frankreich das neue deutsche
Kaisertum feierlich verkündet. Dabei erklärte Kaiser
Wilhelm, „in deutscher Treue die Rechte des Reiches und
seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren und die
Unabhängigkeit Deutschlands zu verteidigen“. Treu seinem Ver-
sprechen war Kaiser Wilhelm allezeit ein Mehrer des Reiches,
nicht in kriegerischen Eroberungen, sondern an Gütern und Gaben
des Friedens. Durch weise Gesetze begründete er die Wohlfahrt
des deutschen Volkes. Väterlich war er um das Wohlergehen
der Arbeiter besorgt und erließ Gesetze über Altersversorgung
und Unfallversicherung. Handel und Verkehr förderte er nament-
lich durch Gründung von Kolonien in Afrika und Australien.
Durch Verstärkung des Heeres und Schaffung einer seetüchtigen
Marine erhob er Deutschland zu einer weltgebietenden Macht
und durch den Abschluß eines Bündnisses mit Oesterreich und
Italien (Dreibund) verbürgte er die Erhaltung des Friedens.
Sein Sohn und Nachfolger Kaiser Friedrich IL, einst ein Held
von der Sohle bis zum Scheitel, ein Sieger in vielen Schlachten
und der Liebling des deutschen Volkes, widmete — von einer
heimtückischen Krankheit befallen — die letzten Kräfte seines
siechen Körpers dem Vaterlande. Nach seinem Tode ergriff
unser jetziger Kaiser Wilhelm II. die Zügel der Regierung.
Von echt deutschem Geiste beseelt, erstrebte er gleich seinen
Vorgängern Deutschlands Wohlfahrt und Glück. In all seinen
Handlungen bekundet derselbe eine Energie und Willensstärke,
die ein ernstes Pflichtbewußtsein erkennen lassen. Durch freund-
schaftliche Beziehungen zu den übrigen Staaten sucht er seinem
A olke den Frieden zu erhalten und durch Vermehrung und
sachgemäße Ausbildung der deutschen Wehrkraft die Macht und
das Ansehen Deutschlands zu befestigen.
Es ist heilige Pflicht eines jeden Deutschen, durch Hingabe
an Kaiser und Reich und durch Gehorsam gegen die Gesetze
den Bestand und die Wohlfahrt unseres geliebten Vaterlandes
fördern zu helfen.
21
Aufgaben des Reiches. Die vornehmste Aufgabe der
Reichsverwaltung besteht darin, durch ihre bewaffnete
Macht, die aus dem Heere, der Marine und dem Landsturm
sich zusammensetzt, die Staatsangshörigen gegen äußere
und innere Feinde zu schützen. Das Heer besteht
aus dem stehenden Heere und der Landwehr, die Marine aus
Flotte und Seewehr. Der Landsturm tritt nur auf Befehl des
Kaisers zusammen, wenn Feinde die Grenzen des Reichsgebietes
bedrohen.
Jeder körperlich tüchtige Deutsche ist wehrpflichtig und
kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. Die
Wehrpflicht dauert vom vollendeten 17. bis zum vollendeten
45. Lebensjahre und zerfällt in Dienstpflicht und Landsturmpflicht.
Die Dienstpflicht in dem Heere und der Marine währt vom
vollendeten 20. bis zum vollendeten 39. Lebensjahre und umfaßt
2 oder 3 Jahre Aktivdienst, 5 oder 7 Jahre Reservedienst und
12 Jahre Land-, bezw. See Wehrdienst. Die Mannschaften der
Land- und Seewehr sind im Frieden beurlaubt, können aber
zweimal zu längeren Uebungen einberufen werden. Zu den
Dienstpflichtigen gehören auch die Ersatzreservisten, welche zu
ihrer Ausbildung einmal 10, einmal 6 und einmal 4 Wochen
eingezogen werden und nach ihrem 32. Lebensjahre teils zui
Landwehr teils zum Landsturm übertreten. Die Landsturm-
pflicht dauert bis zum vollendeten 45. Lebensjahre. Die
Mannschaften der Land- und Seewehr treten nach dem 39.
Lebensjahre zum Landsturm über. Auch jene Wehrpflichtigen,
die nicht zur Ableistung der Dienstpflicht herangezogen wurden,
sind landsturmpflichtig.
An der Spitze des deutschen Heeres und der Marine steht
als Oberfeldherr der deutsche Kaiser. Das bayerische Heer
unterstellt nur im Kriegsfälle dem Oberbefehl des Kaisers. Doch
hat der Kaiser das Recht, sich durch jährliche Inspizierungen
von der Kriegstüchtigkeit der bayerischen Armee zu vergewissern.
Eine weitere Aufgabe der Reichsverwaltung besteht in der
Gewährleistung des Rechtsschutzes, den jeder Reichsange-
hörige beanspruchen kann. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetze
gibt es für die Aburteilung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten in
allen deutschen Staaten Amtsgerichte, Landgerichte
mit einer besonderen Abteilung für Handelssachen und Ober-
landesgerichte. Diese Gerichte sind als Behörden der ein-
zelnen Bundesstaaten aufzufassen, obschon deren Organisation
eine einheitliche Sache der Reichsgesetzgebung ist. Die höchste
Gerichtsstelle des Reiches ist das Reichsgericht in Leipzig.
In allen deutschen Staaten erfolgt die Rechtspflege nach den
gleichen Gesetzen und es herrscht somit völlige Rechtseinheit.
Alle während der Ableistung der Militärpflicht vorkommenden
Vergehen und Verbrechen werden durch die Militärgerichte
abgeurteilt. Außerdem sind in Deutschland die Gewerbe- und
22
KaufmannsgericHte reichsgesetzlich angeordnet. Erstere
urteilen über Streitigkeiten, die sich in gewerblichen Betrieben
zwischen Arbeitern und Arbeitgebern über Beginn, Fortsetzung
und Auflösung des Arbeitsverhältnisses, über Lohnansprüche u.
dgl. ergeben. Die Gewerbegerichte setzen sich aus einem Vor-
sitzenden, der weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein darf, und
einer Anzahl Beisitzer, zur Hälfte Arbeiter und zur Hälfte Arbeit-
geber, zusammen. Die Kaufmannsgerichte treffen Entscheidung
über Streitigkeiten aus den kaufmännischen Dienst- und Lohn-
verhältnissen und bestehen aus einem rechtskundigen Vorsitzenden
und einer Anzahl Beisitzer, die je zur Hälfte dem Stande der
Kaufleute und dem der Handlungsgehilfen angehören.
Eine weitere Aufgabe der Reichsverwaltung besteht in der
Leitung und Beaufsichtigung der Reichsämter. Dazu gehören:
1. das auswärtige Amt, das vom Reichskanzler, einem
Staats- und Unterstaatssekretär geleitet wird; demselben unter-
stehen die kaiserlichen Gesandtschaften und Konsulate im Aus-
lande ; 2. das Reichsamt des Innern für Reichsverwaltungs-
sachen, die nicht anderen Behörden zugeteilt sind; denselben
unterstehen das Auswanderungswesen, die Reichsschulkommission,
das Bundesamt für Heimatwesen, das statistische Amt, das
Normaleichungsamt für Maße und Gewichte, das Gesundheitsamt
und das Patentamt; 3. das Reichsversicherungsamt zur
Beaufsichtigung der Lebens-, Unfall-, Haftpflicht-, Feuer-, Hagel-
und Viehversicherungsanstalten; 4. das Reichsjustizamt
für Angelegenheiten der dem Reiche vorbehaltenen Rechtspflege;
demselben untersteht auch das Reichsgericht in Leipzig; 5. das
Reichsschatzamt für die Finanzverwaltung des Reiches;
demselben ist die Reichshauptkasse, die Reichsbank, die Ver-
waltung des Reichskriegsschatzes und die Reichsschuldenverwaltung
unterstellt; 6. das Reichseisenbahnamt für die Aufsicht
über das Reichseisenbahnwesen und 7. das Reichspostamt
für Post- und Telegraphenverwaltung; demselben unterstehen die
Oberpostdirektionen, die den Post- und Telegraphenämtern über-
geordnet sind.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Reichsverwaltung
ist die Reichsgesetzgebung. Früher hatte jeder einzelne
Staat anderes Geld, andere Maße und Gewichte, andere Ordnung
über das Gewerb- und Versicherungswesen u. s. w. Solche Zu-
stände führten zu vielen Unzuträglichkeiten und waren auf die
Dauer unhaltbar. Zur Beseitigung dieser unhaltbaren Zustände
wurden die gemeinsamen Angelegenheiten der Bundesstaaten
reichsgesetzlich geregelt. Diese Reichsgesetze gelten in allen
Reichsgebieten; nur Bayern besitzt noch inbezug auf Post- und
Militärwesen einige Reservatrechte. Es bestehen jetzt Reichs-
gesetze über Militär- und Marine wesen, über Gerichtswesen.
Freizügigkeit, Heimat, Aufenthalt und Verehelichung, Gewerbe-
betrieb und Versicherungswesen, über Münz-, Maß- und Gewichts-
23
System, über Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen, über
Schutz des geistigen Eigentums und das Patentwesen, sowie über
Medizinal-,Preß- und Vereinswesen. Die gesetzliche Regelung
anderer Angelegenheiten bleibt der Reichsverwaltung noch Vor-
behalten.
Für die Wohlfahrt des werktätigen deutschen Volkes
hat die Reichsverwaltung besonders segensreich gewirkt durch
Einführung der Gewerbeordnung und der Fabrik- und
Gewerbeinspektion. Die Gewerbeordnung enthält
genaue Bestimmungen über das Lehrlingswesen (Lehrvertrag und
Lehrzeit), über das Gesellenwesen (Abschluß des Arbeitsvertrags
und Lösung desselben), ferner über Feststellung der Werkstatt-
ordnung, über Bildung des Arbeiterausschusses, über Sonntags-
ruhe und über die Bildung und Befugnisse der Gewerbe- und
Kaufmannsgerichte. Die Fabrik -und Gewerbeinspektoren
führen die Aufsicht über die Einrichtungen der Fabriken und
Werkstätten. Sie haben das Recht, jederzeit in die Betriebe ein-
zutreten und sich zu vergewissern, ob die gegebenen Vorschriften
über Arbeiterschutz erfüllt sind; auch nehmen dieselben etwaige
Wünsche und Beschwerden der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
entgegen.
Als ihre heiligste Aufgabe erachtete die Reichsver-
waltung die Arbeiterfürsorge und betätigte diese durch
Schaffung der Arbeiter Versicherungsgesetze. Dazu ge-
hören die gesetzlichen Bestimmungen über Kranken-, Unfall-,
Invaliden- und Altersversicherung.
Die Krankenversicherung erfolgt bei der Kranken-
versicherungskasse oder der Ortskrankenkasse. Versicherungs-
pflichtig sind alle Personen ohne Unterschied des Geschlechtes
und Alters, welche gegen Gehalt oder Lohn in versicherungs-
pflichtigen Betrieben beschäftigt sind und deren Jahreseinkommen
nicht über 2000 Mark beträgt. Zu den Beiträgen haben die
Arbeitgeber ein Drittel, die versicherten Arbeitnehmer zwei
Drittel zu leisten. Bei Erkrankungen haben die Versicherten
Anspruch auf freie ärztliche Behandlung und freie Abgabe der
Medikamente. Sind sie arbeitsunfähig, so erhalten sie die Hälfte
ihres Verdienstes als Krankengeld, jedoch nur auf die Dauer von
26 Wochen.
Bei Unglücksfällen in versicherungspflichtigen Betrieben
hat die Unfallversicherung der betreffenden Berufsgenossen-
schaft einzutreten und für Schadenersatz aufzukommen. Sämt-
liche Kosten haben die Arbeitgeber zu tragen. Schadenersatz
wird gewährt bei Körperverletzung und bei Tötung infolge eines
Betriebsunfalles. Bei Verletzung bezieht der Versicherte von der
14. Woche nach erfolgtem Unfall freie ärztliche Behandlung
einschließlich der nötigen Medikamente und der sonstigen Heil-
24
und Hilfsmittel nebst einer gesetzlich bestimmten Rente für die
Dauer der Erwerbsunfähigkeit. Die Rente beträgt bei völliger
Erwerbsunfähigkeit zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes,
bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit einen Betrag, welcher der
Einbuße an Erwerbsfähigkeit entspricht. Ist der Verletzte derart
hilfslos geworden, daß er ohne fremde Wartung nicht bestehen
kann, so ist die Rente auf den vollen Jahresverdienst zu erhöhen.
Bei Tötung infolge eines Unfalles gewährt die Versicherung ein
Sterbegeld von mindestens 50 Mark und eine Rente von höchstens
drei Fünfteln des Jahresverdienstes an Frau und Kinder und
von einem Fünftel an Eltern und Großeltern, sofern der Getötete
ihr einziger Ernährer war. Im Falle der Wiederverheiratung
erhält die Witwe drei Fünftel des Jahresverdienstes des getöteten
Mannes als Abfindungssumme.
Der Invaliden- und Altersversicherung gehören
alle über 16 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen
an, die in der Landwirtschaft, im Gewerbe und Handel, in der
Hauswirtschaft u. dgl. als Arbeiter oder Angestellte tätig sind
und unter 2000 Mk. Jahresverdienst haben. Die Wochenbeiträge
der Versicherten werden je zur Hälfte von Arbeitgebern und
Arbeitnehmern getragen und sind bis zu einem Jahres Verdienste
von 350 Mk. auf 14 Pfg., bis 550 Mk. auf 20 Pfg., bis 850 Mk.
auf 24 Pfg., bis 1150 Mk. auf 30 Pfg. und über 1150 Mk. auf
36 Pfg. festgesetzt. Die Wochenbeiträge der betreffenden Lohn-
klasse werden in Marken auf die den Namen des Eigentümers
tragende Karte geklebt. Jeder Versicherte, welcher infolge der
Invalidität oder Erwerbsunfähigheit nicht mehr ein Drittel seines
früheren Lohnes verdienen kann, erhält Invalidenrente und
jeder Versicherte, der das 70. Lebensjahr vollendet hat, bekommt
Altersrente. Die Invalidenrente beträgt außer dem Reichs-
zuschuß von 50 Mk. in der 1. Lohnklasse 60 Mk. und 3 Pfg.
für jede Beitragswoche, in der 2. Lohnklasse 70 Mk. und 6 Pfg.
für jede Beitragswoche, in der 3. Lohnklasse 80 Mk. und 8 Pfg.
für jede Beitragswoche, in der 4. Lohnklasse 90 Mk. und 10 Pfg.
für jede Beitragswoche und in der 5. Lohnklasse 100 Mk. und
12 Pfg. für jede Beitragswoche. So hat ein erwerbsunfähig
gewordener Arbeiter der 4. Lohnklasse mit 1600 Wochenbeiträgen
50-j- 90 -f- 160 = 300 Mk. zu beanspruchen. Die Altersrente
beträgt außer einem Reichszuschuß von 50 Mk. in der 1. Lohn-
klasse 60 Mk., in der 2. Lohnklasse 90 Mk., in der 3. Lohnklasse
120 Mk., in der 4. Lohnklasse 150 Mk. und in der 5. Lohnklasse
180 Mk. Ein Versicherter der 4. Lohnklasse erhält somit nach
zurückgelegtem 70. Lebensjahre eine jährliche Altersrente von
50 150 = 200 Mk. In keinem anderen Lande ist so für das
werktätige Volk gesorgt als in Deutschland. Dieses wird jeder
zugestehen, der sich nicht absichtlich einer besseren Erkenntnis
verschließt. Das Vorgehen Deutschlands hat bereits vorbildlich
gewirkt und andere Staaten zur Nachahmung angeregt.
25
Verfassung des Deutschen Reiches. Das Deutsche Reich
ist ein Bundesstaat. An der Spitze desselben steht der König von
Preußen mit dem Titel ,,Deutscher Kaiser“. Der Kaiser —
als unverantwortliches Oberhaupt — hat das Reich nach außen
völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reiches Krieg zu er-
klären und Frieden zu schließen, Bündnisse und Verträge mit
fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu ernennen, Bundesrat und
Reichstag einzuberufen, zu eröffnen, zu vertagen, zu schließen
und aufzulösen, Reichsgesetze zu unterschreiben und zu verkünden
und den Reichskanzler zu ernennen, der für die Reichsverwaltung
verantwortlich ist. Der Rei chskanzler leitet die Staatsgeschäfte,
führt den Vorsitz im Bundesrat und unterzeichnet alle Gesetze,
Verordnungen und Verfügungen, die der Kaiser veröffentlicht.
Die Reichsämter sind dem Kanzler untergeordnet. Der Bundes-
rat besteht aus den Vertretern der Bundesstaaten und versammelt
sich in Berlin. Den Vorsitz führt Preußen (Kanzler), im Ver-
hinderungsfälle Bayern. Der Bundesrat beschließt über die Vor-
lagen, die dem Reichstag zu machen sind und über die Vor-
schriften zur Ausführung der Reichsgesetze. Zu einem Reichs-
gesetze ist der übereinstimmende Beschluss des Bundesrates und
des Reichstages erforderlich. Der Reichstag besteht aus den
Vertretern des Volkes. Diese werden durch direkte Wahl auf je
5 Jahre gewählt. Zu diesem Zwecke ist das Deutsche Reich in
397 Wahlbezirke eingeteilt, so dass auf etwa 100000 Einwohner
ein Abgeordneter kommt. Jeder 25 Jahre alte Deutsche kann
wählen und ist als Abgeordneter wählbar. Militärpersonen, Per-
sonen die unter Vormundschaft stehen, sich in Konkurs befinden.
Armenunterstützung beziehen oder die Ehrenrechte verloren haben,
sind vom Wahlrechte ausgeschlossen. Der Reichstag tritt alljährlich
in Berlin zusammen. Ohne seine Genehmigung darf kein Gesetz
eingeführt oder aufgehoben, keine Steuer ungeordnet und keine
Ausgaben für Reichszwecke gemacht werden. Der Reichstag hat
den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Reiches all-
jährlich zu bewilligen und die Rechnungsstellung überdie Ausgaben
des vergangenen Jahres zu prüfen.
Nach der Verfassung haben alle Deutschen ohne Unterschied
der Konfession gleiche Rechte und müssen in jedem Bundesstaate
als Inländer behandelt werden. Jeder kann seinen Wohnsitz
nehmen, wo er will, und muß zu jedem Gewerbebetrieb, zur
Erwerbung von Grundbesitz, zu allen öffentlichen Aemtern, zur
Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Genüsse aller
sonstigen bürgerlichen Rechte zugelassen werden.
Einnahmen des Reiches. Der Reichshaushalt verschlingt
alljährlich große Summen, die teils durch Zölle, teils durch
Steuern aufgebracht werden müssen. Ausländische Erzeugnisse,
wie Getreide, Vieh. Kaffee, Petroleum, Eisen. Wolle u. a. dürfen
nur gegen entsprechende Zollabgaben in Deutschland eingeführt
werden. Aut andere Erzeugnisse, wie Tabak, Zucker, Branntwein
u. a. ruhen beträchtliche Steuern, die dem Reiche zufließen.
Reichen diese Einnahmen zur Bestreitung des Reichshaushaltes
nicht aus, so müssen die einzelnen Bundesstaaten die fehlenden
Beträge nach dem Verhältnis der Bevölkerung auf bringen
(Matrikularb ei träge). Außerordentliche Bedürfnisse können
auch durch Reichsanlehen gedeckt werden. In diesem Falle
gibt das Reich verzinsliche Staatsschuldscheine oder Obligationen
aus. Solche Wertpapiere kann man kaufen und verkaufen,
ihr Wert steigt oder fällt. Der jeweilige Wert eines solchen
Papieres ist sein Kurswert. Sind Kurs- und Nennwert gleich,
so steht das Papier pari. Ein Staatspapier kann unter und über
pari stehen, jenachdem der Kurswert niedriger oder höher ist
als der auf dem Papier angegebene Nennwert.
Weltverkehr. Deutschland ist durch seine Lage im Herzen
Europas im Besitze einer für den Handel sehr vorteilhaften Lage,
die noch dadurch besonders begünstigt ist, daß es von zwei Meeren
bespült wird, die den Ausgang zum atlantischen Ozean gewähren
und so den Weltverkehr ermöglichen. Zudem besitzt Deutsch-
land eine Reihe schiffbarer Flüsse, welche die Meere mit dem
Innern in Verbindung setzen und dem Handel zu großem Vorteile
gereichen. Um diese günstigen Verhältnisse richtig auszu-
nützen, hat Deutschland eine zahlreiche, fleißige und unter-
nehmende Bevölkerung, die mit allen Hilfsmitteln der fortge-
schrittenen Kultur und der immer weiter strebenden Wissenschaft
ausgerüstet ist. Verkehr und Handel werden ferner gefördert:
durch zahlreiche Kunst Straßen, schiffbare Kanäle, weitausgedehnte
Eisenbahn- und Postverbindungen und ein vielverzweigtes Tele-
graphen- und Telephonnetz. Der Handel Deutschlands ist teils
Land- teils Seehandel. Ersterer erstreckt sich nach allen Nach-
barländern und noch weit darüber hinaus. Die namhaftesten
Binnenhandelsplätze sind Berlin, Leipzig, Köln, Breslau,
München, Frankfurt a. M., Nürnberg, Magdeburg, Augsburg,
Mannheim und Ludwigshafen. Der Seehandel führt die deutschen
Handelsschiffe von der Nord- und Ostsee aus zu den Küsten aller
AVeltteile. Deutschland hat die zweitgrößte Handelsflotte der Welt
und wird nur noch von England übertroffen. Die wichtigsten
S e e h an d e 1 s p 1 ä t z e sind Hamburg, Bremen, Lübeck, Stettin, Danzig,
und Königsberg. Bedeutende Förderung erfuhr Deutschlands
Welthandel durch die deutschen Dampferlinien und Kabel-
verbindungen mit den wichtigsten Küsten und Handelsplätzen
der ganzen Welt. Der „Norddeutsche Lloyd“ in Bremen und
die „Hamburg-Amerika-Linie“ gehören zu den größten Schiffahrts-
gesellschaften der Erde. Ihre Dampfer befördern die deutsche
Post nach und von Nord- Mittel- und Südamerika, nach und von
West- und Ostafrika, nach und von Süd- und Ostasien und nach
und von Australien. Deutschlands Anschluß an den Weltpost-
27
verein war für Handel und Verkehr von großem Vorteil. Durch
Erwerbung von Kolonien schuf Deutschland Ansiedlungsgebiete
für seine stark wachsende Bevölkerung und Absatzgebiete für
deutsche Erzeugnisse. Die wichtigsten dieser Kolonien sind das
Togo-Gebiet, das Kamerun-Gebiet, Deutsch-Slidwestafrika und
Deutsch-Ostafrika in Afrika, ferner Kaiser Wilhelmsland, der
Bismarckarchipel und die Marschallsinseln in Australien und das
Kiau-Tschaugebiet in Ostasien. Um die Reichsangehörigen im
Auslande vor fremden Angriffen zu schützen und deren Interesse
wirkungsvoll zu vertreten, unterhält Deutschland eine ostasiatische
Station mit mehreren Kriegsschiffen, ferner eine australische,
eine ost- und eine westamerikanische, eine ost- und eine west-
afrikanische Station und eine Mittelmeerstation, die ebenfalls über
seetüchtige Kriegsschiffe verfügen. Die Deutschen im Auslande
tragen nicht nur deutsche Art und Sitte in die Welt hinaus, sie
sind auch die unentbehrlichen Vermittler des Absatzes deutscher
Erzeugnisse und selber sehr wichtige Konsumenten deutscher
Waren. Jemehr aber der deutsche Seehandel sich entwickelt,
und je größer die deutsche Handelsflotte wird, desto mehr Kriegs-
schiffe sind nötig, um diese zu schützen. Mit den gewaltigen Fort-
schritten der Deutschen Handelsflotte hat der nötige Schutz durch
die Kriegsschiffe bis jetzt nicht Schritt gehalten. Es wil d darum
für die nächste Zeit eine wichtige Aufgabe der Reichsverwaltung
bleiben, im Interesse des deutschen Weltverkehres und des An-
sehens Deutschlands im Ausland die deutsche Seemacht ent-
sprechend zu verstärken
Der mächtige Aufschwung der deutschen Industrie bedingte
naturgemäß eine stärkere Einfuhr ausländischer Rohprodukte,
aber auch eine erhöhte Ausfuhr deutscher Erzeugnisse. Die
wichtigsten Einfuhrartikel sind Getreide, Wolle, sonstige
Spinnstoffe, Vieh und Fleisch, Droguen und chemische Rohpro-
dukte, Holz, Sämereien und Früchte, Kautschuk, Fette, Oele,
Petroleum, Tabak, Kaffee, Tee, Erze und sonstige Mineralien.
Die hauptsächlichsten Ausfuhrartikel bilden Seiler-, Weber-,
Kleider- und Pelzwmren, Mehl, Zucker, Leder, Metallwaren, Ma-
schinen und Fahrzeuge, Glas- und Porzellanwaren, Papierwaren,
Chemikalien und Farbwaren.
28
Haushaltungskunde.
Erstes Jahr.
Der Hausbau. Wer in der Lage ist, sich ein Haus bauen
lassen zu können, suche sich zunächst einen geeigneten Bauplatz
in gesunder, freier Lage zu erwerben, der es ermöglicht, hohe und
helle Räume in genügender Zahl und Größe herzustellen und
überdies die Anlage eines Gärtchens gestattet. Da in jedem
Hause vom Keller bis zum Dache eine beständige Luftströmung
stattfindet, so ist die Beschaffenheit des Baugrundes von großer
Wichtigkeit. Nur Wohnungen auf trockenem Boden sind gesund,
während solche auf feuchtem Baugrunde die Gesundheit in hohem
Grade gefährden. Die Herstellung eines zweckmäßig eingerich-
teten Wohnhauses erfordert viel Erfahrung, Umsicht und Geschick.
Darum wird die Ausführung eines Hausbaues am besten einem
erfahrenen Baumeister übertragen, der zunächst einen entsprechen
den Bauplan nebst Kostenvoranschlag aufzustellen und dem
Bauherrn vorzulegen hat. Ist dieser mit dem Bauplan und dem
Kostenvoranschlage einverstanden, so kann mit der Ausgrabung
der Fundamente und der Aufführung des Mauerwerkes be-
gonnen werden. Dabei dürfen nur gute Baumaterialien,
gesunde, trockene Steine und ausgetrocknetes Holz zur Ver-
wendung kommen. Wenn nötig, müssen die Grundmauern durch
Isolierung gegen Feuchtigkeit geschützt werden. Die vor-
schriftsmäßige Ausführung dieser Schutzeinrichtung ist Sache
des Baumeisters. Dieser wird im Interesse des Bauherrn streng-
stens darauf achten, daß alle am Bau beschäftigten Hand-
werker, wie Maurer, Steinhauer, Zimmerleute, Schreiner, Schlosser,
Glaser, Spengler, Gipser, Tüncher, Tapezierer u. s. w. nur gute
Arbeit liefern und er das Haus nach Fertigstellung dem Bauherrn
in tadellosem Zustande übergeben kann. Ein vorsichtiger und
verständiger Bauherr wird auf seinem Hause einen Blitzableiter
anbringen lassen. Es ist dies eine auf dem Dachfirst senkrecht
stehende Eisenstange, die mit einer zur Erde hinabführenden
Ableitungsstange verbunden ist und beim Einschlagen den Blitz
an sich reißt und diesen an der Ableitungsstange zur Erde
hinableitet, so daß das Haus und die Bewohner desselben vor
Schaden bewahrt werden. Wird ein Haus von mehreren Familien
bezogen, so müssen die einzelnen Wohnungen für sich abge-
schlossen sein und ihren eigenen Eingang haben. Nur so ist es
möglich, daß jede Familie in Ruhe und Frieden für sich leben
kann. Vor Wiedervermietung ist im Interesse eines ungestörten
Familienlebens dringend abzuraten. Lieber beziehe man eine
kleinere und billigere Wohnung, bewohne diese aber allein.
29
Die Wohnung. Die Wohnung hat den Zweck, der Familie
zum Aufenthalte zu dienen. Die Größe derselben muß der Zahl
der Familienglieder entsprechen. Eltern mit 2 oder 3 Kindern
sollten mindestens über ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine
Schlafkammer für die Kinder, Küche, Keller- und Speicherraum
verfügen. Wohnungen ohne Küche sind nicht empfehlenswert,
da das Kochen im Wohnzimmer der Gesundheit nachteilig ist
und den Aufenthalt darin ungemütlich macht. Gar manche
Krankheiten sind auf schlechte Wohnungsverhältnisse zurückzu-
führen. Darum ist bei der Wahl einer Wohnung die größte
Vorsicht geboten. Vor Wohnungen in engen finstern Gassen
und Höfen oder gar in dumpfen und feuchten Kellern kann nicht
eindringlich genug gewarnt werden. Rheumatismus, Gicht, Nieren-
leiden, Bleichsucht und viele andere Krankheiten werden durch
sie veranlaßt. Ein rechtschaffener Familienvater wird es daher
als Gewissenspflicht betrachten, nur gesunde Räume in gesunder
Lage zu wählen, auch wenn er dafür eine höhere Miete zahlen
muß. Was man in einer minderwertigen Wohnung an Miete
erspart, muß man doppelt an Arzt und Apotheker bezahlen.
Wenn tunlich, beziehe man eine auf der Sommerseite einer
Straße gelegene Wohnung, die täglich möglichst lange von der
Sonne beschienen wird; denn „wo die Sonne nicht hinkommt,
kommt der Arzt hin“. Solche Wohnungen sind heller, freund-
licher und wärmer als die auf der Winterseite gelegenen. Auch
fühlt man sich darin heimischer, heiterer und zufriedener; denn
Lage und Beschaffenheit einer Wohnung machen zweifellos ihren
Einfluß auf den menschlichen Körper geltend. Häuser mit
wenigen Bewohnern sind den sogenannten Mietskasernen vorzu-
ziehen. Das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum
wirkt friedestörend und entsittlichend; zudem ist es eine längst
erkannte Tatsache, daß die Sterblichkeit in schwach bevölkerten
Häusern verhältnismäßig geringer ist als in dichtbewohnten
Mietskasernen, die oft wahre Brutnester ansteckender Krank-
heiten sind.
Einrichtung. Einrichtung und Ausstattung einer Wohnung
erhöht die Gemütlichkeit derselben. Das geräumigste und
luftigste Zimmer sollte man als Schlafzimmer wählen, während
das nächstgrößte und hellste als Wohnzimmer zu benützen ist.
Die Mobiliareinrichtung sei den Vermögens Verhältnissen ent-
sprechend. einfach und gediegen. Eine tüchtige Hausfrau weiß
ihre Wohnung durch entsprechende Ausstattung so zu gestalten,
daß die Familienglieder sich gerne darin aufhalten und sich
dabei wohl und behaglich fühlen. Dieses wird sie hauptsächlich
durch Reinlichkeit und Ordnung zu erreichen suchen. Sie wird
darauf bedacht sein, daß in den zur Wohnung gehörigen Räumen
sich jeder Gegenstand an dem für ihn bestimmten Platze befindet
und auf Reinhaltung der Räume und Mobiliargegenstände pein-
30
liehe Sorgfalt aufwenden. Schmutz und Staub läßt sie nicht
aufkommen; auch sucht sie mit allen Mitteln das sich gerne
einnistende Ungeziefer, wie Motten, Flöhe, Wanzen u. dgl. zu
vertilgen. In der Küche hält sie strengstens auf Ordnung und
Reinlichkeit. Speiseabfälle werden sofort beseitigt und benutzte
Geschirre gründlich gereinigt. Auch Speicher und Keller wird
eine tüchtige Hausfrau stets aufgeräumt und sauber zu halten
suchen.
Aussch m licku ng. Die Ausschmückung der Wohnräume
ist ebenfalls Sache der Hausfrau. Schon mit wenig Kosten kann
sie das Heim der Familie schön und behaglich machen. Hübsche
Fenstervorhänge, einfache aber geschmackvolle Tisch- und Bett-
decken. passende Bilder und Photographien, nette und praktische
Handarbeiten (Häkeleien und Stickereien) und einige Blumen auf
dem Fensterbrette genügen, um die Wohnung schön und traulich
zu gestalten und den Familienangehörigen den Aufenthalt im
Elternhause angenehm und gemütlich zu machen.
Instandhaltung. In einem geordneten Hauswesen wird
auf die Instandhaltung der Wohnung und Mobiliargegenstände
große Sorgfalt verwendet. Durch schonende Behandlung und
rechtzeitige Ausbesserung können teuere Neuanschaffungen unnötig
gemacht oder doch lange hinausgeschoben werden. Der Zustand
einer Wohnung läßt sofort erkennen, ob die darin waltende
Hausfrau fleißig und tüchtig, oder träge und nachlässig ist. Ein
wackeres Weib wird es darum als Ehrensache betrachten, ihre
Wohnung so einzurichten und im Stande zu erhalten, daß sich
jedermann gerne darin aufhält und heimisch fühlt.
Des Hauses Zier ist: Reinlichkeit.
Des Hauses Ehr’": Gastfreundlichkeit,
Des Hauses Segen: Frömmigkeit,
Des Hauses Glück: Zufriedenheit.
Lüftung. Die Lüftung der Wohnräume ist im Interesse
der Gesundheit der Bewohner geradezu unerläßlich. Unser
Wohlbefinden ist hauptsächlich von der Beschaffenheit der Luft
abhängig, die wir einatmen. Nur reine und frische Luft, die
keine schädlichen Beimischungen, wie Staub, Rauch und nach-
teilige Gase enthält, ist von vorteilhaftem Einflüsse auf Atmung
und Blutbildung. Darum ist der Aufenthalt und die Beschäftigung
im Freien der Gesundheit so sehr zuträglich. Da man aber die
meiste Zeit in den Wohnräumen zubringen muß. so sorge man
täglich — auch im Winter — für gründliche Lüftung derselben
durch Oeffnen der Fenster.
Bestandteile der Luft. Die hauptsächlichsten Bestand-
teile der Luft sind Sauerstoff und Stickstoff. Unter 100 Raum-
teilen Luft sind etwa 20 Raumteile Sauerstoff und 80 Raum-
31
teile ¡Stickstoff. Außerdem enthält die Luft noch geringe Mengen
Kohlensäure und Wasserdampf. Der Sauerstoff ist eine Luftart.
ohne welche Menschen und Tiere nicht leben können. Diese
atmen mit der Luft den Sauerstoff ein, der von der Lunge ins
Blut geleitet wird und dieses reinigt und erfrischt. Die Mischung
des Sauerstoffes mit dem Stickstoffe in der Luft ist für die
Lebenstätigkeit der Menschen und Tiere äußerst wichtig. Das
Einatmen reinen Sauerstoffes würde die Atmungsorgane sehr
rasch abnützen. Durch die Mischung mit Stickstoff wird der
Sauerstoff nur in kleinen Mengen eingeatmet und der Körper
dadurch vor zu rascher Aufreibung bewahrt.
Eigenschaften der Luft. Die Luft ist farblos und deshalb
durchsichtig; in größerer Menge erscheint sie blau. Ihr Gewicht
ist nur gering, 1 Liter wiegt 1.3 Gramm. Sie läßt sich zusammen-
driicken, dehnt sich aber beim Aufhören des Druckes sofort
wieder aus. Dieses Ausdehnungsbestreben der Luft wird Spann-
kraft genannt. Die Spannkraft wächst mit der Zunahme des
Druckes. Die Luft umgibt die Erde bis zu einer Höhe von etwa
10 Meilen. Die oberen Luftschichten drücken infolge ihrer
Schwere auf die unteren. Diese haben daher große Spannkraft
und üben nach allen Seiten einen Druck aus, den wir Luftdruck
nennen. Der Luftdruck behindert das Auslaufen einer Flüssigkeit
aus dem geöffneten Hahnen eines Fasses, so lange das Spundloch
geschlossen ist. Er bewirkt das Hängenbleiben eines Hohl-
sehliissels an der Lippe, wenn aus dessen Hohlraum die Luft
ausgesogen wird. Atmen, Saugen, Trinken und Rauchen beruhen
auf dem Luftdruck. Die Stärke des Luftdruckes läßt sich am
Stande des Quecksilbers in der Glasröhre des Barometers erkennen.
Barometer. Das Barometer ist also ein Luftdruckmesser.
Welches sind die Teile des Barometers? Warum ist die Glas-
röhre unten aufwärts gebogen und offen? Worauf beruht das
Steigen und Fallen des Quecksilbers? Wie kann durch das
Barometer die Höhe eines Berges bestimmt werden? Warum
kann das Barometer auch als Wetterglas dienen?
Atmung. Durch die Atmung wird das Blut gereinigt und
erwärmt. Dabei gelangt die Luft durch die Atmungsorgane:
Nase oder Mund, Stimmritze des Kehlkopfes und Luftröhre in
die Lunge. Die Lunge, das Hauptorgan der Atmung, besteht
aus zwei schwammähnlichen Gebilden, den Lungenflügeln, von
denen jeder an einem Aste der Luftröhre wie an einem Stiele
hängt. Jeder Lungenflügel besteht aus Millionen zarter, elastischer
Bläschen, die Lungenbläschen genannt werden. Jedes Lungen-
bläschen ist von haarfeinen Blutgefäßen, sogenannten Haargefäßen,
umsponnen, die immer von neuem mit kohlensäurereichem Blute
gefüllt werden. Die zarte Wand der einzelnen Bläschen trennt
also zwei Luftarten: den Sauerstoff der eingeatmeten Luft in
32
den Bläschen und die Kohlensäure iin Blute der Haargefäße.
Beide Luftarten tauschen sich durch die dünne Wand der Bläs-
chen gegenseitig aus, die Kohlensäure wird ausgeatmet, der
Sauerstoff aber aufgenommen, vom Blute fortgeführt und zu allen
Teilen des Körpers gebracht. So verbindet sich der Sauerstoff
mit dem Kohlenstoffe des Fleisches und Fettes und der bereits
in das Blut übergegangenen Nahrungsstoffe und bildet Kohlen-
säure, welche das Blut dunkelrot färbt und mit ihm zum Herzen
und von da wieder zur Lunge kommt. Hier tauscht das dunkle
unbrauchbare Blut die Kohlensäure gegen eine gleich große
Menge Sauerstoff aus, wodurch eB in hellrotes brauchbares Blut
verwandelt wird, welches in das Herz und von da wieder zu
allen Körperteilen gelangt. Diese fortwährende Bewegung des
Blutes im Körper wird Blutkreislauf genannt.
Durch das Einatmen werden also dem Blute neue, lebengebende
Stoffe zugeführt und durch das Ausatmen untaugliche und ver-
brauchte Stoffe entzogen. Beim Einatmen dehnt sich der Brust-
kasten aus und das zwischen Brust- und Bauchhöhle liegende
Zwerchfell bewegt sich abwärts. Dadurch entsteht in der Brust-
höhle ein luftverdünnter Raum, in welchen die atmosphärische Luft
infolge des Luftdruckes durch Mund und Nase einströmt und die
Lungenbläschen ausfüllt. Beim Ausatmen kehren Brustwände und
Zwerchfell wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück, die Lungen-
bläschen ziehen sich zusammen und treiben die für den Sauerstoff
eingetauschte Kohlensäure durch Mund- und Nasenhöhle ins Freie.
Durch die infolge der Atmung bewirkte Verbindung des Sauer-
stoffes mit dem Kohlenstoffe wird die Blut- oder Körperwärme
erzeugt, die beim gesunden Menschen 37 V20 C beträgt. Mangel-
hafte Atmung, also unzureichende Reinigung des Blutes von
Kohlensäure und zu geringe Zufuhr von Sauerstoff, ist gesund-
heitsschädlich. Das Einatmen kohlensäurereicher und sauerstoff-
armer Luft bewirkt Unbehagen, Kopfschmerz, Ohnmacht, Herz-
lähmung, sogar Erstickungstod. Daraus folgt die Notwendigkeit
genügender Lufterneuerung durch fleißige Lüftung der Wohn-
und Schlafräume und solcher Lokale, die zum Aufenthalte der
Menschen bestimmt sind.
Pflege der Atmungsorgane. Im Interesse der Gesundheit
ist die sorgsamste Pflege der Atmungsorgane geboten. Nur
reine und frische Luft ist zum Atmen tauglich. Das Einatmen
von Kohlenoxydgas, Leuchtgas und Kloakengas, von Chlor-,
Quecksilber- und Schwefeldampf, sowie von Staub und Rauch
ist von schädlichem Einfluß auf den Atmungsapparat, ebenso
kaltes Trinken und starker Luftzug, wenn man sich in erhitztem
Zustande befindet. Das Einatmen kalter Winterluft ist namentlich
der Lunge sehr schädlich und darum das Schließen des Mundes
an rauhen V intertagen anzuraten. Beim gewöhnlichen Atmen
im Sitzen und Stehen ist nur das Zwerchfell in Tätigkeit. Bei
33
starker körperlicher Bewegung hebt und senkt sich der Brust-
korb: wir atmen tieler. Dabei werden auch jene Lungenteile,
die sonst gänzlich ruhen, in Tätigkeit gesetzt Darum sind
körperliche Bewegungen, wie Turnen, Rudern, Wandern und
Bergsteigen der Gesundheit sehr zuträglich.
Die Anzeichen von Erkrankungen der Atmungsorgane sind
Husten, Auswurf, Heiserkeit und Brustschmerzen. Wohl braucht man sich
ihretwegen nicht gleich zu ängstigen, doch erscheint es Tätlich, möglichst
frühzeitig einen Arzt zu Rate zu ziehen. Die gefährlichsten Krankheiten der
Atmungswerkzeuge sind Lungenentzündung, Brustfellentzündung und Lungen-
schwindsucht oder Tuberkulose. Zur gründlichen Ausheilung und Vorbeugung
von Rückfällen ist ärztliche Hilfe unbedingt erforderlich. Die gefürchtete
Lungenschwindsucht ist eine fortschreitende Vernichtung der Lunge mit gleich-
zeitiger Abmagerung des Körpers. Die Zahl der iSchwindsuchtslälle steigt mit
der Zunahme der Bevölkerungsdichtigkeit, und dadurch erklärt sich das häufige
Vorkommen dieser Krankheit in grollen Städten. Das Auftreten der Schwind-
sucht wird begünstigt durch schlechte Luft, ungünstige Wohnungsverhältnisse,
unzureichende und schlechte Nahrung, durch geistige und körperliche Ueber-
anstrengung, durch Ausschweifung und durch Kummer. Diese heimtückische
Krankheit tritt gewöhnlich im Alter von lö bis 30 Jahren auf, ist erblich und
ansteckend. Die Ansteckung wird verursacht durch Tuberkelbazillen, die im
Fleisch und in der Milch perlsüchtiger Kühe und im Auswurfe lungenkranker
Personen enthalten sind. Dieser eingetrocknete und durch die Luft verwehte
Auswurf gibt Millionen Tuberkelbazillen an die Luft ab, die dann durch Ein-
atmung- in die Lungen gesunder Menschen gelangen, sich darin festsetzen und
die völlige Zerstörung derselben veranlassen. Lungenkranke sollten daher das
Spucken auf Fußböden und Treppen vermeiden und überhaupt die nötigen
Vorsichtsmaßregeln beobachten, um ihre Mitmenschen vor Ansteckung zu
bewahren. — Bei frühzeitiger Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe und genauer
Befolgung ärztlicher Anordnungen kann die Lungenschwindsucht geheilt weiden.
Der Aufenthalt in ozonreicher Waldluft bei geistiger und körperlicher Ruhe
und kräftiger Nahrung fördert die Genesung ¡ranz beträchtlich. Das Aufsuchen
eines milden Klimas und das längere Verbleiben in demselben sind in der
Regel von gutem Erfolge begleitet
Das Hören. Beim Hören spielt die Luft eine bedeutende
Rolle, da sie die Schallwellen dem Gehörorgane zuträgt. Das
Organ des Gehörsinnes ist das Ohr. Man unterscheidet äußeres,
mittleres und inneres Ohr. Zum äußeren Ohr gehört die Ohr-
muschel, der Gehörgang und das Trommelfell. Letzteres ist ein
dünnes Häutchen, das den Schall nach innen leitet. Das mittlere
Ohr bestellt aus der Trommelhöhle und den Gehörknöchelchen:
Hammer, Amboß und Steigbügel. Die Trommelhöhle enthält
Luft und steht durch die Ohrtrompete oder Kustachiche Röhre
mit der Mundhöhle in Verbindung, wodurch ein steter Ausgleich
des Luftdruckes zu beiden Seiten des Trommeltelles statt findet.
Die Gehörknöchelchen stellen die Verbindung zwischen dem
Trommelfell und dem inneren Ohr oder dem Labyrinth her und
übermitteln diesem alle das Trommelfell treffenden Schallwellen.
Das innere Ohr oder das Labyrinth liegt in dem festesten Teile
des Schädels, dem sogenannten Felsenbeine, und besteht aus
einem Vorhofe, drei Bogengängen und einer Schnecke. Das
innere Ohr ist mit dem Gehörwasser ausgefüllt, in welchem die
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feinen Enden des Gehörnerves ausgebreitet sind. Letzterer leitet
den Schall zum Gehirn.
Der Vorgang des Hörens geschieht in folgender Weise:
Der durch schwingende Bewegung eines Körpers entstehende
Schall bringt die Luft in Erschütterung; es entstehen dadurch
Schallwellen, die an das Ohr gelangen, von der Ohrmuschel auf-
gefangen und durch den Gehörgang zum Trommelfell geführt
werden, das alsdann in Schwingungen gerät. Diese Schwingungen
übertragen sich auf die in der Trommelhöhle liegenden Gehör-
knöchelchen, gehen auf das Gehörwasser des Labyrinthes über
und erregen die Enden des Gehörnerves. D eser führt dann die
Erregung dem Gehirne zu, wo diese Nervenreizung als Gehör-
empfindung zum Bewußtsein kommt.
Pflege des Gehörorgans. Das Gehörorgan ist ein sehr
wichtiges Sinnesorgan des Menschen und erfordert deshalb ganz
besondere Pflege. Man hüte sich namentlich vor Ueberreiz des
Gehörnerves durch zu starke Schalleindrücke, vor Verletzungen
innerer Teile des Gehörapparates durch Ohrfeigen oder Schläge
an den Kopf und vor Erkältungen und Gemiitserregungen, die
oft Ohren leiden verursachen und ärztliche Behandlung nötig
machen. Und weit falsche Behandlung großen Schaden anrichten
kann, so ist es durchaus ratsam, die Hilfe eines erfahrenen
Ohrenarztes in Anspruch zu nehmen. Häufig auftretende Ohren-
krankheiten sind: 1. Verstopfung des Gehörorganes durch ver-
härtetes Ohrenschmalz, wodurch nicht selten Schwerhörigkeit
entsteht; 2. Entzündung der Ohrtrompete, des Trommelfelles, oder
der Trommelhöhle infolge einer Erkältung oder eines Rachen-
und Nasenkatarrhs, die ebenfalls zu Schwerhörigkeit führen kann;
3. Ohrenklingen und Ohrensausen infolge starker Erregung des
Gehörnerves; 4. Eiterungen im mittleren oder im inneren Ohre,
die gerne einen gefährlichen Charakter annehmen und nicht selten
zu Schwerhörigkeit führen und 5. Taubheit, die in vielen Fällen
durch Erkrankung und Zerstörung des Gehörnerves ensteht,
häufig aber auch angeboren und mit Stummheit verbunden ist.
Das Riechen. Das Riechen wird ebenfalls durch die Luit
vermittelt, da letztere die Trägerin der riechbaren Stoffe ist.
Das Organ des Geruchsinnes ist' die Nase. Man unterscheidet
die äußere und die innere Nase. Die äußere Nase hat an der
Wurzel eine knöcherne, an der Spitze eine knorpelige Grundlage.
Die innere Nase ist durch das Pflugscharbein in zwei Hälften
geteilt, die nach innen in die Mundhöhle münden. Die beiden
Nasenlöcher bilden den vorderen Eingang zur Nasenhöhle, deren
Wände mit Nasenschleimhaut überzogen sind, in welcher die
Enden des Geruchnerves ausgebreitet liegen. Der Vorgang des
Riechens erfolgt in der Weise, daß die mit Riechstoffen erfüllte
Luft durch Einatmung in die Nasenhöhle gelangt, dort mit den
Enden des Geruchnerves in Berührung kommt und den dadurch
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bewirkten Reiz dem Gehirn übermittelt, wo er als Geruchs-
empfindung zum Bewußtsein kommt. Nur gas- und luftförmige
Körper reizen den Geruchsnerv und zwar umsomehr, je feuchter
die Nasenschleimhaut ist. Diese Befeuchtung erfolgt durch die
von der Tränendrüse abgesonderte Tränenflüssigkeit, welche ihren
naturgemäßen Abfluß durch die Nase hat. Zu heftige Reizung
der Nasenschleimhaut veranlaßt das Niesen. Eine durch Erkältung
verursachte Entzündung der Nasenschleimhaut ist der Schnupfen,
durch den die Geruchsempfindung wesentlich verringert wird.
Pflege des Geruchsorganes. Auch das Geruchsorgan
bedarf sorgfältiger Pflege. An tägliches Ausspülen der Nasen-
und Rachenhöhle mit lauwarmem Wasser sollte man sich von
Jugend auf gewöhnen. Die empfindlichen Weichteile der inneren
Nase sind vor Druck und Verletzung zu bewahren, damit nicht
Blutungen oder gar gefährliche Entzündungen eintreten.
Gärung. Der Sauerstoff der Luft wirkt zersetzend auf
alle Stoffe ein, welche von Natur aus Zucker enthalten, oder in
denen sich aus dem in ihnen vorhandenen Stärkemehl Zucker
bildet. Die Zersetzung zuckerhaltiger Stoffe nennt man Gärung.
Die Gärung wird durch Gärungserreger oder Fermente bewirkt,
die als unendlich kleine Lebewesen in der Luft schweben und
einen Teil der sogenannten Sonnenstäubchen bilden. Unter diesen
Gärungserregern spielen die Fäulnispilze (Hefe- und Schimmel-
pilze) und die Spaltpilze (Bazillen und Bakterien) die Hauptrolle.
Aus einem einzigen so unendlich kleinen Pilze kann in 24 Stunden
eine Trillion entstehen, und kaum 20 Minuten gehören zum
Wachstum und zur Bildung neuer Generationen. Man kann den
Gärungsprozeß verhindern, wenn man die organischen (Tier- und
Pflanzen-)Stoffe bis zum Siedepunkt erhitzt, dadurch die in diesen
Stoffen enthaltenen Gärungserreger vernichtet und dann die
Berührung der Luft mit diesen Stoffen unmöglich macht. Völliges
Austrocknen organischer Substanzen verhindert in der Regel auch
deren Zersetzung, ebenso das Gefrieren derselben. Kochsalz,
Alkohol, Karbol- und Salicylsäure sind Zerstörer der Gärungs-
und Fäulniserreger und werden daher vielfach zur Konservierung
Haltbarmachung) organischer Stoffe verwendet.
Gärungsarten. Man unterscheidet verschiedene Gärungs-
arten. Die geistige oder weinige Gärung, auch Alkoholgärung
genannt, erfolgt bei zuckerhaltigen Flüssigkeiten durch Berührung
mit der Luft, welche die Gärungserreger (Hefepilze) enthält. Oft
wird die Gärung durch Zusatz von Hefe veranlaßt. Beim Gären
verwandelt sich der Zucker in Alkohol und Kohlensäure, die
Flüssigkeit trübt sich und zeigt an der Oberfläche Kohlensäure-
bläschen. Allmählich wird die Flüssigkeit hell und bekommt
einen säuerlichen prickelnden (alkoholischen) Geschmack. Auf
der Alkoholgärung beruht die Herstellung der geistigen Getränke:
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Wein, Bier und Branntwein, deren übermäßiger Genuß berauschend
wirkt und die Gesundheit untergräbt. Reiner Alkohol oder
Weingeist ist eine farblose Flüssigkeit von beißendem Geschmack,
die rasch verdunstet und leicht brennt. Läßt man eine durch
alkoholische Gärung enstandene Flüssigkeit längere Zeit in einem
offenen Gefäße stehen, wird sie trüb und sauer. Der Alkohol
wandelt sich dann in Essigsäure um; diese Gärung wird deshalb
Essigsäuregärung genannt. Gekochte Hafer-, Reis- und Gersten-
brühe geht an heißen Sommertagen unter Gasentwicklung in
Gärung über. Hafer, Gerste und Reis enthalten Zucker- und
Stickstoff, bei deren Zersetzung nicht Alkohol, sondern Milchsäure
entsteht, welche der Brühe eine schleimige Beschaffenheit gibt.
Diese Gärungsart heißt darum Schleimgärung. Süßmilch ver-
wandelt sich gern in Sauer- oder Dickmilch. Durch Einwirkung
der in der Luft schwebenden Hefepilze geht der in der Süßmilch
enthaltene Milchzucker in Milchsäure über, die dann das Gerinnen
des Käsestoffes veranlaßt. Diese Gärung wird Milchsäuregärung
genannt. Weißkraut und Weißrüben sind zuckerhaltige Pflanzen-
stoffe. Werden diese eingeschnitten, in Ständern oder Fässern
fest zusammengedrückt und mit Salz überstreut, so geraten sie
in Gärung und werden sauer. Unter dem Einfluß der aus der
Luft hinzutretenden Hefepilze bildet sich Buttersäure, die den
säuerlichen Geschmack verursacht. Diese Gärungsart nennt man
Buttersäuregärung; auf ihr beruht auch das Einsalzen der Gurken.
Fäulnis. Die Fäulnis oder faulige Gärung ist das Ende
der gänzlichen Zersetzung der Tier- und Pflanzenstoffe und geht
unter steter Entwicklung übelriechender Gase vor sich. Stick-
stoffhaltige Substanzen gehen rasch, zucker-, stärke- und fett-
haltige nur langsam in Fäulnis über. Wärme und Feuchtigkeit
begünstigen die faulige Gärung. Sind fäulnisfähige organische
Stoffe der Luft ausgesetzt, so tritt zur fauligen Gärung die lang-
same Verwesung oder Verbrennung (Oxidation). Die Er-
reger der Fäulnis sind die in der atmosphärischen Luft in unge-
heuerer Zahl enthaltenen Spaltpilze; ohne diese würde es keine
Fäulnis geben. Dann aber würden Millionen von Tier- und
Pflanzenleichen den Erdboden bedecken. Kein Fleckchen Erde
wäre mehr vorhanden, auf dem noch Pflanzen wachsen könnten,
und mit dem Pflanzenleben wäre das Tier- und Menschenleben
längst erloschen.
Die kleinsten und gefährlichsten Feinde des Men-
schen. Diese unendlich kleinen Lebewesen, die die Gärung oder
Fäulnis bewirken, sind also im Haushalte der Natur unentbehrlich.
Viele derselben, wie die Bazillen und Bakterien, sind aber auch die
gefährlichsten Feinde der Menschen, dringen unmerklich in deren
Körper ein, erregen schlimme Krankheiten und verursachen sehr
häufig den Tod. Schwindsucht, Typhus, Diphterie, Lungen-
entzündung, Influenza, Masern, Scharlach, Keuchhusten, Genick-
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starre, Kunr, unoiera und Fest werden durch sie veranlaßt,
ebenso das Rotlauf der Schweine. Rinderpest und Milzbrand,
der oft ganze Haustierherden zugrunde richtet und auch die
Menschen nicht verschont. Die gefährliche Einwirkung dieser
krankheitserregenden Pilze (Bazillen und Bakterien) kann nur
durch Reinlichkeit und Vorsicht einigermaßen gemildert werden,
durch Reinlichkeit in den Wohnungen, namentlich in der Küche,
durch Vorsicht im Umgänge mit Kranken und in der Benützung
der von diesen gebrauchten Eßgeschirre und Wäschestücke.
Doch nicht jedem Menschen können Bazillen und Bakterien schaden.
Gut genährte und mäßig lebende Personen enthalten in ihrem Blute Stoffe,
welche die in den Körper gedrungenen Krankheitserreger vernichten. Es sind
dies die weißen Blutkügelchen, die mit dem Blute im ganzen Körper umter-
wandern und darum auch Wanderzellen genannt werden. Diese enthalten
einen Saft, welcher die Krankheitserreger tötet und die Ansteckungsgefahr
wesentlich vermindert. Schlecht genährte unmäßig lebende und geschwächte
Personen haben in ihrem Blute zu wenig dieser Wanderzellen, die den Körper
vor den Zerstörungen der eindringenden Krankheitserreger schützen, und
werden darum leicht von Ansteckungskrankheiten befallen. In Wohnurgo \
die auf der Sommerseite gelegen und den Einwirkungen der Sonnonstra' le i
ausgesetzt sind, treten ansteckende Krankheiten nur selten auf, weil di i
Sonnenstrahlen viele Krankheitserreger vernichten. Darum ist das Aussoni o i
einer Wohnung ebenso gesundheitsfördernd als das Auslüften derselben.
Zweckmäßiges Lüften. Eine verständige und auf das
Wohl der Familienglieder bedachte Hausfrau wird darum für
zweckmäßiges Lüften der verschiedenen Hausräume sorgen. Wohn-
zimmer werden am besten bei Nacht, Schlafzimmer bei Tag
ausgelüftet. Schlafen mehrere Personen in einem Zimmer, so
soll auch während der Nacht der Abzug verbrauchter und der
Zutritt frischer Luft ermöglicht werden. Aerztlicherseits wird
vielfach das Schlafen bei offenem Fenster angeraten; wenigstens
sollte im anstoßenden Zimmer ein Fenster geöffnet sein. Gegen-
stände, welche durch ihre Ausdünstung die Luft verderben, wie
schmutzige Wäsche, unreine und nasse Kleider, Blumen u. dgl.
müssen aus dem Schlafzimmer entfernt werden. In der Küche
sorge man durch Oeffnen eines Fensters für Abzug des Koch-
dunstes, damit dieser nicht in die übrigen Räume eindringt und
sich dort unangenehm bemerkbar macht. Auch Keller und
Speicher müssen öfter tüchtig ausgelüftet werden, um den in
diesen Räumen herrschenden Modeigeruch zu beseitigen. Von
größter Wichtigkeit ist die Lüftung der Aborte, da die Abort-
oder Kloakengase in hohem Grade gesundheitsschädlich sind.
Reinigung. Bei der Reinigung spült das Wasser die Haupt-
rolle. Das Wasser ist wie die Luft für Menschen, Tiere und
Pflanzen unentbehrlich. Es ist tätig im Dienste der Ernährung
und bewirkt die Verwandlung der Speisen und des in der
Pflanzenkost genossenen Stärkemehls in Zucker und Fett. Es
hat den nötigen Vorrat von Flüssigkeit in allen Organen zu unter-
halten und führt dem Körper zugleich mineralische Bestandteile
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(Balze) und Kohlensäure zu. Ohne gutes Wasser können wir .
nicht gesund sein und nicht gesund bleiben. Darum ist die
Wasserversorgung für Stadt und Dorf von der größten Wichtigkeit.
Eigenschaften und Bestandteile des Wassers. Gutes
Wasser ist hell und rein wie Kristall, zeigt keine Färbung, perlt
beim Stellen an der Luft und hat keinen Beigeschmack. Gebirgs-
wasser, dessen Quelle in Steingebilden liegt und das sich zwischen
Felsen hindurchdrängt, ist das schmackhafteste und beste Trink-
wasser. Ganz reines Wasser besteht aus etwa 8 Gewichtsteilen
Sauerstoff und 1 Gewichtsteil Wasserstoff; doch findet sich solches
nirgends in der Natur. Gewöhnlich sind demselben noch mine-
ralische Bestandteile, wie Kalk, Eisen, Salz und Kieselerde bei-
gemischt; auch enthält es stets etwas Kohlensäure Quellen,
deren Wasser größere Mengen mineralischer Stoffe mit sich führt,
heißen Mineralquellen. Solches Wasser wird in Ems, Wiesbaden,
Homburg, Nauheim, Kissingen und anderen Badeorten seiner
Heilkraft wegen getrunken oder zum Baden benützt. Wasser
mit organischen (tierischen oder pflanzlichen) Beimischungen setzt
nach kurzem Stehen im Gefäße einen trüben Bodensatz ab und
bekommt fauligen Geruch und Geschmack. Es ist der Träger
unzähliger Krankheitserreger und verursacht beim Genüsse Fieber,
Ruhr und Typhus.
Wasserversorgung. Die Versorgung mit gutem und ge-
sundem Wasser ist daher eine Hauptaufgabe jeder fürsorglichen
Gemeindeverwaltung, die gerne die bedeutenden Kosten trägt,
welche durch Anlage einer Wasserleitung veranlaßt werden. In
manchen Städten benutzt man filtriertes d. i. gereinigtes Fluß-
wasser zum Trinken und Kochen. Dasselbe wird durch große
Behälter mit wechsellagernden Schichten von Holzkohlen und
ausgewaschenem Kiessande geleitet und dadurch gereinigt und
genuffihig gemacht. Beim Auftreten von Krankheitsepidemien
sollte man nur abgekochtes und wieder gekühltes Wasser ver-
wenden.
Bedeutung des Wassers. Für Natur und Mensch hat
das Wasser in flüssigem, luftförmigem und fest m Zustande die
gi'ößte Bedeutung. Es unterhält in der ganzen ochöpfung das
Leben uud ist für alle organischen Wesen ein zwingendes Be-
dürfnis. Ohne dasselbe wäre der wichtigste Lebensprozeß, der
Stoffwechsel, unmöglich. Der menschliche Körper verändert sich
in allen seinen Teilen unausgesetzt; von Tag zu Tag, von Woche
zu Woche gestaltet er sich anders. Man nimmt an, daß derselbe
innerhalb eines Zeitraumes von 7 Jahren vollkommen neu gebildet
wird. Bei dieser Stoffumänderung, welche auch bei Tieren und
Pflanzen ununterbrochen vor sich geht, ist das Wasser von der
größten Wichtigkeit. Den hauptsächlichsten Teil des Gewichtes
der Menschen, Tiere und Pflanzen macht das in ihnen enthaltene
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Wasser aus. Dieses löst die eingeführte Nahrung auf, befördert
die Verdauung und den Stoffwechsel, bewerkstelligt einen Neu-
ansatz in den Geweben, scheidet die verbrauchten Stoffe durch
Darm. Lungen, Nieren und Haut aus und bewirkt dadurch eine
wesentliche Hebung des Wohlbefindens. Der äußerliche Ge-
brauch des Wassers wirkt stärkend, beruhigend und belebend auf
den Körper. Kalte Waschungen, kalte, warme und Dampf-
Bäder sind ungemein gesundheitsfördernd Das Wasser ist somit
in flüssigem, festem und luftförmigen Zustande je nach der Art
und Dauer seiner Anwendung ein wirksames Heilmittel, besonders
wenn es durch andere natürliche Heilfaktoren, wie Luft, Licht,
Diät, Bewegung und Ruhe unterstützt wird. Das Wasser ist
aber auch ein unentbehrliches Reinigungsmittel und findet in
Verbindung mit Seife und Soda zum Säubern unserer Wohnräume
und Hausgeräte, unseres Körpers und unserer Kleider und Wäsche
ausgiebige Verwendung. Im Gewerbe- und Industriebetriebe
leistet das Wasser große Dienste, sowohl in flüssigem, als in
festem und luftförmigen Zustande. Es treibt Eisenbahnen und
Schiffe, Mühlen und Maschinen aller Art und verrichtet Arbeiten,
die von Menschenhänden kaum zu bewältigen wären. Als Tau
und Regen benetzt es die Pflanzen und begünstigt deren Wachsen
und Gedeihen.
Zweckmäßige Reinigung. Zweckmäßige Reinigung der
verschiedenen Haus- und Arbeitsräume gehört zu den Obliegenheiten
einer tüchtigen Hausfrau. Soll man sich in einer Wohnung wohl
und behaglich fühlen, so muß dieselbe reinlich gehalten werden.
Nichts vermag den Aufenthalt in einem Hause mehr zu verleiden
als die darin herrschende Unreinlichkeit und Unordnung. Vor
allem ist auf Reinhaltung der Böden bedacht zu nehmen. Das
Scheuern derselben erfolgt am zweckmäßigsten mittelst eines
feuchten Aufziehtuches, weil dadurch das Aufwirbeln des Staubes,
dieses heimtückischen Feindes der Gesundheit, vermieden wird.
Doch ist vor zu starkem Nässen der Dielen ernstlich zu warnen,
da das Eindringen des Wassers in die Fugen die Entstehung und
Vermehrung des Ungeziefers begünstigt und längeres Feucht-
bleiben gesundheitsschädlich ist. Mit Oelfarbe oder Lack be-
strichene Böden reinigt man am besten durch Aufwischen mit
einem feuchten Lappen; Seife und Soda dürfen dabei nicht zur
Verwendung kommen, weil sie den Anstrich beschädigen. In
gleicher Weise müssen Abort, Gänge und Treppen täglich gereinigt,
Hof und Straße aber mit einem geeigneten Besen gekehrt werden.
Auch Speicher und Keller sind ab und zu gründlich zu reinigen.
Außerdem wird eine ordnungsliebende und reinliche Hausfrau im
Früh- und Spätjahr den sogenannten „großen Hausputz“ vor-
nehmen. wobei alle zur Wohnung gehörigen Räume, alle Decken
und Wände, alle Oefen, Fenster und Türen, alle Mobiliargegen-
stände und Küchengeräte einer sorgfältigen Reinigung unterzogen
werden.
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Beleuchtung. Das Licht übt bekanntlich auf die Lebens-
vorgänge unseres Körpers großen Einfluß aus. Deshalb sollen
die Wohnungen, in denen wir einen beträchtlichen Teil des
Lebens verbringen, gut beleuchtet sein. Die Beleuchtung wird
am Tage durch das Sonnenlicht bewirkt. Das Wahrwort: „Wo
die Sonne hinkommt, kommt kein Arzt hin“, besagt uns, von
welch mächtiger Einwirkung das Sonnenlicht auf die’Erhaltung
der Gesundheit ist.
Wirkung des Lichtes, Lichtquellen. Die gesamte Tier-
und Pflanzenwelt gedeiht nur unter der belebenden und erwärmen-
den Wirkung der Sonne, des Urquells des Lichtes. Zu den Licht-
quellen gehören alle selbstleuchtenden Körper, wie Fixsterne
und verbrennende oder glühende Stoffe, welch’ letztere zur
künstlichen Beleuchtung dienen. Ohne Licht kein Leben. Darum
können mangelhaft beleuchtete Wohnräume geradezu als gesund-
heitsschädlich bezeichnet werden, da sie überdies die Sehkraft
der Augen nachteilig beeinflussen. Bei Nacht tritt an die Stelle
der natürlichen Beleuchtung durch die Sonne eine künstliche
Beleuchtung durch die Flammen brennender Beleuchtungsstoffe.
Die Lichtflamme besteht aus dem inneren dunkeln Kern, der
diesen einschließenden hellen Hülle, der mattleuchtenden Außen-
hülle und dem blauen Saum am unteren Flammenende.
Beleuchtungsarten. Die älteste Vorrichtung zur künst-
lichen Beleuchtung war ein brennender Holzspan. Später benutzte
man eine einfache Oellampe, aus einem mit Oel gefüllten Be-
hälter und Docht bestehend. Diese Beleuchtungsart wurde im
Laufe der Zeit durch Talg-, Wachs- und Stearinkerzen verdrängt.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kam die Petroleumlampe
auf, die mit den Jahren vielfach verbessert wurde und noch
heute auf dem Lande fast ausschließlich zur Beleuchtung ver-
wendet wird. Die im Jahre 1792 erfolgte Erfindung des Leucht-
gases veranlaßte einen mächtigen Umschwung im Beleuchtungs-
wesen. Seit 1812 ist London, seit 1820 Paris, seit 1826 Berlin
und jetzt fast jeder größere Ort durch Gas beleuchtet.
Gewinnung und Gebrauch der Leuchtstoffe. Das an
vielen Orten aus der Erde quellende Petroleum und das durch
Ausglühen der Steinkohlen gewonnene Leuchtgas sind als leicht
explodierbare Stoffe schon oft Ursache unsäglichen Elendes ge-
worden. Petroleum- und Gasbeleuchtung erfordern daher beim
Gebrauche eine äußerst vorsichtige Behandlung. Petroleumlampen
müssen häufig gereinigt und mit neuem Dochte versehen werden.
Das Auffüllen des Behälters soll nur am Tage und das Auslöschen
nur durch Zurückschrauben des Dochtes geschehen. Gasflammen
sollen nur durch Schließen der Hähne gelöscht und vor dem
Schlafengehen muß zur Vorsicht auch der Haupthahn der Leitung
geschlossen werden.
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Elektrische Beleuchtung. Weit weniger gefährlich
ist die in letzter Zeit immer mehr in Aufschwung kommende
bequeme und reinliche elektrische Beleuchtung. Die elektrischen
Bogen- und Glühlampen haben bereits in vielen Städten die
Petroleum- und Gasbeleuchtung verdrängt. Bahnhof-, Ha en- und
Fabrikanlagen, Theater- und Konzertsäle, Straßen. Kaufläden und
Wohnräume sind dort elektrisch beleuchtet und die Zeit ist nicht
mehr ferne, wo die Elektrizität auch zum Kochen und Heizen
verwendet werden wird.
Das Sehen. Das Organ des Gesichtssinnes ist das Auge,
dessen wichtigster Teil der Augapfel bildet. Dieser liegt in der
Augenhöhle, hat die Form einer länglichen Hohlkugel und ist
durch Augenlid und Wimpern geschützt. Der Augapfel steht
durch den Sehnerv mit dem Gehirn in Verbindung. Seine äußere
Haut, Hornhaut genannt, ist glashell und vorn durchsichtig.
Darunter liegt die gefäßreiche Aderhaut, welche vorn grau, blau
oder braun gefärbt ist und Regenbogenhaut oder Iris heißt
Diese hat eine runde Oeffnung, das Sehloch oder die Pupille,
durch welche die Lichtstrahlen in das Innere des Auges gelangen.
Zwischen Horn- und Regenbogenhaut befindet sich eine wässerige
Flüssigkeit, das Augenwasser. Hinter der Pupille liegt die
Kristallinse in einer durchsichtigen, den inneren Raum des Aug-
apfels ausfüllenden Masse, Glaskörper genannt, eingebettet. Die
Linse ist erhaben und stellt ein Brennglas dar mit der Fähigkeit,
sich behufs stärkerer oder schwächerer Strahlenbrechung zu
wölben oder abzuflachen, je nachdem es die Entfernung eines
Gegenstandes erfordert. Der Sehnerv, welcher von hinten in das
Auge tritt, breitet sich dort auf der Aderhaut netzförmig aus
und bildet die für Lichteindrücke sehr empfindliche Netzhaut,
die mit zahlreichen Stäbchen und Zäpfchen versehen ist. Erstere
vermitteln^ die Licht-, letztere die Farbenempfindungen. Um das
Auge feucht und die Hornhaut rein zu erhalten, sondert die im
äußeren Augenwinkel sitzende Tränendrüse die Tränenflüssigkeit
ab, welche beim Augenblinken über die vordere Fläche des
Augapfels hinfließt, sich im inneren Augenwinkel sammelt und
durch den Tränenkanal in die Nasenhöhle gelangt.
Das Sehen geschieht in folgender Weise: Die von den Ge-
genständen zurückgeworfenen Lichtstrahlen gelangen durch die
Pupille ins Auge, werden durch die Linse gesammelt und ge-
brochen, so daß auf der Netzhaut ein verkleinertes, umgekehrt
stehendes Bild dieser Gegenstände entsteht. Dadurch wird die
Netzhaut gereizt. Diesen Reiz teilt der Sehnerv dem Gehirn mit,
wo er uns als Lichtempfindung bewußt wird.
Pflege des Auges. Das Augenlicht ist eine edle Himmels-
gabe und das Auge das wichtigste aller Sinnesorgane. Um das-
selbe recht lange brauchbar und gesund zu erhalten, bedarf es
der sorgsamsten Pflege. Vor allen Dingen hüte man dasselbe vor
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Unreinigkeit, Zugluft, Ueberanstrengung, großer Wärme, plötz-
licher Abkühlung, zu schwachem und zu grellem Lichte. Oefteres
Waschen mit frischem Wasser, längerer Anblick des saftigen
Grüns in Wald, Feld und Wiese, Ruhe und Schonung wirken
stärkend auf das Auge ein. Bei auftretendem Augenleiden ziehe
man sofort einen erfahrenen Augenarzt zu Rat; denn das Augen-
licht ist doch zu kostbar, als daß es durch ungeschickte Behand-
lung zu Grunde gerichtet werden soll.
Augenmängol. Augensehwäche, Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit, giauer,
grüner und schwarzer Star, Farbenblmdhcit und Schielen sind häufig vor-
kommende ■ Augenmängel. Augenschwäche wird durch Ueberanstrengung der
Augen hervorgerufen. Dabei haben letztere zwar noch ihr volle Sehkraft,
ermüden aber beim Gebrauch sein- leicht und flimmern und tränen, namentlich
beim Gehen gegen den Wind. Die Kurzsichtigkeit hat ihren Grund in zu
starker Wölbung der Kristallinse, weshalb die Lichtstrahlen sich zu fiüh zum
Bilde vereinigen und vor die Netzhaut fallen. Kurzsichtige tragen Brillen
mit hohlgeschlifl'enen Gläsern, durch welche die Vereinigung der Lichtstrahlen
später erfolgt, so daß das Bild auf die Netzhaut fällt. Bei der Weitsichtigkeit
ist die Linse zu flach, so daß die durchfallenden Lichtstrahlen zu spat ver-
einigt und hinter dio Netzhaut geworfen werden. Weitsichtige brauchen
Brillen mit erhabenen Gläsern, welche die Vereinigung der Lichtstrahlen früher
bewirken und das Bild auf die Netzhaut werfen. Der graue Star besteht in
einer Trübung der Linse, wodurch die Pupille grau erscheint und das Ein-
fallen der Lichtstrahlen behindert ist. Er kann durch Operation geheilt werden.
Der grüne Star ist eine Trübung der Linse und des Glaskörpers und hat
völlige Blindheit zur Folge, da dio Lichtstrahlen nicht zur Netzhaut gelangen
können. Dabei erscheint die Pupille meergrün. Der schwarze Star beruht auf
Unempfindlichkeit der Netzhaut infolge Lähmung des Sehnerves, wodurch eben-
falls Blindheit verursacht wird. Dabei erscheint die Pupille veryrössert und
schwarz. Grüner und schwarzer Star sind unheilbar. Farbenblindheit ist das
gänzliche Unvermögen, die Farben zu unterscheiden und zu erkennen. Sie
ist angeboren, oft auch die Folgeerscheinung eines körperlichen Leidens. Das
Schielen beruht auf der Verkürzung eines Augenmuskels und kann durch
Operation beseitigt werden.
Beheizung. Die Erhaltung der Gesundheit macht eine
genügende Erwärmung unserer Wohnräume während der kalten
Jahreszeit zur Notwendigkeit. Die Zimmerwärme soll stets nach
dem Thermometer geregelt werden und nicht weniger als 16° C,
aber auch nicht mein’ als 18° C betragen. Höhere Wärmegrade
erzeugen Mattigkeit, Blutandrang nach dem Kopfe, Schwindel und
Kopfschmerzen. Zu hohe Zimmertemperatur verweichlicht über-
dies den Körper und macht ihn für Erkältungen jeglicher Art
leicht empfänglich. Gesunde Erwachsene schlafen am besten
in ungeheizten Zimmern. Für kleine Kinder und Kranke er-
scheint eine mäßige Erwärmung der Schlafräume angezeigt.
Beheizungsmaterialien. Die Beheizung geschieht in der
Regel durch Verbrennung der verschiedenen Beheizungsmaterialien,
wie Holz, Steinkohlen, Koks, Gas, Braunkohlen und Torf, seltener
durch Dampf und Heißluft. Die Verbrennung ist die Verbindung
des Sauerstoffes der Luft mit dem Kohlenstoffe der Heizmaterialien,
welche durch Anzündung zu dem zum Weiterbrennen nötigen
Erhitzungsgrade gebracht werden.
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inur völlig ausgetrocknetes Holz soll als Brennholz be-
nützt werden. Die Heizkraft des Holzes hängt von seiner
Festigkeit und Härte ab. Buchen- und Eichenholz eignen sich
deshalb zum Heizen weit besser als das leichtere und lockere
Kiefern- und Tannenholz. Letzteres wird dagegen wegen seiner
leichten Entzündbarkeit mit Vorliebe zum Anmachen des Feuers
verwendet. Häufiger als das Holz finden die aus verkohlten
Pflanzenstoffen entstandenen und bergmännisch gewonnenen Stei n-
kohlen als Heiz- und Brennmaterial Benützung. Gute Steinkohlen
enthalten 85—90°/o Kohlenstoff, brennen mit heller Flamme und
lassen nur wenige Aschenbestandteile zurück. Kohlensorten,
welche in der Hitze zusammenschmelzen und zu Klumpen zu-
sammenbacken, sind als Hausbrand unvorteilhaft. Saarkohlen
entwickeln eine lebhafte Flamme und rußen stark, Ruhrkohlen
dagegen entwickeln eine große Hitze und rußen wenig, ln
neuerer Zeit wird der Koks vielfach als Heizmaterial verwendet
und den Steinkohlen, aus denen er durch Ausglühen gewonnen
wird, vorgezogen, weil er wenig Schmutz verursacht und größere
Hitze entwickelt. Gasheizung ist bequem und reinlich, ver-
langt aber eine äußerst vorsichtige Behandlung, damit nicht
durch Explosionen Unfälle und Verheerungen angerichtet werden.
Braunkohlen, die wie die Steinkohlen aus Ablagerung vor-
weltlicher Pflanzen entstanden sind, enthalten etwa 60—70 °/o
Kohlenstoff und lassen beim Verbrennen ziemlich viel Asche
zurück. Die „Briketts“, welche seit einigen Jahren vielfach
zum Brennen benutzt werden, sind aus Braunkohlen hergestellt.
Der Torf, der sich in Torfmooren aus abgelagerten Sumpf-
pflanzen bildet, enthält 50—60 % Kohlenstoff und hinterläßt beim
Verbrennen große Aschenbestände. Seine Verwendung bleibt
hauptsächlich auf die Gegenden beschränkt, wo sich Torflager
finden.
Behandlung der Feuerungseinrichtungen. Oefen und Herde
müssen einen genügenden Luftzug haben, damit das Verbrennen der eingelegten
Materialien möglich ist. Gutziehende Oefen erfordern weniger Heizungsmaterial
und geben größere Wärme ab als verrußte und schlechtziehende. Deshalb
sollen Oefen und Herde täglich gereinigt und Ofenrohre und Schornsteine
öfter von Ruß befreit werden. Die meisten Oefen und Herde sind mit Vor-
richtungen versehen, durch die man den Zug verstärken oder abschwächen
und rasches oder langsames Verbrennen ermöglichen kann. Durch richtige
Behandlung dieser Vorrichtungen lassen sich namhafte Ersparnisse an Brenn-
material erzielen. Doch muß strengstens darauf geachtet werden, daß das
beim langsamen Verbrennen sich bildende Kohlenoxyd durch den Schornstein
entweichen kann. Wird dieses etwa durch Schließen einer Klappe unmöglich
gemacht, so strömt das geruchlose Kohlenoxydgas unbemerkt in das Zimmer
und verursacht beim Einatmen Betäubung, nicht selten den Tod.
Zum Anfeuern dienen alte Zeitungen, Kienholz, kleingemachtes Tannen-
holz, Lohkäse und Tannenzapfen. Die Entzündung dieser Stoffe geschieht
durch Streich- oder Zündhölzer mit Phosphorköpfchen, die durch Streichen an
einer Reibfläche leicht in Brand geraten. Beim Gebrauch der Zündhölzchen
ist die größte Vorsicht geboten. Auch kann nicht dringend genug davor gewarnt
werden, das erlöschende Feuer durch Begießen mit Petroleum wieder anzu.
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fachen, da auf diese Weise schon viele Brandunglücke verursacht wurden.
Ein verständiger Familienvater wird es nicht unterlassen, seine Mobiliar- und
sonstigen Haushaltungsgegenstände gegen Feuersgefahr zu versichern. Mit
geringen Kosten kann er sich dadurch gegen allenfallsige Brandschäden schützen.
Thermometer. Das Thermometer hat den Zweck, Zu-
und Abnahme der Wärme zu erkennen und den Wärmegrad
festzustellen. Dasselbe besteht aus einer engen Glasröhre, die
unten in einer Kugel endigt. Die Röhre wird mit Quecksilber
gefällt und dieses durch Erwärmen so ausgedehnt, daß es die
Luft aus der Röhre verdrängt und diese vollständig ausfüllt,
worauf sie oben zugeschmolzen wird. An der Röhre befindet
sich eine Gradeinteilung oder Skala. Die wichtigsten Punkte
derselben sind der Gefrier- und der Siedepunkt. Ersterer wird
gefunden, wenn man das Thermometer in gefrierendes Wasser
stellt und wird mit 0 bezeichnet. Taucht man das Thermometer
in siedendes Wasser, so steigt das Quecksilber zum Siedepunkt,
der mit 100 bezeichnet wird. Der Raum zwischen Gefrier- und
Siedepunkt zerfällt in 100 gleiche Teile oder Grade. Gegen-
wärtig ist das lOOteilige oder C-Thermometer fast allgemein im
Gebrauch, während früher das 80teilige oder R-Thermometer
vielfach benutzt wurde. 5° C sind 4° R. Die Grade über dem
Gefrierpunkte heißen Wärmegrade und werden mit -f- bezeichnet,
während jene unter dem Gefrierpunkte Kältegrade genannt und
mit — bezeichnet werden.
Verhütung von Krankheiten. Die Gesundheit ist das
höchste irdische Gut des Menschen und diese zu erhalten ist
dessen heiligste Pflicht. Zur Erhaltung dieses Kleinods und zur
Verhütung von Krankheiten wurden sachgemäße Winke und
wohlgemeinte Ratschläge bei Behandlung des vorstehenden Unter-
richtsstoffes überall gegeben, wenn von der Pflege der ver-
schiedenen Organe die Rede war. Doch möge noch folgendes
zur Beherzigung anempfohlen werden:
Zur Verhütung von Krankheiten und zur Erhaltung der
Gesundheit bedarf der menschliche Körper einer einfachen, gut
zubereiteten und mäßig genossenen Nahrung, häufiger Bewegung
in frischer Luft, durch Arbeit erzielter Muskeltätigkeit und der
Erholung und Ruhe, die hauptsächlich durch einen gesunden und
mäßig langen Schlaf bewirkt werden. Reinlichkeit ist eines der
wichtigsten Gesundheitsmittel. Häufiges Waschen und öfteres
Baden, sowie häufiges Wechseln der Kleider und Leibwäsche
sind dringend anzuraten. Durch Abhärtung des Körpers kann
vielen Krankheiten vorgebeugt werden. Man halte den Kopf
kühl, den Hals frei, die Brust unbeengt, den Unterleib warm
und die Füße trocken. Im Krankheitsfalle vermeide man Pfuscher
und Quacksalber, sowie die in Zeitungen angepriesenen Geheim-
mittel und ziehe einen gewissenhaften und erfahrenen Arzt zurate.
Vor unmäßigem Genüsse geistiger Getränke (Wein, Bier, Brannt-
wein) ist ernstlich zu warnen. Diese „Lebensverkürzer“ enthalten
45
den giftigen Alkohol, der auf den menschlichen Organismus
einen berauschenden, anfänglich belebenden, später aber lähmen-
den Einfluß ausübt.
Zweites Jahr.
Der Ackerboden der Heimat. Der Ackerboden dient
den Pflanzenwurzeln als Anheftungspunkt und den Gewächsen
als fester Standort. Er ist aber auch gleich der atmosphärischen
Luft die Sammelstelle und Vorratskammer der zum Pflanzen-
wachstum nötigen Nahrungsstoffe. Am Ackerboden unterscheidet
man den bearbeiteten lockeren Obergrund, auch Ackerkrume
genannt, und den darunter liegenden unbebauten festen Unter-
grund. Je tiefer der Obergrund ist, desto größer ist der Ertrag
und der Wert eines Grundstückes. Die Beschaffenheit des Unter-
grundes bedingt mehr oder weniger die Fruchtbarkeit des Bodens,
je nachdem er mit der Ackerkrume gleich- oder ungleichartig,
wasserhaltend oder wasserdurchlassend ist. Die Bestandteile des
Ackerbodens sind unverwitterte gröbere oder feinere Gesteins-
trümmer, das aus Sand, Ton, Kalk oder Moder gebildete Boden-
gerippe, die durch Zersetzung organischer Körper entstandenen
Bodennährstoffe und Bodensalze, ferner Wasser und Luft.
Bodenarten. Nach der Beschaffenheit des Bodengerippes
unterscheidet man Sandboden, Tonboden, Kalkboden, Lehmboden,
Mergelboden und Moder- oder Humusboden.
Der Sandboden ist der verbreitetste und daher für die
Landwirtschaft der wichtigste. Er fühlt sich rauh an, knirscht
beim Reiben und läßt sich im feuchten Zustande nicht kneten.
Er besteht hauptsächlich aus Sand, gemengt mit Ton und anderen
Beimischungen. Er hat nur geringe Bindigkeit und läßt sich
leicht, auch bei nassem Wetter bearbeiten. Er läßt das Wasser
gut durch, so daß in trockenen Jahrgängen das Wachstum not-
leidet. Seine Aufnahmefähigkeit für Feuchtigkeit und Gase aus
der Luft und die durch Wasser gelösten Nährstoffe ist gering.
Sandboden erwärmt sich schnell und hält die Wärme lange an
er verträgt frühe Aussaat und liefert frühe Ernte. Er ist in
feuchtem Klima ergiebiger als in trockenem. Der Sandboden
eignet sich zum Anbau von Korn, Gerste, Hafer, Wicken und
Kartoffeln. Er läßt sich durch Aufführen von Ton und durch
häufiges Düngen verbessern.
Der Tonböden entnält hauptsächlich Ton, gemengt mit
Sand- und anderen Bestandteilen. Er fühlt sich glatt und fettig
an und läßt sich im feuchten Zustande leicht kneten. Er hat
große Bindigkeit und ist darum nicht leicht zu bearbeiten. Er
46
nimmt viel Wasser auf, hält es lange an und erwärmt sich nur
langsam. Darum gestattet er nur späte Aussaat und liefert späte
Ernte. Seine Aufnahmefähigkeit für Luftfeuchtigkeit und Gase
und die durch Wasser gelösten Nährstoffe ist erheblich. Er
verlangt häufiges Pflügen und starke Düngung, diese jedoch
seltener als Sandboden. Eine Beimischung von Kalk erhöht seine
Fruchtbarkeit. Auf ihm gedeiht Weizen, Spelz, Gerste, Reps.
Klee, Lein und Hafer. Schwerer Tonboden, Letten genannt,
wird beim Regen schmierig und ist nicht bebauungsfähig. Er
läßt sich durch Aufführen von lockeren Erdarten, wie Sand,
Kalk und Mergel verbessern.
Der Lehmboden ist milder Tonboden mit weniger als
50 Prozent Ton, etwas Sand, Kalk und Humus. Kalk und Humus
machen ihn fruchtbar. Er läßt sich leichter bearbeiten als Ton-
boden und leidet wenig unter der Ungunst der Witterung; denn
er hält die Wärme länger als der Tonboden und die Feuchtigkeit
länger als der Sandboden. Er eignet sich zum Anbau fast aller
Gewächse.
Der Kalkboden enthält über 30 Prozent Kalk, gemischt
mit Ton, Sand und Humus. Er besitzt geringe Bindigkeit, läßt
sich gut bearbeiten und ist bei günstiger Mischung sehr fruchtbar.
Seine Aufnahmefähigkeit für Feuchtigkeit und Gase der Luft ist
zwar nicht besonders groß, doch nimmt er die Wärme und die
im Wasser aufgelösten Nährstoffe gerne auf und eignet sich zum
Anbau aller Getreide- und Kleearten. Sehr kalkhaltiger Boden
hat helle Färbung und kann durch Beimengung von Tonerde
verbessert werden.
Der Mergelboden besteht zumeist aus Kalk und Ton,
gemischt mit Sand und Talk. Er ist in der Regel aufgeschwemmter
Boden und findet sich in großen Flußtälern, namentlich im
Rheintale. Er hat gelbliche Färbung und besitzt große Frucht-
barkeit, weil er bei jeder Witterung entsprechend feucht und
warm bleibt. Auf ihm gedeihen Weinreben, Klee und Hülsefrüchte.
Der Moor- oder Humusboden ist besonders reich an
in Verwesung begriffenen organischen Stoffen, die durch ihre
Verwesungsprodukte stete Quellen von Pflanzennährstoffen werden
und die Fruchtbarkeit des Bodens wesentlich erhöhen. Erfolgt
die Zersetzung unter Ueberfluß an Feuchtigkeit und Mangel an
Luft, so bildet sich saurer Humus, auf dem nur Riedgräser,
Binsen, Moose und andere Sumpfpflanzen wachsen. Sumpfboden
kann durch Entwässerung und Kalkdüngung allmählich zu er-
tragsfähigem Wiesenboden umgewandelt werden. Moor- oder
Humusboden ist grau, dunkelbraun oder schwärzlich.
Welche Bodenarten sind in der Gemarkung unserer Gemeinde
vorherrschend? In welchen Gemarkungsgewannen ist Sandboden,
in welchen Ton- oder Lehmboden zu finden? Welche Gewannen
haben Kalkboden, welche Moorboden?
47
Behandlung und Bearbeitung des Bodens. Richtige Behandlung
erhöht die Ertragsfälvgkeit des Bodens. Die Pflanzen entziehen demselben
eine Menge Nahrungsstoffe. Diese müssen ihm von Zeit zu Zeit durch die
Düngung wieder zuriickorsetzt und so die den Pflanzen nötigen Nährstoffe
vermehrt werden. Man unterscheidet organische und unorganische Dünger.
Die organischen Dünger liefern durch ihre Verwesungsprodukte eine Reihe
wirklicher Nährstoffe, wie Salze, Kohlensäure, Wasserstoff und Stickstoff.
Auch wirken sie zersetzend auf diu mineralischen Bestandteile des Bodens ein
und wandeln diese in lösliche Nährstoffe um. Der wichtigste organische
Dünger ist der Stallmist. Auch die in Ställen sich ergebende Harnflüssigkeit,
Jauche oder Pfuhl genannt, ist ein vortreffliches Dungmittel für Wiesen,
Klee , Rüben-, Tabak-, Kraut- und Maisfelder. Organische Dünger sind ferner
die Abgänge der Schlachthäuser (Därme, Blut, Klauen), Knochenmehl, Woll-
abfälle, Geflügelmist (Guano), Abtrittdung, Ernterückstände (Blätter, Stoppeln
und Wurzeln), Asche und Ruß. Die unorganischen (mineralischen) Dünger
liefern den Pflanzen jene Nährstoffe, die in deren Asche enthalten sind und
befördern die Zersetzung der im Boden enthaltenen Nahrungsteile. Die wich-
tigsten unorganischen Dünger sind: schwefelsaurer Kalk, Superphosphat,
Chilisalpeter. Kalk, Gips und der aus unorganischen und organischen Stoffen
bestehende Kompost- oder Mengedünger. Kalidüngung erweist sich bei Kartoffel-,
Zuckerrüben-, Tabak- und Weinbau sehr vorteilhaft. Eine Zufuhr von Super-
phosphat ist jedem Ackerboden dienlich, da der Anbau unserer meisten Kultur-
pflanzen mehr oder weniger Phosphorsäure erfordert. Mit Chilisalpeter sucht
man mageren Saatfeldern aufzuhelfen. Kalk befördert die Zersetzung organischer
und die Verwitterung unorganischer Erdbestandteile, lockert den Boden und
macht ihn wasserdurchlassend. Er wirkt auf schwerem, bindigem, nassem und
kaltem Boden sehr vorteilhaft. Das Bestreuen der Saat-, Klee-, Reps- und
Leinfelder, sowie der Wiesen mit Gips erhöht die Ertiagsfähigkeit bedeutend,
sofern im Boden unzersetzte und unverwitterte Pflanzennährstoff'e noch reichlich
vorhanden sind. Mehrjähriger, gut zersetzter, mit Kalk und Jauche behandelter
Kompostdünger ist jedem Boden und jeder Fruchtart zuträglich und eignet
sich vorzüglich zum Düngen der Obstbäume und Rebstöcke.
Die Ertragsfähigkeit des Bodens ist zum großen Teil auch von der
richtigen Bearbeitung desselben abhängig. Durch sie empfängt die Acker-
krume die zur Ausbreitung der Wurzeln nötige Lockerung, sowie die Aufnahme-
fähigkeit für Wasserdampf und Gase aus der Luft, durch welche die Zersetzung
der Bodennährstoffo bewirkt wird. Auch trägt die Bearbeitung wesentlich zur
Vertilgung von Unkraut und Ungeziefer bei. Gartenfeld bearbeitet man mit
Spaten, Hacke und Rechen. Zur Bearbeitung des Ackerlandes dienen Pflug,
Egge und Walze.
Um die Ertragsfähigkoit eines längere Jahre hindurch bebauten Feldes
wieder zu steigern, läßt man dieses einmal längere Zeit brach, d. h. unein-
gepflanzt liegen, damit der Boden ausruht und durch Ansammlung von Nähr-
stoffen wieder ertragsfähiger wird. Doch muß auch bei der Brache die
Ackerkrume wiederholt durch Pflügen und Eggen gelockert werden, um durch
Zutritt der Atmosphäre die Zersetzung der organischen und die Verwitterung
der mineralischen Erdstoffo zu beschleunigen. Die Brache hat ferner den
Zweck, Unkraut, Mäuse, Schnecken, Engerlinge und schädliche Insekten zu
vertilgen.
Zur Erhaltung der Ertragsfähigkeit eines Bodens dient ferner eine ver-
ständige Aufeinanderfolge beim Anbau der Gewächse, die man Fruchtfolge
nennt. Durch längeren Anbau der gleichen Pflanzenart gibt der Boden fort-
gesetzt die gleichen Bestandteile ab, wodurch seine Ertragsfähigkeit bedeutend
beeinträchtigt wird. Es erscheint daher ein jährlicher Wechsel der Pflanzen-
sorte angezeigt. Klee, Reps und andere tiefwurzelnden Gewächse entziehen
ihre Nahrung den unteren Schichten der Ackerkrume, während Getreide,
Kartoffeln und die übrigen seichtwurzelnden Pflanzen ihre Nahrung den oberen
Schichten entnehmen. Im Interesse der Erhaltung der Ertragsfähigkoit ist
48
darum ein Wechsel seichtwurzelnder und tiefwurzelnder Gewächse zu empfehlen.
Pflanzen, welche Erntereste auf dem Acker zurücklassen, erschöpfen den Boden
nur wenig, da sie ihm wieder einen Teil der entzogenen Nährstoffe zutühien.
Darum ist es ratsam, solche Gewächse in die Fruchtfolge einzureihen.
Bau der Pflanzen. Die Pflanzen sind ausnahmslos aus
kleinen selbständigen Formenbestandteilen aufgebaut, die man
Zellen nennt. Jede Zelle besteht aus der elastischen, Flüssigkeit
durchlassenden Zellwand, einem dieser innen anliegenden eiweiß-
haltigen und den Zellkern einschließenden Stoffe, Protoplasma
genannt, und einer den übrigen Zellraum ausfallenden wässerigen
Flüssigkeit, dem Zellsaft. Die Neubildung von Zellen erfolgt
entweder durch Zellteilung, freie Zellbildung oder Zellver-
schmelzung. Die Zellteilung beginnt mit der Teilung des Zell-
kerns und der gleichzeitigen Bildung einer Trennungsfläche,
welche das Protoplasma der Mutterzelle quer durchschneidet.
Diese Art der Zellbildung findet bei der Verlängerung und Ver-
dickung der Wurzel und des Stammes nebst seinen Verzweig-
ungen fast ausnahmslos statt. Bei der freien Zellbildung ent-
stehen aus dem Protoplasma der Mutterzelle mehrere Kügelchen,
die sich zu neuen Zellen ausbilden. Diese Art der Zellbildung
ist hauptsächlich beschränkt auf die Entstehung der Samenkörner
höherer und der Samensporen niederer Pflanzen. Bei der Zell-
verschmelzung wird die Neubildung durch Vereinigung des Inhaltes
zweier oder mehrerer Nachbarzellen verursacht. Sie findet
hauptsächlich bei Befruchtungsvorgängen statt Die Verbindung
einer größeren Anzahl gleichartiger Zellen zu einem einheitlichen
Ganzen nennt man ein Zellgewebe. Durch Vertrocknung oder
durch Zerreißen entstehen oft Lücken im Gewebe, Zwischenzell-
räume genannt, die entweder Luft, oder von den Zellen ausge-
schiedene Stoffe, wie Gummi, Harz, Oel und Milch enthalten.
Nach der Form der Gewebezellen unterscheidet man Würfelgewebe
und Fasergewebe. Ersteres hat rundliche oder vieleckige Zellen,
die nur wenig länger als breit sind und Zwischenzellenräume
besitzen. Im Fasergewebe dagegen sind die Zellen viel länger
als breit und mit ihren zugespifzten Enden zwischen einander
eingeschoben, so daß keine Zwischenzellräume vorhanden sind.
Nach der Teilungsfähigkeit der Zellen unterscheidet man Dauer-
gewebe und Teilungsgewebe. Ersteres besteht aus Zellen, die
bereits ihre bestimmte Form angenommen haben und sich nicht
mehr teilen; es findet sich im Holz der Bäume und Sträflicher
und in den Rippen der Blätter. Beim Teilungsgewebe teilen
sich die Tochterzellen immer weiter, während die Mutterzellen
in Dauergewebe übergehen. Teilungsgewebe findet sich vorzugs-
weise an den Neubildungsstellen der Gewächse, an den Spitzen
der Stämme und Zweige und an den Wurzelenden. Röhrenartig
übereinander sitzende Zellen, deren Querscheidewände ganz oder
teilweise verschwunden sind, werden Gefäße genannt, Sie sind
stets unverzweigte Röhren, welche in der Regel Gase, oft auch
49
weißliche oder gelbliche Flüssigkeit enthalten, wie der Löwen-
zahn und das Schöllkraut. Die nebeneinander herlaufenden
Gefäße bilden einen Gefäßbündel. Die Gefäßbündel durch-
ziehen das Gewebe aller höheren Pflanzen, weshalb diese auch
Gefäßpflanzen heißen. Zu ihnen gehören Bäume, Sträucher,
Kräuter und Gräser. Die niederen Pflanzen, wie Moose, Pilze
und Flechten ermangeln der Gefäßbündel und bestehen nur aus
Zellgewebe; sie heißen darum auch Zellpflanzen.
Jeder Gefäßbündel besteht aus dem Holzteile und dem
Bastteile. Die Gefäße des Holzteiles sind mehr oder weniger
verholzt, während der Bastteil aus saftigen Gefäßen gebildet ist.
Gefäß bündel, bei denen zwischen Holz und Bast noch eine Schichte
Teilungsgewebe hegt, vermehren durch Wachstum die Masse des
Holz- und des Bastteiles. Gefäß bündel, denen das Teilungs-
gewebe fehlt, sind eines weiteren Wachstums nicht mehr fähig.
Aus Zellen. Zellgeweben. Gefäßen und Gefäßbündeln sind
die Pflanzenteile gebildet, die Wurzel, der Stamm (Stengel,.
Halm), die Blüte, das Blatt und die Frucht.
Die Wurzel, der abwärtsstrebende Pflanzenteil, dient der Pflanze zur
Befestigung und zur Zuführung der Bodennährstoffe. Man unterscheidet
Haupt- und Nebenwurzel. Die Haupt- oder Pfahlwurzel ist die Verlängerung
des Stammes; ihre Verzweigungen nennt man Nebenwurzeln. Fadenförmige
Auswüchse der Haupt- und Nebenwurzeln heißen Wurzelfasern. Bei vielen
Pflanzen kommt die Hauptwurzel nicht zur Eutwickelung und wird durch
Nebenwurzeln ersetzt. Die Wurzel ist entweder holzig (Baum, Strauch), oder
fleischig (Hübe). Ihre Gestalt ist fadenförmig- (Getreide), walzenförmig (Moer-
rettig), spindelförmig (Gelbrübe), rundlich (Radiesrhen), oder handförmig
(Knabenkraut). Bei manchen Pflanzen ist die Wurzel einjährig ißohne, Erbse),
bei andern zweijährig (Reps) und bei vielen ausdauernd (Baum, Strauch,
Spargel, Klee).
Der Stamm hat eine der Wurzel entgegengesetzte, gewöhnlich aufwärts-
strebende Richtung. Er leitet die von der Wurzel eingesogenen Nahrungssätte
zu den Blätter, Blüten und Früchten (Adhäsion, Haanöhrchenanziehung). Man
unterscheidet unterirdische und oberirdische Stämme. Unterirdische Stämme
sind Zwiebeln, Knollen und Wurzelstöcke. Zwiebeln (Tulpe) sind schalig und
schuppig; Knollen (Kartoffel) rundlich und fleischig und Wurzelstöcke (Klee)
kriechend und ausdauernd. Oberirdische Stämme sind der Holzstamm (Baum,
Strauch), der Stengel (Kräuter) und der Halm (Gräser). Die Holzstämme
sind entweder ungeteilt oder geteilt. Ungeteilte Stämme haben keine Aeste
und tragen am Gipfel eine Blätterkrone (Palme). Bei geteilten oder verästelten
Stämmen erfolgt die Verästelung entweder dicht über dem Boden (Strauch)
oder in einer gewissen Höhe über dem Boden (Baum). Das innere, ältere Holz
des Stammes ist fest und heißt Kernholz, das äußere und jüngere dagegen
ist weich und wird Splintholz genannt. Das Kernholz schließt das Mark ein,
das bei den Bäumen allmählich vertrocknet. Um das Splintholz liegt der Bast
und über diesem die Rinde. Die Stengel sind meist von einjähriger Dauer
und bleiben fleischig und saftig. Sie sind entweder walzenförmig (Maiblume),
oder kantig (Hülsenfrüchte). Bei vielen Pflanzen ist der Stengel aufrecht, bei
andern kletternd (Erbse), kriechend (Gurke), oder windend (Hopfen, Winde).
Der Halm ist hohl und durch Knoten in Glieder abgeteilt. Die Knoten ver-
leihen dem Halme Festigkeit.
50
Das Blatt ist ein seitlicher Auswuchs des Stammes und seiner Ver-
zweigungen mit vorherrschender Flächenausdehnung. Es ist krautig, lederartig
oder fleischig und hat grüne Färbung. Viele Blätter sind gestielt, andere
ungestielt oder sitzend. Nach der Form unterscheidet man linealische, lanzett-
förmige, eirunde, pt'oil-, herz- und nierenförmige Blätter. Nach der Rand-
bildung gibt es ganzrandige (Liguster), gezähnte (Schlüsselblume), gesagte (Rose),
gekerbte (Veilchen), gebuchtete (Eiche) und gelappte (Weil rebe) Blätter.
Wachsen aus einem gemeinsamen Blattstiele mehrere Blättchen hei vor, so bilden
sie ein zusammengesetztes Blatt (Akazie). Die Blätter sind von Nerven durch-
zogen Der durch die Mitte des Blattes ziehende Hauptnerv wird Mitte,Irippe
genannt. Die Gräser haben geradnervige, die Obstbäume und viele Kräuter
dagegen winkelnervige Blätter. Die Blätter haben den Zweck, die den Pflanzen
zum Wachstum nötige Kohlensäure aus der Luft aufzunehmen und unter der
Einwirkung des Sonnenlichtes in der Weise zu zersetzen, daß ein Teil des
Sauerstoffes an die Luft zurückgegeben wird, der Rest aber sich mit den
Elementen des Wassers zu organischen Verbindungen vereinigt, welche Kohlen-
stoff, Wassei stoff und Sauerstoff enthalten. Dieser für das Wachstum der
Pflanzen bedeutsame, durch die Blätter bewirkte Umbildungsprozeß wird
Assimilation genannt.
Die Blüte hat den Zweck, Frucht und Samen zu erzeugen, wodurch
die Fortpflanzung ermöglicht wird. Eine vollständige Blüte besteht aus Kelch
Blumonkrone, Staubgefäßen und Pistill oder Stempel. Der Kelch bildet die
äußere grüne Hülle der Blüte. Die Kelchblätter stehen entweder frei (Hahnen-
fuß). oder sie sind verwachsen (Taubenkropt). Der verwachsene Kelch kann
radförmig, glockig, röhrig, trichterförmig und bauchig sein. Die Blumenkrone
wird von den gefärbtem Blütenblättern gebildet. Die Blütenblätter sind entweder
freistehend oder verwachsen. Eine Blumenkrone mit freistehenden Blättern
kann regelmäßig (Kreuzbliite), oder unregelmäßig (Schmetterlingsblüte) sein.
Blumenkronen mit verwachsenen Blättern sind entweder röhrig (Schlüssel-
b ume), glockig (Glockenblume), trichterförmig (Winde), radförmig (Kartoffel)
oder lippentörmig (Bienensaug, Wiesensalbei). Die Staubgefäße bestehen aus
Staubfaden und Staubbeutel. Letzterer enthält den aus gelblichen Körnchen
bestehenden Blütenstaub. Der Stempel steht in der Mitte der Blüte. Der
untere Teil desselben heißt Fruchtknoten, der mittlere Griffel, der obere Narbe.
Bei manchen Pflanzen fehlt der Griffel, und die Narbe sitzt dann unmittelbar
auf dem Fruchtknoten. Die Anordnung und Stellung der Blüten am Stengel
nennt man Blütonstand. Der Blütenstand bildet eine Aehre (Wegerich, Korn),
ein Kätzchen (Weide), einen Kolben (Mais), eine Traube (Johannisbeere), eine
Dolde (Petersilie), eine Rispe (Hafer), einen Strauß (Kastanie), ein Köpfchen
(Klee) oder ein Körbchen (Löwenzahn, Distel). Bei den meisten Pflanzen
stehen Staubgefäße und Stempel in derselben Blüte, bei andern getrennt auf
derselben Pflanze (Katzchenblütler) und bei einigen sogar getrennt auf ver-
schiedenen Pflanzen (Hanf).
Bei der Befruchtung gelangt der Blütenstaub auf die Narbe des
Stempels und von da durch den hohlen Griffel hinab zum Fruchtknoten, der
alsdann anschwillt und sich zur Frucht ausbildet.
Die Frucht entwickelt sich also aus dem Fruchtknoten. Man unter-
scheidet an ihr Fruchthülle und Samen. Nach der Beschaffenheit der Hülle
teilt man die Früchte in trockene und fleischige. Trockene Früchte sind die
Schalfrucbt (Getreide), die Nuß (Mandel), die Hülse (Erbse, Bohne), die Schote
(Reps) und der Zapfen (Kiefer, Tanne). Fleischige Früchte sind das Steinobst
(Kirsche), das Kernobst (Apfel, Birne), die Beere (Heidelbeere) und die Schein-
frucht (Erdbeere), an welcher der Blütenboden fleischig geworden ist und die
einzelnen Früchtchen einschließt.
^er Samen ist die zur Reife gekommene Samenknospe, die sich zum
Samen kern entwickelte. Der Samenkern enthält den Keimling und das Samen-
mweiß, welches dem wachsenden Keimling zur ersten Nahrung dient. Der
Keimling ist der Anfang des werdenden Pflänzchens und besteht aus dem
51
"Würzelchen, den Keimblättchen und dem Knöspchen, das sich zum Stämmchen
(Stengel) entwickelt. Nur die höheren Pflanzen: Bäume, Sträucher, Kräuter
und Gräser pflanzen sich durch Samen fort und werden daher auch Samen-
pflanzen genannt. Bei den niederen Pflanzen, den Moosen, Pilzen, Farn-
kräutern und Flechten erfolgt die Fortpflanzung durch Keimkörnchen oder
Sporen, die zur Zeit der Reife durch diese Pflanzen ausgestreut werden.
Solche Pflanzen nennt man daher auch Sporenpflanzen.
Das Leben der Pfliinzen. Die Pflanzen sind wie die
Tiere organische Wesen. Sie leben, d. h. sie entwickeln sich
aus Keimlingen oder Sporen, nehmen Nahrung ein, assimilieren
diese, scheiden unbrauchbare Stoffe aus, wachsen, pflanzen sich
fort, sterben ab und verwesen. Die Verwesung bewirkt die
Auflösung des Pflanzenkörpers in seine Bestandteile: die un-
organischen Teile werden zu Asche, die organischen mischen sich
in Gasform der Luft bei. Die hauptsächlichsten Lebensäußerungen
der Pflanzen sind die Ernährung und die Neubildung. Alle
Stoffe, die zur Ernährung der Pflanzen dienen können, heißen
Pflanz eil nähr Stoffe. Diese tragen wesentlich zur Erhaltung,
Neubildung und Vergrößerung der Pflanzenteile bei. Die wich-
tigsten Pflanzennährstoffe sind: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauer-
stoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Eisen, Kalium, Calcium und
Magnesiumsalze.
Den Kohlenstoff, aus dem zum größten Teil die Trocken-
substanz der Pflanze besteht, erhält diese nur durch Zersetzung
der Kohlensäure der atmosphärischen Luft. Den Wasserstoff
erhält sie durch Zersetzung des Wassers und des Ammoniaks.
Der Sauerstoff gelangt teils als Kohlensäure, teils als Wasser in
die Pflanze. Der Stickstoff wird der Pflanze durch stickstoff-
haltige Bodenbestandteile zugeführt. Schwefel und Phosphor, die
zur Bildung der Eiweißstoffe nötig sind, erhält die Pflanze durch
Schwefel- und phosphorsaure Bodensalze. Das Eisen, welches
zur Bildung des Blattgrüns unentbehrlich ist, gewinnt die Pflanze
aus eisenhaltigen Bodenbestandteilen. Die Nahrungsaufnahme
kann nur in flüssigem oder in gasförmigem Zustande erfolgen
und wird bei den höheren Pflanzen durch Blätter und Wurzeln,
bei den niederen durch ihre ganze Oberfläche betätigt. Unter
Mitwirkung des Sonnenlichtes und der Wärme erfolgt dann die
weitere Verarbeitung derselben zu organischen Stoffen, wie
Stärke, Eiweißkörper, Cellulose, Zucker und Fett, aus welchen
sich die einzelnen Pflanzenteile bilden. Diese Umwandlung
nennt man Stoffwechsel und ist abhängig von Boden, Wärme,
Licht, Luft, Wasser und Salzen.
Die Neubildung der Pflanzen geschieht durch Fort-
pflanzung und durch Vermehrung. Die Fortpflanzung erfolgt
bei den Samenpflanzen durch Befruchtung, wie dieses bei der
Besprechung der Blüte und ihrer Teile näher angegeben wurde.
Die Sporenpflanzen dagegen streuen — wie schon erwähnt —
ihre Sporen oder Keimkörner umher und veranlassen auf diese
52
Weise ihre Fortpflanzung. Die Vermehrung wird bei gewissen
Pflanzen (Erdbeere) durch Ausläufer, d. i. über dem Boden
hinziehende Aeste bewirkt, die an ihren Spitzen Wurzeln treiben
und dann selbständige Pflanzen bilden. Weinreben, Weiden und
Pappeln werden durch Stecklinge vermehrt. Es sind dies
abgeschnittene Zweige, die in den Boden gesteckt werden, wo
sie Wurzeln ziehen und sich zu selbständigen Pflanzen entwickeln.
Bei Obstbäumen wird die Vermehrung und Veredlung durch
Kopulieren, Pfropfen und Okulieren betätigt. Beim Kopulieren
werden die schiefen Schnittflächen möglichst passend zusammen-
gefugt und mit Bast verbunden. Das Pfropfen ist das Ein-
schieben eines keilförmig zugeschnittenen Edelreises in einen
Spalt des Wildlings. Beim Okulieren wird eine Knospe, die
man mit einem Stückchen Rinde vom Edelreis loslöste, in
einen T-förmigen Einschnitt der Rinde des Wildlings eingeschoben
und die Wunde luftdicht verbunden. Durch das Okulieren erhält
der Wildling nur geringe Verletzung.
Die Kulturpflanzen der Heimat. Die wichtigsten Pflanzen,
welche bei uns auf den Aeckern und Wiesen angebaut werden,
sind 1. die Getreidearten: Weizen, Spelz, Korn, Gerste und
Hafer; 2. die Futtergewächse: Wiesengras, Klee, Futterrübe,
Wricke; 3. die Küchengewächse: Kohl, (Weiss- und Rot-
kraut), Kartoffel, Weissrübe, Gelbrübe, Zwiebeln und Hülsen-
früchte und 4. die Handelsgewächse: Reps, Mohn, Lein oder
Flachs, Hanf, Hopfen, Tabak, Zuckerrübe und Cichorie. In
den Gärten pflanzt man hauptsächlich: Spinat, Salat, Schwarz-
wurzel, Rettich, Lauch, Petersilie, Sellerie, Spargel, Gurke und
die Gewürzkräuter (Auis, Kümmel, Fenchel, Majoran und Bohnen-
kraut;. Ganz besondere Pflege erfährt der Weinstock, der
namentlich an den östlichen Abhängen der Haardt Weine von
hervorragender Güte liefert. Auch auf den Anbau der Obstbäume
wird bei uns grosse Sorgfalt verwendet. Diese nutzbaren Ge-
wächse erfordern nur wenig Mühe und spenden oft sehr reichen
Ertrag.
Die für uns wichtigsten Pflanzen der Fremde sind die
Baumwollenpflanze, die Teepflanze, der Kaffeebaum, der Kakao-
baum, das Zuckerrohr und die Gewürzpflanzen.
Die Baumwollenplanze kommt als Kraut, als Staude und
als Baum vor. Sie stammt aus Arabien, wird aber heute in Ost-
indien, in Aegypten und in Nordamerika angepflanzt. Ihre Blüten
sind gelb, ihre Früchte nussgrosse Kapseln mit vielen in Wolle
gebetteten Samenkörnern. Zur Zeit der Reife springen die Kapseln
auf und die weisse oder gelbliche Wolle quillt hervor. Nun
werden die Kapseln geerntet und die Körner von der Wolle
entfernt. Die Baumwolle wird sodann in Ballen verpackt, in den
Handel gebracht und versendet.
53
Die Teepflanze ist ein Strauch, der aus Indien stammt
und im Laufe der Zeit nach Japan und nach China verpflanzt
wurde. Heute findet man auch auf Sumatra, Java und Korea
ausgedehnte Teefelder. Vom Teestrauch werden nicht die Früchte,
sondern die lederartigen Blätter, welche das Tein enthalten, ein-
geerntet. Die jüngsten und saftigsten Blätter werden am meisten
geschätzt und teuer bezahlt, Die Blattknospen liefern die
zartesten Blättchen, die als Kaisertee nur am kaiserlichen Hofe
in China verwendet werden. Es werden zwei Teearten zum
Verkaufe gebracht, grüner und schwarzer Tee. Beide stammen
von der gleichen Pflanze; je nach der Art der Behandlung beim
Trocknen bekommen die Blätter grüne oder schwärzliche Färbung.
Der Kaffeebaum ist ein 3—7 m hoher Baum mit eiförmi-
gen Blättern und wohlriechenden Blüten. Er stammt aus Nord-
afrika, wurde nach Arabien verpflanzt und ist heute fast über
die ganze heisse Zone verbreitet. Grosse Mengen von Kaffee
versenden namentlich Amerika und Ostindien. Die kirschähnliche
Frucht des Kaffeebaumes enthält zwei Samen, die sogenannten
Kaffeebohnen. Diese werden gesammelt, in Säcke gepackt und
in den Handel gebracht. Der wirksamste Bestandteil des Kaffees
ist das Kaffein, welches bei mässigem Genüsse eine behagliche
Erregung des Körpers verursacht.
Der Kakao bäum hat seine Heimat in den heissen Ge-
bieten Amerikas. Seine langgestreckten Früchte enthalten mandel-
förmige Samen, die Kakaobohnen genannt werden. Die Kakao-
bohnen werden alljährlich zweimal geerntet, getrocknet und in
den Handel gebracht. Diese enthalten einen dem Kaffein und Tein
ähnlichen Bestandteil, Ivakoin genannt, ferner Stärkemehl und
Eiweiss. Aus den Kakaobohnen wird Schokolade hergestellt.
Das Zuckerrohr ist eine unserem Schilfrohre ähnliche
Pflanze, die namentlich in den Südstaaten der nordamerikanischen
Union und auf der Insel Cuba häufig angeflanzt wird. Der Halm
dieser Pflanze enthält einen süssen Saft, aus dem der Zucker
gewonnen wird. Die Halme werden zur Zeit der Reife abge-
schnitten und in einer Mühle ausgepresst. Der Saft wird dann
eingedampft und in hölzerne Bottiche gebracht, wo er kristallisiert,
ln Zuckerfabriken wird er dann weiter verarbeitet.
Die Gewürzpflanzen, deren Früchte oder sonstigen Be-
standteile zur Zubereitung der Speisen verwendet werden, sind:
die Pfefferpflanze, der Muskatnussbaum, der Zimtbaum, der
Gewürznelkenbaum und die Vanillpflanze. Die in den tropischen
Ländern heimische Pfefferpflanze trägt erbsengrosse Fruchtbeeren.
Unreife Beeren geben den schwarzen, reife Beeren geben den
weissen Pfeffer Der Pfeffer kommt ganz und gemahlen in den
Handel. Der Muskatnussbaum wächst auf den Molukken oder
Gewürzinseln. Seine Frucht ist eine Kapsel, in der die Muskat-
nuss eingeschlossen ist. Die Heimat des Zimtbaumes ist die
Insel Ceylon. Der braungelbe Zimt, der in dünnen Röhrchen
54
in den Handel kommt, ist die Rinde der jüngeren Aeste dieses
Baumes. Gestossener Zimt ist häufig gefälscht. Der Gewürz-
nelkenbaum ist ebenfalls auf den Molukken heimisch. Beine
Blütenknospen kommen als Gewürznelken in den Handel. Die
Vanillpflanze wächst in den heissen Gegenden Amerikas. Ihre
Frucht ist eine schotenförmige Kapsel mit vielen Samen; aus
letzteren wird die Vanille bereitet.
Verwertung der Pflanzenstofte in der Heimat. Die
Bilanzen und Pflanzenstoffe finden mannigfache Verwertung.
Viele derselben dienen Menschen und Tieren zur Nahrung und
sind zur Erhaltung derselben unentbehrlich, da sie den Stoff-
wechsel, welchen das Leben unausgesetzt erfordert, herbeiführen.
Andere Pflanzen liefern das Material zur Herstellung von Kleidungs-
stoffen, und wieder andere finden in verschiedenen Gewerben und
in der Industrie vielseitige Verwendung.
Nahrung und Nahrungsstoife. Durch die Lebenstätig-
keit nützt sich der Körper in allen seinen Teilen fortwährend
ab. Beim Atmen bilden sich durch den vom Sauerstoff unter-
haltenen Verbrennungsprozess fort und fort abgenützte Stoffe,
die durch Blutstrom und Atmung aus dem Körper entfernt und
durch stete Blutbildung wieder ersetzt werden müssen. Stoffe,
welche die zur Bildung des Blutes nötigen Bestandteile enthalten,
nennen wir Nahrungsstoffe. Diese müssen dem Körper in ge-
regelter und ausreichender Weise zugeführt werden. Die wich-
tigsten Nahrungsstoffe sind Eiweisstoffe, Fettstoffe, Fettbildner
(Stärke und Zucker), Salze und Wasser.
Eiweißst offe sind stickstoffhaltige Nährstoffe, welche Fleisch und
Nerven bilden und durch keine anderen Stoffe ersetzt werden können. Durch
entsprechende Aufnahme von Eiweißstoffen wird der Körper zu außerordent-
lichen Leistungen befähigt, während Eiweißmangel den allmählichen Verfall
des Körpers herbeitührt.
Die Fettstoffe bilden die Fettablagerungen in und zwischen den ein-
zelnen Körperorganen, geben den bei der Arbeit nötigen Atem und Schweiß
und sind das Heizunysmaterial des Körpers Fettgenuß befähigt den Körper
zu großen Anstrengungen. Bei ungenügender Fettaufnahme verzehrt dieser
sein eigenes Fett und magert ab.
Die Fettbildner (Stärke und Zucker) liefern dem Körper Kraft und
Wärme, jedoch in weit geringerem Maße als die eigentlichen Fettstoffe
Die Salze machen die Nahrungsmittel schmackhaft, befördern die
Verdauung und tragen zur Bildung von Knochen, Nägeln und Haaren bei.
Das Wasser verdünnt das Blut und macht es flüssig, unterhält und
fördert den Ernährungsprozeß und ist ein wesentlicher Bestandteil aller unserer
Organe. Es muß in großer Menge im Körper vorhanden sein, weil nur in ihm
die Nährstoffe bewegt und für die Durchdringung aller Körperteile ausreichend
verdünnt werden.
Wir nehmen unsere Nahrungsstoffe aus dem Tier-, Pflanzen- und Mineral-
reiche. Das Tierreich bietet die meisten Eiwe ßstoffe, das Pflanzenreich die
meisten Fettstoffe und Fettbildner und das Mineralreich die meisten Salze.
Pflanzliche Nahrungsstoffe, Nährwert. Wir entnehmen
dem Pflanzenreiche als Nahrungsmittel Hülsenfrüchte, Getreide,
Kartoffeln, Gemüse, Pilze, Obst und Pflanzenfette.
55
Die Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen und Linsen) über-
treffen das Fleisch an Nährwert und enthalten hauptsächlich Fett-
bildner (Stärke) und Eiweisstoff. Sie sind billiger als Fleisch
und können als Erzeuger der Kraft die Fleischkost vollständig
ersetzen. Für Leute, die anstrengend arbeiten müssen, sind
Hülsenfrüchte sehr zuträglich. Nur müssen sie richtig zubereitet,
weich gekocht, durchgeschlagen und mit Salz und Butter schmack-
haft gemacht werden. Zum Kochen eignet sich weiches, kalk-
freies Wasser am besten. Hartem Wasser setzt man etwas
Natron oder Soda zu.
Die Getreidearten (Weizen, Gerste, Korn, Hafer, Mais
und Reis) stehen an Nährwert den Hülsenfrüchten nur wenig
nach und enthalten vornehmlich Eiweiss und Stärke. Aus Hafer,
Gerste, Mais und Reis lassen sich eine Reihe billiger und nahr-
hafter Gerichte lierstellen. Weizen und Korn dienen ausschliess-
lich zur Mehlbereitung. In der Mühle wird die Schale entfernt
und der mehlige Kern zu feinem weissem Pulver, Mehl genannt,
zerkleinert. Die dabei zurückbleibende gröbere Masse rührt von
der Schale her und wird Kleie genannt. Das Mehl besteht aus
Stärke und Kleber (Eiweiss). Je mehr Kleber das Mehl enthält,
desto nahrhafter ist es. Weizenmehl hat grösseren Gehalt an
Kleber als Kornmehl. Weizen- und Kornmehl werden allenthalben
zur Herstellung des Brotes und anderer Backwaren verwendet.
In Gebirgsgegenden müssen auch Gerste und Hafer als Brotfrüchte
dienen.
Das Backen. Bei der Bereitung des Brotes wird Mehl
und Wasser zu Teig angerührt, dieser durch Zusatz von Hefe
oder Sauerteig in Gärung versetzt und hierauf tüchtig vermengt
und durchknetet. Alsdann wird der Teig in Laibe geformt und
diese im geheizten Backofen gebacken. Weissbrot wird aus
Weizenmehl und Schwarzbrot aus Kornmehl hergestellt. Frisches,
gutes Brot hat einen kräftigen Geruch, eine braune Rinde und
eine lockere und poröse Krume.
Die Kartoffel steht an Nährwert den Hülsefrüchten und
dem Getreide weit nach. Sie enthält ausser Wasser ziemlich
viel Stärkemehl, aber nur wenig Eiweisstoff, ln Verbindung mit
eiweisshaltigen Nährstoffen wie mit Fleisch. Eiern oder Hülsefrüchten
ist sie eine schätzbare Kost, die man selbst bei täglichem Genüsse
nicht leidig wird.
Die Gemüse sind arm an Nährstoffen. Sie bestehen zumeist
aus Wasser und enthalten nur geringe Mengen von Stärke und
Eiweiss, so dass sie nur in Verbindung mit kräftigen Nahrungs-
mitteln genossen werden sollen. Und doch sind die Gemüse
kühlende und erfrischende Nahrungsmittel, die unserem Körper
wichtige Salze zuführen, das Wohlbefinden befördern und den
Appetit auregen. In Gefässen (Büchsen) luftdicht verschlossen
und eingedünstet, bleiben die Gemüse lange haltbar. Doch sind
schon häufig Vergiftungen durch solche Büchsengemüse verursacht
56
worden, die bei mangelhaftem Verschlüsse durch Zutritt von Luft
in Fäulnis geraten waren.
Die Pilze sind reich an Eiweisstoff und kommen an Nähr-
wert den Hülsefrüchten gleich. Sie übertreffen weit die Gemüse
und können bei richtiger Zubereitung die Fleischkost ersetzen.
Trotz ihres hohen Nährwertes werden die Pilze nur wenig, als
Speise verwendet, weil beim Einsammeln gar leicht eine Ver-
wechslung giftiger und essbarer Pilze möglich ist. Champignon,
Eier- oder Gelbschwamm, Steinpilz und Morchel sind diebeliebtesten
Speisepilze.
Das Obst hat nur geringen Nährwert und kann eigentlich
nicht als Nahrungsmittel bezeichnet werden. Aber sein Gehalt
an Zucker und Pflanzensäuren macht es zu einem erfrischenden
Genussmittel, das die Verdauung befördert und den Stoffwechsel
anregt. Und doch leben in der heissen Zone Tausende von
Menschen, deren einzige Nahrung Feigen, Datteln und Wasser
ausmachen.
Die Pflanzenfette, wie Kokosnussbutter, Olivenöl, Mandel-
und Nussöl werden zur Zubereitung vieler Speisen verwendet
und sind ihres Fettgehaltes wegen sehr nahrhaft.
Das Kochen. Die meisten pflanzlichen Nahrungsmittel
können nicht roh genossen werden. Man muss sie durch Kochen
für die menschlichen Verdauungsorgane vorbereiten und aufnahme-
fähig machen. Durch das Kochen werden die Speisen zerkleinert,
weich und dadurch leicht verdaulich. Je verdaulicher die Speisen
zubereitet werden, desto leichter können sie von der Magensäure
aufgelöst und in blutbildende Stoffe verwandelt werden. Das
Kochen bewirkt ferner eine völlige Zerstörung der in den
Nahrungsmitteln etwa enthaltenen Krankheitsstoffe und eine Ver-
besserung des Geschmacks der Speisen, was durch die beim
Sieden und Braten sich entwickelnden Wohlgerüche hervorgebracht
wird. Eine verständige Hausfrau sorgt durch Zudecken, Würze-
zugabe und langsames Kochen dafür, dass die Speisen ihren
Wohlgeruch behalten und recht appetitlich auf den Tisch kommen.
Sie wählt zu den Mahlzeiten nahrhafte und doch billige Lebens-
mittel, gibt zu einer weniger nahrhaften Speise stets eine nahrhafte,
sorgt für Abwechslung und schmackhafte Zubereitung und bringt
die Speisen so reichlich auf den Tisch, dass die Familien-
angehörigen sich alle genügend sättigen können. Eine tüchtige
Hausfrau wird grösste Reinlichkeit und löbliche Sparsamkeit beim
Kochen beobachten. Sie wird nur saubere Geschirre und Geräte
in Gebrauch nehmen und sich selber recht reinlich halten. Auch
wird sie mit Heizmaterial und Lebensmitteln möglichst sparsam
umgehen, unnütze Abfälle vermeiden und Speisereste zweckmässig
verwenden.
Die Küchengeschirre und ihre Behandlung. Zur
Zubereitung der Speisen braucht man vor allem einen zweck-
mässig eingerichteten Herd mit gutem Zuge und leicht regulier-
barer Feuerung. Ferner braucht man haltbare und nicht gesund-
heitsschädliche Kochgeschirre. Fast allgemein werden von den
Hausfrauen irdene und metallene Kochgeschirre verwendet.
Erstere sind ihrer Billigkeit wegen sehr beliebt und wo es auf
langsames, gleichmässiges Erhitzen oder Anhalten der Wärme
ankommt, den letzteren vorzuziehen. Nur müssen sie gut glasiert
und hart gebrannt sein, welch letzteres sich durch hellen Ton
beim Anklopfen erkennen lässt. Vor dem Gebrauch müssen neue
irdene Geschirre tüchtig mit Wasser, Salz und Essig ausgekocht
werden, um die nicht völlig eingebrannte giftige Bleiglasur zu
entfernen. In den letzten Jahren kamen Kochtöpfe, Bratpfannen
und Backformen aus feuerfestem Porzellan (Steingut) in den
Handel, die heute in vielen Küchen mit Vorliebe benutzt werden.
Von metallenen Kochgeschirren sind die eisernen Häfen,
Töpfe und Pfannen allgemein in Verwendung. Diese müssen
vor der Benützung längere Zeit mit Salz, Asche und Essig aus-
gekocht werden, damit die darin gekochten Speisen nicht dunkel
gefärbt erscheinen. In neuerer Zeit verwendet man vielfach
emailiertes Eisengeschirr, das wegen seiner Sauberkeit und Haltbar-
keit immer grössere Verbreitung findet. Nur verlangt es vorsichtige
Behandlung, damit das Email nicht abspringt. Das früher so
beliebte und als Schmuck der Küche geltende Kupfer- und
Messinggeschirr wird wegen der durch dieses Geschirr häufig
verursachten Grünspanvergiftungen nur noch selten in Gebrauch
genommen. Dafür findet das Nickelgeschirr in den Küchen mehr
und mehr Eingang. Dieses äusserst gefällige, leichte und doch
sehr haltbare Geschirr ist geeignet, sich in hohem Grade die
Gunst der Hausfrauen zu erwerben. Sämtliche Kochgeschirre
müssen vor dem Gebrauche gründlich gereinigt werden. Man
spült sie mit lieissem Wasser tüchtig aus, schwenkt mit frischem
Wasser nach und trocknet mit reinem Tuche ab. Letzteres muss
bei Kupfer- und Messinggeschirr mit grösster Sorgfalt geschehen,
damit sich kein Grünspan ansetzen kann. Die Aufbewahrung
der Kochgeschirre geschieht am besten in verschliessbaren
Schränken und Kästen.
Aufbewahren der Vorräte. Bei Ankauf grösserer Vor-
räte an Lebensmitteln benütze man die dazu günstigste Zeit, sehe
auf gute Qualität, sei auf sorgfältige Aufbewahrung derselben
bedacht und suche sich durch öfteres Nachsehen vom guten
Zustande derselben zu vergewissern. Alle Mehlwaren (Mehl,
Reis, Gries, Sago, Grütze und Graupen) müssen trocken auf-
bewahrt werden, aber der Luft zugänglich bleiben, damit nicht
Geruch und Geschmack beeinträchtigt werden. Kartoffeln werden
am besten in trockenen, luftigen Kellern untergebracht. Bei
öS
strenger Kälte müssen sie mit Stroh bedeckt werden, damit sie
nicht erfrieren und einen süßlichen Geschmack bekommen.
Rüben, Lauch und Sellerie schlägt man in Sand ein, der sich zu
diesem Zwecke im Keller befindet; sie erhalten sich so lange
frisch und wohlschmeckend. Weiss- und Rotkraut lassen sich
auch durch Aufbewahren in einem trockenen, luftigen Keller
längere Zeit frisch erhalten. Zwiebeln halten sich gut, wenn
man dieselben auf einem luftigen Speicher ausbreitet, bei ein-
tretender Kälte aber auf einen Haufen scharrt. Hülsenfrüchte
lassen sich in irdenen Gefässen monatelang aufbewahren. Das
Obst hält sich am besten auf Lattengestellen, die man im Keller
anbringt. Allwöchentlich aber muss angefaultes Obst ausgelesen und
entfernt werden. Das jetzt vielfach als Speisefett gebrauchte
Palmin ist fettreicher als Butter und hält sich — mit letzterer
zu gleichen Teilen gemischt und ausgelassen — in Steintöpfen
sehr lange. Auch die Speiseöle lassen sich in gut verkorkten
Flaschen längere Zeit aufheben; in offenen Gefässen werden sie
ranzig, was sich durch Geruch und Geschmack bemerkbar macht.
Getränke, Genuss mittel. Das beste und gesündeste
Getränke ist das Wasser. Es sollte jedem zur Gewohnheit
werden, morgens beim Ankleiden, mittags nach Tisch und abends
vor dem Schlafengehen ein Glas frisches Brunnen- oder Quell-
wasser zu trinken. Das Wasser stärkt die Drüsen zur Absonderung
des Magensaftes und fördert die Verdauung. Die aus dem
Pflanzenreiche stammenden Getränke: Wein, Bier Branntwein,
Kaffee, Tee, Kakao und Schokolade sind eigentlich keine Nahrungs-,
sondern nur Genussmittel, obschon sie immerhin einigen
Nährwert enthalten. Sie dienen teils zur Verbesserung des Ge-
schmackes der Nahrungsmittel, teils zur Belebung und Reizung
der Nerven. Bei mässigem Genüsse wirken sie entschieden an-
regend und wohltuend auf den Körper; übermässiger Genuss
hingegen ist von den nachteiligsten Folgen begleitet. Reiner,
unverfälschter Wein ist nahrhafter als Bier, weil er mehr fett-
bildende und salzige Stoffe und weniger Wasser enthält als
dieses. Beide wirken berauschend wegen ihres Alkoholgehaltes
und gehören wie auch der Branntwein zu den geistigen (alko-
holischen) Getränken, die von Erwachsenen nur mässig, von Kindern
aber gar nicht genossen werden sollen; denn der Alkohol ist ein
Gift für den jugendlichen Körper. Ganz besonders muss dem
Genüsse von Branntwein (Arak, Likör, Cognak) widerraten werden.
Weit weniger gefährlich ist der Genuss von Kaffee und Tee,
obwohl diese Getränke auch auf die Nerven wirken und oft Schlaf-
losigkeit verursachen. Kakao und Schokolade sind ziemlich nahr-
hafte Getränke, die Eiweiss- und Fettstoffe enthalten und von
Kindern gerne genossen und gut vertragen werden.
Zu den Genussmitteln gehört auch der Tabak. Leider wird
dem Tabakgenusse namentlich vom männlichen Geschlecht« in
59
einer Weise gefröhnt, dass Nichtrauchende zu den Seltenheiten
gehören. Nun enthält aber der Tabak ein starkes Gift, Nikotin
genannt. Dieses verursacht beim Rauchen, Schnupfen und ekel-
erregenden Kauen Nikotinvergiftungen, die namentlich der heran-
wachsenden Jugend ausserordentlich schädlich sind. Zu früher
Tabakgenuss behindert das Wachstum und vermindert Lebens-
kraft und Arbeitsfähigkeit,
Verdauung. Zur Erhaltung unseres Lebens müssen wir
täglich Nahrung zu uns nehmen. Die Aufnahme erfolgt durch
den Mund. Das Zerkleinern der Nahrung geschieht durch die
Zähne. Die zerkleinerte, mit Speichel vermengte Nahrung gelangt
durch die Speiseröhre in den Magen, der sich unter dem Zwerch-
fell in der oberen Bauchgegend sackförmig ausdehnt. Durch den
Magensaft erhält die aufgenommene Speise die Form eines Breies
von gelblicher Färbung, welcher Speisebrei oder Chymus genannt
wird. Ein Teil dieser durch den Magensaft aufgelösten Nähr-
stoffe wird durch die Blutgefässe der Magenwände aufgesogen
und gelangt unmittelbar in das Blut. Die noch nicht völlig ver-
dauten oder gelösten Stoffe treten aus dem Magen in den Darm-
kanal ein und werden hier durch die aus der Leber zufliessende
Galle weiter zersetzt. Die nahrungsfähigen Stoffe werden durch
die Lymphgefässe dem Blute zugeführt, während die unbrauch-
baren Teile nach abwärts gedrängt und aus dem Körper entfernt
werden Die Milz, links oben am Magen, sowie die zu beiden
Seiten der Lendenwirbel liegenden Nieren nehmen auch am Vor-
gänge der Verdauung teil.
Die Verdauung erleidet sehr häufig Störungen, die durch
Diätfehler, Ueberladung des Magens, Erkältung des Unterleibes
und mangelhafte Blutzirkulation veranlasst werden und Appetit-
losigkeit, Verstopfung, Erbrechen, Leibschmerzen und Durchfall
im Gefolge haben. Gewöhnlich wird solchen Erscheinungen keine
besondere Ai f nerksamkeit zugewendet; aber es ist mit Erkrank-
ungen im Verdauungsapparat niemals leicht zu nehmen, da sie
mitunter sehr schlimm verlaufen. Warmhalten des Unterleibes,
nicht zu enge Kleidung, aufrechte Haltung, kräftige Atmung und
zweckmässige Bewegung können nicht dringend genug ange-
raten werden.
Alkoholismus. Uebermässiger Genuss alkoholreicher
Getränke wirkt unheilvoll auf das Nervensystem, das dadurch
mehr oder weniger gereizt und aufgeregt wird. Auf jede Er-
regung folgt naturgemäss eine Abspannung, die man durch er-
neute Zufuhr von Alkohol zu heben sucht. So wird der Alkohol-
genuss leicht zur Gewohnheit, die in der Regel in Trunksucht
ausartet, welche den allmählichen Verfall des menschlichen
Organismus herbeiführt. Alle Säufer leiden an chronischem
Magenkatarrh, der oft Magenkrebs zur Folge hat. In vielen
Fällen tritt Herzkrankheit auf, die in Wassersucht ausartet, welche
60
den Tod herbeiführt. Die körperliche und geistige Leistungs-
fähigkeit geht beim Säufer von Tag zu Tag zurück; es schwinden
Gedächtnis, Energie und Tatkraft. Von Stufe zu Stufe sinkend,
ist er nur von dem verderblichen Triebe beherrscht, seine Alko-
holgelüste zu befriedigen, bis er endlich — sich selber über-
drüssig — zur Mordwaffe greift. Lieber Jüngling, ziehe daraus
die Nutzanwendung!
Kleidung, Kleidungsstoffe. In gesundem Zustande
beträgt unsere Körperwärme 37 72 ° C. Die Erhaltung dieses
Wärmegrades ist für unser körperliches Wohlbefinden von großer
Wichtigkeit. Um nun unsere Körperwärme immer auf gleicher
Höhe zu erhalten, tragen wir im Winter schwere, im Sommer
leichte Kleider. Durch die Kleidung suchen wir also die Körper-
wärme zu regulieren und den Körper vor zu starker Abkühlung
wie vor erhöhter Erwärmung zu schützen. Die Kleidungsstoffe
erhalten wir teils aus dem Pflanzen-, teils aus dem Tierreiche.
Pflanzliche Kleidungsstoffe, deren Gewinnung
und Verarbeitung. Pflanzliche Kleidungsstoffe sind: Baum-
wolle, Lein oder Flachs, Hanf und Nessel.
Baumwolle wird in großen Fabriken zu langen Fäden
gesponnen, die in Webereien zu Baumwollstoffen verarbeitet
werden. Die bekanntesten sind Kattun, Kaliko, Schirting, Damast,
Barchent, Musselin und Baumwollsamt.
Lein oder Flachs ist die Faser des Stengels der Lein-
pflanze. Die Stengel werden gedörrt und gebrochen, wobei sich
die Fasern loslösen. Diese werden dann solange durch die mit
Stahlspitzen besetzte Hechel gezogen und ausgekämmt, bis sie
von sämtlichen Holzteilen gereinigt sind. Der Lein oder Flachs
wird in Fabriken zu Garn gesponnen, aus dem Zwirn, Leinwand,
Spitzen und andere Leinenzeuge hergestellt werden.
Hanf wird größer als Flachs und liefert längere und gröbere
Fasern. Die Gewinnung der Fasern geschieht wie beim Flachs.
Der Hanf wird zu Garnen gesponnen, die in Webereien zu Zeugen
gewoben werden, welche etwas gröber und kräftiger sind als
Leinenzeuge. Aus den feineren Hanfgeweben fertigt man Tisch-
und Bettzeug, sowie verschiedene Kleidungsstücke, gröbere
dienen als Segel- und Zelttücher.
Nessel gibt ein seidenartiges Gewebe von großer Haltbar-
keit. Die Nesselfasern stammen von der Nesselpflanze, die bei
uns als Unkraut wächst, in einigen Ländern Asiens aber in
Menge angepflanzt wird. Nesselgewebe sind fein und gefällig
und tragen sich gut, weshalb sie gerne gekauft werden.
Weitere Verarbeitung von Pflanzenstoffen erfolgt
in den verschiedenen Gewerben und in Fabriken. Bei Herstellung
der Seife werden große Mengen Pflanzenfett verbraucht. Stärk-
fabriken verarbeiten große Quantitäten Kartoffeln, Zuckerfabriken
61
erhebliche Mengen Zuckerrüben. Aus Reps und Mohn wird in
Oelfabriken Brenn- und Maschinenöl gewonnen. Manche Pflanzen
und Pflanzenstoffe finden in Färbereien, andere in Essigsiedereien
Verwendung. In Korbflechtereien verarbeitet man Weiden, in
Seilereien Hanf und Werg. Aus Stroh werden Strohhüte, Stroh-
decken und Strohsohlen angefertigt. Holzfasern benutzt man zur
Herstellung von Celluloid und Papier. Schreiner, Wagner, Schiff-
bauer, Zimmerleute, Stuhlmacher und Holzschnitzer verarbeiten
große Mengen von Holz. Eichenrinde dient als Lohe zum Gerben
des Leders. Der Polsterer nimmt Seegras zum Polstern der
Möbel und zum Auffüllen der Matratzen. Der Maurer verwendet
Schilfrohr zum Verrohren der Decken und Wände. Aus vielen
Pflanzen und Pflanzenstoffen werden in den Apotheken heilsame
Arzneien bereitet.
Verhütung von Krankheiten. Es ist ernste Pflicht
des Menschen, auf die Erhaltung der Gesundheit bedacht zu sein.
Zu diesem Zwecke ist es notwendig, für richtigen Stoffwechsel
zu sorgen. Dieser wird erzielt und gefördert durch hinreichenden
Genuß blutbildender Nahrungsstoffe und häufige Bewegung in
frischer Luft. Man esse und trinke nur, wenn man Bedürfnis
dazu fühlt, doch nie im Uebermaß. Die Speisen müssen fein
zerkaut dem Magen zugeführt werden. Sie sind dann leicht
verdaulich und geben doppelte Kraft. Zur Schonung der Zähne
vermeide man zu heiße und zu kalte Speisen und Getränke.
Auf das Essen soll eine größere Ruhepause folgen.
Zur Verhütung von Krankheiten ist ferner ein geregelter
Blutlauf unerläßlich, damit das Blut zu allen Körperteilen gelangt,
auf seiner Bahn nährende Stoffe abgibt und die Ausscheidung
untauglicher Stoffe veranlaßt. Die Blutzirkulation wird gefördert
durch entsprechende Bewegung, kräftige Atmung und Blutver-
dünnung durch reichlichen Wassergenuß. Auch Bäder und kalte
Waschungen wirken erregend auf den Blutlauf, kräftigen die
Nerven und bewirken einen gesunden Schlaf. Soll der Körper
zu neuer Tagesarbeit gekräftigt werden, so muß man ihm die
nötige Ruhe und Erholung gönnen.
Zur Verhütung von Krankheiten ist es weiterhin notwendig,
den Körper vor Erkältungen und heftigen Gemütserregungen zu
bewahren.* Auch kann nicht dringend genug angeraten werden,
bei äußerlichen Verletzungen und Geschwüren die nötige Sorgfalt
nicht außeracht zu lassen.
Drittes Jahr.
Die heimischen Haustiere nach Pflege und Nutzung.
Die Haustiere waren von jeher die steten Begleiter der Menschen.
Aus dem Innern Asiens zogen sie mit diesen westwärts, kamen
mit ihnen nach Europa und folgten ihnen bei ihrer Ausbreitung
62
nach allen Gegenden der Erde. Menschen und Haustiere haben
sich im Laufe der Jahrhunderte so von einander abhängig gemacht,
daß die einen ohne die anderen nicht mehr bestehen können.
Die Haustiere versorgen die Menschen mit den unentbehrlichsten
Lebensmitteln, geben ihnen viele im Gewerbsleben verwendbare
Stoffe und unterstützen sie treulich bei der Arbeit. Für all’
diese Nutzung beanspruchen sie nur ausgiebige Fütterung, liebe-
volle Behandlung und gute Pflege.
Bei der Fütterung ist namentlich darauf bedacht zu
nehmen, daß den Tieren solche Stoffe im Futter gegeben werden,
welche die Bestandteile ihres Körpers ausmachen. Die Tiere
bestehen wie die Pflanzen aus organischen und unorganischen
Teilen. Die organischen Bestandteile sind entweder stickstoff-
haltig oder stickstoffrei. Stickstoffhaltige Bestandteile sind das
tierische Eiweiß, der tierische Faserstoff und der tierische Käse-
stoff, die namentlich die Trockensubstanz des Tierkörpers aus-
machen. Stickstoffreie Bestandteile sind die Fette, die sich in
größerer oder geringerer Menge in den verschiedenen Körper-
teilen befinden. Die unorganischen Bestandteile des Tierkörpers
bleiben beim Verbrennen als Aschenprodukte zurück und bestehen
aus Schwefel- und phosphorsauren Alkalien, phosphorsaurer Kalk-
und Talkerde, Eisenoxyd, Chlorkalium und Chlornatrium. Fast
zwei Drittel des Körpergewichtes macht das Wasser aus, welches
alle Gewebe und Organe durchdringt.
Alle diese Stoffe nun müssen den Tieren im Futter gereicht
werden, da sie diese zur Bildung der verschiedenen Körperteile
nötig haben. Stickstoffhaltige Futtermittel sind Grünfutter, Ge-
treidekörner und Hülsenfrüchte. Diese sind die vornehmsten
Fleisch- und Blutbildner, während die stickstoffreien Futtermittel:
Oelkuchen, Mais, Kleie, Wiesenheu, Stroh. Kartoffeln und Rüben
zur Unterhaltung des Atmungsprozesses und Erzeugung der
Körperwärme dienen und zur Fettbildung beitragen. Die nötigen
unorganischen Bestandteile (Alkalien und Salze) erhalten die
Haustiere in Rüben, Kartoffeln, Kleeheu, in den Stengeln der
Hülsenfrüchte, in den Samen der Getreidearten, Hülsen- und
Oelfriichte und in den Fabrikationsrückständen (Malzkeime,
Treber, Schlempe). Die Futtermenge richtet sich nach der Vieh-
gattung, nach dem Alter, nach der Art der Nutzung und nach
der Zusammensetzung und dem Nährwert der Futtermittel. Doch
ist stets zu bedenken, daß nur bei reichlicher Nahrung reichlicher
Nutzen erwartet werden kann. Zweckmäßige Zubereitung und
regelmäßige Fütterung steigern die Nutzung ganz erheblich. Zer-
kleinern und Kochen der Wurzel- und Knollengewächse machen
diese verdaulicher und nährkräftiger. Stroh, Heu und Grünfutter
werden nährender, wenn man sie auf der Häckselmaschine
schneidet, dann mit Spreu vermengt und anbrüht. Körnerfrüchte
sollen geschroten und angefeuchtet verfüttert werden. Etwas
63
¡Salz zur Tränke gegeben, befördert die Verdauung und steigert
die Freßlust. Im Winter soll die Tränke lauwarm gereicht werden.
Zum Gedeihen der Haustiere gehört ferner richtige Pflege.
Die Reinhaltung der Ställe und der darin stehenden Tiere trägt
wesentlich zum Wohlbefinden der letzteren bei und das Einhalten
regelmäßiger Futterzeiten wirkt vorteilhaft auf den Gesundheits-
zustand derselben ein. Die meisten Erkrankungen der Haustiere
sind auf Erkältungen und Verdauungsstörungen, oft auch auf
äußere Verletzungen zurückzuführen. Man versäume nie, erkrankte
Tiere einem erfahrenen Tierarzte in Behandlung zu geben. Kur-
pfuscher und Quacksalber können mehr schaden als nützen.
Unsere wichtigsten Haustiere sind: Kuh, Pferd, Schaf,
Ziege, Schwein, Huhn, Gans, Ente und Taube.
Die Kuh ist das nützlichste Haustier. Ihr Gebiß besteht
aus Schneide- und Backenzähnen. Erstere stehen nur im Unter-
kiefer; der Oberkiefer hat statt derselben eine Knorbelleiste.
Der plumpe Körper ist mit verschiedenfarbigen glatten Haaren
bedeckt. An jedem Fuße sind zwei Hufe; die Kuh ist also ein
Zweihufer. Sie verzehrt nur Pflanzennahrung, die sie zuerst grob
kaut, dann verschluckt und später wiederkaut. Sie gehört also
zu den Wiederkäuern. Ihr Magen hat vier Abteilungen. Die
erste und größte heißt Wanst, die zweite Netzmagen, die dritte
Blättermagen, die vierte Labmagen, an den sich der Darm an-
schließt. Die Kuh bestellt unsere Aecker und düngt sie und gibt
uns Milch, aus der wir Butter und Käse bereiten. Nach ihrem
Tode finden Fleisch und Knochen, Haut und Haare, Blut und
Fett, Hörner und Klauen vielfache Verwendung. Das Junge der
Kuh heißt Kalb. Dieses wächst zum Rinde heran. Das erwach-
sene männliche Rind heißt Ochs. Erwachsene weibliche Rinder
werden Kühe.
In Deutschland und in der Schweiz züchtet man am liebsten
die sogenannte Tallandrasse, die sich zur Arbeit, Mast und Milch-
nutzung vorzüglich eignet. Dazu gehören das Schweizer Scheck-,
das Simmentaler-, das Neckar- und Frankenvieh. In der Pfalz
züchtet man mit Vorliebe die Donnersberger- und die Glanrasse.
Milchvieh füttert man am besten mit Grünfütter, gekochten
Weißrüben, Oelkuchen, rohen Kartoffeln und Schlempe. Salz
und reichliche Tränke bewirken reichliche Milchabsonderung. In
der Nähe großer Städte ist der Verkauf die vorteilhafteste Ver-
wertung der Milch. Auf dem flachen Lande und im Gebirge
verlegt man sich auf rationelle Butter- und Käseerzeugung.
Etwa 15 1 Milch geben 1 kg Butter. Arbeitsvieh wird am zu-
träglichsten mit kräftigem Heu oder Grünfütter gefüttert; auch
Körnerschrot, Repskuchen, Treber und Schlempe können als
Zugabe gereicht werden. Zur Arbeit, Zucht und Milchnutzung
untauglich gewordene Tiere sucht man durch Mästung vorteilhaft
zu verwerten. Die Dauer der Mästung hängt hauptsächlich vom
64
Alter der Tiere und der Qualität des Futters ab und beansprucht
in der Regel vier bis fünf Monate. Zuerst wird Heu oder Grummet,
später Wurzelwerk und zum Schlüsse Kornschrot verfüttert.
Rasche Mästung gewährt den größten Vorteil.
Krankheiten des Rindviehs sind Trommel- oder Blähsucht,
Rinderpest und Milzbrand. Erstere wird durch Fütterung mit
jungem Klee, der im Magen auf blähende Gase bildet, veranlaßt.
Gefährlich ist die Rinderpest, durch deren Auftreten der Wohl-
stand ganzer Gegenden gefährdet wird. Sie ist eine Verhärtung
des Blättermagens, der sich kugelförmig zusammenzieht. Durch
Absperrung ganzer Gegenden und Tötung angesteckter Tiere
sucht man die weitere Ausbreitung zu verhindern. Der Milzbrand
ist eine durch Bakterien veranlaßte Zersetzung des Blutes; er
ist tödlich und auch auf Menschen übertragbar.
Das Pferd, das in Asien und Südamerika noch wild vor-
kommt, hat einen langgestreckten mageren Kopf mit großen,
lebhaften Augen und sehr beweglichen Ohren. Das Gebiß besteht
aus Schneide- und Backenzähnen; zwischen diesen ist eine Lücke.
Das Pferd hat an jedem Fuße eine mit hornartigem Hufe um-
gebene Zehe und gehört darum zu den Einhufern. Es frißt
Hafer, Spelz, Gerste, Roggen, Bohnen, Wicken, Klee, Heu, Rüben
und Kartoffeln; auch Schwarzbrot ist ein verdauliches und nahr-
haftes Pferdefutter. Als Tränke verlangt es reines, nicht zu
kaltes Wasser, dem man eine Hand voll Kleien beimengen kann.
Schlankheit, sowie Festigkeit und Einfachheit im Bau der Glied-
maßen kennzeichnen das Pferd als behendes und ausdauerndes
Tier. Dabei ist es klug, mutig und gelehrig. Furchtlos trägt
es den Reiter ins Schlachtengetümmel, bedächtig zieht es Wagen,
Pflug, Egge und Walze. Aus seiner Haut macht man Leder,
aus seinen Haaren Polster; aus seinen Hufen und Knochen be-
reitet man Dünger und Leim. Pferdefleisch dient vielen Menschen
zur Nahrung. Das männliche Pferd heißt Hengst, das weibliche
Stute. Das Junge der Stute wird Füllen genannt.
Die arabischen Pferde gelten als die edelsten und schönsten.
Edle einheimische Pferderassen sind die normännische und mecklen-
burgische Rasse. Auch in Ostpreußen, Württemberg, Baden,
Bayern und in der Pfalz werden veredelte, woldgebaute und
ausdauernde Plerde gezüchtet, die zur Arbeit und zum Reiten
vorzüglich geeignet sind. Das Gedeihen des Pferdes erfordert
sorgsame Pflege, schonende Behandlung und Reinlichkeit und
Regelmäßigkeit beim Füttern. Striegeln, Bürsten, Waschen und
Schwemmen sind sehr zu empfehlen, ebenso die Reinigung und
Lüftung des Stalles. Strengei und Kolik sind häufig auftretende
Pferdekrankheiten, welche gleich den seltener vorkommenden
Huferkrankungen sachkundige ärztliche Behandlung erfordern.
Das Schaf ist ein Zweihufer und Wiederkäuer wie das
Rind. Es ist ein schwächliches und zu anstrengenden Beweg-
ungen untaugliches Tier. Luftfeuchtigkeit und wässeriges Futter
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sind ihm wenig zuträglich. Es liebt gemässigtes Klima und ge-
deiht am besten in Herden, die auf die Weide getrieben werden.
Das Schaf wird seiner Wolle und seines Fleisches wegen ge-
züchtet. Das männliche Schaf heisst Widder, junge Schafe
werden Lämmer genannt.
Während des Sommers werden die Schafe auf der Weide
ernährt. Trockene Weiden mit kräftigen Gräsern und Kräutern
sind die geeignetsten zum Gedeihen der Herde; sumpfige Weide-
plätze sind hiezu wenig tauglich. Bei günstiger Witterung lässt
man die Schafe auch nachts auf dem Felde, damit sie dasselbe
düngen oder pferchen. Bei nassem und kaltem Wetter werden
sie in geräumigen, trockenen und luftigen Ställen untergebracht
und täglich zwei- oder dreimal mit Heu, Bohnenstroh, Kartoffeln,
Rüben, Oelkuchen, Schlempe oder Trebern gefüttert. Auch ist es
ratsam, ihnen ab und zu frisches Wasser und ein wenig Salz zu
geben
Das Gedeihen der Schafe hängt zumeist von der Fflege der-
selben ab. Diese erfordert vor allem Reinlichkeit des Körpers
und der Wolle. Nasse Weiden, unzuträgliches Futter, hastiges
Treiben an heissen Tagen, kaltes Trinken in erhitztem Zustande
und Aufenthalt im Freien bei ungünstiger Witterung verursachen
den Schafen allerlei Krankheiten, wie Durchfall, Klauenseuche,
Blähsucht, Räude, Drehkrankheit und Milzbrand. Alle diese
Krankheiten erfordern eine ärztliche Behandlung.
Die feinste Wolle trägt das spanische Merinoschaf. Im
westlichen und mittleren Deutschland züchtet man das schlicht-
wollige deutsche Schaf, das mit ziemlich langer und grober
Wolle bekleidet ist, die zumeist schmutzigweisse, oft auch bräun-
liche und schwarze Färbung hat. In Bayern, Oesterreich und
der Schweiz wird das Zaupelschaf gezüchtet, dessen Fell aus
mittellanger gerollter Wolle und kurzen Haaren besteht und
gelblichweiss oder schwarz, oft auch gescheckt ist. Die Schafe
werden gewöhnlich zu Anfang des Sommers geschoren. In den
Spinnereien unterscheidet man die Wolle in Tuch- und Kamm-
wolle. Erstere ist zart, fein und etwas fettig und eignet sich
zur Tuchbereitung; letztere ist lang und schlicht und wird zur
Herstellung glatter Kammgarnstoffe verwendet.
Die Ziege ist ebenfalls ein Zweihufer und Wiederkäuer.
Sie hat für die ärmere Volksklasse, der die Haltung einer Kuh
nicht möglich ist, als Melkvieh grossen Wert. Kein anderes
Haustier gibt bei gleichem Kostenaufwand solch grossen Nutzen
als die Ziege; sie liefert bei gleicher Futtermenge den doppelten
Milchertrag als die Kuh. Bei uns beschränkt sich die Ziegen-
zucht auf eingefriedigte Weiden und auf Ställe mit freiem Vor-
raum. Die Ziegen, deren Jungen Zicklein oder Kitzchen genannt
werden, fressen am liebsten Laubwerk, Gemüseblätter, Rüben,
gedämpfte Kartoffeln, Heu- und Küchenabfälle, denen man etwas
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Balz zufügt, Ziegenmilch ist sehr nahrhaft, hat aber einen
eigentümlichen Beigeschmack, der durch sorgfältige Pflege und
Reinhaltung der Tiere und des Stalles vermindert werden kann.
Sie wird vielfach zur Käsebereitung verwendet. Das Fleisch der
Zicklein wird gerne gegessen. Aus Ziegenhaut bereitet man
Jeines Leder.
Das Schwein hat einen seitlich zusammengedrückten
Rumpf, der auf kirzen Beinen ruht und mit Borsten besetzt ist.
Jeder Fuss hat vier in Hufe eingekleidete Zehen, von denen nur
die beiden grösseren den Boden betreten. Das Schwein ist
darum ein Vielhufer. Der kegelförmige Kopf läuft in einen
fleischigen Rüssel aus. Die Eckzähne sind aufwärts gekrümmt
und ragen im Alter hervor. Die Schweine sind äusserst gefrässig
und verschmähen keine Nahrung. Sie wühlen gerne nach Wurzeln
und Knollengewächsen. Sie nützen durch Fleisch, Fett und
Borsten. Junge Schweine heissen Spanferkel.
In vielen Gegenden werden die Schweine im Sommer und
Herbst auf die Weide getrieben. Sie finden dann tagsüber aus-
reichende Nahrung, besonders in Buchen- und Eichenwäldern, und
erhalten nur abends gekochtes Wurzelwerk, Kleien und Küchen-
abfälle als Zugabe. Im Winter werden die Schweine in Ställen
gehalten, täglich dreimal mit Kleien, Knollengewächsen, Körner-
schrot, Schlempe oder Küchenabfällen gefüttert, die man mit
lauwarmem Wasser vermengt. Die Mästung der Schweine ist
sehr nutzbringend. Junge Tiere mästen sich rascher als ältere;
erstere liefern zartes und schmackhaftes Fleich, letztere mehr Fett.
Das Gedeihen der Schweine hängt viel von der richtigen
Pflege ab. Dazu gehört Reinhaltung des Tieres, des Stalles und
Futtertroges und regelmässige Fütterung. Die gewöhnlichen
Krankheiten der Schweine sind Bräune, Rotlauf, Milzbrand und
Finnen. Das Fleisch mancher Schweine ist mit Trichinen be-
haftet, die durch den Genuss rohen Schinkens in den mensch-
lichen Magen gelangen und die gefährliche Trichinenkrankheit
verursachen, die häufig tödlichen Ausgang hat.
Das Haushuhn ist verschieden an Grösse und Färbung.
Der runde Kopf trägt oben einen fleischigen, ausgezackten Kamm.
Vom Unterschnabel hängen zwei rote Fleischläppchen herab. Der
Rumpf ist schwer, die Flügel sind kurz und gewölbt. Der Schwanz
ist dachförmig und beim Hahn mit langen Sichelfedern geschmückt.
Die Beine sind mit 4 stumpfbekrallten Zehen versehen und zum
Scharren eingerichtet. Die Hühner werden ihrer Eier und ihres
Fleisches halber als Haustiere gehalten. Sie verlangen einen
trocknen und ziemlich warmen Stall. Im Sommer lässt man sie
frei umherlaufen und sich einen Teil ihrer Nahrung selbst suchen.
Doch muss man sie einmal täglich hinreichend mit Küchen-
abfällen, Salat, Kartoffeln, Mais, Hafer oder Gerste füttern und
sie öfters mit frischem Wasser versorgen. Bei mangelhafter
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Pflege, ungenügendem oder schlechtem Futter, ungesundem Wasser
oder zu kaltem Stalle werden die Hühner von allerlei Krank-
heiten befallen. Die häufigsten derselben sind Pips (Verhärtung
der Zunge), Ruhr, Gicht, Darre, Katarrh, Augenkrankheiten u. a..
Die Gans stammt von der ihr an Grösse ähnlichen Wild-
oder Graugans ab. Ihr Körper ist eiförmig, der Hals lang und
sehr beweglich. Am kleinen Kopf sitzt ein orangegelber Schnabel
mit gezähntem Rande. Den schwerfälligen Leib decken zwei
grosse Flügel. Die kurzen Schwimmtüsse stehen weit zurück.
Die Gans nützt durch ihre Eier, ihr Fleisch, ihr Fett und ihre
Federn. Sie nimmt ihre Nahrung fast nur aus dem Pflanzenreiche.
Man gibt ihr Getreide, Hülsenfrüchte, Gelbrüben, Gemüseabfall,
Gras, Klee, Wasserpflanzen. Stehendes oder fliessendes Wasser
ist ihr unentbehrlich. Das Stopfen eingesperrter Gänse, wie es
behufs Mästung vielfach noch gebräuchlich ist, muss als Tier-
quälerei bezeichnet werden, ebenso das Rupfen derselben bei
lebendigem Leibe.
Die Ente wird ihrer Eier und ihres Fleisches wegen im
Hause gehalten. Sie hat ein buntes Gefieder. Der Schnabel ist
gelbgrün, die kurzen Füsse sind orangegelb. Der Schnabel ist
so lange wie der Kopf und vorn flach und breit. Die Ente
schwimmt vortrefflich und taucht dabei häufig unter, um im
Schlamm nach Würmern, Schnecken, Insekten, jungen Fröschen
und Fischen, auch nach Wasserpflanzen zu wühlen. Sie ist eine
schlechte Brüterin; man legt darum den Hühnern Enteneier zum
Ausbrüten unter. Die Mästung der Enten geschieht wie bei
Gänsen und ist in drei Wochen beendet.
Die Tauben werden weniger des Nutzens als der Lieb-
haberei wegen im Hause gehalten. Sie haben einen am Grunde
weichen Schnabel. Die Flügel sind lang und spitz, das Gefieder
ist dicht und anschließend. Die Tauben leben paarweise. Ihre
Jungen werden aus dem Kropfe gefüttert. Die Nahrung der
Taube besteht ausschließlich aus Körnern, die sie im Kropfe
aufweicht. Ihres Fleisches wegen ist sie geschätzt; doch richtet
sie auf Feldern oft Schaden an. Der Flug der Taube ist außer-
ordentlich schnell; sie legt in der Stunde über 70 km zurück
(Brieftaube). Die bekanntesten Taubenarten sind: die Trommel-,
Kropf-, Pfauen-, Brief- und Purzeltauben.
Ausländische Haustiere sind das Renntier, das Kamel und das
Lama. Das Renntier ist das Rind des Norden-. Es kommt nur in den
Polargebieten vor und liefert den dortigen Bewohnern Kleidung, Milch und
Fleisch. Das Kamel wird zum Reiten und Lasttragen durch die Sandwüsten
Asiens und Afrikas benützt und gibt den Bewohnern Milch, Fleisch und Wolle.
Das Lama wird in Südamerika als Haustier gehalten und zum Lasttragen
verwendet. Es nützt durch sein Fleisch, seine Milch, Wolle und Haut.
Die Tiere als Gehilfen und Feinde des Landmannes
und Gärtners. Außer den heimischen Haustieren, die wir als
Freunde der Menschen kennen gelernt haben, gibt es noch eine
fi8
Reihe anderer Tiere, die sich in Feld und Garten mehr oder
weniger nutzbar erweisen und mit Recht als Gehilfen des
Landmannes und Gärtners bezeichnet werden können. Dazu
gehören: der Hund, die Katze, die Fledermaus, der Maulwurf,
die Spitzmaus, der Igel, der Rabe, der Mäusebussard, der Kuckuck,
die Schleiereule, der Würger, der Storch, die Schnepfe, die Sing-
vögel, die Schildkröte, die Kröte, die Spinne, die Schlupfwespe
und (las Marienkäferclien.
Der Hund ist eines der nützlichsten Tiere. Er bewacht Haus, Hof
und Herde, verteidigt seinen Herrn, hilft bei der Jagd, tötet Mäuse und Ratten
und wird außerdem in manchen Gegenden als Zugtier benützt. Die Katze
befreit Haus, Scheuer und Garten von Mäusen und Ratten. Die Fledermaus
macht sich als Vertilgerin schädlicher Insekten sehr nützlich. Maulwurf
und Spitzmaus verzehren eine Menge schädlicher Würmer und Insekten-
larven. Der Igel frißt Insekten, Schnecken, Würmer, Schlangen und Mäuse
und erweist sich dadurch als ungemein nützlich. Der Rabe reinigt den
gepflügten Acker von Engerlingen und Würmern. Der Mäusebussard und
die Schleiereule machen sich durch Mäusevertilgung dem Landmanne
nutzbar. Der Kuckuck und der Würger werden als eifrige Insekten- und
Raupenvertilger vom Landmanne und Gärtner sehr geschätzt. Die Sing-
vögel, wie Schwalben, Drosseln, Meisen, Nachtigallen, Grasmücken, Lerchen
und Finken stehen wegen der Vertilgung schädlicher Insekten, Raupen und
Larven in großer Achtung. Der Storch und die Schnepfe machen sich
durch Massenvertilgung schädlicher Insekten, Würmer, Schnecken und Mäuse
um die Landwirtschaft verdient. Eidechse, Frosch und Kröte leben von
Insekten, Schnecken und Würmern und säubern den Boden von diesen Schäd-
lingen. Viele Gärtner setzen Schildkröten in ihren Garten, weil diese
eine Menge kleiner Schädlinge vertilgen. Auch die Spinnen fangen und
töten viele 11'ine Insekten, welche der jungen Saat schädlich werden können.
Die Schlupfwespen legen ihre Eier in den Körper anderer Insekten, die
daran zugrunde gehen. Dadurch werden sie nützlich im Haushalte der Natur,
indem sie der Vermehrung schädlicher Insekten entgegenarbeiten. Die
Marienkäfer vertilgen die schädlichen Blattläuse.
Als F einde des Landmannes und Gärtners müssen alle die
größeren und kleineren Lebewesen bezeichnet werden, welche
die Kulturpflanzen im Waehstume schädigen oder vollständig
zerstören, aber auch jene Tiere, welche den Freunden und Ge-
hilfen des Landmannes und Gärtners nachstellen nnd ihnen den
Garaus machen. Als solche Feinde gelten: Wildschwein, Fuchs,
Iltis, Marder, Wiesel, Hamster, Hase, Maus, Ratte, Maulwurfs-
grille, Ackerschnecke, Engerling, Maikäfer, Getreidelaufkäfer,
Schnellkäfer, Erbsenkäfer, Kornrüsselkäfer, Rebenstecher, Erdfloh,
Kolorado- oder Kartoffelkäfer, Hecken- und Kohlweißling, Apfel-
wickler, Kornmotte, Wanderheuschrecke, Blattlaus, Reblaus und
Blattmilbe.
Das Wildschwein wird in Feldern, die an den Wald angrenzen,
durch Wühlen nach Knollengewächsen schädlich. Der Fuchs nährt sich von
Hasen und jungen Rehen, wodurch er der Jagd schadet; auch bricht er in
Hühnerställe ein und verursacht dem Landmann oft großen Schaden. Marder,
Iltis und Wiesel werden dem Hausgeflügel oft sehr gefährlich. Der
Hamster verursacht nicht selten großen Schaden in Getreidefeldern und
wird darum vom Landmanne eifrig verfolgt. Der Hase schadet durch Be-
nagen der Feldfrüchte und der Rinde junger Bäume. Maus und Ratte
benagen alles Genießbare und werden durch ihre starke Vermehrung oft zu
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großer Plage. Die Maulwurfsgrille ist ein äußerst schädliches Insekt, das
die Wurzelfasern zernagt. Die A ck er s chn ee ke richtet häutig in Gärten
und Feldern durch ihre Gefräßigkeit große Verheerungen an. Der Enger-
ling zerstört Wurzeln, der Maikäfer Blätter und Blüten, wodurch Land-
mann und Gärtner geschädigt werden. Der Getreidelaufkäfer verursacht
durch Benagen der jungen Saat erhebliche Beschädigungen. Der Schnell-
käfer zerstört als Larve viele Pflanzen wurzeln und richtet dadurch auf Feld
und Wiesen beträchtlichen Schaden an. Der Erbsenkäfer legt seine Eier
in die Hülsen der Erbsen. Die daraus entstehenden L irven höhlen die Erbsen-
körner aus und veranlassen durch massenhaftes Auftreten namhaften Schaden.
Der K ornrüsselkäf er, auch Kornwurm genannt, ist ein sehr schädliches
Insekt, das oft große Getreidevorräte vernichtet. Er sticht die Getre'dekörner
an und legt seine Eier hinein. Die daraus entstehenden Larven fressen das
Mehl aus und lassen nur die äußere Schale übrig. Der Rebstecher durch-
sticht die Blattstiele des Rebstockes, legt seine Eier auf die Innenseite der
Blätter und rollt diese zusammen, so daß sic verdorren und abfallen. Der
Erdfloh ist den Gemüsepflanzen, Runkelrüben und anderen Gewächsen sehr
schädlich, während der Kolorado- oder Kartoffelkäfer in Kartoffel-
feldern große Verheerungen anrichten kann. Hauptfeinde des Gärtners und
Landmannes sind die Raupen verschiedener Schmetterlinge. Dio aus den
Eiern des Baum- oder Heckenweißlings entstandenen Raupen zernagen
die Blätter der Obstbäume und bilden im Herbste an den Zweigen der Bäume
mit dichtem Gespinste überzogene Raupennester, aus denen im Friihlinge
Tausende von Kaupen hervorkriechen und Blätter und Blüten zerstören. Die
Raupen des Kohlweißlings zernagen die Blätter des Weißkrautes und
anderer Gemüsepflanzen. Die aus den Eiern des Apfelwicklers ent-
standenen Räupchen bohren sich in die jungen Früchte ein und leben in den-
selben bis zum Herbste. Dann kriechen sie aus den Früchten hervor und
verpuppen sich in den Ritzen der Rinde. Die Räupchen der Korn motte
dringen in die Getreidekörner ein und höhlen diese vollständig aus. Oefteres
Umschaufeln des Gotreidehaufens und Lüften des Speichers läßt diese Schäd-
linge nicht aufkommen. Die Wanderheuschrecke erscheint in trockenen
Jahren in großer Gesellschaft auf Wiesen und Feldern, verzehrt Gras uud
Kräuter, selbst das Laub der Bäume. Die Blattläuse leben auf jungen
Zweigen und Blättern des Rosenstrauches und Apfelbaumes und beschädigen
diese durch Entziehen des Saftes. Man sucht sie durch Bestreuen mit Kalk-
mehl und durch Abbürsten und Waschen zu entfernen. Die Reblaus ist
ein winziges gelbes Insekt, das auf der Wurzel des Rebstockes lebt und die
ganze Pflanze zugrunde richtet. Angegriffeno Rebstöcke müssen ausgegraben
und der Boden durch geeignete Mittel von diesem schädlichen Insekte gereinigt
werden. Dio schädlichen Blattmilben bedecken Blätter und Stengel ge-
wisser Pflanzen und müssen wie die Blattläuse entfeint werden.
Verwertung tierischer Rohprodukte. Die tierischen
Rohprodukte finden im Haushalte und in den Gewerben vielfache
Verwendung und Verwertung. Manche derselben sind wichtige
Nahrungsstoffe, die uns zum Leben geradezu unentbehrlich sind.
Andere dienen zur Herstellung von Kleidungsstoffen und wieder
andere finden in den verschiedenen Gewerben weitere Verarbeitung.
Tierische Nahrungsstoffe, Nährwert. Die wich-
tigsten Nahrungsmittel, welche uns das Tierreich bietet, sind
Milch, Butter, Käse, Eier, Blut, Fett und Fleisch.
Die Milch ist ungemein nahrhaft und enthält alle zum
Aufbau und zur Erhaltung des Körpers nötigen Stoffe, wie
Wasser, Milchzucker, Käsestoff (Kasein), Eiweiß, Fett und Salze.
Ziegenmilch ist reicher an Zucker, aber ärmer an Käsestoff und
70
Fett als Kuhmilch. Läßt man die Milch längere Zeit stehen, so
steigen die kleinen Fettkügelchen, die in derselben schweben
und ihr die weiße Färbung geben, in die Höhe und können als
Rahm oder Sahne abgeschöpft werden. Entrahmte Milch ist
bläulichweiß und wird Magermilch genannt. Magermilch ist
leichter verdaulich als Vollmilch. Bleibt die Milch 3—4 Tage
stehen, so verwandelt sich der in ihr enthaltene Milchzucker in
Milchsäure, wodurch das Gerinnen der Milch bewirkt wird.
Geronnene Milch heisst Dick- oder Sauermilch. Das Gerinnen
kann durch geringen Zusatz von doppeltkohlensaurem Natron
einige Zeit verzögert werden. Gute, ungewässerte Milch hat
weisse Farbe, süssen Geschmack und den eigentümlichen Milch-
geruch. Ein Tropfen, in reines Wasser gegossen, sinkt darin unter.
Die Butter. Der von der Vollmilch abgeschöpfte Rahm
wird in dem Butterfass längere Zeit gerührt oder gestossen, wo-
durch die eigentlichen Fettkügelchen sicli vom Wasser und Käse-
stoff trennen und zu einem Butterklumpen vereinigen. Die im
Fasse zurückbleibende Flüssigkeit heisst Buttermilch. Sie besteht
aus Käsestoff, Milchsäure, kleinen Butterkügelchen und Wasser
und hat immer noch einigen Nährwert. Gute Butter hat hohen
Fettgehalt, gelblichweisse Färbung, angenehmen Geruch und siiss-
lichen, nusskernartigen Geschmack. Alte Butter bildet Fettsäure
und schmeckt dann ranzig.
Der Käse. Aus Magermilch entstandene Dick- oder Sauer-
milch wird in ein Sieb geschüttet, damit die sauere Molke abläuft.
Im Sieb bleibt der weisse Käse, auch Quark genannt, zurück,
der in vielen Gegenden zu Brot oder Quellkartoffeln mit Vorliebe
gegessen wird. Mit Salz und Kümmel gemengt, wird derselbe
in der Regel mit der Hand in rundliche Form gebracht und an
der Luft getrocknet. Nach einiger Zeit werden die getrockneten
Handkäse in ein Gefäss gesetzt, damit sie reif, d. i. weich und
speckig werden. Das Reifen ist eine Zersetzung des Käsestoffes,
die sich durch eigentümlichen Geruch bemerklich macht. Ueber-
reifer Käse hat säuerlichen Geruch und scharfen Geschmack und
ist nur schwer zu verdauen. In der Schweiz, im Algäu und in
Holland bereitet man Käse aus Vollmilch. Dieser enthält also
Rahm oder Fett und heisst daher auch Rahm- oder Fettkäse.
Der Käse besitzt wegen seines Eiweissgehaltes bedeutenden
Nährwert.
Die Eier sind in rohem und gekochtem Zustande ein vor-
zügliches Nahrungsmittel, das alle zur Bildung des Blutes nötigen
Bestandteile enthält. Das Ei besteht aus Eiweiss und Dotter.
Ersteres ist eine helle, schleimige Masse, die beim Kochen gerinnt.
Der Dotter ist die vom Eiweiss eingeschlossene rötlichgelbe
Flüssigkeit, die namentlich aus Eiweiss, nebst geringen Mengen
Käsestoff, Phosphor, Eisen und Schwefel besteht und beim
Kochen zu einer Kugel zusammenläuft. Eier sind in Verbindung
71
mit festen, gut zerkauten Speisen leicht verdaulich und Genesenden,
Blutarmen und Bleichsüchtigen sehr zu empfehlen. Frische und
gute Eier lassen beim Schütteln kein Geräusch vernehmen und
sinken im Wasser unter.
Das Blut wird seines hohen Nährwertes halber zur Zu-
bereitung verschiedener Speisen und zur Herstellung der Blut-
wurst verwendet. Kommt das Blut mit der Luft in Berührung,
so gerinnt es. Dabei setzt sich im Gefässe eine dichte, rote Masse
— Blutkuchen genannt — nieder, über der eine helle, gelbliche
Flüssigkeit steht, die man Blutwasser nennt. Der Blutkuchen
besteht aus eiweisshaltigem Faserstoffe, der im lebenden Blute
flüssig ist, beim Gerinnen aber faserig wird und aus roten, eiweiss-
lialtigen Blutkörperchen, die in ungeheuerer Zahl im Blute ent-
halten sind und ihm die rote Färbung geben. Das Blutwasser
enthält Wasser nebst geringen Teilen Eiweiss, Fett und Salz.
Der Nährwert des Blutes beruht auf seinem Eiweiss- und Fett-
gehalte.
Das Fett ist ebenfalls ein sehr wichtiges Nährmittel, welches
dem Körper namentlich zur Bildung der Nerven, des Gehirns
und Rückenmarks notwendig ist. Wir gemessen das Fett zumeist
in Verbindung mit dem Fleische. Auch wird es vielen fettarmen
Speisen bei der Zubereitung beigemengt. Das Fett enthält
Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff und wird durch die Ver-
dauung zersetzt. Bei diesem Vorgänge entwickelt sich die
Körperwärme. Die Bewohner kalter Länder gemessen reines
Fett und Tran, um die nötige Körperwärme zu erhalten, die sie
befähigt, das kalte Klima zu ertragen. Tierische Fette sind
Schweineschmalz, Rindstalg, Hammeltalg, Gänsefett und Fisch-
tran. Uebermässiger Fettgenuss erregt Magensäure (Sodbrennen),
verdirbt den Magen und stört die Verdauung.
Das Fleisch. Die von zahlreichen Blutgefässen durch-
zogenen Muskeln nennen wir Fleisch. Das Fleisch besteht aus
Muskelbündeln, diese aus Muskelsträngen und letztere aus rot-
gefärbten Muskelfasern. Aus dem Fleische lässt sich ein rötlicher
Saft pressen, den man Fleischsaft nennt. Dieser enthält Wasser,
Eiweiss, Zucker und Salze und verleiht dem Fleische Geruch
und Geschmack. Der Fleischsaft ist in und zwischen den Fasern
enthalten. Die Gewebe und Häute, welche die Fasern und
Bündel umgeben, bilden bei längerem Kochen eine leimartige
Masse, ähnlich der Gallerte oder dem Gelee, das durch Aus-
kochen der noch mit Fleischteilen umgebenen Kalbsknochen ge-
wonnen wird. Der hohe Nährwert des Fleisches lässt sich daran
erkennen, dass Fleischkost geniessende Arbeiter weit leistungs-
fähiger sind als solche, die hauptsächlich von Pflanzenkost leben.
Die stickstoffreichen Nährstoffe des Fleisches brauchen nämlich
im menschlichen Körper nur geringe Umwandlungen durchzu-
machen, um wieder zu Blut, Fleisch oder Nervenmasse zu
72
werden, welche Muskel- und Nervenkraft, Energie und Ausdauer
bewirken.
Zubereitung, Die Beschaffenheit der Fasern bedingt die
grössere oder geringere Nahrhaftigkeit und die leichtere oder
schwerere Verdauung des Fleisches. Je weicher, mürber und
lockerer die Fasern von Natur aus sind oder durch Zubereitung
gemacht werden, desto nährender und verdaulicher sind sie. Das
Fleisch junger Tiere hat zarte und leicht lösliche Fasern, während
die Fleischfasern älterer Tiere zäher, fester und schwerer löslich
sind. Zähes Fleisch kann durch Klopfen, durch Aufhängen in
frischer Luft und durch Einlegen in Essig oder Sauermilch mürbe,
wohlschmeckend und verdaulich gemacht werden. Durch Kochen,
Braten und Dämpfen wird die Verdaulichkeit des Fleisches
wesentlich gefördert, weil alsdann der Magensaft die Fasern
leichter durchdringen und aufiösen kann. Geschabtes rohes
Fleisch ist sehr nahrhaft und leicht verdaulich. Am nahrhaftesten,
verdaulichsten und wohlschmeckendsten wird das Fleisch, wenn
bei der Zubereitung alle nährenden Bestandteile darin zurück-
gehalten werden. Dies lässt sich am besten dadurch erreichen,
dass man durch starkes Erhitzen die Eiweisstoffe der äusseren
Fleischschichte zum Gerinnen bringt und so das Ausfiiessen des
Fleischsaftes behindert.
Um durch Kochen kräftiges und saftiges Fleisch zu er-
halten, muss man dasselbe in kochendes Wasser legen, damit
das Gerinnen des Eiweisses rasch erfolgt und das Auslaufen des
Fleischsaftes unmöglich ist. Dadurch erhält man allerdings eine
magere Fleischbrühe. Es ist nicht möglich, saftiges, wohl-
schmeckendes Fleisch und zugleich eine kräftige Fleischbrühe zu
gewinnen. Will man aber eine kräftige Fleischbrühe erhalten,
so legt man das Fleisch in kaltes Wasser und lässt dieses all-
mählich zum Sieden kommen. Eiweiss und Fleischsaft gehen
dann in das Wasser über und bilden eine kräftige Brühe, während
das Fleisch trocken, faserig, zähe und schwer verdaulich wird.
Die Fleischbrühe hat zwar wenig Nährwert, ist aber ein schätz-
bares Genussmittel, welches das Nervensystem belebt und den
Sto fwechsel anregt. Eine aus wenig Wasser und vielem Fleisch
bereitete Brühe, Kraftbrühe genannt, ist nicht nur nahrhaft,
sondern auch leicht verdaulich und bei Magenleiden und schlechter
Verdauung selbst dem Fleische vorzuziehen.
Beim Braten bildet sich an der Oberfläche des Fleisches
eine Kruste, welche den Fleischsaft zurückhält, wodurch das
Fleisch saftig, kräftig und wohlbekömmlich wird. Kleinere Fleisch-
stücke werden durch längeres Braten leicht trocken, wenn sie
nicht fortgesetzt mit Fett überträufelt werden. Bratenbrühe oder
Sauce besteht aus dem in der heissen Pfanne braungewordenen
Fleischsafte, dem Fettübergusse und den zugegebenen Gewürzen.
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Beim Dämpfen des Fleisches erfolgt das Weich- und Gar-
werden durch Einwirkung des Dampfes ohne namhaften Verlust
an Fleischsaft. Gedämpftes Fleisch ist saftiger und nahrhafter
als gekochtes, steht jedoch in jeder Hinsicht dem gebratenen
Fleische nach. Wird das Fleisch mit Fett gedämpft oder ge-
schmort, bleibt es besonders saftig und kräftig.
Beim Einsalzen oder Einpökeln und Räuchern des
Fleisches leidet die Verdaulichkeit desselben, weil die Fasern
trockener und unlöslicher werden.
Das Aufbewahren des Fleisches geschieht am besten in
einem kühlen, luftigen und staubfreien Raum. Legt man das
Fleisch auf Eis, wird es mürbe und zart und zum Braten be-
sonders geeignet. Geräucherte Fleischwaren lassen sich sehr
lange aufbewahren, wenn sie an einem luftigen Raum au f'gj hängt
werden.
Die Fische, welche eine nahrhafte und wohlfeile Kost liefern und
darum seitens der Haustrauen größere Beachtung verdienten, unterscheidet
man in fettreiche und fettarme. Aal, Lachs und Hering gehören zu den fett-
reichen, Schellfisch, Stocküsch, Hecht, Barsch und Karpfen zu den fettarmen
Fischen. Letztere werden mit Zugabe flüssiger Butter genossen, was den
Fischgenuß etwas verteuert.
Verdauung, Verdauungsorgane. Durch die Ver-
dauung werden die Nahrungsmittel so zubereitet, dass ihre
Nährbestandteile zur Aufnahme in das Blut fähig gemacht werden.
Je leichter und rascher die Nährstoffe eines Nahrungsmittels in
das Blut gebracht werden können, desto nahrhafter und ver-
daulicher ist dieses. Die Verdauung erfolgt durch die Ver-
dauungsorgane. Zu diesen gehören: die Mund- und Rachen-
höhle samt Zähnen, Zunge, Gaumen, Mandeln und Speicheldrüsen,
ferner die Speiseröhre, der Magen und der Darmkanal, der aus
Dünn- und Dickdarm besteht. Der ganze Verdauungsapparat ist
innen mit Schleimhaut ausgekleidet und mit Muskeln versehen,
durch deren Bewegung die Speisen von einem Organe zum
anderen geschoben werden. Die Mundhöhle nimmt die Speisen
auf, zerkleinert sie mit den Zähnen, vermengt sie mit dem aus
den Speicheldrüsen fliessenden Speichel und schiebt sie mit Hilfe
der Zunge zwischen den beiden Mandeln hindurch in die Rachen-
höhle. Von hier gelangt sie durch Schluckbewegungen in die
Speiseröhre und rutscht infolge ihrer Schwere allmählich in den
Magen. Der aus den Magenwänden ausschwitzende Magensaft
löst nun die Speisen auf und verwandelt sie in einen Brei, der
Chymus genannt wird. Aus diesem Speisebrei saugen die Blut-
gefässe der Magenwände die schon völlig aufgelösten Nährstoffe
ein und geben sie an das Blut ab. Der Rest des Speisebreies
wird durch die Magenbewegungen in den Dünndarm geschoben,
wo durch Hinzutritt der aus der Leber abgesonderten Galle die
weitere Auflösung und die Aufsaugung der blutbildenden Stoffe
durch die Blutgefässe der Darmwände erfolgt. Die unlöslichen
74
Bestandteile des Speisebreies werden durch die Darmbewegungen
in den Dickdarm gedrängt und von da aus dem Körper entfernt.
Pflege der Verdauungsorgane. Das Hauptorgan der
Verdauung ist der Magen. Von der Beschaffenheit desselben
hängt zum grossen Teil unser Wohlbefinden und unser Gesund-
heitszustand ab. Dieses wichtige Organ bedarf darum der sorg-
samsten Pflege. Ein gesunder, leicht und rasch verdauender
Magen führt dem Blute alle die Stoffe wieder zu, welche dieses
zur Bildung und Erhaltung der einzelnen Organe an den Körper
abgeben muss. Ein kranker, schwerverdauender Magen dagegen
ist nicht imstande, durch die Verdauung dem Blute alle die
Stoffe wieder zu ersetzen, die es unausgesetzt an den Körper
abgeben muss, und es entstehen Blutarmut, Bleichsucht, Ab-
zehrung und Schwindsucht. Um die Verdauungsorgane gesund
und den Magen verdauungskräftig zu erhalten, müssen die Speisen
schon in der Mundhöhle gehörig zerkleinert, angefeuchtet und
zur weiteren Verdauung vorbereitet werden. Dazu bedarf es vor
allem wohlgepflegter und durch tägliche Reinigung und Aus-
spülung gesund erhaltener Zähne. Verdauungsbeschwerden und
sonstige Magenübel sind in vielen Fällen auf mangelhatte Zähne
zurückzuführen. Die Schonung des Magens erfordert ferner
Mässigkeit im Essen und Trinken. Unmässigkeit strengt die
Verdauungskräfte zu sehr an, wodurch diese frühzeitig erschlaffen.
Uebermässiger Genuss geistiger Getränke wirkt zerstörend auf
die Verdauungskraft ein und hat Appetitlosigkeit und allmählichen
Verfall des Körpers im Gefolge. Zur Schonung des Magens
suche man demselben das Verdauungsgeschäft zu erleichtern
durch Meidung schwer verdaulicher Speisen, lockere Kleidung,
aufrechte Haltung, kräftige Atmung und zweckmässige Bewegung.
Erkältungen des Magens oder des Darmkanales veranlassen Ver-
dauungsstörungen, Darmentzündung und andere oft sehr schlimme
Krankheiten. Darum ist die Warmhaltung des Unterleibes
dringend anzuraten.
Tierische Kleidungsstoffe. Gegen die Unbilden der
Witterung, gegen Kälte und Hitze, gegen Nässe und raschen
Temperaturwechsel kann man sich nur durch entsprechende
Kleidung schützen. Der Hauptzweck der Kleidung ist die Er-
haltung der zur Gesundheit nötigen Körperwärme. Darum muß
sich die Kleidung nach dem Grade unserer eigenen und der
äußeren Wärme richten und den klimatischen Verhältnissen an-
passen. Die Stoffe, die uns das Tierreich zur Herstellung der
Kleider liefert, sind Wolle, Seide, Pelz und Häute.
Die Wolle, welche wir hauptsächlich von den Schafen
erhalten, wird auf Maschinen gesponnen und in Webereien zu
Tuch verarbeitet. Dieses wird mit Wasser befeuchtet und gewalkt,
d. h. zwischen Walzen hindurchgezogen, damit die Wollfasern
tüchtig ineinander geschoben werden. Hierauf läuft das Tuch
75 ;
Schult
lüiuliu
zwischen heißen Walzen hindurch, wodurch es dicht und fest
wird. Strichgarntuche sind filzige, Kammgarntuche sind glatte
Gewebe, die von Schneidern und Schneiderinnen zu allerlei
Kleidungsstücken verarbeitet werden. Der ebenfalls aus Wolle
gefertigte Filz dient zur Herstellung von Filzhüten und Filz-
schuhen.
Die Seide erhalten wir von dem in Asien heimischen, jetzt
aber auch in Spanien, Italien und Südfrankreich vorkommenden
Seidenspinner. Aus den Eiern dieses Schmetterlings entstehen
gefräßige Raupen, die sich nach mehrmaliger Häutung verpuppen.
Die gelblichen Puppen, Kokons genannt, bestehen aus einem
einzigen etwa achthundert Meter langen Seidenfaden. Um das
Ausschlüpfen der Schmetterlinge und die dadurch bewirkte Zer-
störung der Kokons unmöglich zu machen, werden diese in heißes
Wasser geworfen. Alsdann werden die Fäden abgehaspelt und
auf Rollen aufgewickelt. In Seidenspinnereien werden die Fäden
zusammengesponnen und auf Webstühlen zu Seidenzeugen ver-
arbeitet, die dann zur Herstellung von allerlei Kleidungsstücken
dienen.
Den Pelz verdanken wir den Pelztieren, den Mardern, -
Iltissen, Wieseln, Zobeln u. a. Wir fertigen daraus Pelzhand-
schuhe, Pelzschuhe, Pelzkragen, Pelzmäntel und Muffe.
Durch Gerben gewinnt man aus den Häuten der Rinder,
Kälber, Pferde, Schafe und Ziegen das Leder, das zur Herstellung
des Schuhwerks und der Handschuhe verwendet wird.
Erhaltung und Aufbewahrung der Kleider. Die
Anschaffung der Kleider verursacht erhebliche Ausgaben. Darum
muß man auf Schonung und Erhaltung derselben bedacht sein.
Eine tüchtige Hausfrau wird die Kleider lange gebrauchsfähig
zu erhalten suchen und die nötigen Ausbesserungen sorgfältig
vornehmen. Mit wenig Nadelstichen ist oft ein kleiner Schaden
repariert, während die Unterlassung der Ausbesserung bald teuere
Neuanschaffungen nötig macht. Junge Mädchen sollen daher
frühzeitig zur Erlernung der Flick- und Ausbesserungsarbeiten
angehalten werden.
Zur Aufbewahrung der Kleider benützt man am besten
einen verschließbaren Schrank, der gegen Staub und Feuchtigkeit
Schutz gewährt. Um das Einnisten schädlicher Motten zu ver-
hindern, legt man Kampfer oder Mottensalz in den Schrank.
Pelzwerk bestreut man mit gestoßenem Pfeffer und hebt es in
gut schließenden Schachteln auf. Von Zeit zu Zeit hängt man
die Kleider einige Stunden in die Luft und klopft sie tüchtig
aus. Auch der Kleiderschrank muß wiederholt gereinigt und
ausgelüftet werden. Leinenzeug legt man in den Wäscheschrank
oder in die Kommode. Man achte darauf, daß diese nicht an
feuchten Wänden stehen, weil sonst die Wäsche leicht Moder-
flecken erhält. Schuhwerk muß trocken aufbewahrt und öfters
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mit Fett eingerieben werden. Nur fettreiche Wichse ist dem
Leder zuträglich.
Reinigungder Kleider. „ Rein und ganz gibt schlichtem
Kleide Glanz“. Darum soll man auf Reinhaltung und Reinigung
der Kleider jederzeit bedacht sein. Das Ausstäuben, Lüften und
Waschen derselben ist schon im Interesse der Gesundheit geboten;
auch verlangt der Anstand, daß man sauber gekleidet daher
kommt. Die gebräuchlichsten Reinigungsmittel sind Wasser,
Seife und Soda. Fettflecken beseitigt man mit Benzin. Mit
Fleckenwasser oder Fleckenseife, die an jedem Orte käuflich
und, lassen sich Flecken jeglicher Art aus den Kleidern entfernen.
Das Waschen. Gebrauchte Bett-, Tisch- und Leibwäsche
muß an einem luftigen Orte aufgehängt und möglichst bald
gewaschen werden. Dazu benutze man womöglich Regen- oder
Flußwasser. Die Wäschestücke wrnrden ordentlich in die Wasch-
bütte gelegt und mit einer aus lauwarmem Wasser und Wöllner-
soda hergestellten Lauge übergossen, in welcher sie über Nacht
stehen bleiben. Am nächsten Morgen werden — nachdem
kochendes Wasser zugegossen wurde — die einzelnen Stücke
herausgedreht und im Waschkessel in einer aus Wasser, drei
Stücken Sunlichtseife und einem Pakete Wöllnerpulver herge-
stellten Brühe partieweise je eine halbe Stunde gekocht, wobei
die Brühe immer über dem Wasser stehen muß. Hierauf kommen
die gekochten Stücke in die mit reinem heißem Wasser gefüllte
WAschbütte zurück und werden ohne Seife durchgewaschen.
Sodann werden dieselben in heißem Wasser gebrüht, ausge-
waschen, in kaltem Wasser geschwenkt, gebläut und zum Trocknen
aufgehängt. Gut behandelte Wäsche ist nach dem Trocknen
blendend weiß. Nachdem die einzelnen Wäschestücke ausge-
bessert und gebügelt sind, setzt man sie in den Wäscheschrank
ein. Das Bügeln ist eine Fertigkeit, die erlernt werden muß
und große Uebung erfordert. Jedes erwachsene Mädchen sollte
das Bügeln erlernen und sich im Haushalte dadurch nützlich
machen. Wollene und baumwollene Kleidungsstücke wäscht man
in lauwarmem Wasser mit Gallenseife tüchtig durch, schwenkt
sie ein- oder zweimal in mäßig warmem Wasser und trocknet
sie im Schatten.
Fleckenbeseitigung. Eine umsichtige Hausfrau wird es nicht
unterlassen, vor dem Waschen die in den Waschstücken etwa befindlichen
Flecken zu entfernen. Tinten- und Rotwoinflecken beseitigt man mit Kleesalz
und Wasser. Obstflecken wäscht man mit Kornbranntwein, dann mit Wasser
und Seife aus. Fettflecken weicht man mit Terpentinöl ein, befeuchtet sie
mit Spiritus und wäscht sie mit iauem Wasser aus.
Die menschliche Haut: Tätigkeit und Pflege.
Die Haut überzieht den Körper auf seiner ganzen Oberfläche
und bietet demselben Schutz gegen Verletzungen und Witterungs-
einflüsse. Sie dient aber auch als Absonderungsorgan für flüssige
und gasförmige Ausscheidungsstoffe und ist zugleich der Sitz
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des Gefühls- und Tastsinnes, wodurch Vorstellungen über Größe,
Gestalt und Beschaffenheit der angetasteten Gegenstände ver-
mittelt werden. Die Haut besteht aus Oberhaut und Lederhaut.
Die Oberhaut hat zwei Schichten, eine Horn- und en' Schleim-
schichte. Die Hornschichte ist aus verhornten, trockenen Zellen
gebildet, die sich allmählich als Schuppen oder Schinnen vom
Körper ablösen. Die Schleimschicht ist eine weiche Masse, die
den Farbstoff oder das Pigment für die Haut enthält. Dieses
Pigment erstreckt sich bei den Negern und Indianern über den
ganzen Körper, kann aber auch nur auf kleine Teile desselben
beschränkt sein, wie bei Muttermäler, Leberflecken und Sommer-
sprossen. Die Lederhaut ist fest und elastisch und von Blut-
gefäßen und Nerven durchzogen. Sie ist der eigentliche Sitz
des Gefühls, weil in ihr die Endorgane des Gefühlsnerves, die
Tastwärzchen, ausgebreitet liegen. Die Lederhaut enthält ferner
Talg- und Schweißdrüsen. Erstere sondern eine fettige Substanz
ab, die Haut und Haare geschmeidig erhält. Letztere scheiden
den Schweiß aus, der durch die Poren an die Oberfläche der
Haut tritt. Durch die Poren findet außerdem ein Gaswechsei
statt, den man als Hautatmung bezeichnet. Diese besteht wie
die Lungenatmung in der Zuführung des Sauerstoffs der atmo-
sphärischen Luft in das Blut und in der Abgabe verbrauchter
Stoffe aus dem Körper. Die Tätigkeit der Haut trägt wesent-
lich zur Gesundung des Blutes und zur Förderung des Stoff-
wechsels bei.
Die Haut bedarf daher ganz besonderer Pflege. Diese
besteht hauptsächlich in der Reinhaltung derselben durch tägliche
Waschungen und Abreibungen, durch öfteres Baden und durch
Vermeidung aller Verschönerungsmittel, wie Schminke und Puder.
Wird die Reinhaltung der Haut vernachlässigt, verstopfen Schmutz,
Staub und eingetrockneter Schweiß und Hauttalg die Poren, so
daß das Blut die verbrauchten Bestandteile nicht absondern und
sich durch den Sauerstoff der Luft nicht kräftigen kann. Das
Auflegen von Schminke und Puder unterdrückt ebenfalls die
Hautatmung und macht die Haut vorzeitig grau und runzelig.
Nur durch einfache natürliche Lebensweise und durch Reinigung
der Haut mit mäßig kaltem Wasser wird die Frische des Ge-
sichtes und das körperliche Wohlbefinden bis ins hohe Alter
erhalten. Plötzliche Abkühlung der erhitzten, schwitzenden Haut
ist gesundheitsschädlich.
Als Hautkrankheiten treten auf: Ausschläge, Entzündungen, Er-
frieren, Verbrennen und Verletzungen. Fieberhafte Ausschläge, wie Pocken,
Scharlach, Frieseln, Masern und Köteln verlangen ärztliche Behandlung, da
namentlich bei Scharlach nicht selten eine dauernde Schädigung irgend eines
Sinnesorganes zu befürchten ist. Hautentzündungen, Rose oder Rotlauf und
Biutschwäre bedürfen ärztlicher Behandlung, wenn sie nicht gefährlich werden
sollen, ebenso Erfrierungen und Verbrennungen. Auch geringfügig erscheinende
Verletzungen, wie Schnitte, Ritze und Stiche sind mit Sorgfalt zu behandeln*
damit diese nicht etwa einen gefährlichen Karakter annehmen.
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Verarbeitung tierischer Stoffe in Gewerben.
Manche tierischen Stoffe finden in den Gewerben zur Herstellung
verschiedener Erzeugnisse Verarbeitung und Verwertung. Aus
den Borsten der Schweine werden Staubbesen, Bürsten und Pinsel
angefertigt. Die Schweifhaare der Pferde dienen zum Aufpolstern
der Möbel und Matratzen und zum Ueberziehen der Violinbogen.
Aus Tierhörnern fertigt man Griffe zu Messern und Gabeln,
Horndosen, Pfeifenspitzen, Hornknöpfe, Stock- und Schirmgriffe.
Hufe und Knochen dienen zur Gewinnung von Leim und künst-
lichem Dünger. Aus Rindertalg bereitet man Seife und Lichter,
aus Schafdärmen spinnt man Saiten für Violinen, Mandolinen,
Gitarren und Harfen. Aus Tierfellen werden prächtige Teppiche
und Bettvorlagen hergestellt. Aus dem Schild der Schildkröte
fertigt man Kämme, Manschettenknöpfe und allerlei Schmuck-
sachen. Der Elefant liefert in seinen Stoßzähnen das kostbare
Elfenbein, das zur Herstellung von Billardkugeln, Stock- und
Schirmgriffen, Manschettenknöpfen, Broschen und allerhand
Schnitzereien Verwendung findet.
Verhütung von Krankheiten. Zur Erhaltung der
Gesundheit ist es unbedingt notwendig, daß man auf Ernährung
und Verdauung, auf Blutlauf und auf Atmung jederzeit Rück-
sicht nimmt. Man sorge darum vor allem für reine frische Luft
in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen, für nahrhafte und leicht
verdauliche Kost, für gehörige Verdauung und Entleerung, für
ungehinderte Hauttätigkeit und für ausgiebige Betätigung des
Atmungs- und Bewegungsapparates durch Wandern, Rudern und
Turnen. Das viele und gebückte Sitzen bei der Arbeit ist ebenso
nachteilig als zu langes Stehen. Es ist darum ratsam, bei der
Arbeit die Stellung des Körpers öfters zu ändern. Im übrigen
beachte man die goldene Regel: „Kopf kühl, Leib offen, Füße
warm, Schlaf genügend und ruhig.“ Es wird dadurch gar mancher
Krankheit vorgebeugt.
Erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen. Bei plötzlich
eintretenden Unglücksfällen steht die Umgebung zumeist ratlos da, weil niemand
weiß, wie der Verunglückte bis zur Ankunft des Arztes zu behandeln ist. Es
werden daher folgende Ratschläge zur Beachtung anempfohlen:
Bei Quetschungen (Blutergüssen unter der Haut und Schwellungen),
die gewöhnlich durch Stoß, Schlag, Fall oder Sturz veranlaßt werden, löse
man die beengenden Kleider und suche den Verletzten so zu lagern, daß er
die Schmerzen weniger stark emptindet.
Bei V er wu n d u n ge n (Schnitt-, Hieb-, Stich-, Schuß-, Riß-und Quetsch-
wunden) spiele man die Wunde mit reinem Wasser, dem einige Tropfen
Karbollösung boigemischt sind, vorsichtig aus und lege mehrfach zusammen-
geschlagene und mit Karbolwasser befeuchtete Leinwand darüber. Geronnenes
Blut entterne man nicht sobald, weil sonst die Blutung von neuem beginnt.
Bei durch Bisse toller Hunde oder Giftschlangen verursachten Wunden ist das
Zuströmen des Blutes durch Einschnürung oberhalb der Wunde zu verhindern,
damit das Gilt nicht in das Blut gelangt. Hierauf suche man durch Aussaugen,
Ausbrennen oder Ausätzen mit Karbolsäure das Gift zu entfernen.
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Bei Blutungen, durch Verletzung einer Pulsader veranlaßt, suche
man den Blutstrom möglichst rasch zu hemmen, damit keine Verblutung
eintritt. Zu diesem Zwecke schließt man die Wunde bis zur Ankunft des
Arztes durch Fingerdiuck. Bei Arm- oder Beinwunden kann die Blutung
durch kräftige Einschnürung oberhalb der Wunde gestillt werden.
Bei Knochenbrüchen lege man einen Notvorband an, wobei das
verletzte Glied durch Schienen, Tücher und Binden in seine richtige Lage
gebracht und in derselben erhalten wird. Auch können bis zur Ankunft des
Arztes kühlende Umschläge gegeben werden.
Bei Verenkungen und Verstauchungen hat sich die erste Hilfe
auf Ruhe des verletzten Gliedes und auf kühlende Umschläge zu beschränken.
Bei Brandunfällen ist die Flamme derbrennenden Kleider durch
Wälzen auf dem Boden, durch Bedecken mit Kissen und Begießen mit Wasser
zu ersticken und die Wunde mit in Baumöl getauchter Leinwand zu belegen;
auch kann man Karbol- oder Borsalbe anwenden.
+
Bei Verbrühungen mit heißem Wasser oder Dampf begieße man
Kleider und Körper mit kaltem Wasser, befreie den Verletzten vorsichtig von
den Kleidern, bestreiche die verbrühten Stellen mit Oel oder Fett und bedecke
sie mit Salicyl watte.
Erfrorene bringe man in einen kalten Raum und reibe sie tüchtig
mit kalten und nassen Tüchern oder setze sie in ein eiskaltes Wasserbad.
Alsdann stelle man künstliche Atmungsbewegungen an, indem man den Brust-
kasten abwechselnd auszudehnen und zusammenzupressen sucht, damit frische
Luft in die Lunge eindringt. Diese Bewegungen setze man beharrlich fort,
bis selbsttätige Atembewegung eintritt. Alsdann bringe man den Kranken in
ein mäßig warmes Zimmer und beginne allmählich den Körper mit waimen
Tüchern zu reiben; auch versuche man, duivh starke Riechmittel das Bewußt-
sein zurückzurufen.
Ertrunkene lege man auf den Bauch, damit das Wasser aus Mund
und Nase auslaufen * kann und beginne nach Entfernung der nassen Kleider
mit Wiederbelebungsversuchen. Zur Erzeugung selbsttätiger Atembewegung
halte man starke Riechstoffe an die Nase, kitzle mit einer Feder Nase und
Rachen und begieße Gesicht und Brust mit frischem Wasser. Bleiben diese
Versuche erfolglos, dann beginne man mit künstlichen Atembewegungen, die
bis zur Ankunft des Arztes fortzusetzeu sind.
Erstickte und Erhängte lege man auf wollene Decken und beginne
die Wiederbelebungsversuche mit Reizmitteln, kalten Begießungen und künst-
lichen Atmungsbewegungen.
Bei Ohnmachtsanfällen sorge man für frische Luft, beseitige be-
engende Kleidungsstücke und besprenge Gesicht und Brust mit frischem Wasser.
Bei Schlaganfällen, die gewöhnlich durch Bluterguß in das Gehirn
verursacht werden, suche man dem Kranken ein bequemes Lager zu bereiten.
Ist sein Kopf rot und heiß, mache man Eisaufschläge, ist er blaß und kühl,
reibe man die Glieder mit wollenen Tüchern. Das weitere überlasse man
dem Arzte.
Bei Vergiftungen durch Genuß giftiger Speisen ist die Eingebung
eines Brechmittels zu empfehlen. Die Anwendung von Gegengiften ist Sache
des Arztes.
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r—
Aus dem Verlage von Fr. Baumgartner in Ludwigshafen am Rhein ist zu beziehen:
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