408 158. Die Anfänge der deutschen Flotte. Der gewaltige geistesverwandte Ahn unseres jetzigen Kaisers, der Große Kurfürst, war der erste Hohenzoller, dessen weiter Blick die Bedeutung der See für sein Land erkannte und der nun mit eiserner Willenskraft trotz aller Kriegsnöte jener schweren Zeit und des Daniederliegens von Handel und Wohlstand in seinen verödeten Marken die Grundlage zu schaffen trachtete, um seiner Flagge See¬ geltung in den heimischen Meeren und auf dem Ozean draußen zu gewinnen. Das Jahr 1675 bezeichnet den Anfang jenes ruhmreichen, aber ach, so kurzen Zeitraumes, in welcher der rote, kurbranden- burgische Adler im weißen Felde über den Meeren wehte; die mit Hilfe des holländischen Schiffsreeders Benjamin Raule geschaffene junge Flotte errang ihre ersten kriegerischen Lorbeeren, als die schwedische Fregatte „Leopard" die Flagge streichen mußte und an ihrer Stelle im Groß-Topp die Flagge des Kurfürsten stieg. Wagemutige Unternehmungen gegen die Krone Spanien führten das brandenburgische Geschwader zu weiteren Erfolgen auf dem Atlantic und dem Golf von MeXiko, und kurz darauf an die Westküste Afrikas zur Leistung der größten handelspolitischen Tat des Kur¬ fürsten: der Schöpfung brandenburgischer Kolonien an der Guinea¬ küste. Zu jener Zeit verfügte die Zunge Kolonialmacht über einen Flottenbestand von fünfundsiebenzig Schiffen mit rund dreihundert Geschützen, und als ihr Begründer aus seinem ruhmreichen Leben abgerufen ward, wehte die brandenburgische Flagge über drei festen afrikanischen Forts: Großbrandenburg, Accoda und Arguin. Aber was diese eine mächtige Herrscherhand in glanzvollen dreizehn Jahren auf und über See geschaffen, hatte unter seinem Nachfolger nur kurzen und kümmerlichen Bestand: die alten seege- wohnten Galeeren verfaulten untätig in den stillen Häfen von Emden und Pillau; die Hilferufe aus den bedrängten fernen Kolonien verhallten lange ungehört, und als man endlich auf gemieteten holländischen Fahrzeugen und unter holländischer Flagge ein winziges Ersatzkommando hinaussandte, hatte bald die rühmlose Sterbestunde jener ersten ruhmreichen Epoche brandenburgisch-preußischer See¬ geltung geschlagen: für ganze sechstausend Dukaten ward die Kolonisationsschöpfung des Großen Kurfürsten an die holländische Kompagnie abgetreten. Hundertvierzig Jahre sollten vergehen, bis der in Zauberschlaf versunkene Flottengedanke wieder erwachte, bis von neuem unter der Führung des tatenfrohen Herrschergeschlechts das alte Fähnlein an den Mast geknüpft wurde, von dem es bis zum heutigen Tage nicht mehr niedergeholt worden ist und, so Gott will, immer mächtiger und leuchtender über den blauen Fluten auswehen soll.