Karl der Große. 39 den drücken würde, ihm nicht beschwerlich war, ja daß man von ihm erzählte, er hätte Hufeisen wie Brod zerbrechen können und einst einen Sarazenen bis auf den Sattelknopf gespalten. Sein Gesicht war fast stets heiter; denn er war ein Freund unschul¬ digen Scherzes. Sein Hinterkopf war rund, mit schönem Silber¬ haar geziert, seine Nase etwas groß, seine Augen groß und klar und mit durchbohrendem Blicke, wenn er zürnte. Sein Nacken kurz und fett, sein Unterleib in spätern Jahren etwas stark, sein Gang niännlich, fest und voll Würde, nur seine Stimme heller, als man bei so großem Körper hätte erwarten sollen, dieser aber so gesund, daß er im 68. Jahre noch nichts von Krankheit wußte. Denn er bewegte sich viel, war ein trefflicher Reiter und Schwim¬ mer, ein Freund der Jagd und durchaus mäßig in Speise und Trank. Sein Tisch war gewöhnlich mit Hausmannskost besetzt; nur vier Schüsseln — für einen Kaiser sehr wenig — wurden aufgetragen. Bei der Tafel ließ er sich, damit keine Zeit ver¬ loren gehe, die Geschichten der Vorzeit vorlesen. Selten nur wurde höher geschmaust, nur bei großen Festen; aber dann zeigte er sich ganz als Kaiser. Vielen Schlaf bedurfte der thätige Mann nicht. Jede Nacht stand er ein oder mehrere Male auf und ar¬ beitete dann, oder betete, oder sah andächtig und voll Bewun¬ derung zu den Sternen hinauf. Sein Name wurde nicht nur von seinen Unterthanen mit Ehrfurcht ausgesprochen; auch weit entfernte Fürsten kannten ihn und suchten ihn durch Gesandtschaften zu ehren. Damals lebte in Bagdad in Asien (am Flusse Tigris, nicht weit vom persischen Meerbusen) ein mächtiger Khalif, Harun al Raschid (sprich Arreschihd), ein Abasside, der auch von Karl gehört hatte und ihm eine Gesandtschaft schickte, die natürlich großes Aussehen im Frankenlande erregte. Auch Geschenke brachten diese Morgen- länder nach ihrer Weise mit: Gezelte aus schönen bunten Zeuchen von seltener Größe und Schönheit, kostbare seidene Stoffe, Bal¬ sam, Rosenöl, kostbares Räucherwerk, große metallene Leuchter und — was vorzügliche Aufmerksamkeit erregte — eine Uhr, die erste im Abendlande. Es war eine Wasseruhr. Sie war von Messing und zeigte die Stunden an. Nach jeder Stunde fielen so viele Erzkügelchen, wie der Seiger zeigte, auf eine Metallplatte herab, und eben so viele Reiter sprangen aus künstlich angebrachten Fenstern heraus, ritten rings um die Uhr und verschwanden wie¬ der da, wo sie herausgekommen waren. Auch ein Schachspiel war