75. Die Engländer. 365 Marschen und Heiden, wo nur um die Dörfer und Kanäle einzelne Baumreihen sich erheben, und der Mensch hinter seinen Deichen und Wällen den Pflug und die Sense führt —hier, wo die Nähe des Meeres und die Wasser der Seeen, Teiche und Gräben eine feuchte, matte Luft und einen oft umnebelten Himmel zeigen — hier, wo Torf- und Marschland, fette Erde, Torf- und Steinkohlen- flaub alles in Schmutz verkommen lassen würden, wenn der Mensch sich nicht dagegen wehrte — hier, möchte man sagen, hat er sich in der Freude an dem Netten, Heiteren und Bunten eine fröhliche Gegenwehr gegen das Graue und Trübe bereitet. Man muß dies um so höher anschlagen, je mehr Schmutzlande man sieht, die ihre Bewohner ruhig Schmutzlande bleiben lassen. Aber wie dieser friesische Manu fest und still in den gewöhnlichen Zustän¬ den des Lebens ist, ebenso ungestüm und unbändig lodert sein trotziger Mut auf, wenn er seine Freiheit, seine Religion und seine Art in Gefahr glaubt. Im Mittelalter hat er sich genugsam als den Seelöwen bewährt. E. M. Arndt. 75. Die Engländer. Pie Glieder des germanischen Stammes, welcher England bewohnt, haben in Geist, Körper und Lebensweise stark ausgeprägte Eigentümlichkeiten. Bei ihnen ist der Einfluß der Abstammung so außerordentlich groß, daß unter allen Himmelsstrichen, in allen Weltteilen, unter allen Verhältnissen, die Haupt¬ grundzüge des Stammcharakters ihnen bleiben. Der Brite, als Beherrscher des größten Teiles von Südasien, als Bürger der Republik Nordamerika, als Kauf¬ mann in den tausend Handels-Faktoreien, mit welchen er die Erde überzogen hat, bleibt dem Briten, welcher Liverpool oder Birmingham bewohnt, so durch¬ aus ähnlich, daß ihre gemeinschaftliche Abstammung durch Generationen nicht zu verkennen ist. Allen Zweigen und Gliedern dieses Stammes verbleiben die eigentümlichen Vorzüge und selbst die eigentümlichen Fehler, welche beide einzeln und vereinigt die hohe Stellung erklären, die das britische Reich in der Reihe der Staaten einnimmt. Lassen wir, zur Bestätigung dieser unserer Angaben, die im wesentlichen ohne Zweifel richtigen Bemerkungen eines scharfsichtigen Beobachters über den britischen Stamm auszugsweise folgen. Der Engländer läßt sich gefallen, Höherstehende über sich zu haben, denen er Achtung und Gehorsam schuldet, wenn nur zugleich andere unter ihm stehen, die ihn ebenfalls achten; und da er in seinem eigenen Lande nichts unter sich sieht, so erhebt er sich über ganz Europa, indem er sich mit ihm vergleicht. Jeder in England geborene Mensch glaubt einem bevorzugten Volke anzugehören; er fühlt, daß seinen Stammgenossen Kraft, Schönheit, Schätze, alter Ruhm, Wissenschaft, staatliche Ordnung, praktisches Geschick, Straßen, Kanüle, Eisen¬ bahnen, zahllose Kolonieen, Banken, eine mächtige und freie Regierung zu teil geworden sind, und er sagt in seinem Herzen: Nichts unter der Sonne ist mir zu vergleichen. Der außerordentliche und unerwartete Erfolg, den die englische Regierung in ihrem fünfuudzwanzigjährigen Kampfe gegen Frankreich und die Revolution gehabt, hat dieses Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens noch verstärkt. Der Engländer meint, bei ihm sei alles gut und anderwärts alles schlecht; der Staat, der sich in seinem Vaterlande gebildet hat, scheint ihm allein