— — 189 — 88. Iriedrich der Große. In den Friedensjahren widmete sich König Friedrich mit dem größten Fleiße den Regierungsgeschäften. Nie hat ein Fürst thätiger für seines Volkes Glück gesorgt als er. Während Ludwig XIV. nach dem Grundsätze regierte: „Der Staat bin ich!", erklärte Friedrich: „Das Interesse des Staates ist mein eigenes. Ich bin nur des Staates erster Diener." Er schaffte die Folter und die Hexenprozesse ab, brachte Künste und Wissenschaften wieder zu Ehren, verkündete Denk- und Glaubensfreiheit und die Gleichheit aller, sei es Fürst oder Bauer, vor dem Gesetze. „Mein Stand verlangt Arbeit und Thätigkeit; mein Geist und mein Leib beugen sich unter die Pflicht. Daß ich lebe, ist nicht nötig, wohl aber, daß ich thätig bin." Diesem Grund¬ sätze gemäß ordnete er alles selbst an, sorgfältig und pünktlich. Schon um 4 Uhr des Morgens ließ er sich wecken, um zu arbeiten. Selbst ein Muster in treuer Pflichterfüllung, verlangte er aber auch von jedem seiner Unter¬ thanen, daß er seine Bürgerpflicht treu erfülle. Auf alle eingelaufenen Schreiben und Bittschriften erfolgte rasch der Bescheid; oft schrieb ihn der König mit eigener Hand in kurzen, treffenden Worten an den Rand. Ungerechtigkeiten duldete er nie. Keinem seiner Unter¬ thanen versagte er das Gehör. „Die armen Leute", sagte er, „wissen, daß ich Landesvater bin; ich muß sie hören, dazu biu ich da." Die freien Stunden, welche ihm die Staatsgeschäfte übrig ließen, widmete er der Musik und wissenschaftlichen Thätigkeit. Auch als Schriftsteller erwarb er sich Ruhm. Er bediente sich aber der französischen Sprache, denn seine Erziehung war eine französische gewesen. Dazu kam, daß die deutsche Sprache und Dichtung zu seiner Zeit noch nicht so ausgebildet waren wie die französische und daher den großen Geist nicht mächtig genug anzogen. Während der Mahlzeit unterhielt er sich am liebsten mit den gebildetsten seiner Offiziere und mit berühmten Gelehrten, die er gern zu seiner Tischgesellschaft wählte. Da war er in witzigen, sinnreichen Reden unerschöpflich. Jedes Jahr bereiste er die Provinzen, um die Truppen zu mustern und zugleich nach allem in der bürgerlichen Verwaltung zu sehen; hohe und niedere Beamte mußten da Rechenschaft über ihre Thätigkeit ablegen, und damit auch die Zeit, welche der König auf der Landstraße zubrachte, nicht unbenutzt bleibe, mußten die Landräte und Amtleute neben seinem Wagen herreiten und ihm von dem Zustande der Kreise und Ortschaften erzählen. Auch Kaufleute sah er gern, um sich bei ihnen nach den Gewerbsverhältnissen und dem Gange der Geschäfte zu erkundigen. Mit Bauern .und geringen Leuten redete er freundlich unb treuherzig. Alle Stände hatten sich seiner Hülfe und unermüdeten Fürsorge zu erfreuen. Nach dem 7 jährigen Kriege war seine erste Sorge darauf gerichtet, die Wunden zu heilen, welche der Kampf seinem Lande geschlagen hatte. Das Getreide, welches er schon für den nächsten Feldzug hatte ankaufen lassen, verteilte er als Saatkorn unter die verarmten Landleute, und die Pferde, welche für das Geschütz und Gepäck bestimnü waren, gab er für den Ackerbau her. Aus seinen eigenen Ersparnissen baute er die niedergebrannten Ort¬ schaften wieder auf, ließ er notleidenden Gegenden Unterstützungen zufließen. Denn für sich selbst brauchte der König sehr wenig; seine Lebensweise und Kleidung waren sehr einfach. „Ich bin arm", pflegte er zu sagen, „aber der Staat ist reich; mein Schatz gehört nicht mir, sondern dem Staate." So /