— 127 polnisches Industriegebiet ins Leben gerufen. Dafür find weite Gebiete im Norden und Süden mit Mineralschätzen ungenügend bedacht. Und da Deutschland nachgerade ein altes Land geworden ist, so sind in einigen einst reichen Erzgebirgen die Lager erschöpft. Der Schwarz¬ wald und die Vogesen sind heute bergmännisch von geringer Bedeutung, und im Thüringer Wald. Harz und Erzgebirge verkünden begrünte Halden und die mit Wasser gefüllten Trichtergruben (Pingen) ein¬ gesunkener Stollen an hundert Plätzen verlassene Bergwerke. Die Silberbergwerke haben durch das Fallen des Silberpreises viel von ihrem Wert verloren. Sachsens Silberbergwerke waren die Haupt- ursache der frühen Reife dieses Koloniallandes: heute ist der Wert ihrer Erzeugnisse nur ein Zwölftel von dem der sächsischen Kohlen¬ gruben. Die einst durch sie angezogene Bevölkerung bildete den Grundstock der dichten Zndustriebevölkerung in rauhen Gegenden des Erzgebirges. Auch die Goldwäscherei hat in deutschen Flüssen seit mehr als einem Menschenalter gänzlich aufgehört. Sie war einst besonders am Rhein und in Thüringen ertragreich gewesen. Die hellgelben Dukaten aus Rheingold und die aus dem Golde thüringischer Bäche geschmiedeten Brautringe deutscher Fürstenkinder gehören schon der Geschichte an. Die überseeischen Nachbarn Deutschlands. Auch die Länder, die jenseits der deutschen Meere liegen, sind unsere Nachbarn: wie oft haben sie sich mit ihren Kriegs- und Kaper¬ schiffen und Landungstruppen viel unbequemer gezeigt als die Land¬ nachbarn, deren Kräfte von schwerfälligerer Bewegung sind. Man spricht gewöhnlich nicht von Nordseemächten, weil die Nordsee zu wenig geschlossen, mehr nur Durchgangsmeer ist. Aber Englands Beziehungen zu Deutschland suchen den Weg über die Nordsee. Die Nordsee kreuzten einst die Angeln und Sachsen, die nach England übersetzten, und die Hansekaufleute, die jahrhundertelang den englischen Handel beherrschten. Als England selbständiger geworden war, er¬ schien ihm das durch die Nordsee von ihm getrennte Deutschland weit hinter dem näher gelegenen Frankreich und den einst seemächtigen Niederlanden. Schwer gewöhnte es sich seit 1870 an die Vorstellung eines zweiten mächtigen Nachbarn. Seitdem ist aber Deutschland immer größer am Nordseehorizont emporgestiegen: es nimmt heute auch mehr als jedes andere europäische Land von der englischen Ausfuhr auf. Die Niederlande dagegen, an demselben Südufer der Nordsee gelegen, standen stets näher bei Deutschland: in friedlicher Wechselwirkung und in scharfem Wettbewerb knüpfte sich ein Band