49. Ein königlicher Wohltäter. 65 wer der leutselige, hohe Herr sei. „Ach, Herr," antwortete das Kind, in seine erstarrten Hände hauchend, „ich muß zu meiner Mutter heim. In meinem Korbe habe ich gebetteltes Brot, davon kocht uns der Vater eine Suppe." „Warum kocht denn die Mutter nicht?" forschte der König weiter, da ihm die offene Antwort gefiel. „Die Mutter ist krank," klagte das Kind, „sie hat sich bei Herrschaften durch Putzen und Waschen verdorben und liegt schon seit einem halben Jahre wie lahm an Händen und Füßen. Der Vater kann nichts mehr verdienen, weil er die kranke Mutter pflegen und meine vier kleinen Geschwister warten muß." „Was hat dein Vater für eine Arbeit?" fragte der Monarch. „Er ist ein Flickschuster," antwortete der Kleine; „aber wenn er auch einmal zum Schustern Zeit fände, so könnte er doch nicht arbeiten, weil er kein Geld hat um Leder zu kaufen. Das letzte Bettstück hat der Vater verkauft um Holz dafür zu bekommen, damit wir nicht erfrieren. Wir liegen alle auf Stroh. Bis ich heimkomme, brennt Feuer im Ofen; dann wärmen wir uns und bekommen von den Brotbrocken, die mir gute Leute in Schwabing geschenkt haben, eine warme Suppe. Wir haben heute noch gar nichts zu essen gehabt." Nachdem sich der König die Wohnung des Knaben hatte sagen lassen, eilte der kleine Bettler mit einem treuherzigen „B'hüt Gott, Herr!" weiter, froh in dem Gedanken bald aus der grimmigen Külte in eine warme Stube zu kommen. Seine Majestät ließ alsbald genaue Erkundigungen einziehen, ob die Angaben des Knaben auf Wahrheit beruhen. Es verhielt sich in der Tat alles so, wie der Kleine gesagt hatte. In der Wohnung des Flickschusters herrschte bitteres Elend; ja die Not war in Wirklichkeit noch viel größer, als das Kind in seiner einfachen, schlichten Weise sie hatte schildern können. Nur das unerschütterlichste Gottvertrauen schützte die Unglücklichen vor Verzweiflung. Nach wenigen Tagen wurde die schwerbedrängte Familie von unbekannter Hand mit guten Betten und den nötigen Möbeln beschenkt. Ein Arzt besuchte ungerufen die kranke Frau, sorgte für richtige Pflege, gute, kräftige Kost und erquickenden Trank und gab der Kranken bei genauer Befolgung seiner Vorschriften die beste Hoffnung auf baldige Wiederherstellung ihrer Gesundheit; der Flickschuster erhielt ohne sein Zutun von einem Lederfabrikanten einen größeren Vorrat von Leder auf Abzahlung zugesandt. Bald hatte er auch Arbeit genug. Die niederen Bediensteten des Kgl. Marstalles ließen auf einmal alle ihre Flickarbeiten bei ihm besorgen. Ein hoher Befehl hatte dies so verlangt. Wenige Wochen nach der Zeit der größten Not leuchteten am Christabend in der steundlichen Stube des braven, fleißigen Flickschusters die Kerzen des Weihnachtsbaumes mit den vor Freude Lesebuch für Gcwerbl. Fortbildungsschulen. Erweiterte Au-gabe. * ö